Nov 072011
 

Wohl im Jahr 2007 oder 2008 verbrachte ich einige Stunden auf einer Reise nach Kappadokien in der Hacı-Veyiszade-Moschee und im Mevlana-Museum in Konya, dem Ort wo Maulānā Ǧalāl ad-Dīn Muḥammad-e Rūmī starb: heute eine staubige, von Touristen, Dolmuşlar und sonstigen Otobüslar überquellende Stadt, und doch umfing mich sofort beim Eintreten in die Moschee, beim Betrachten der Brunnen und Rinnsale der uralte Anhauch des Sufismus, jener in Versenkung, in Entweltlichung aufgehenden Spielart des Islam, die heute allzu wenig Beachtung findet, verdrängt und übermalt vom politisierten, mehr und mehr wahabbitisch geprägten Islam, wie er uns auch in Kreuzberg und Berlin stärker und stärker begegnet.

Eine große Freude und Ehre wurde mir vor wenigen Tagen in der Katholischen Akademie Berlin zuteil: Bei einem öffentlichen Vortrag unter dem Thema Translating Religion baten mich der Religionswissenschaftler Alan Williams und Akademie-Referent Martin Knechtges, in deutscher Sprache einige berühmte Verse Rumis vorzutragen.    

Von einem Oboenspieler habe ich mir einmal erzählen lassen, welche Mühe es kostet, dem Doppelrohrblatt dieses Instruments den klaren, eindringlich-singenden Ton zu entlocken, der die Oboe zu so einem unvergleichlichen Instrument der Klage macht, insbesondere in der Langform, dem Englischhorn.

Mit klarer, deutlicher, leicht schwebend-singender, gewissermaßen oboenartiger  Stimme versuchte ich die Verse in der Übersetzung Hellmut Ritters vorzutragen, wobei ich um jeden Laut rang, ihn formte und losfliegen ließ:

Hör dieses Rohr, wie es klagt,

             wie es von den Trennungen erzählt:

Seit man mich aus dem Röhricht schnitt,

            haben Mann und Weib ob meines Tönens geklagt und geweint.

Nur selten habe ich bisher persische Dichtung im Original vortragen hören, und doch meine ich, den eigentümlichen Klang des Persischen, der Sprache des Zarathustra, der Sprache der Parsen aus tausend Sprachen heraushören zu können: Klar, deutlich, schlicht, klangvoll, mitunter verhüllt-näselnd, oboenartig, dann wieder stolz, rein, mit großen, dunkeln weitgeöffneten Augen der Welt zugewandt. Und so erlebte ich auch den persischen Vortrag durch Aida, die ihre Muttersprache wunderbar zum Erklingen brachte.

In der Vielfalt der Sprachen scheinen mir die Worte und die Sprache, das Original und die Übersetzung  einander zuzurufen wie das Doppelrohrblatt der Oboe dem hörenden Herzen zuruft, um das König Salomon vor seiner Thronbesteigung gebeten hat. Es ereignet sich in dieser Art Übersetzung ein unvergleichliches Da der Dichtung, ein unvordenkliches Du.

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