Apr 072009
 

Erneut hat Präsident Obama eine bewegende, seine Zuhörer begeisternde Rede gehalten, diesmal im türkischen Parlament. Ähnlich wie Angela Merkel in Deutschland, so ist Barack Obama weltweit all seinen Kommentatoren, Gegnern, aber auch seinen Unterstützern stets um ein bis zwei Gedankenzüge voraus. Obama versteht es meisterhaft, in seinen Reden das Richtige richtig zu sagen und das zu diesem Zeitpunkt Unstatthafte nicht zu sagen. Er hat zu recht ins Gedächtnis gerufen, dass die Türken seit mehreren Jahrhunderten Teil Europas sind, die europäische Geschichte mit beeinflusst haben, vor allem in all den Jahrhunderten, in denen weite Teile Südost-Europas unter ihrer Herrschaft standen, darunter Griechenland und der Balkan.

Völlig zu Recht hat er die Größe und Ehre der Türkei hervorgehoben, denn das wollen die Türken hören. Größe und Ehre kann man ohne Gefahr jedem Volk zusprechen. Es ist ein Akt der Höflichkeit und der politischen Klugheit, dies in dem Land zu tun, in dem man sich gerade aufhält. Obama hat ferner mehrfach unterstrichen, dass die Türkei eine Demokratie ist und auch bleiben soll. Man muss loben und preisen, was gut ist und gut sein soll – dann wird es auch so.

Völlig zu recht hat er es vermieden, die Massaker an den Armeniern 1915 erneut Völkermord zu nennen, wie er es oftmals in den USA getan hatte. In der Pressekonferenz danach hat er gesagt: „Meine Ansichten sind aktenkundig, meine Ansichten haben sich nicht geändert.“

Was hätte es gebracht, im türkischen Parlament diese Bezeichnung „genocide“ zu wiederholen? Es hätte all seine türkischen Zuhörer gegen ihn aufgebracht, sie hätten stumm Zeter und Mordio geschrien, ihre Mienen wären eisig geworden.  Allerdings hat er den armenisch-türkischen Konflikt in eine Reihe mit dem Völkermord der Kolonialisten an den Indianern in den USA gebracht, mit der Schande der Sklaverei und der Rassentrennung. Seine Botschaft war klar: „Jeder kehre vor seiner eigenen Tür. Auch wir Amerikaner haben schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen.“

Zum Thema EU-Beitritt ist ebenfalls zu sagen: Es liegt im strategischen Interesse der USA und der NATO, wenn der amerikanische Präsident den türkischen Beitritt zur EU unterstützt.  Auch hier hat der Präsident das Richtige gesagt, um die Herzen seiner Zuhörer für sich zu gewinnen.

Was meine ich selbst zu dem Thema? Nun, da ich ja hier in Kreuzberg unter Türken und Arabern lebe: Ich wünsche mir vor allem sehnlich, dass die Türken, die hier in Deutschland leben, unserem Staat, unserer Gesellschaft beitreten. Ihnen stehen alle Chancen offen. Aber sie nutzen sie nicht, sie haben es sich in ihrer großen Mehrheit in einer abgesonderten, staatlich alimentierten Privatexistenz behaglich eingerichtet. Sobald wir das geschafft haben, sobald die Türken in Deutschland und anderen europäischen Ländern sich am öffentlichen und politischen Leben beteiligen, wird sich auch eine realistische EU-Beitrittsperpektive der Türkei ergeben. Ich werde der erste sein, der sich später dann für einen EU-Beitritt einsetzen will. Ein EU-Beitritt müsste jedoch im Interesse sowohl der EU als auch der Türkei liegen. Zur Zeit kann ich mich nicht für einen EU-Beitritt der Türkei aussprechen.

Erst einmal müssen dafür die Deutsch-Türken, vor allem jene mit deutschem Pass, der Bundesrepublik Deutschland innerlich und äußerlich beitreten, müssen ihren Beitrag zum Gemeinwesen leisten wollen. Dazu müssen auch wir Deutsche etwas beisteuern, indem wir sagen: „Tretet uns bei! Wo seid ihr? Wir hören euch nicht.“

Wir brauchen hier einen echten Mentalitätswandel – mehr als Programme, mehr als Geld, mehr als Kongresse.

Ich verweise noch einmal auf den allerersten Beitrag in diesem Blog, wo ich erschüttert feststellen musste, dass bei einer öffentlichen Diskussion über den moslemischen Fundamentalismus kein einziger Moslem sich beteiligte – und das in einer Stadt, in der über 200.000 Moslems leben!

Link zur Rede und Ausschnitte:

 Barack Obama and Joe Biden: The Change We Need | Obama for America: President Obama in Turkey: „You cannot put out fire with flames“
Another issue that confronts all democracies as they move to the future is how we deal with the past. The United States is still working through some of our own darker periods in our history. Facing the Washington Monument that I spoke of is a memorial of Abraham Lincoln, the man who freed those who were enslaved even after Washington led our Revolution. Our country still struggles with the legacies of slavery and segregation, the past treatment of Native Americans.

Human endeavor is by its nature imperfect. History is often tragic, but unresolved, it can be a heavy weight. Each country must work through its past. And reckoning with the past can help us seize a better future. I know there’s strong views in this chamber about the terrible events of 1915. And while there’s been a good deal of commentary about my views, it’s really about how the Turkish and Armenian people deal with the past. And the best way forward for the Turkish and Armenian people is a process that works through the past in a way that is honest, open and constructive.

 Posted by at 18:02

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