Dez 162010
 

Die erfolgreichste, älteste, heute mitgliederstärkste Organisation der gesamten Weltgeschichte ist die römisch-katholische Kirche. Etwa 1,1 Milliarden Menschen betrachten heute den Bischof von Rom als geistliches Oberhaupt ihrer Gemeinschaft.

Das Christentum ist nicht bloß eine echte Multi-Kulti-Bewegung, sondern eine Tutti-Kulti-Bewegung, da die christliche Botschaft sich ausdrücklich an alle Menschen und an alle Kulturen richtet – unabhängig davon, ob sie anderen Religionen oder auch gar keiner Religion angehören.

Ich treffe bei den sonntäglichen Gottesdiensten hier in Kreuzberg zahlreiche Christen aus Afrika, Asien und Europa.

Bei sozialen Fragen und bei den Fragen von Krieg und Frieden, bei der unbedingten Achtung jeder einzelnen Person haben sowohl dieser Papst wie auch seine Vorgänger wertvolle Impulse geliefert.

Die Linkspartei hat dies erkannt, obwohl sie mutmaßlich in manchen ethischen Fragen nicht mit dem Papst übereinstimmt.

Also – ich würde sagen – die parlamentarische Vertretung eines 82-Millionen-Volkes kann der Begegnung mit dem obersten Vertreter einer 1,1-Milliarden-Community mit Freude und gewisser Gelassenheit entgegensehen – cum gaudio et quadam serenitate. 🙂

Die knufflig-verschnupften Bundestagsgrünen sollten zur Kenntnis nehmen, dass Ideen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz, Grundgedanken der Verantwortung gegenüber allen Menschen nichts anderes sind als die Fortführung einer universalistischen Welt- und Nächsten-Ethik, wie sie das Christentum vor etwa 1600 Jahren ins finstere Europa importiert hat, das damals voll herrlicher Spontanvegetation wucherte und sumpfte.

Die Grünen, die Partei des Guten, sind in meinen Augen eine Partei, die ihren Hauptimpuls aus einer genuin jüdisch-christlichen kulturellen Erbanlage bezieht – wobei der Gottesbezug getilgt ist und die blind hypostasierte Natur an die Stelle des toten und geleugneten Gottes einrückt. Die Grünen glauben an die anonyme, quasi-theologisch verehrte Natur und an einige ethische Grundüberzeugungen, die letztlich im europäisch-christlichen Erbe zu verorten sind. Sie dienen „hienieden“ letztlich der Natur.

Die Christen glauben hingegen an einen personalen, nicht bildlich fixierbaren Gott, der im Hier und Jetzt alltäglich immer wieder in der Gestalt jedes beliebigen Menschen, im berühmten „Nächsten“ erscheint. Sie dienen hienieden dem Menschen.

Es ist spannend zu sehen, wieviel urchristliche Tugenden gerade im Grünen-Programm wiederauftauchen. So bedeutet der Verzicht grüner Männer auf das Auto und auf äußeren Prunk, der Verzicht grüner Frauen auf Seide, Geschmeide und Lippenrot einen „Verzicht auf die Reichtümer dieser Welt“ zugunsten eines höheren Guten.

Paupertas, caritas, parsimonia, puritas! Freiwillige Armut (also „Konsumverzicht“), Nächstenliebe (also „soziales Engagement“), Sparsamkeit (heute „Nachhaltigkeit“), fürsorgliches Verhalten, ein Eintreten für die Schwachen, für die Migranten, für die Verachteten, Kampf für sittliche Reinheit, für den Schutz vor Schmutz  – na, wer hat diese Tugenden jahrhundertelang gepredigt und vorgelebt, ehe die Grünen sie wiederaufgriffen?

Dem Christentum eignet ferner ein großer Staatsskeptizismus, denn 300 Jahre lang überlebte es in Opposition zu den „Mächten dieser Welt“, also zum römischen Kaisertum. Diese Machtferne, dieses Mißtrauen gegenüber der weltlichen Macht teilen die Christen mit den Grünen.

Die Grünen sollten dem Papst also ruhig lauschen. In aller Demut. Cum spiritu humilitatis. Auch eine christliche Tugend.

Der König Salomo freilich hätte sicher seine Freude an den Linken gehabt, die sich hier weitaus einsichtiger gezeigt haben mit einer geradezu salomonischen Äußerung zum Papstbesuch.

Ansprache im Bundestag: Grünen kritisieren geplante Papst-Rede – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
Die Linksfraktion reagierte zurückhaltend. „Wir sind nicht dagegen, wir nehmen es zur Kenntnis“, sagte Sprecher Hendrik Thalheim. „Staatsoberhäupter können dort sprechen, also kann auch der Papst dort sprechen.“ Die Linksfraktion sehe der Rede mit Interesse entgegen, weil Amtsvorgänger dieses Papstes in Friedensfragen und sozialen Fragen zum Nachdenken angeregt hätten.

 Posted by at 20:31

Sorry, the comment form is closed at this time.