„Du mußt die Führung übernehmen!“, oder: Hat uns Bert Brecht heute noch etwas zu sagen?

 Bert Brecht, Europäisches Lesebuch, Freiheit, Gute Grundschulen, Person, Philosophie, Tugend, Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für „Du mußt die Führung übernehmen!“, oder: Hat uns Bert Brecht heute noch etwas zu sagen?
Okt 102012
 

„Du mußt die Führung übernehmen!“, so schreibt Bertolt Brecht in seinem „Lob des Lernens“.

Ich glaube, dieser Aufforderung kann ich mich anschließen: „Du, du einzelner Mensch, mußt die Führung deines Lebens übernehmen. Lass dich nicht verführen!“

Brecht meinte möglicherweise: Jeder einzelne Mensch soll für sich selbst die Führung seines Lebens übernehmen. Er soll durch Lernen sein Urteilsvermögen schärfen, es soll keiner Organisation, keiner Partei, weder der Kommunistischen Partei noch der Nationalsozialistischen Partei, keiner Klasse und keiner Rasse, keiner unpersönlichen Macht die Führung seines Lebens anvertrauen. Er soll frei entscheiden, was er will oder nicht will.

Jeder Mensch soll sein eigenes Leben führen.

Allzu oft glauben die Menschen, sie seien dem Staat, der Politik, dem riesigen Steuerungsmechanismus des Finanzkapitals unterworfen. Die Strukturgläubigkeit der Menschen in Berlin fällt mir immer wieder auf. Überall jammern die Menschen:

„Der Staat sorgt nicht für uns, hindert uns am Lernen! In den viel zu großen Berliner Klassen, in den viel zu winddurchschossenen Berliner Schulen, in dem hochselektiven Berliner Schulsystem  KANN MAN NICHT LERNEN. Erst einmal muss der Staat anständige Schulen, anständige Lehrer, anständige Kitas bereitstellen, dann fangen wir zu lernen an! Und das kostet. Wenn der Staat nicht genug zahlt, können wir nicht lernen. Erst einmal muss die Politik die Bedingungen für sinnvolles Lernen schaffen, danach dann fangen wir zu lernen an!

Groteske Töne – in Dakawa in Tansania beträgt die Klassenstärke durchschnittlich 103 Kinder pro Grundschulklasse. Dennoch wird auch dort gelernt – auf dem Boden sitzend, an großen Wandtafeln. Für Bücher gibt es ja kein Geld.

Lernen kann man immer. Gerade in den heutigen Grundschulen Berlins herrscht ein unfassbar üppiges Angebot. Die materielle Ausstattung ist teurer, ist besser als je in der Geschichte.

Dennoch maulen Eltern und Kinder, Wähler und Politiker, „Bildungsforscher“ und „Bildungsexperten“ in einem fort: „Die Schulen sind nicht gut genug. Wir brauchen bessere Schulen. Wir brauchen bessere Lehrer. Erst danach werden wir zu lernen anfangen.“

Das revolutionäre Gedicht „Lob des Lernens“ von Bert Brecht verlangt hingegen jedem Einzelnen die lebenslange Anstrengung des Lernens ab – auch unter widrigsten Umständen.

Ausreden, bequemes Sich-Davonstehlen gibt es in den Augen Bert Brechts nicht. In der Mitte des Lernens steht der Lernende. Das Lernen wird gemacht und betrieben vom Lernenden.

Das ist die revolutionäre Wende zur Verantwortung jedes einzelnen Menschen für sein eigenes, sein selbst zu führendes Leben. Es gibt immer ein richtiges Leben, auch wenn es in den Strukturen etwas gibt, was falsch ist.

Es gibt immer ein richtiges Leben im Falschen.

Der einzelne Mensch muss lernen. Er muss sich selbst diese Anstrengung überall und immer abverlangen. Damit er sein Leben führen kann, statt von den Parteien oder von der Politik geführt zu werden.

Brecht fordert uns auf: „Lerne selbst, damit du selbst die Führung in deinem Leben übernehmen kannst!“

Bert Brecht würde sich als parteitreuer Kommunist selbstverständlich im Grabe umdrehen, wenn er diesen Eintrag des widersetzlichen Kreuzberger Bloggers läse! Aber ich meine, dass er, wenn er 125 Jahre alt würde, ebenfalls zu dieser Deutung seines Gedichts gelangen würde. Ich gehe davon aus, dass er der KPdSU und der SED, dass er dem Kommunismus, dem Marxismus-Leninismus-Stalinismus nicht mehr mit dem unterwürfigen Gehorsam folgen würde, den er zu Lebzeiten gezeigt hat.

 Posted by at 14:14

„Von der heilenden Kraft des Lernens“, oder: „Lerne und arbeite!“

 Bert Brecht, Das Gute, Kinder, Kochen, Sozialadel, Sozialstaat, Tugend  Kommentare deaktiviert für „Von der heilenden Kraft des Lernens“, oder: „Lerne und arbeite!“
Okt 092012
 

Walter Wüllenweber legt in seinem Buch Die Asozialen seine Sicht der Dinge dar: Die deutsche Gesellschaft werde von oben und von unten, von der Oberschicht und der Unterschicht gnadenlos ausgenutzt, die Reichen würden immer reicher, ihr Finanzvermögen wachse dank der Finanzkrise prächtig an. Umgekehrt würden die Staatsabhängigen, die Unbeschäftigten mit ständig wachsenden Hilfen und Unterstützunsgeldern bei guter Laune gehalten, der Sozialetat gerade der Städte wachse stark überproportional an.

Ich denke, an Wüllenwebers Analyse ist viel dran. Unsere Vorfahren fingen nach dem Krieg fast bei Null wieder an. Die Masse des deutschen Volkes lebte in bescheidenen Verhältnissen. Erst etwa 1960 hatten die Deutschen den Lebensstandard erarbeitet, der heute in etwa auch einem Arbeitslosen zusteht. Vor 1960 lebte die Mehrheit der Deutschen unter Bedingungen, die heute von so manchen Sozialpolitikern als menschenunwürdig bezeichnet werden.

Doch sollten wir das Loben nicht vergessen! Gerade am heutigen Erntedankfest! Wüllenweber selbst spricht auf Seite 118 seines Buches lobend von der heilenden Kraft des Lernens. Lernen heißt, am Selbst arbeiten. Wer lernt, ändert sich. Wer lernt, kann andere ändern, wer lernt, kann sein Leben ändern. Lernen ist eine Form des Arbeitens.

Denkbar wäre es, etwa gut deutsch, gut rechnen, gut schreiben, gesunde Lebensführung  zu lernen. Gutes Deutsch, gutes Rechnen, gutes Schreiben,  gesunde Lebensführung, das ist jedem Menschen in Deutschland heute ohne jede staatliche Unterstützung möglich. Dazu kann man die Menschen auffordern – und zwar ohne stets erneut den Staat dafür in die Pflicht zu nehmen.

Lerne und arbeite – ora et labora!

Völlig anders tickt die Berliner Landespolitik: „Wie können wir den Bürgern das Leben so angenehm wie möglich machen?“ Heute kommt der Vorschlag auf, den Bürgern kostenloses W-LAN in der Innenstadt zu schenken. Der Senat schenkt den Bürgern wieder etwas. Lieb!

Die Kinder sollen besseres Schulessen bekommen – auf Kosten des Staates. Lieb! Unter drei Euro pro Mahlzeit ist das aber nicht zu haben. Wir zahlen in Friedrichshain-Kreuzberg etwa 2 Euro pro Mahlzeit. Lieb, dass der Staat den Bürgern besseres Essen schenkt.

Keiner denkt daran, den Eltern und Kindern das tägliche sparsame und gesunde Kochen mit vielen Kartoffeln, viel Gemüse, viel Magerquark beizubringen.

Ich sage: Lerne kochen, Mann in der Küche! Lerne lesen und schreiben, Frau in der Moschee!

Lern singen und fußballspielen, Kind in der Schulmensa! Geh zu Fuß zur Schule! Bewegung, Bewegung, Bewegung!

Der Staat tut, was er kann, um seinen Bürgern alle erdenklichen Annehmlichkeiten zu bieten.  Dabei haben die meisten Handy-Nutzer heute längst eine Flatrate, ein kommunales W-Lan auf Kosten des Staates ist überflüssig.

Nein, nein. Da lob ich mir die saure Pflichtenethik eines Benedikt von Nursia, eines Johannes Calvin aus Genf, eines Walter Wüllenweber vom Stern.

Gelobt sei – das Lernen! Gelobt sei auch der Dichter, welcher kam aus der schwäbischen Stadt der Confessio Augustana, der Dichter, der hervorging aus der Stadt der tüchtig rechnenden Fugger und der Tag um Tag singenden und fiedelnden Mozarts! Er, der Dichter aus der Lechstadt Augsburg, der als versprengter Nachfahr der christlichen Pflichten- und Lernensethik gelten kann.

Schließen wir die Besinnung zum Erntedankfest mit einigen Zeilen aus seinem

Lob des Lernens 

Lerne das Einfachste! Für die
Deren Zeit gekommen ist
Ist es nie zu spät!
Lerne das Abc, es genügt nicht, aber
Lerne es! Laß es dich nicht verdrießen!
Fang an! Du mußt alles wissen!
Du mußt die Führung übernehmen.

Lerne, Mann im Asyl!
Lerne, Mann im Gefängnis!
Lerne, Frau in der Küche!
Lerne, Sechzigjährige!
Du mußt die Führung übernehmen.
Suche die Schule auf, Obdachloser!
Verschaffe dir Wissen, Frierender!
Hungriger, greif nach dem Buch: es ist eine Waffe.
Du mußt die Führung übernehmen.

Scheue dich nicht zu fragen, Genosse!
Laß dir nichts einreden
Sieh selber nach!
Was du nicht selber weißt
Weißt du nicht.
Prüfe die Rechnung
Du mußt sie bezahlen.
Lege den Finger auf jeden Posten
Frage: Wie kommt er hierher?
Du mußt die Führung übernehmen.
Quellen:

Walter Wüllenweber

Die Asozialen

Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren – und wer davon profitiert

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 256 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-421-04571-3
€ 19,99 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,50* (* empf. VK-Preis)

Verlag: DVA Sachbuch

Zitat: S. 118

Adobe Flash-Player
 

Bert Brecht: Lob des Lernens
Bertolt Brecht: Ausgewählte Werke in sechs Bänden. Dritter Band. Gedichte I. Suhrkamp Verlag Frankfurt 2005

Zitat: S. 233

 

 

 

 

 Posted by at 23:18

„Bayern hat die besten Grundschüler.“ Woran könnte das liegen?

 Konservativ, Mären, Tugend, Verwöhnt, Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für „Bayern hat die besten Grundschüler.“ Woran könnte das liegen?
Okt 052012
 

2012-09-30-170659.jpg

Bayern hat die besten, Berlin die schlechtesten Grundschüler. Dies berichtet in diesen Minuten SPIEGEL online.

http://www.spiegel.de/schulspiegel/bayerns-grundschueler-koennen-am-besten-rechen-und-schreiben-a-859589.html

Traurig traurig für den armen Kreuzberger. Woran liegt das wohl?

Ich bin überzeugt: Teilweise liegt es an der grundsätzlichen Ausrichtung der bayerischen Gesellschaft und auch der bayerischen Politik an den Idealen der Freiheit, der Mündigkeit jedes Menschen, der Selbstverantwortung. Jeder hat seine Chance. Keiner wird zurückgelassen! Das habe ich selbst tausende Male während meiner 13 in Bayern bis zum Abitur absolvierten Schülerjahre erlebt, das bestätigen mir Schüler, mit denen ich heute bei meinen gelegentlichen Besuchen in Bayern ins Gespräch gerate.

Es liegt nicht am GELD, denn Berlin gibt pro Schüler mehr Geld aus als Bayern. Es liegt nicht an den MIGRANTEN. Denn gerade die migrantischen Kinder erzielen – auch bei gleich hohem Anteil an der Schülerschaft – in Bayern weit bessere Bildungsergebnisse als in Berlin. Das müsste man mal statistisch aufbereiten: Ist der Unterschied zwischen Schülern deutscher und nichtdeutscher Herkunft in Bayern größer oder kleiner als in Berlin? Ich wette fast: Er ist in Berlin größer.

Das bayerische Schulwesen ist vergleichsweise stark differenziert, aber auch zwischen den Zweigen und Bildungsgängen extrem durchlässig. Mehr als die Hälfte aller Abiture wird mittlerweile über die Berufsbildung oder auf dem Zweiten Bildungsweg erworben! Der Leistungsgedanke herrscht in Bayern vor: „Jeder kann was, auch du kannst was, mach was aus dir! Lerne! Sei fleißig! Lerne und arbeite!“

In Berlin dagegen, das ein stärker egalitäres Schulwesen hat, wird den Kindern nach meinen Erfahrungen oft auf fast schon verbrecherische Weise eingebläut:

„Du bist benachteiligt, ich trau dir nichts zu, der Staat ist schlecht, die Schule versagt ständig, das Leben ist eine Verliererstraße, die Schulpolitik kümmert sich nicht um euch!“ 

„Es wird viel zu wenig Geld für Kleinkindbetreuung, für Kitas und Grundschulen ausgegeben.“

„Ihr Schüler werdet alle benachteiligt. Der Kapitalismus ist soo böse, macht euch alle kaputt.“

Das System der Schule ist falsch. Es gibt kein richtiges Leben im Falschen.“

Diese ganze niederschmetternde, fast schon kriminell zu nennende Litanei der Bildungs-Entmutiger habe ich in den letzten Jahrzehnten, in denen ich die saisonal an- und abschwellenden Berliner Schuldebatten gerade auch bei den Politikern mit wachsendem Widerwillen verfolge,  in- und auswendig gelernt. Ein unfassbares Vergehen an der Zuversicht, an dem Selbstvertrauen der jungen Menschen sind diese wuchernden Bildungsdebatten!

Ein Grundübel scheint mir auch eine viel zu starke Politik- und Staatsgläubigkeit, ein blinder, vulgärer, ausbeuterischer Vulgärsozialismus in der Berliner Bildungslandschaft zu sein.

Pausenlos wird an den Berliner Schulen herumgedoktert. Die POLITIK soll es bitte schön richten, was sie vorher verbockt hat. An allem wird herumgemeckert, aber keiner sagt:

„Leute, wir haben es selber in der Hand. Lasst uns LERNEN und ARBEITEN!“

Ich sage:

LERNE und ARBEITE!  Dann LACHE dir ins Fäustchen! Ich TRAU es dir zu!

 Posted by at 00:11

„Du willst ein Mofa? Dann arbeite dafür!“ Die Lehren von Goethes Gretchen

 Sozialstaat, Tugend  Kommentare deaktiviert für „Du willst ein Mofa? Dann arbeite dafür!“ Die Lehren von Goethes Gretchen
Sep 072012
 

 2012-09-01-122210.jpg

Hader, Zank, Beleidigung! Hört euch das an:

Wir sind entsetzt sowie empört und fühlen uns  durch den skandalösen Vorgang betrogen

derart aufgebracht äußern sich die „MigrantenvertreterInnen im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen“ zur Berufungspraxis der Berliner Sozialsenatorin Dilek Kolat. Sie hatte es gewagt, vor der Berufung der neuen Integrationsbeauftragten Monika Lüke nicht die Zustimmung der „MigrantenvertreterInnen im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen“ einzuholen.

Schlimmer noch: Mit echt schrägen Themen wie etwa „Pflichten der Eltern“ oder „Ich will ein Vorbild sein“ steht sie quer zu den jahrzehntelang eingeübten Ritualen des Berliner parteiübergreifenden Vulgärsozialismus. Kolat vertritt das, was man in den SPIEGEL- und Tagesspiegel-Redaktionen sicherlich krude Thesen nennen würde, so etwa die, dass der Staat nicht vollständig für den Bildungserfolg der Kinder in Haftung zu nehmen sei, dass auch die Eltern gewisse Pflichten hätten, dass mehr staatliches Geld nicht bessere Integration bedeute usw.usw.

Entsetzt sowie empört!“ Großartig, diese Sprache! Es ist genau der künstlich aufgebauschte Erregungston, der in Berlin immer dann angeschlagen wird, wenn irgendeine Gruppe sich in ihrem Benachteiligtenstatus verletzt fühlt.

Benachteiligtsein, Beleidigtsein und der Nachweis der Berechtigung dieser Gefühle bedeutet in Berlin bares Geld von Väterchen Staat. Aus diesem Gefühl heraus bestreiten viele Gremien und Debattierklubs ihre Existenzberechtigung – und im Handaufhalten sind sie dabei besonders fix. Wie sagte doch Gretchen in Goethes Faust:

Zum Gelde drängt
Am Gelde hängt doch alles!
Ach wir Armen!

Eine Goldmine an Erkenntnissen für die neue Integrationsbeauftragte dürften meines Erachtens auch die Interviews mit Gilles Duhem sein, dem Geschäftsführer des Vereins Morus 14, die man bequem im Internet abrufen kann und abrufen sollte, so etwa dieses in der taz:

 

Kommen Sie selbst aus armen Verhältnissen?

Überhaupt nicht. Meine Eltern hatten immer Geld, aber als ich 13 war, haben sie mir gesagt: „Willst du ein Mofa? Dann arbeite dafür.“ Ich finde das absolut richtig. Wir haben hier Jugendliche, die kommen und sagen: Mann, ich habe keine Lehrstelle gekriegt, weil ich Araber bin. Ich schaue mir die an und sage denen: Nein, du hast sie nicht bekommen, weil du nicht gut genug bist.

Mein Eindruck: Im Verein Morus 14 leisten die Ehrenamtler, all die Schülerhelfer und Mentoren  hervorragende, unentgeltliche Arbeit. Arbeit am Menschen. Sie labern nicht rum, sondern tun was.

Die Debattierklubs und Empörungszirkel hingegen werden der neuen Integrationsbeauftragten sicherlich alles Erdenkliche vorlegen, um dann die eigene Unersetzlichkeit zu beweisen – und dann die Hand hinzuhalten.

Also, Frau Lüke, seien Sie uns willkommen, lassen Sie sich nicht von den Entsetzt-sowie-Empört-Profidarstellern ins Bockshorn jagen. Der Berliner Integrationszirkus bedarf dringend der Durchlüftung! Verschaffen Sie sich einen Überblick über die paradiesische Berliner Förderlandschaft, werfen Sie Licht in das Gewirr der Integrationsmaßnahmen, Integrationspläne, Fördermaßnahmen, Evaluierungsgremien usw. usw.

Und bedenken Sie die Lehre von Goethes Gretchen – die besonders für den unendlichen Bereich der Berliner Sozial- und Integrationspolitik gilt:

Zum Geld des Senats drängt,
Am Geld des Senats  hängt
Doch alles.
Ach wir armen Berliner!

 Posted by at 19:07

„Ich war glücklich in Rumänien“

 Europäische Union, Integration, Migration, Neukölln, Rassismus, Samariter, Sozialadel, Tugend  Kommentare deaktiviert für „Ich war glücklich in Rumänien“
Sep 032012
 

Allmählich gewinnen die Nachrichten über eins der ältesten Völker der Europäischen Union, die Roma, mehr und mehr Gewicht. Mancher Autofahrer hat wohl schon die Dienste der Scheibenputzer in Anspruch genommen, die  an Straßenkreuzungen ihren Fleiß unter Beweis stellen. Roma-Mütter suchen auf den Berliner Straßen mit den kleinen Kindern im Arm ein dürftiges Zubrot zu verdienen.

In der Slowakei gehören 8-10% der Bevölkerung diesem uralten Volk an – früher fälschlich Zigeuner genannt. Die Kinder der Roma werden in der Slowakei an eigenen Roma-Schulen unterrichtet, eine Diskriminierung, die regelmäßig Proteste in den anderen Ländern und bei der EU hervorruft – weniger in der Slowakei selbst. Die Roma halten ihre Identität unabhängig von Staatsgrenzen durch, indem sie fast ausschließlich Angehörige der eigenen Volksgruppe heiraten, ihre Sprache und Kultur hochhalten  und sich nicht mit der  Umgebung vermischen, wie das etwa die Elbslawen in Mitteldeutschland taten, die etwa ab dem 17. Jahrhundert vollkommen in der deutschen Mehrheitsbevölkerung aufgegangen waren.  In Rumänien leben heute etwa 1,5 Millionen Roma.

Der Tagesspiegel beleuchtet heute die Lage der auswandernden Roma, nachdem die Neuköllner Stadträtin Giffey in der taz am Freitag die bevorstehende „Einwanderungswelle“ und die finanztechnischen Modalitäten der Übersiedlung erklärt hatte. Benjamin Marx, der sich um anständige Unterbringung der Neuankömmlinge kümmert, wird als Schutzengel und Gesandter Gottes gepriesen.

Die Siedlungen der Roma mit all den kleinen, selbstgebauten Häuschen im Eigenbesitz zeugen von einem gewissen Wohlstand in der Bescheidenheit. Warum nehmen trotzdem viele Familien die Fährnisse der Übersiedlung nach Deutschland auf sich? Warum leben sie dann lieber in Neuköllner Mietwohnungen statt im eigenen Häuschen bei Bukarest?

Ich war glücklich in Rumänien, aber meinen Kindern möchte ich eine bessere Zukunft bieten.“ So wird die Neu-Neuköllnerin Diana S. zitiert.

Was macht EU gegen die Diskriminierung der Roma in der Slowakei und Rumänien? Sie macht das, was sie gern macht: Sie vergibt Mittel. Allerdings landet nicht alles von den Politikern vergebene EU-Geld bei den vorgesehenen Empfängern, sondern einiges landet bei den Politikern. Die Lehre daraus? „Wir müssen die Politiker dazu bringen, Geld direkt an die Vereine zu vergeben,“ wird Benjamin Marx wiedergegeben.

Ich finde es gut, dass Politiker wie Franziska Giffey oder Helfer wie Benjamin Marx die Neuankömmliche mit offenen Armen empfangen, um Verständnis werben und sich für die Lage in den Herkunftsländern interessieren. Zu recht wird erkannt, dass die Kinder, die jetzt ohne alle Deutschkenntnisse in die Regel-Klassen strömen, vor allem Unterricht in der deutschen Sprache brauchen. Einer Diskrimierung der Roma, wie sie derzeit in der Slowakei stattfindet, sollte vorgebeugt werden. Hier sollte man bei den Slowaken anfragen, warum sie entgegen dem Diskriminierungsverbot der EU separate Schulen für die Roma-Kinder eingerichtet haben.

Weniger leuchtet mir ein, weshalb die Politiker direkt EU-Geld an die Roma-Vereine geben sollten. Mit dieser Mittelvergabe setzt man falsche Anreize.Denn es entsteht sehr bald der Eindruck, dass der Staat bezahlt, wenn man nur die richtigen Hebel in Bewegung setzt.

Eigene Anstrengungen, Bildung, fleißiges Lernen, fleißiges Arbeiten, feste Arbeitsverhältnisse, Pünktlichkeit beim Schulbesuch, hervorragende Deutschkenntnisse – das scheinen mir weit bessere Trittstufen zur Etablierung der neuerdings stark wachsenden Roma-Volksgruppe in Berlin.

 Posted by at 15:29

„Quella umile Italia“, oder: Um ein demütigeres, leiseres Europa bittend

 Armut, Dante, Geld, Tugend  Kommentare deaktiviert für „Quella umile Italia“, oder: Um ein demütigeres, leiseres Europa bittend
Aug 072012
 

Weder das Schwert noch das Geld bringen den Menschen Einigkeit und Glück. Dies ist eine Europa zutiefst prägende Einsicht, die beispielsweise in der heute weithin vergessenen und verdrängten Geschichte von Leiden und Sterben Jesu Christi musterhaft ausgebildet ist. Um der 30 Silberlinge willen, eines doch recht erheblichen Wohlstandes also, wurde die tiefste Freundschaft verraten. Und das Schwert, das dem Knecht Malchus das Ohr abhieb, brachte weder Frieden noch Rettung. Erst im versöhnenden Wort, das zu Füßen des Kreuzes in Freiheit gesprochen wird, finden die Menschen wieder zusammen.

Zurück vom Ring!„, so endet auch die vierteilige Geschichte, die Richard Wagner  mit großem – manche meinen:  mit allzu lautem Aufwand – auf die Bühne bringt. Das Gieren und Geifern nach dem Gold, das Lechzen nach anstrengungslosem Wohlstand säen Zwist, Verrat, Verleumdung, Lüge und Untergang. Und nebenbei lässt Richard Wagner seinen eigenen Versuch, sich vom jüdisch-christlichen Erbe loszusagen und eine germanisch gehämmerte Ersatzreligion anzubieten, im vernichtenden Feuerschein der Götterdämmerung enden.

Mit seinem Parsifal, dem letzten Werk, belebt Richard Wagner die alte jüdisch-christliche Erbschaft vom tätigen Mitleiden, vom freien erlösenden Wort wieder. Richard Wagner ist sozusagen ein Christ der letzten Stunde wie so viele andere auch. Ein durchaus schlüssiger Schritt, nachdem der rohe Kult der germanisch aufgeheizten Gewalt und des schnöden Verrats im Ring des Nibelungen in der völligen Verzweiflung endete.

Europa ist zweifellos da am stärksten, wo es das Schwache stark sein lässt, wo es nicht auf das dröhnende Schwert und nicht auf das laute Geld, sondern auf das leise Wort setzt. Es findet da am ehesten zu sich selbst, wo es dem rohen Kult der Gewalt, dem Jagen nach dem Gold, dem rücksichtslosen Durchsetzen des eigenen Willens auf Kosten anderer entsagt. Von daher kann Europa auch der freiwilligen, der aufgeklärten Armut, der mendicità istruita, einen erzieherischen Wert beimessen. Der Arme wird sozusagen hingeführt auf Werte, die weder Schwert noch Gold schaffen können.

Ein weiterer wichtiger Zeuge für diese zutiefst europäische Grundüberzeugung ist Dante – mein Dante, wie ich gern sage.

Er schreibt im ersten Gesang seiner Divina Commedia von einer gierigen Bestie der Gewalt, die sich in vielerlei Gestalt an den Erzähler heranschleicht:

ché questa bestia, per la qual tu gride,
non lascia altrui passar per la sua via,
ma tanto lo ‚mpedisce che l’uccide;

e ha natura sì malvagia e ria,
che mai non empie la bramosa voglia,
e dopo ‚l pasto ha più fame che pria.

Molti son li animali a cui s’ammoglia,
e più saranno ancora, infin che ‚l veltro
verrà, che la farà morir con doglia.

Questi non ciberà terra né peltro,
ma sapïenza, amore e virtute,
e sua nazion sarà tra feltro e feltro.

Di quella umile Italia fia salute
per cui morì la vergine Cammilla,
Eurialo e Turno e Niso di ferute.

Die unersättliche Bestie, die nach jedem Fraß stärkeren Hunger verspürt, ernährt sich von terra – also Immobilienbesitz – und von peltro, also von wertvollem Metall, Geld, Gold, Silberlingen.

Was setzt der Sänger – hier spricht Vergil –  diesem unersättlichen Gieren der Bestie entgegen?

Er sagt es selbst: sapienza, amore e virtute.

Sapienza: Einsicht, Klugheit, Weisheit, Bildung, können wir heute  sagen. Erkennen dessen, was ist. Einsicht in Strukturzusammenhänge, die klipp und klar benannt werden.

Amore: Zuwendung zum Nächsten, Mitleiden, Empathie, Öffnen des Herzens.

Virtute: das ist die vorbildliche Haltung, also Tugend, das Ausbilden aller Kräfte, die im Menschen ruhen.

Selbstverständlich ist dies nur ein Ideal, das zu Dantes Zeiten ebensowenig allgemein anerkannt war wie heute. Aber es gab damals Menschen wie den großen Europäer Dante Alighieri, die ihre Sehnsucht nach einer hiesigen Welt ausdrückten, in der nicht das Schwert und das immerwährende Starren auf das Geld, sondern die Mühsal der kleinen, notwendigen leisen Schritte des redlichen Wortes die Taktgeber waren.

Nicht der Ring des Goldes, nicht das Schwert, sondern das leisere Wort eröffnen den Raum der Freiheit, in dem Empathie, Zuwendung zum Nächsten sich entfalten können.

Dante sprach sehnsüchtig von jenem demütigen Italien, quella umile Italia, das er eher in den Hütten als den Palästen fand, eher in der aufgeklärten Armut als in der reichen Gewalt.

In genau diesem Sinne können wir heute uns ein demütiges, bescheideneres Europa wünschen, das auf das leise, gesprochene Wort hört: quella umile Europa.

 Posted by at 13:12
Jul 212012
 

Was derzeit in Kreuzberg an Mietsteigerungen über die Menschen, die in Bauten des früheren sozialen Wohnungsbaus leben,  hereinbricht, ist echt krass! Üble Geschichten höre ich aus meinem Umfeld. Darüber berichtet auch dankenswerterweise wieder einmal die taz:

http://www.taz.de/!97739/

 Die bedrängten Mieter müssen jetzt die Verfehlungen einer jahrzehntelang im Geld schwimmenden staatlichen Politik schmerzhaft ausbaden. Das ist für die Menschen bitter, das tut den Menschen weh, und es ist ungerecht, zumal das Bundesland Berlin ganze Prinzenbäder voll staatlichem Geld in diesen hochproblematischen, übersubventionierten Kiez genannt Kotti gepumpt hat und fleißig weiter pumpt und überhaupt die armen Menschen nach Strich und Faden verwöhnt hat. Was sehen wir da? Einen Offenbarungseid der Politik, die fälschlich vorgibt, die sozialen Probleme mit vielen Schippen Geld lösen zu können: das uralte proton pseudos der früheren Berliner Landespolitik und auch der Bezirkspolitik in Friedrichshain-Kreuzberg!

Was tun? Die Landeskassen sind leergesaugt – auch und gerade von der Berliner Umverteilungspolitik. Das Recht muss gewahrt werden, die Freiheit auch, Geld ist nicht da, also …? Jetzt müssen die Mieter individuelle Lösungen suchen. Proteste sind gut. Ein offenes Wort, eine scharfe Debatte sind gut!

Wandel ist ferner angesagt: Wegziehen, Wohnraum mit anderen teilen, eigene Konsumwünsche einschränken, Arbeit aufnehmen – was ist richtig? Jede und jeder muss mit vereinten Kräften ihren Weg suchen. Echte Wohnungsnot gibt es zum Glück in Berlin und den ostdeutschen Bundesländern nicht. Im Vergleich zu früher und zu anderen Ländern gibt es Wohnraum im Übermaß.

Wenn mehr Menschen den Wohnraum teilen, führt dies auch zu einem erwünschten Klimaschonungseffekt, das dürfte die Grünen freuen! Wenn mehr Menschen aus der am Kotti endemischen Arbeitslosigkeit wegziehen, dürfte das die Sozialdemokraten und die Christdemokraten freuen! Wenn die allseits beklagte ethnische und soziale Entmischung in Kreuzberg aufgebrochen wird durch Zuzug und Wegzug, dürfte das Die Linke sehr freuen! Wenn der Staat endlich die Finger aus seiner verheerenden Fehlsteuerung im Mietenmarkt zurückzöge, müsste das die Freidemokraten freuen!

Ich meine: Es stünde der Politik gut an, endlich unumwunden die eigenen Fehler, die eigene Machtbegrenztheit zuzugeben, wie es ja Bürgermeister Franz Schulz und Senator Müller redlicherweise immer wieder getan haben.

Wie sagten gestern Hikmet und Hölderlin?

Bu davet bizim: … und verstehe die Freiheit aufzubrechen, wohin er will!

 Posted by at 09:33
Mai 252012
 

2012-05-13-181327.JPG

Gestern sprachen wir von der Selbstbindung des Menschen an einen sittlichen Wert, an ein Ideal. Ein typischer Satz dieser Selbstbindung lautet: „Ich möchte ein Vorbild für andere sein.“ Gesagt hat ihn meines Wissens zu ihrem Amtsbeginn die Berliner Sozialsenatorin Dilek Kolat. Eine tiefe Einsicht in die Berliner Sozialverhältnisse spricht aus diesem Satz. Offenkundig kennt die Senatorin ihre Pappenheimer. Denn was der Berliner Sozialklientel fehlt, sind nicht selbsternannte Interessenvertreter, sondern glaubwürdige persönliche Vorbilder. Alle wollen immer das beste für die Mündel des Berliner Vulgärsozialismus herausholen, gigantische Summen werden Jahrzehnt um Jahrzehnt von der Berliner Sozialpolitik in den Märkischen Sand gesetzt, sie versickern im schwarzlochischen System des Berliner Syndroms aus Bedürftigkeitsleistungen, Jammerarien der Dauerbenachteiligten, Verfettung, Immobilismus, Frechheit, Faulheit, blankem Sozialbetrug, systematischer Staatsausplünderung, Kriminalität und Dreistigkeit. Jeder, der in Neukölln oder Kreuzberg wohnt oder länger gewohnt hat, wird aus eigener Anschauung beliebige Beispiele beisteuern können.

„Ich möchte ein Vorbild sein.“ Ein großartiger Satz, durch den sie sich mir nachhaltig und sehr positiv leuchtend eingeprägt hat.

Nur aus dieser sittlichen Selbstverpflichtung kann auch die Berechtigung erwachsen, von anderen etwas abzuverlangen.

Pflichten der Eltern!“ Na endlich, endlich traut sich eine führende Berliner Sozialpolitikerin mal etwas zu den Pflichten der Bürger zu sagen. Das gab’s zu meinen Lebzeiten noch nie. Steht jetzt eine Zeitenwende in der Politik bevor, nachdem jahrzehntelang die Berliner Landes- und Bezirkspolitik die Wähler nur verhätschelt und verwöhnt hat?

Über einen der Vereine, denen ich angehöre, erreicht mich folgende Einladung:
‚“Freitag 01.06.2012 um 14.30 Uhr wird Frau Senatorin Dilek Kolat in einem
kurzen Vortrag ihre Sicht von den Pflichten der Eltern in Verbindung mit der
Integration an Schulen darlegen, mit anschließender Diskussion.
Die Veranstaltung findet in der Aula der Rudolf-Wissell-Grundschule in der
Ellebeker Straße 7-8 in 13357 Berlin-Wedding (Gesundbrunnen) statt.“

Ich wünsche die Wende, die sich in einem solchen Vortrag anzukündigen scheint. Der Sozialstaat leistet zu viel, was wir uns nicht leisten können. Jetzt sind die Bürger am Zug.

Eltern brauchen Vorbilder.

 Posted by at 23:29

Ehrt und achtet die Arbeit!

 Gemeinschaft im Wort, Tugend, Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für Ehrt und achtet die Arbeit!
Mai 012012
 

270420121686-800×600.jpg

Zum 1. Mai erinnere ich an den grandiosen Spruch meiner Mit-Europäerinnen und Mit-Europäer aus düsterster Stunde von den Britischen Inseln: „Keep calm and carry on.“ Ruhe bewahren, weitermachen. Lasst euch nicht beirren. Tut das, was richtig ist. Ehrt und achtet die menschliche Arbeit, vor allem die viel zu wenig gewürdigte unbezahlte Haus- und Erziehungsarbeit der Mütter und doch bitte recht schön auch einiger (vieler? der meisten?) Väter, der Helferinnen und Helfer, der Ehrenamtlichen, die unterbezahlte Arbeit der Altenpflegerinnen und Altenpfleger, der Krankenpfleger und Krankenschwestern, der Erzieherinnen und Erzieher.  Es ist diese Arbeit der Menschen, die in Tun und Handeln übersetzte Selbst- und Nächstenliebe der Menschen untereinander, die unsere Gesellschaft zusammenhält. Nicht das mächtige GELD. Nicht das gewaltige SCHWERT, nicht der STAAT, sondern das gute, gelingende WORT, die gute redliche TAT des Menschen für den MENSCHEN.

 Posted by at 08:50
Apr 162012
 

– „Eltern bringen ihren Kindern systematischen Regelverstoß bei! Es ist abenteuerlich, was man unter Berliner Radfahrern sieht!“

.- „Die Eltern sind aber auch nicht besser als die Kinderlosen!“

– „Die Radfahrer sind aber viel schlimmer als wir Autofahrer!“

– „Die Autofahrer sind aber viel schlimmer als wir Radfahrer!“

So fasse ich die mannigfachen Reaktionen auf den letzten Beitrag zum Thema „Für mich!“ zusammen.

Und somit Guten Morgen!

Ich meine: Echt cool wäre es, wenn Radfahrer, Autofahrer und andere Akteure zusammen etwas gegen die Missachtung der Verkehrsregeln und gegen die mitunter haarsträubenden Rücksichtslosigkeiten der Verkehrsteilnehmer täten – Autofahrer und Radfahrer nehmen sich da leider gegenseitig nichts weg, mindestens in Städten mit vergleichsweise nicht ganz schlechter  Rad-Infrastruktur wie Berlin, Bonn oder Münster. So habe ich auf tausenden von Radkilometern in den letzten beiden Jahren nur einen einzigen Unfall erlebt: Ein Radfahrer fuhr mir an der roten Ampel volle Kanne in die Gepäcktasche (von mir wiederholt fälschlich als „Satteltasche“ bezeichnet), da ich im Gegensatz zu allen anderen ach so lieben Mit-Radfahrern bei Rotlicht am Fußgängerüberweg Warschauer Brücke anhielt. Man höre und staune: Ein einziger Radfahrer von etwa 20 Radfahrern, der bei regem Fußgängerverkehr an dieser Stelle die rote Ampel beachtete! Und das ist beileibe kein Einzelfall, sondern leider bezeichnend für Berlins Radverkehr.   

Die massiven Regelverletzungen einer sehr hohen Zahl von Radfahrern keksen mich an. Wir als Radfahrer verlieren Verbündete in Politik und Gesellschaft, wenn wir das leugnen und in Abrede stellen, was alle anderen außer uns mit Händen greifen können.

Dasselbe sagt ja auch in weitaus gepflegteren Worten Jürgen Trittin aus der zugegebenermaßen privilegierten Sicht  der Fahrbereitschaft des Deutschen Bundestages in seinem höchst lesenswerten Interview mit der Berliner Zeitung vom Wochenende: Viele Radfahrer und viele Autofahrer bringen sich selbst und andere durch eklatantes Fehlverhalten in Gefahr. Am eigenen Verhalten können und sollen wir Radfahrer viel mehr arbeiten!

Ich meine: Hier bedarf es eines deutlich differenzierteren Ansatzes. Es reicht nicht aus, immer nur den schwarzen Peter Ramsauer oder den grünen Jürgen Trittin weiterzuschieben. Man muss schon auch vor der eigenen Tür kehren.

Gelassen und freundlich läuft es besser. Allzeit freundliches Fahren wünscht

der arme Kreuzberger Blogger

 

http://www.berliner-zeitung.de/berlin/juergen-trittin-im-interview–es-ist-manchmal-abenteuerlich–wie-es-hier-zugeht-,10809148,14813972.html

 Posted by at 10:44

Fahrrad und Füße statt Auto, oder: Ist Armut das größte aller Übel?

 Angst, Antike, Armut, Deutschstunde, Europäisches Lesebuch, Fahrrad, Geld, Griechisches, Orthopädie, Tugend  Kommentare deaktiviert für Fahrrad und Füße statt Auto, oder: Ist Armut das größte aller Übel?
Dez 152011
 

Feurio, Feurio, unser Wohlstand steht auf dem Spiel!

Zerstochen von den Fliegen des Finanzmarktes, suche ich Zuflucht in den Quellen des europäischen Denkens, das nirgend uns so würdig brennt als in den griechischen Schriften des Altertums! Es gibt ja heute mehr als einen Grund, wieder Griechisch zu lernen. Ja, ach möge doch in Europa wieder mehr Griechisch gelernt werden! Es war jahrhundertelang eine lingua franca des gesamten Mittelmeerraumes. In griechischer Sprache entstand das, was den Geist Europas bis heute prägt.

Kinderarmut, Altersarmut, Bildungsarmut … der Übel größtes scheint heute die Armut zu sein.

Doch ich widerspreche: Es ist mehr die Angst vor der Armut, die uns in der Europäischen Union lähmt. Eine gewisse Armut gibt es innerhalb der EU nur noch in wenigen Gegenden Bulgariens und Rumäniens. Aber auch diese wird schon bald der Vergangenheit angehören.

Ich behaupte: der größten Übel eines ist nicht die Armut, sondern die Angst vor Armut.

Umgekehrt gilt vielfach staatliche Mehrung und staatliche Umverteilung des stattlichen Wohlstandes, Sicherung des Geldwertes auf Kosten der nachfolgenden Generationen als die entscheidende Triebkraft der staatlich gesteuerten, von oben herab lenkenden Politik, ja als der Sinn von politischer Lenkung überhaupt.

Μακάριοι οἱ πτωχοὶ τῷ πνεύματι, ὅτι αὐτῶν ἐστιν βασιλεία τῶν οὐρανῶν. 

Ganz anders klingt die reiche orientalische und europäische Tradition der gesuchten und gepriesenen Armut: „Sælic sind die armen des geistes, wan daz himelrîche ist ir.“ So fand ich es übersetzt in einem vor drei Jahren erschienenen brandaktuellen Buch.

„Ein ûzwendigiu armuot, und diu ist guot und ist sêre ze prîsenne an dem menschen, der ez mit willen tuot.“

Meister Eckart ist einer der größten europäischen Sprachpfleger: schöpfend aus der Antike, übersetzend, predigend, anverwandelnd. Vor allem hat er seine deutsche Muttersprache als gleichwertig mit den heiligen Sprachen des Altertums zu beleben gesucht.

Sollte die europäische Politik sich offen wie der von mir so hoch geschätzte Meister Eckart zum erzieherischen Wert der Wohlstandminderung bekennen, statt wie bisher ihren vornehmsten Sinn in der Hebung und Sicherung des Wohlstandes dank defizitfinanzierter Geldgeschenke zu sehen?

Freiwillige Wohlstandsminderung? Treppensteigen statt Aufzug? Fahrrad statt Auto? Müssen wir uns nicht etwas ärmer, etwas ehrlicher, etwas redlicher machen als wir eigentlich sind? Was sagen die Gelehrten, Doktoren und Professoren dazu?

„Nutzen Sie jede Gelegenheit zur Bewegung, das heißt Treppe statt Aufzug, Fahrrad statt Auto.“

Genau dieses Beispiel der freiwilligen Armut verlangt heute von uns Prof. Dr. med. Dr. med. habil . H. Michael Mayer, Orthopäde, Mitglied des Medizinischen Beirates der Versicherungskammer Bayern, Wirbelsäulenzentrum Orthopädische Klinik München-Harlaching

Zitatnachweise:

Meister Eckart. Predigt über Beati pauperes spiritu (P 52), in: Meister Eckart. Werke I. Texte und Übersetzungen von Josef Quint. Herausgegeben und kommentiert von Niklaus Largier. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 2008, S. 550

H. Michael Meyer: Fahrrad und Füße statt Auto, in: gesundheit aktuell. Der Gesundheitsratgeber der Versicherungskammer Bayern. Ausgabe 4/2011, S. 15

 Posted by at 09:28
Nov 262011
 

Als Berlins größtes politisches Problem benennt die BILD-Zeitung die  BILDUNG.

Unter dem Motto BILD DIR DEINE MEINUNG besuchte ich gestern und heute Tage der Offenen Tür an Berliner Schulen in freier Trägerschaft. Denn Schulen in freier Trägerschaft sind offensichtlich ein wichtiger Weg, um aus der gegenwärtigen Misere der senatsgeführten Schulen herauszukommen.

Gestern besuchte ich den Tag der Offenen Tür an der privaten deutsch-russischen Lomonossow-Grundschule.

Eine russische Mutter erhob sich in der Aussprache, nahm das Wort und führte aus, weshalb sie ihr Kind nach zwei Jahren von den staatlichen Schulen Berlins weggezogen habe. Mit schneidender Schärfe führte sie in russischer Sprache – unter dem beifälligen Kopfnicken aller Anwesenden – die Hauptargumente gegen die staatlichen Grundschulen Berlins aus. Ich weiß, dass viele Eltern in Gesprächen genau dieselben Beschwerden vorbringen, und gebe deshalb die folgenden Ausführungen mit Zustimmung Irina Potapenkos wider:

1) Es fehlt in Berlins staatlichen Grundschulen ein erkennbares Programm. Es ist für die Eltern nicht ersichtlich, womit sich die Kinder den lieben langen Tag beschäftigen. Den Kindern selbst ist es auch oft nicht ersichtlich.

2) Es fehlt ein inhaltlicher Kanon an Werten, Grundhaltungen und Tugenden. Den Kindern werden keine persönlichen Vorbilder vermittelt, sondern beliebige Angebote gemacht.

3) Einfache Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen, Singen und Malen werden in den ersten Grundschuljahren nicht ausreichend vermittelt. Die Kinder können beispielsweise am Ende der ersten zwei Grundschuljahre nicht das, was die Kinder in den Herkunftsländern nach zwei Jahren konnten: einfache Texte lesen, einfache Texte schreiben.

4) Die Kinder werden als Experimentierobjekte für pädagogische Neuerungen missbraucht. Dazu gehören das jahrgangsgemischte Lernen, das „Schreiben nach Gehör“, die Ganzwortmethode usw., die Verwischung der Rollendistanz zwischen Schüler und Lehrer, die Testeritis mit VERA usw.

5) Umgekehrt wird alles Bewährte über Bord geworfen. Die Kinder werden in einen kulturell leeren Raum hineinerzogen. Der vorherrschende Kulturrelativismus führt zu einer völligen Entkernung der deutschen Bildung, weshalb die Stärkung der Herkunftsidentität als Ausweg gesucht wird.  „Wenn schon die Deutschen nichts von ihrer klassischen Kultur und von sich erwarten, dann erziehen wir die Kinder eben nach türkischen, russischen, französischen, islamischen … Methoden und Werten.“

6) Je länger die Zuwanderer unter dem Berliner Schulsystem leiden, desto stärker klammern sie sich an der Herkunft fest.

7) Es fehlt an der Autorität des Lehrers. Die Kinder werden zuviel sich selbst überlassen. Die Disziplinprobleme überschreiten das erträgliche Maß.

8) Es fehlt an Leistungsanreizen. Die Abschaffung der Noten in den ersten Grundschuljahren bedeutet Laissez-faire ohne Ende, die Kinder werden nicht gefordert. Ihnen wird nichts zugetraut.

9) Es fehlt an Büchern, die durchgearbeitet werden. Deshalb fehlt es auch an Systematik. Der Lernfortschritt erfolgt zufällig. Kinder und Eltern haben oft das Gefühl, „sich im Kreis zu drehen“.

Die vorstehend angeführten Meinungen scheinen mir bei den allermeisten Eltern der Kinder mit Migrationshintergrund, die Berliner staatliche Grundschulen besucht haben und sich enttäuscht abwenden, vorzuherrschen.

Mangelnde materielle Ausstattung, fehlende Verbeamtung, „marode Turnhallen“, zu große Klassen usw., all die wortreichen Jeremiaden, mit denen die Deutschen und die deutschen Politiker über die staatlichen Schulen ablästern und herfallen, spielen in den Klagen der Eltern mit Migrationshintergrund erstaunlicherweise keine Rolle.

Es befremdet mich immer wieder, dass die Berliner Eltern mit Migrationshintergrund in der bildungspolitischen Debatte nicht erfasst werden.  Wer das große Wort führt, das sind die Deutschen und die wohlbesoldeten Standesvertreter der großen deutschen Lobbyverbände, die im wesentlichen ihre eigenen Klientel-Interessen verfolgen, egal ob sie nun GEW, TBB oder sonst irgendwie heißen.

Meinungsforschungsinstitute! Politiker! Ihr könntet ruhig einmal diese 9 oben aufgestellten Thesen der russischen Mutter einer Umfrage bei Eltern mit Migrationshintergund unterziehen. Die Frage müsste lauten: „Inwieweit stimmen Sie diesen Aussagen zu?“ Das Ergebnis wäre sicher überraschend.

Auf die neue Bildungssenatorin wartet jede Menge Arbeit!

Was tun? Zunächst gilt: Schulen in freier Trägerschaft wie etwa die deutsch-russische Lomonossow-Schule, Schulen in kirchlicher Trägerschaft bieten nach Ansicht der Eltern einen echten Ausweg aus dem beschriebenen Dilemma.

Darüber werden wir in den nächsten Beiträgen dieses Blogs berichten.

Koalitionsvertrag unterschrieben: Warum will keiner Berlins größtes Problem in die Hand nehmen? – Berlin – Bild.de

 Posted by at 23:42
Nov 212011
 

Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Rheinland-Pfalz sind die Bildungssieger, wie der aktuelle SPIEGEL auf S. 71 berichtet. „Bayern und Baden-Württemberg, die Seriensieger in Bildungsvergleichen, schneiden insgesamt hervorragend ab“ (SPIEGEL Nr. 47, 21.11.2011, S. 72).

Woran mag das liegen? Sicher nicht am Geld, auch nicht an der Bildungsinfrastruktur, denn auch mit mehr Geld und besserer Bildungsinfrastruktur schaffen es andere Bundesländer nicht, die beiden Südstaaten einzuholen. Liegt es an der jahrzehntelangen CDU/CSU-Herrschaft in den vier genannten Südstaaten? Oder wählen erfolgreiche Bundesländer CDU/CSU?

Nein, das wäre zu grob vereinfachend. Daran mag aber soviel richtig sein, dass Bildungslandschaften Jahrzehnte und Jahrhunderte brauchen, um einen hohen Stand zu erreichen. Die historisch-geographische Lage ist sicherlich ein Schlüssel für das Verständnis der Süd-Nord-Spaltung der Bildungsrepublik Deutschland.

Denn die genannten vier Bundesländer verbindet, wie ein Blick in jeden Geschichtsatlas lehrt, eines: Sie haben eine jahrhundertelange Tradition der kleinräumigen Eigenständigkeit, sie sind gekennzeichnet durch ein dichtes Netz an konfessionell, kommunal und regional getragenen „Pflanzstätten der Bildung“. Ein typisches Beispiel dafür ist das berühmte Tübinger Stift, aus dem Schelling, Hölderlin und Hegel hervorgingen. Die zahlreichen städtischen Volksschulen Bayerns mit ihrem täglichen gemeinsamen Singen von Schülern und Lehrern sind ebenfalls ein Faktor, der den überragenden Erfolg des bayerischen Schulwesens zu erklären vermag.

Die vier Bildungssieger widersetzten sich stets dem Gedanken eines starken deutschen Zentralstaates. Sie sind die „Abweichler“ vom starken Zentralstaat, die sich übrigens auch dadurch auszeichneten, dass in ihnen vor 1933 die extrem zentralistische NSDAP nie so stark war wie in den nördlichen und östlichen Teilen des Deutschen Reiches.

Die südlichen Königreiche Bayern (mit Rheinkreis) und Württemberg, das Großherzogtum Baden, das Königreich Sachsen bildeten mehr oder minder vollständig jenes eine Drittel des Deutschen Reiches, das vor 1871 nicht zum Königreich Preußen gehört hatte! Die nördlichen Bundesländer hingegen, die zum stark zentralisierten Preußen gehörten, bilden ausweislich des aktuellen SPIEGEL die untere Häfte des Bertelsmann-Bildungsatlanten. Die stark regional, kommunal und kirchlich geprägten südlichen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg, in geringerem Umfang auch Sachsen segeln seit Jahrzehnten mit vollen Segeln den anderen Bundesländern voran.

Die Verantwortung weg vom Zentralstaat auf die jeweils niedrigste Ebene zu verlagern oder auf ihr zu halten, das ist der Kerngedanke der Subsidiarität.

Der druckfrische SPIEGEL feiert einen großartigen Sieg für die Subsidiarität, er liefert ein klares Votum gegen den Zentralismus in der Bildungspolitik.

SPIEGEL ONLINE Forum – Braucht der Bund mehr Kompetenz in der Bildungspolitik?

 Posted by at 10:45