Als eifriger Internetsurfer konnte ich mir die Enthüllung der neuen Markenkampagne durch unseren Berliner Regierenden Bürgermeister nicht entgehen lassen und verfolgte sie ausschnittweise auf dem Internetportal meiner Heimatstadt mit. Richtig gut fand ich, dass Klaus Wowereit nett-anrührende Geschichten erzählte und glückliche Menschen vorstellte, die sich gegen alle Widerstände und Klippen Erfolg erarbeitet haben – ob nun als Starkoch oder als Hauptschüler aus einer angeblich so benachteiligten Hauptschule. Weiter so! Wir brauchen Erfolge, man muss diese Geschichten wieder und wieder erzählen, und die Menschen, die etwas auf die Beine stellen, die zu Schmieden ihres Glücks geworden sind, sollen im Rampenlicht stehen – mindestens für einen Augenblick. Mehr davon, vortrefflich, davon können wir gar nicht genug bekommen!
Was aber ist von dem neuen Slogan „be berlin“ zu halten? Zunächst einmal: Welche Sprache ist das? Vielleicht Englisch, die heutige Massen- und Krethi-und-Plethi-Sprache, die kaum jemand kann (übersetzt: „sei Berlin“)? Oder Hebräisch, eine der Ursprungssprachen unserer europäischen Kultur (übersetzt: „in Berlin“)? Zu befürchten steht: Englisch … kein gutes Englisch, that goes without saying. Es klingt schon sehr seltsam, jemandem zuzurufen: Be Paris, Be Madrid, Be Roma. Es erinnert an: „Be quiet!“ Ein solcher Imperativ ohne hinzugesetztes „.. please!“ oder ähnliches wirkt recht schroff im Englischen, überfällt den Hörer oder Leser auf kumpelhaft-überrumpelnde Art.
Aber halten wir den Schöpfern der Kampagne zugute, dass sie sich etwas dabei gedacht haben. Sie wollen offenbar zur Identifikation mit dieser Stadt auffordern, oder sie erzwingen. Etwa im Sinne der Kampagne aus dem glorreichen WM-Sommer 2006: „Du bist Deutschland.“ Funktioniert so etwas? Ich glaube: Nein. Niemand springt gerne über so ein Stöckchen, das ihm ungefragt hingehalten wird.
Warum eigentlich Englisch? Hier leben hunderttausende Menschen mit nichtdeutscher Muttersprache, Hunderttausende sind zugewandert, aus der Türkei, aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus dem Mittelmeeraum, aus dem östlichen Europa und Russland. Für sie alle, die in dieser Stadt leben, ist Deutsch die Verkehrssprache, die lingua franca, die ihnen das Leben und Wirtschaften in der Metropole und die Integration in diese Gesellschaft ermöglicht. Nur Menschen mit langjähriger Schulausbildung im westlichenTeil Berlins verfügen über hinreichende Englischkenntnisse, um sich einen Reim auf diesen Slogan zu machen. Alle anderen werden sich ausgeschlossen fühlen, darunter auch die Bewohner des ehemaligen Ostteils von Berlin, die sich trotz hartnäckiger Beschulung weder im Russischen noch im Englischen hinreichende Gewandtheit aneignen konnten.
Ich bin überzeugt: Der zentrale Werbespruch Berlins, der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland, hätte unbedingt in deutscher Sprache verfasst werden müsssen.
Meine britischen Kolleginnen und Kollegen fragen mich immer wieder entgeistert: „Was macht ihr mit euerer schönen deutschen Sprache? Sprecht lieber ein gepflegtes, verständliches Deutsch, als euer verhunztes Englisch, das nicht unser Englisch ist!“
Wie sieht es mit dem Klang des Slogans aus? Für die Einprägsamkeit einer Aussage ist die sinnliche Anmutung mitentscheidend, vor allem, wenn sie derart sinnleer daherkommt wie eben dieses „be berlin“. Gut finde ich die Alliteration – jeder Marketingstratege weiß, dass Konsonantenwiederholung am Wortanfang sinnvoll ist. Die zwei I-Laute deuten auf etwas Helles, Kleines oder auch Niedliches hin. Die Lautfolge Biberlin erinnert an etwas Niedliches, etwa einen kleinen Biber, ein flinkes Wiesel, ein knuddeliges Eisbärenbaby, oder auch an das dialekthafte „Biberle“, also ein schwäbisches Küken. Ist Berlin so klein und niedlich? Nun ja, vielleicht im Vergleich zu Mexiko-Stadt oder Moskau. Aber es passt einfach nicht zu dieser großen und selbstbewussten Stadtregion, es manifestiert sich hier eine Selbst-Verleugnung und Selbst-Verniedlichung, wie sie uns nicht gut ansteht. Der ausländische Tourist wird fragen: „Haben die das nötig? Da steckt doch was dahinter! Was wollen die von mir? Ich soll Berlin sein? Aber ich will doch die Stadt nur genießen, nicht mich zu ihr bekennen!“ Psychologen belehren uns, dass derartige zwanghafte Selbstverkleinerung, die noch dazu durch die Kleinschreibung unterstrichen wird, nur die Kehrseite einer äußerst gefährlichen Allmachts- und Herrschaftsphantasie sein kann.
Gesamturteil: Das Motto „be berlin“ ist zwar gut gemeint, aber letztlich ein echter kommunikativer Fehlschlag, ein Rohrkrepierer der Extraklasse. Ich heiße es anbiedernd, schlecht bedacht, geprägt von jener Mischung aus befehlender Überheblichkeit und demütigender Selbstverzwergung, die weder für die ausländischen Besucher noch die zugewanderten und alteinsässigen Bewohner dieser Stadt ein echtes Angebot darstellt. Der Wahlspruch „be berlin“ ist eine sprachliche Kapriole, die sich selbst wieder und wieder konterkarieren wird. Ist dafür öffentliches Geld an die zahlreichen beteiligten Agenturen geflossen? Das sollte man zurückfordern.
Leute, die Suche geht weiter. Habt ihr Vorschläge?
3 Responses to “Nu mach ma endlich: be berlin”
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Achmed, auch die Zeitungen haben diese Beschuldigung mittlerweile aufgefriffen. Die Parallelen sind in der Tat schlagend. Vermutlich lässt sich ein echtes Abkupfern aber nicht beweisen. Zumal es ja eben die leerste Kampagnen-Aussage überhaupt ist. Wie sagte unser Berliner Philosoph Hegel doch so treffend: „Seyn, reine Leere, die allgemeinste Aussage überhaupt.“ Jippie Hegel, Jippie Berlin, Berlin ist hip.
<p>Achmed, Deinen Kampagnenvorschlag habe ich mir angeschaut. Ich finde ihn sehr gut, kein Wunder, dass niemand darauf eingegangen ist. Wer von den bezahlten und angestellten Werbefachleuten lässt sich schon gerne die Butter vom Brot nehmen? Zumal Du Deinen Vorschlag ja offenbar gratis angeboten hast – vielleicht ein Fehler, oder? Allerdings hättest Du heute mehr Chance damit, die Zeit ist reifer. Probier es noch einmal! </p>
<p>Besonders gut fand ich Deine Bemerkung, dass manche Kinder es ablehnten, in einen Bus mit schrecklichen Motiven einzusteigen:</p>
<p>“Der Bus der Firma MediaMarkt mit den kleinen Gespenstern darauf hat einige Kinder so verunsichert, daß sie damit nicht fahren wollten (eigene Erfahrung, 1997).“</p>
<p>Dazu fällt mir ein: Die Werbe- und Marketingbranche ist meines Wissens fast komplett in der Hand von arbeitswütigen Singles im immerwährenden Jugendalter. Eine Familie haben dort die allerwenigsten. Keine Zeit, no time, no chance! Sich in Menschen mit Kindern, in ältere Menschen, in Ausländer hineinzuversetzen, fällt denen schwer. Manche Marketingfachleute arbeiten vor allem zur Steigerung ihres eigenen Marktwertes, das heißt, sie versuchen vor allem die Kolleginnen und Kollegen aus der eigenen Branche zu beeindrucken. </p>
<p>Gut hat diesen Zirkus Frédéric Beigbeder beschrieben, in seinem Buch „99 Francs“. Auf deutsch: „39,90“. Aber auch mit Insidern zu plaudern ist höchst lehrreich.</p>
Es ist schon bemerkenswert, daß sich die Leute einerseits aufregen, wenn Migranten die deutsche Sprache nicht beherrschen, aber es andererseits ohne zu murren akzeptieren, daß unsere Sprache von Anglizismen durchsetzt wird. Sei Berlin wäre mindestens so eingängig gewesen wie be berlin.