Mrz 072009
 

Und noch etwas erfüllt mich mit Stolz: Sogar in vielgelesene Bestseller schafft es mein Heimatbezirk. Diesmal also: das Prinzenbad, nur einen Steinwurf vom Kottbusser Tor entfernt. Wir berichteten in diesem Blog bereits mehrfach in Wort & Schrift daraus – denn ich versäume es nie, eine Dauerkarte für das Familienbad zu lösen.

Necla Kelek dolmetscht in ihrem spannenden Buch „Die verlorenen Söhne“ für uns, was sie im Sommer 2005 am Kreuzberger Beckenrand sah und hörte. Zuerst berichtet sie, wie die Mutter des späteren Sultans Murat III., Nurbanu, im Jahre 1574 die anderen fünf rechtmäßigen Söhne seines Vaters Selim II. aus der Welt schaffen ließ: Sie ließ die Prinzen in Säcke nähen und vom Topkapi aus in den Bosporus werfern. Sie „ertranken“ im Meer. In einem kühnen Sprunge blendet die Autorin dann ins Kreuzberg des Jahres 2005 über und schildert die Prinzen des heutigen Tages:

Die „Prinzen“ treten meist in Gruppen auf, vier bis sieben Jungen zwischen sechs und sechzehn Jahren, die zusammengehören, meist Brüder, zumindest Cousins, die alles gemeinsam machen. Was sie machen, bestimmt der Abi, der Älteste. Man geht gemeinsam zum Springen, isst gemeinsam, liegt gemeinsam auf dem Handtuch. Alle tragen weite Shorts, vom Bauchnabel abwärts bis zu den Knien, keiner trägt eine enge Badehose. Die Kinder unterhalten sich nicht, sie scherzen auch nicht, sondern sie schreien (auf Türkisch): „Spring oder ich fick dich“, „ich fick deine Mutter“, so als bestünde Türkisch für diese Jungen nur aus diesen Worten.

Die Abis sind die Könige des Beckenrands. Sie sehen den deutschen Mädchen nach, kontrollieren mit routiniertem Griff den Sitz ihres Genitals, erteilen den Kleinen gnädig Genehmigung zu springen oder auf die Toilette zu gehen. Der eigene Rang wird durch ständige Kontrolle der Jüngeren unterstrichen.

Na, solche Negativberichte schrecken natürlich viele deutsche Familien vom Besuch des Prinzenbades ab. Schade. Wir gehen trotzdem regelmäßig hin. Ab und zu quatsche ich mit den türkischen Jungs, die über die Zäune klettern. Mein Eindruck: Da ich ein erwachsener Mann bin, der sich nicht ins Bockshorn jagen lässt, respektieren sie mich. Zumal ich vom Alter her bei weitem der Abi ihres Abis sein könnte.

Dennoch: Kommt ins Prinzenbad, nehmt Keleks Buch mit, staunt, vergleicht, redet mit den türkischen Jungs vor Ort. Hat die Autorin recht mit ihrem Bericht?

Hier noch die Quellenangabe (bewundernswertes Buch, bewundernswerte Frau!):

Necla Kelek: Die verlorenen Söhne. Plädoyer für die Befreiung des türkisch-muslimischen Mannes. Taschenbuchausgabe Oktober 2007. Wilhelm Goldmann Verlag München. 8,95 Euro. Hier: S. 146-147

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