Hader, Zank, Beleidigung! Hört euch das an:
„Wir sind entsetzt sowie empört und fühlen uns durch den skandalösen Vorgang betrogen„ –
derart aufgebracht äußern sich die „MigrantenvertreterInnen im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen“ zur Berufungspraxis der Berliner Sozialsenatorin Dilek Kolat. Sie hatte es gewagt, vor der Berufung der neuen Integrationsbeauftragten Monika Lüke nicht die Zustimmung der „MigrantenvertreterInnen im Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen“ einzuholen.
Schlimmer noch: Mit echt schrägen Themen wie etwa „Pflichten der Eltern“ oder „Ich will ein Vorbild sein“ steht sie quer zu den jahrzehntelang eingeübten Ritualen des Berliner parteiübergreifenden Vulgärsozialismus. Kolat vertritt das, was man in den SPIEGEL- und Tagesspiegel-Redaktionen sicherlich krude Thesen nennen würde, so etwa die, dass der Staat nicht vollständig für den Bildungserfolg der Kinder in Haftung zu nehmen sei, dass auch die Eltern gewisse Pflichten hätten, dass mehr staatliches Geld nicht bessere Integration bedeute usw.usw.
„Entsetzt sowie empört!“ Großartig, diese Sprache! Es ist genau der künstlich aufgebauschte Erregungston, der in Berlin immer dann angeschlagen wird, wenn irgendeine Gruppe sich in ihrem Benachteiligtenstatus verletzt fühlt.
Benachteiligtsein, Beleidigtsein und der Nachweis der Berechtigung dieser Gefühle bedeutet in Berlin bares Geld von Väterchen Staat. Aus diesem Gefühl heraus bestreiten viele Gremien und Debattierklubs ihre Existenzberechtigung – und im Handaufhalten sind sie dabei besonders fix. Wie sagte doch Gretchen in Goethes Faust:
Zum Gelde drängt
Am Gelde hängt doch alles!
Ach wir Armen!
Eine Goldmine an Erkenntnissen für die neue Integrationsbeauftragte dürften meines Erachtens auch die Interviews mit Gilles Duhem sein, dem Geschäftsführer des Vereins Morus 14, die man bequem im Internet abrufen kann und abrufen sollte, so etwa dieses in der taz:
Kommen Sie selbst aus armen Verhältnissen?
Überhaupt nicht. Meine Eltern hatten immer Geld, aber als ich 13 war, haben sie mir gesagt: „Willst du ein Mofa? Dann arbeite dafür.“ Ich finde das absolut richtig. Wir haben hier Jugendliche, die kommen und sagen: Mann, ich habe keine Lehrstelle gekriegt, weil ich Araber bin. Ich schaue mir die an und sage denen: Nein, du hast sie nicht bekommen, weil du nicht gut genug bist.
Mein Eindruck: Im Verein Morus 14 leisten die Ehrenamtler, all die Schülerhelfer und Mentoren hervorragende, unentgeltliche Arbeit. Arbeit am Menschen. Sie labern nicht rum, sondern tun was.
Die Debattierklubs und Empörungszirkel hingegen werden der neuen Integrationsbeauftragten sicherlich alles Erdenkliche vorlegen, um dann die eigene Unersetzlichkeit zu beweisen – und dann die Hand hinzuhalten.
Also, Frau Lüke, seien Sie uns willkommen, lassen Sie sich nicht von den Entsetzt-sowie-Empört-Profidarstellern ins Bockshorn jagen. Der Berliner Integrationszirkus bedarf dringend der Durchlüftung! Verschaffen Sie sich einen Überblick über die paradiesische Berliner Förderlandschaft, werfen Sie Licht in das Gewirr der Integrationsmaßnahmen, Integrationspläne, Fördermaßnahmen, Evaluierungsgremien usw. usw.
Und bedenken Sie die Lehre von Goethes Gretchen – die besonders für den unendlichen Bereich der Berliner Sozial- und Integrationspolitik gilt:
Zum Geld des Senats drängt,
Am Geld des Senats hängt
Doch alles.
Ach wir armen Berliner!
Sorry, the comment form is closed at this time.