„Ihr Deutschen habt schon so viel Unfrieden über die Welt gebracht! Nun haltet mal schön stille und zahlt uns unsere Schulden! Wir brauchen keine Belehrungen von euch!“ So etwa lautet der emotionale Subtext, den gewisse Staaten uns in diesen Tagen wieder und wieder aufs Brot schmieren.
Ein irreführendes Argument, wie ich meine! Selbst Helmut Schmidt hat es verwendet:
Euro unbedingt retten: Helmut Schmidt: D-Mark würde Arbeitsplätze vernichten – Politik – Tagesspiegel
„Selbstverständlich werden die notwendigen Reparaturen abermals Geld kosten. Selbstverständlich werden sie insbesondere uns Deutsche abermals viel Geld kosten“, kündigt Schmidt an. Die Deutschen hätten in der Vergangenheit „erheblich zum Unfrieden in Europa und in der Welt beigetragen“ und müssten nun „auf eine ganz andere Weise dazu beitragen, dass die Schrecken der Vergangenheit sich nicht wiederholen können. Dafür sind weitere Opfer an Souveränität und an Geld geboten“, schreibt Schmidt.
Es ist natürlich richtig, dass die Weltöffentlichkeit, mindestens die breite westeuropäische Öffentlichkeit und die USA sich darauf geeinigt haben, dass die Deutschen und fast nur die Deutschen an fast allem Bösen schuld sind, das sich in den letzten hundert Jahren, insbesondere von 1914 bis 1945, ereignet hat. In Tausenden von Filmen, Büchern, Zeitungsartikeln wird dieses triviale Bild weltweit wieder und wieder befestigt.
Über belgische Kolonialgräuel in Kongo, über italienische Giftgaseinsätze in Afrika und Konzentrationslager in Dalmatien, über die umfassende französische und die umfassende tschechische Kollaboration, über die französischen Massaker vom 08.05.1945 in Algerien, über russische Massenhinrichtungen, über griechische Vertreibungen, über türkische Vertreibungen, über den britischen Kolonialismus, über die Tatsache, dass sehr viele europäische Staaten, ja die meisten europäischen Staaten, darunter auch Sowjetrussland bis 1941 (sic!), mindestens einige Jahre lang recht begeisterte Waffenbrüder des Deutschen Reiches waren, wird hinweggesehen.
Man weiß es nicht oder tut so, als wüsste man es nicht. Und wenn man es weiß, erwähnt man es nicht. Und wenn es erwähnt wird, nimmt man es nicht zur Kenntnis. Da ist noch sehr viel Aufklärung und Erinnerungsarbeit zu leisten.
Ich meine: Die Euro-Frage darf auf keinen Fall mit der Frage der einzigartigen deutschen Schuld in den Jahren 1914-1945 verknüpft werden! Das halte ich für geradezu aberwitzig. Da enttäuscht mich der ansonsten so brillant analysierende Altkanzler bitterlich.
Und die Bundesrepublik Deutschland, gegründet 1949, hat sicherlich nicht besonders zum Unfrieden in dieser Welt beigetragen. Oder will irgendjemand dies behaupten? Jetzt aus dem Verhalten Deutschlands in den Jahren 1914-1945 eine besondere finanzielle Verpflichtung Deutschlands zur Rettung des Euro herzuleiten, ist absurd. Aber genau diese Absurdität wird wieder und wieder aufgetischt.
Die Frage der Euro-Rettung ist eine politisch-pragmatische Frage.
Die Euro-Rettung ist im wohlverstandenen gemeinsamen Interesse der europäischen Staaten zu leisten. Die vereinbarten Stabilitätskriterien sind sinnvoll. Wir haben das Recht, die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Pflichten voneinander einzufordern.
Nicht sinnvoll ist es zu sagen: Die Franzosen arbeiten bis 60, die Deutschen bis 69, die Griechen bis 58, weil die Deutschen so besondere moralische Schuld tragen. „Die Deutschen müssen mit ihrem Sozialsystem die zugewanderten Bürger anderer Staaten unterstützen, die es aus eigener Kraft nicht schaffen – denn die Deutschen haben in den Jahren 1914-1945 so schwere Schuld auf sich geladen.“ Das ist Unfug.
„Ihr Deutschen zahlt für die Schulden anderer, weil ihr Deutschen schuldig seid.“
Diese Begründung taugt nichts.
Sorry, the comment form is closed at this time.