„Einen dauerhaften Aufbruch aus der europapolitischen Stagnation kann nur vermitteln, wer die Kunst der großen Deutung behrrscht.“ Den heutigen Nachmittag verbrachte ich mit dem systematischen Durchforsten verschiedener EU-Standardwerke von Juristen, Historikern und Politologen, die in diesem Jahr erschienen sind. Wie bewerten sie die gegenwärtige Krise des Euro und der EU? Antwort: Alle von mir eingesehenen wissenschaftlichen Werke kommen mehr oder minder überein, dass es heute in der EU mehr als an allem anderen an einem großen, überzeugenden Deutungsmuster fehle. Es gebe niemanden, der Europa und die Europäische Union als ganzes erzählen wolle und könne, weder unter den Politikern noch unter den Schriftstellern, geschweige denn unter den Wissenschaftlern selbst.
Das einleitende Zitat stammt übrigens aus der Feder des Münchner Politikwissenschaftlers Werner Weidenfeld.
Is this really the end?, fragt der doch sonst so nüchtern und trefflich analysierende britische Economist auf seinem aktuellen Titelblatt, das einen kometengleich abstürzenden Euro zeigt.
Kein Zweifel: Europa hat den Faden verloren. Die Europäische Union und Europa scheinen in einer nahezu unlösbaren Krise zu stecken. Ich meine deshalb: Ähnlich wie nach dem Scheitern der geplanten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft 1955 (EVG) und nach dem Versagen des Völkerbundes ab 1933 gilt es heute mehr denn je, Sinn und Ausgestaltung der EU neu zu bestimmen. Ich bin überzeugt: Finanztechnische, währungspolitische und volkswirtschaftliche Erwägungen allein reichen bei weitem nicht aus, um das torkelnde europäische Fahrrad wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Not tut vielmehr eine entschiedene Besinnung auf das, was Europa zusammenhält: die Freiheit der Person, die Nächstenliebe, die Gerechtigkeit und die Weisheit, vor allem aber ein verborgener Schatz an kleinen und großen Erzählungen. Es wird deshalb einen ersten Abend zu dieser Thematik bei der CDU Kreuzberg-West geben:
Europa neu erzählen!
Donnerstag, 08.12.2011, 19.30 Uhr, Wirtshaus Stresemann, Stresemannstraße 48, Berlin-Kreuzberg
An diesem Abend werden wir zunächst den neuesten Stand der währungspolitischen und volkswirtschaftlichen Debatte analysieren und in groben Zügen geordnet darstellen. Wir werden dann stotternd und zaudernd versuchen, von den großen Erzählungen der Europäer, insbesondere der Weihnachtsgeschichte der Evangelien her, Europa neu zu erzählen. Abschließend werden wir verschiedene Vorschläge zur Lösung der Krise bewerten. Jede große Erzählung beginnt mit einer Anrufung!
Zitat: Werner Weidenfeld: Die Europäische Union. Unter Mitarbeit von Edmund Ratka. 2., aktualisierte Auflage [= UTB 3347], Wilhelm Fink Verlag München, 2011, hier S. 214
The euro zone: Is this really the end? | The Economist
Das Foto zeigt europäische Kinder verschiedener Länder beim Graben nach einem verborgenen Schatz, aufgenommen gestern beim Wandern im Tegeler Forst, hart am Gipfel des Ehrenpfortenberges, mit 69 m ü.NN einer der höchsten Erhebungen Berlins
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