„Ich habe mich erschrocken„, las ich kürzlich in einem Buch des Hanser Verlages („Die Frau mit dem roten Tuch“), und gerade eben bin ich sehr erschrocken, als ich folgendes las:
Bildungspolitik: Sarrazin schlägt Kindergeld-Halbierung für vergessene Hausaufgaben vor – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
In den allermeisten der 860 Zuschriften habe er aber Zustimmung erfahren, betont der frühere Politiker, der sich vor allem einen Verdienst zuschreibt: „Ob das gelungen war oder nicht, es hat gewirkt.“
Nun, Sarrazin kann sich das Verdienst an seinem großen Zusatzverdienst von weit über einer Million Euro nicht allein selbst zuschreiben. Alle seine berühmten Kritiker haben seinen Verdienst durch häufiges Erwähnen, Nennen und Bekämpfen ungewollt erhöht! Der erhebliche Verdienst aus diesem Buch wird nicht nur seine Frau, sondern auch das Finanzamt erfreuen.
Ich schüttelte mein greises Haupt: Noch in meiner fernen Jugendzeit brachten uns die Lehrer den Unterschied zwischen „das Verdienst“ und „der Verdienst“ bei – niemand hätte es in eine Redaktion geschafft, der nicht den Unterschied zwischen
Das Verdienst Immanuel Kants liegt darin, die Vernunft mit den Mitteln der Vernunft auf ihre eigenen Grenzen hingewiesen zu haben
und
Der Verdienst Immanuel Kants war so schmal, dass er ihn durch Nachhilfestunden aufbessern musste
gekannt hätte.
Ähnliches galt in meiner fernen Jugend für Wendungen wie „Ich habe mich erschrocken“ oder „Ich habe das Plakat an die Stange gehangen“. So etwas ließen uns die Lehrer nicht durchgehen. Vergleichen wir:
Keiner, der nicht Wahlplakate an Stangen gehängt hat, kann ermessen, wie wichtig die Wahlwerbung ist.
Das Plakat der Kreuzberger Splitterpartei, das vorgestern noch an der Stange gehangen hat, habe ich vorhin nicht mehr gesehen. Haben sie es abgehängt?
Tja. So wurde uns das damals beigebracht.
Sprache ändert sich. Beckmesserei hilft nicht weiter.
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