Es geht voran mit dem Radverkehr in Berlin! Darüber berichtet die Morgenpost heute: „Im Herbst will die Verkehrsverwaltung die Ergebnisse einer Haushaltsbefragung zur Verkehrsnutzung vorstellen. Stichproben haben schon jetzt ergeben, dass der Radverkehr in Mitte seit 2001 um 40 Prozent zugenommen hat und in Kreuzberg um mehr als 30 Prozent.“ Ca. 500.000 Radfahrer bewegen sich täglich auf Berlins Straßen, Radwegen und Gehwegen. Womit wir beim Problem sind: Wo fahren sie? Wo sollen sie fahren? Lest den Artikel, indem ihr darauf klickt:
Ausbau – Berlin bekommt 56 neue Radwege – Berlin – Berliner Morgenpost
Es ist erklärter Wille des Senates, den Fahrradverkehr von den Bürgersteigen auf die Straße zu verlagern, deswegen verstehe ich nicht, dass weiter Radwege auf Bürgersteigen eingerichtet werden, kritisiert der Fahrradbeauftragte des Landes Berlin, Benno Koch. Er versteht auch nicht, warum marode Radwege auf Bürgersteigen saniert oder wie in Stahnsdorf sogar neu gebaut werden. Außerdem kritisiert Koch die Nutzungspflicht auf engen und gefährlichen Radwegen, wie die neu eingeführte Nutzungspflicht in der Potsdamer Straße in Tiergarten und Schöneberg.
Ich meine: Der Fahrradbeauftragte des Berliner Senats Benno Koch hat recht. Denn 80% aller Fahrradunfälle geschehen auf den Radwegen oder beim Hinauffahren auf die Radwege oder beim Verlassen der Radwege. Immer da, wo Verkehrsarten ohne ausreichende Sichtbeziehung einander kreuzen oder ineinander fließen, besteht erhöhte Unfallgefahr. Eine sehr geringe Unfallgefahr besteht im Längsverkehr auf einer gemeinsamen, ausreichend breiten Fahrbahn.
Deshalb gilt grundsätzlich: Radverkehr in steter Sichtbeziehung mit dem Autoverkehr führen!
Sowohl der PKW- als auch der Radverkehr aller Menschen ab 10 Jahren sind Straßenverkehr im engeren, auch im rechtlichen Sinne. Die Fußgänger auf den Gehwegen hingegen unterliegen nicht den Regeln des Straßenverkehrs. Die Fußgänger sind, solange sie auf den Fußwegen bleiben, im strengen, auch im rechtlichen Sinne keine Verkehrsteilnehmer. Sie können eigentlich auf den Gehwegen tun und lassen, was sie wollen.
Deshalb: Fußgänger- und Radverkehr deutlich und jederzeit sichtbar voneinander trennen. Die beiden Dinge gehören nicht zusammen! Im Zweifelsfall muss der PKW-Verkehr für die andere Straßenverkehrsart, also den Radverkehr, Fläche frei machen. Der Raum für alle Verkehrsarten ist nun mal begrenzt. Radverkehr und PKW-Verkehr müssen sich schiedlich-friedlich die Straßenverkehrsfläche teilen.
Besonders bewährt haben sich an vielen Stellen die sogenannten Radstreifen, also die „Schutzstreifen“ oder „Angebotsstreifen“. Das sind abgetrennte Spuren auf der Straße für den Radverkehr, auf denen die Radfahrer neben den PKW dahinfließen. Jederzeit sichtbar, aber durch eine durchgezogene Linie geschützt wie im „Schutzstreifen“. Oder durch eine gestrichelte Linie längs den PKW geführt. Dieser Streifen heißt „Angebotsstreifen“, die Autofahrer dürfen ihn befahren, sofern sie dadurch keine Radfahrer behindern.
Im Einzelfall muss man dann schauen, was sich schickt, was machbar ist. Das kann wohl auch bedeuten, dass hin und wieder bauliche Radwege in deutlicher Absetzung vom Gehweg instandgesetzt werden. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass viele Radfahrer noch zusätzlich Sicherheit suchen, dass sie weiterhin ihren altbekannten „Radweg“ suchen. Das gilt vor allem für ältere, weniger schnelle Radfahrerinnen und Radfahrer.
Schaut euch etwa das Tempelhofer Ufer oder das Schöneberger Ufer an, schaut euch die Skalitzer Straße an! Ich persönlich fahre auch dort stets wie vorgeschrieben auf der Fahrbahn. Radwege oder Radspuren gibt es dort nicht. Neben mir zischen mit Gebrummm und Wucht um Haaresbreite die PKW und LKW mit 60, 65 oder 75 km/h vorbei. Doch einmal freute ich mich riesig: Ein Kleinbus bremste hörbar hinter mir ab, wartete bis genug Platz frei wurde und zog dann in etwa 2 Meter Abstand an mir vorbei. Es war – – – eine „Wanne“, es war – die Polizei! Na bitte, es geht doch! Versteht ihr jetzt, warum ich immer wieder sage: „Wir Radfahrer müssen die Grünen als unsere natürlichen Verbündeten sehen“?
Die Autofahrer halten am Tempelhofer Ufer, auf der Skalitzer Straße usw. fast alle die Höchstgeschwindigkeit laut StVO nicht ein. Sie halten fast alle den laut StVO vorgeschriebenen Mindestabstand nicht ein.
Kann man es irgendeinem Radfahrer verdenken, wenn sie oder er auf dem Gehweg fährt? Nein! Wir werden durch die überwiegend rücksichtslos fahrenden PKW buchstäblich auf den Gehweg verdrängt. Das ist nun mal so, da mag die StVO sagen, was sie will: Wenn die stärkeren Verkehrsteilnehmer, also die Autofahrer, sich überwiegend über den Geist und den Buchstaben der StVO hinwegsetzen, dann bleibt den Schwächeren, also den Radfahrern, oft nichts anderes übrig, als sich ihrerseits über den Buchstaben der Verkehrsordnung hinwegzusetzen und vorsichtig peilend zwischen den wenigen Fußgängern den Weg zu suchen.
Als blutjunger, kräftiger Mann liebe ich das Leben. Ist mir je etwas passsiert, weil ich auf der Fahrbahn fuhr? Ja, aber in 40 Jahren Fahrpraxis nur ein einziges Mal! Eine Autofahrerin öffnete die Tür, ich stürzte, wurde aber nicht verletzt. Die Stelle seht ihr oben auf dem Bild, es war am rechten oberen Straßenrand, neben den parkenden Autos vor der SPD-Bundeszentrale. Da die Autofahrer dort ebenfalls den Mindestabstand nciht einhalten, fuhr ich zu eng an den Autos vorbei.
Ist aber auf diesen Straßen kürzlich ein schwerer Radfahrunfall passiert? Ja! Eine Radfahrerin starb vor wenigen Monaten, weil sie von einem rechtsabbiegenden Bus übersehen wurde. Es geschah beim Abbiegen vom Schöneberger Ufer in die Möckernstraße – und die Radfahrerin war nicht auf der Straße, sondern auf dem Gehweg unterwegs.
One Response to “In den Banlieues des Wortschatzes: „Radwege“, „Radspuren“, „Radrouten“, „Radverkehrsanlagen“, „Schutzstreifen“, „Angebotsstreifen“, „baulicher Radweg“ …”
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Radstreifen können auch richtige Horrorstreifen werden – nämlich wenn sie Radfahrer in den Türöffnungsbereich des parkenden Verkehrs zwingen und gleichzeitig einen besonders geringen Überholabstand legitimieren. In Berlin gibt es superenge Radstreifen auch, aber glücklicherweise selten. In anderen Städten scheinen sie, wenn ich mir entsprechende Internetbeiträge anschaue, die Regel zu sein. Das ist für mich ein ganz wichtiger Nebenaspekt – ein Radstreifen muss in jedem Falle breit genug sein!
Die Polizei fällt mir auch immer durch sehr zurückhaltendes Fahren auf. Neulich überholte mich ein Streifenwagen allerdings mit weniger als 50 cm Abstand – auf einer breiten, unbefahrenen Fahrbahn. So etwas ist ärgerlich und hoffentlich ein Einzelfall.