Großer Tag gestern für uns alle: das erste Zeugnis nach einem Jahr Grundschule unseres Wanja halten wir in Händen. Überrascht bin ich, wie lange es ist! Noten in Zahlenform gibt es nicht. Stattdessen eine sehr ausführliche Beschreibung dessen, was unser Sohn gebracht und gemacht hat. Anhand des Zeugnisses kann ich erfahren, womit sich die Kinder beschäftigt haben und wie sich Wanja dabei verhalten hat.
Das Zeugnis ist in fasslicher Sprache abgehalten, die sich aller Ausdrücke enthält, die den nicht vorgebildeten Leser abschrecken könnten. Man merkt: Der einzelne Schüler mit all seinen Neigungen, Leistungen, aber auch seinen Schwächen steht im Mittelpunkt. Es ist eindeutig: Der Schüler ist eine freie Persönlichkeit, die im Lernraum Schule in die Verantwortung für das hineinwächst, was sie macht, tut, unterlässt, leistet und anstellt.
Die Lehrerin hat sich offenkundig sehr viel Zeit genommen, um ihre Eindrücke zusammenzufassen.
Insgesamt liest sich das Schulzeugnis wie ein sehr ausführliches Arbeitszeugnis, wie es etwa ein Arbeitgeber für einen Mitarbeiter ausstellen könnte. Es fehlen alle abwertenden, herabsetzenden Äußerungen. Dennoch ist es uns Eltern möglich, gewisse Nachlässigkeiten oder Schwächen unseres Sprösslings herauszulesen. Etwa wenn es heißt: „… er bemühte sich …“ oder: “ es gelang ihm meist …“ Das ist keinesfalls die alte Schulnote 1!
Geradezu baff bin ich allerdings, als ich versuche, dieses Zeugnis mit meinen eigenen früheren Schulleistungen und auch meinen eigenen heutigen Verhaltensweisen zu vergleichen. Ich stelle fast völlige Übereinstimmung, vor allem in den Schwächen fest. Abgesehen davon, dass ich heute etwas über den Zahlenraum von 1 bis 20 hinausrechne – mindestens bis 100. Das kann doch wohl nicht wahr sein!
Gesamteindruck: Diese Art des Zeugnisses gefällt mir sehr gut. Ich finde diese Art weit besser als alle anderen Zeugnisse, die ich von anderen Schülern bisher zu lesen bekam. Weiter so! Aus Datenschutzgründen werde ich hier nicht aus dem Zeugnis zitieren. Der Name der Schule sei jedoch verraten: Fanny-Hensel-Grundschule.
Ihr werdet sagen: „Ja, ihr, ihr deutschen bildungsbewussten Kreuzberger Eltern geht eben auf eine besonders gute Schule, auf eine typische Elite-Grundschule.“ Hierauf erwidere ich: Dem mag durchaus so sein. Es ist eine besonders gute Schule, das leugne ich ja gar nicht.
Aber die Grundsätze, nach denen dort gearbeitet wird, sind übertragbar! Jede Schule kann eine solche Elite-Schule werden! Probiert es aus!
Sorry, the comment form is closed at this time.