Dez 282009
 

„It was late December and from a dark grey sky blew a wind that was quick enough and sharp enough to steal your breath …“ Mit diesen Sätzen tauche ich ein in den neuen Roman von Robert Harris, „Lustrum“. Ich teile mit Harris die Faszination durch die antike Politik. Alles, was wir heute noch durchfechten, wurde keimhaft dort schon angelegt: Das Setzen auf die Kraft des Wortes, das Ringen um den Sieg in Rede und Gegenrede, die Einsicht in die Machtgebundenheit alles politischen Handelns. Aber in einem scheint mir das folgende Interview mit dem Autor besonders bemerkenswert:

Deutschlandradio Kultur – Thema – „Die Römer haben alles vorgemacht“

Die Römer – so Harris – fühlten sich zu Zeiten Ciceros noch einigermaßen sicher. Die Republik, die Jahrhunderte lang bestanden hatte, würde doch wohl weitergehen, oder? Sie täuschten sich. Das Gefüge aus Machtbegrenzungsmechanismen und Gegengewichten war auseinandergeraten. Wir zitieren aus dem Interview:

Die Römer waren damals überzeugt, dass ihre Demokratie, die schon seit Jahrhunderten bestand, auch noch Jahrhunderte weiter bestehen würde. Es kam aber nicht so. Die römische Geschichte lehrt uns, wie schnell scheinbar stabile politische Systeme zerfallen können, wie schnell sie in den Abgrund geraten. Cicero stemmte sich dagegen, er versuchte alles zu tun, um die Integrität der römischen Republik aufrechtzuerhalten. Es ist ihm nicht gelungen, weil um ihn herum das ganze Gefüge zusammenbrach und er als Einzelner das nicht aufhalten konnte.

Nun, ich würde die römische Republik nicht als „Demokratie“ im heutigen Sinne bezeichnen. Aber sie war eine res publica in dem Sinne, dass das Gemeinwesen als Sache aller vollberechtigten Bürger galt, nicht als Privateigentum oder Lehen eines Einzelnen oder einiger weniger.

Aus der Lektüre des Buches erwächst mir eine Bestätigung meiner schon früher geäußerten Vermutung: Das Gemeinwesen, die Demokratie ist nie endgültig gesichert. Sie muss jederzeit bekräftigt werden. Die wenigen einfachen Grundsätze, auf denen die Bundesrepublik Deutschland aufruht, müssen immer wieder neu formuliert werden, sie müssen auf den jeweiligen Anlass bezogen neu benannt, ausgesprochen und in Taten umgesetzt werden.

Einer dieser Leitsätze ist: Das Parlament kontrolliert die Regierung. Es ist kein Abnick- und Akklamationsorgan.

Bundestagspräsident Norbert Lammert hat mit seiner deutlichen  Kritik am Wachstumsbeschleunigungsgesetz der Bundesregierung diese Pflicht in, wie ich meine, vorbildlicher Weise erfüllt. Lest selbst, was die WELT schrieb:

Lammert bemängelte, dass das Wachstumsbeschleunigungsgesetz „mit einem vielleicht aus der Euphorie des Wahlergebnisses entstandenen Energieüberschuss ein bisschen sehr schnell zusammengebastelt und auf den Weg gebracht worden ist“. Das Gesetz enthalte neben manchen sinnvollen auch einige zweifelhafte, „schlicht misslungene, auch nicht vertretbare Regelungen“, sagte er unter Verweis auf die Mehrwertsteuerabsenkung für Hotels.

Bene dixisti! Robert Harris, aber auch Marcus Tullius Cicero hätten sich über diesen mutigen Schritt sicherlich gefreut.

Nachweis: Robert Harris: Lustrum. Hutchinson, London 2009, hier: S. 4

Interview nachhören

 Posted by at 14:53

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