Sep 232010
 

Wolf und Lamm sollen weiden zugleich“, dieser Vers Jesaias in der Übersetzung Martin Luthers kommt mir manchmal in den Sinn, wenn ich nahezu täglich die Streitereien zwischen Autofahrern und Radfahrern miterlebe. 

Wölfe und Lämmer, Fahrräder und Autos sollen sich einen gemeinsamen Raum teilen. Sie wollen weiden zugleich. Bosheiten werden gar nicht erst zugelassen. Wenn alle sich an die  Verkehrsregeln hielten, wozu insbesondere ständige Rücksicht, stete Vorsicht, witternde Achtsamkeit und sorgfältige Einhaltung der Straßenverkehrsordnung (StVO) und der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) gehören, gäbe es nicht all das Zanken und Zerren, das Zoffen und Zurren, das Geplärre und Getrommle. 

Das Murren und Grummeln in den Kommentarspalten des folgenden Artikels ist höchst lehrreich:

Verkehr: Gericht schützt Kampfradler – Welt – Tagesspiegel

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Jul 192010
 

11072010002.jpg Der Mensch ist ein laufendes, ein schwitzendes Wesen. So schildert ihn die Bibel, so schildern ihn die Biologen, so schildern ihn die Sprachen aller Nationen. Unzählbar sind die Redewendungen mit „gehen“. Ça va bien, eh? Es geht gut, oder? Everything goes well.

Minister zu Guttenberg glaubte sich kürzlich entschuldigen zu müssen, weil er nach dem Radfahren mit einem schwitzenden Gesicht im Café Einstein dasaß und zum Afghanistan-Krieg Rede und Antwort stand. I wo, Herr Minister! „Im Schweiße deines Angesichts“, so sollst du dein Brot verdienen. Was ist so schlimm, wenn man schwitzt?

Was ist so schlimm, wenn man zu Fuß geht? Dies hat endlich auch der Senat erkannt. Die Förderung des Fußverkehrs hat er sich zum Ziel gesetzt. Gut so, warum erst jetzt? Ich mache mit! Ich bremse auch für Fußgänger. Das ist doch EHRENSACHE für einen Radfahrer. Es wird schon gehen.

Das gute Miteinander wächst von unten her, vom Prinzip der Subsidiarität: Was du zu Fuß erledigen kannst, erledige zu Fuß. Was du zu Rad erledigen kannst, erledige mit dem Rad. Was du mit der BVG oder dem Taxi erledigen kannst, erledige mit der BVG oder dem Taxi.

Das ist Subsidiarität. Uraltes Prinzip der katholischen Soziallehre 🙂

Bild: Fußverkehrfeindliche Autos im Tegeler Forst, dauergeparkt im absoluten Halteverbot.

Hauptstadt der Fußgänger – Berliner Zeitung
Viele Fußgänger fühlen sich belästigt, weil ihnen Radfahrer die Gehwege streitig machen. Auch dazu soll es ein Projekt geben – eine Kampagne für ein besseres Miteinander. Kenner des Berliner Verkehrs fragen sich allerdings, ob die Nachricht bei allen Radfahrern ankommen wird. Doch einen Versuch wäre es wert, so der Senat.

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Bäume der Nachhaltigkeit pflanzen!

 Einladungen, Fanny Hensel, Gute Grundschulen, Musik, Nahe Räume, Natur  Kommentare deaktiviert für Bäume der Nachhaltigkeit pflanzen!
Jun 242010
 

Wir Deutschen lieben den Wald und die Bäume – mehr als viele andere Völker. Noch der heutige Kult um Naturschutz, Umweltschutz, der rasante Erfolg der grünen Partei, die Idee der Umwelt-Detektive usw. ist kaum vorstellbar ohne die ganze Vorgeschichte von Eichendorff, von Waldesrauschen, Jägerlust und Auenseligkeit.

Ich selbst teile diese ganze romantische Natursehnsucht, die Vorstellung, dass die Natur, die Umwelt etwas Schützenswertes, etwa nahezu Verehrungswürdiges ist. Letztlich freilich soll der Mensch die Natur sich dienstbar machen. Er soll die Natur pflegen und hegen, soll sich ihrer freuen. Aber er soll sie nicht anbeten. Die Vorstellung, dass Nachhaltigkeit eine Beibehaltung des Status quo bedeute, ist irrig. Den starren Status quo gibt es in der Natur nicht.

Es geht darum, sich so achtsam und schonend zur Natur zu verhalten, dass sie auch in 50 oder 100 Jahren den Menschen noch Freude bereiten und ihnen als Lebensgrundlage dienen kann.

Unser Bild zeigt einen vor einem Jahr gepflanzten Baum in der Fanny-Hensel-Grundschule, der den „Umwelt-Detektiven“ gewidmet ist.

Der Sommer ist endlich da! Um dies zu feiern, laden wir die Fanny-Hensel-Grundschule zu einem Konzert ein. Lieder von Robert Schumann stehen im Mittelpunkt. Der Eintritt ist frei.

Wann? Am Mittwoch, dem 30.06.2010, um 10.00 Uhr vormittags

Wo? In der St.-Lukas-Kirche, Bernburger Straße 3-5, 10963 Berlin-Kreuzberg

Wer singt und spielt?
Irina Potapenko, Sängerin
Mark Lewin, Ivan Hampel, Johannes Hampel, Geige
Lala Isakowa, Klavier

Lest doch die nachfolgenden deutschen Naturgedichte – sie werden im Konzert am kommenden Mittwoch erschallen und erklingen!

Joseph von Eichendorff: Mondnacht

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

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Mai 102010
 

09052010015.jpg Heftige Schelte erhielt der kühne Blogger von den Fachleuten und den Bezirks-Politikern für seinen nur angedachten Vorschlag, an ausgewählten Stellen die Gehwege großzügig für Radfahrer und Fußgänger gemeinsam freizugeben: Shared Space zum Nulltarif.

ADFC, Parteien von links bis rechts und Mitstreiter wiesen mich zurecht und ich versprach geknickt, diese Forderung nicht weiter zu erheben.

Dabei rege ich noch einmal an: Wo sollen die über 65-Jährigen Rad fahren? Wohin sollen sie? Die werden doch überall weggescheucht!

Berlin hat kein Geld. Shared Space, wie es im Buche steht, kostet wahnsinnig viel  Geld. Warum nicht zum Nulltarif? Man muss nur umdenken … Berliner! Teilt den gemeinsamen Raum und merkt, dass ihr gut miteinander auskommen könnt!

Dass Shared Space zum Nulltarif funktionieren kann, beweist aber ein Video, das ich gestern schoss. Hier ist es. 

YouTube – Kanal von JohannesHampel

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Mrz 152010
 

Gute Diagnose Uwe Radas heute in der taz auf Seite 12! Er hat recht: Die heutige Debatte über Gentrifizierung, Verdrängung, steigende Mieten, angezündete Autos, gestohlene Fahrräder, verwahrloste Kinder usw. kreist fast nur um Negativbegriffe! Sie ist weitgehend ideologisch aufgeladen. Sie wird fast ausschließlich von Nichtbetroffenen und Nichtfachleuten geführt, also von Journalisten, Lobbyisten, Parteipolitikerinnen, Netzwerkern. Häufig bekämpft man den Wandel, ohne den Ist-Zustand zu kennen. Wer etwa behauptet, hier in Kreuzberg müsse alles so bleiben, wie es ist, der lebt meist gar nicht hier, bringt seine Kinder hier nicht zur Schule, sitzt seine Nachmittage nicht auf Kreuzberger Kinderspielplätzen ab. Wir brauchen hier den Wandel, wir brauchen neue Zuzügler, wir brauchen gemischte Nachbarschaften, nicht homogene Strukturen wie jetzt.

Unbedingt nötig ist ein positives Leitbild! Wo wollen wir hin? Sollen Kinder weiterhin quer durch die Stadt gefahren werden, nur damit sie an die richtige Grundschule außerhalb Kreuzbergs kommen? Oder wollen wir das kleinräumige, hochverdichtete Miteinander von Wohnen und Schule?

Manchen Quartiere können nur Ghetto oder Szeneviertel sein. Warum?: Wir sind die Stadt – taz.de
Um die verlorenen Stadtbürger der Suburbanisierungsjahre wieder einzusammeln, werden innerstädtische Flächen mobilisiert und schicke Neubauten aus dem Boden gestampft. Die negativen Auswirkungen dieser „Renaissance der Innenstadt“ werden dann Quartiersmanagern und der sozialen Feuerwehr überlassen.

Dieser Abschnitt ist bezeichnend! Es entsteht der Eindruck, als würde das Quartiersmanagement eingerichtet, um die Folgen von Gentrifizierung abzufedern. Ein grotesker Irrtum. Das Quartiersmanagement, die soziale Feuerwehr ist als fürsorgliche Belagerung eingerichtet worden, um die jahrzehntelange gewachsenen, homogenen Milieus der benachteiligten Schichten vor weiterem Abstieg zu bewahren. Es ist eingerichtet worden, um zu verhindern, dass ganze Nachbarschaften umkippen und in Perspektivlosigkeit und Kriminalität versinken.

Wir brauchen jedoch eine kluge, nach vorne schauende kleinräumige Steuerung von selbsttragenden, nachhaltigen Wandlungsprozessen, nicht das Bewahren und Befestigen von zementierten Strukturen.

Wir brauchen Modellbezirke, nicht Katastrophenszenarien.

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Geht es auch billiger?

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Mrz 152010
 

Straßenausbaugesetz: Berliner zahlen die Fahrbahn vor der Tür – B.Z. Berlin – Schupelius, Luxusparks
Die Bezirksämter bauen ja gerne perfekte Straßen mit allem Schnickschnack, mit Gehwegnasen, Pollern und Parkbuchten aus handgepflastertem Granit.

Harter Vorwurf des Reporters Gunnar Schupelius in der BZ heute auf S. 15! Aber ist da was dran? Straßenumbauten sind in der Tat teuer. Als ich anfing, mich mit Tiefbau im Bezirk zu befassen, staunte ich selbst über die Kosten der Maßnahmen! Der Preis eines Einfamilienhauses ist da schnell hin- und weggepflastert.

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„Ach du aufgeblasener … Fahrradaufstellstreifen“

 Fahrrad, Friedrichshain-Kreuzberg, Nahe Räume  Kommentare deaktiviert für „Ach du aufgeblasener … Fahrradaufstellstreifen“
Mrz 152010
 

04032010013.jpg

Was ihr da seht, das nannte man früher einen aufgeblasenen Fahrradaufstellstreifen! Hättet ihr’s gewusst?  Dieser hier ist in Düsseldorf zu sehen. In Berlin-Mitte gibt es sie recht prominent etwa an der Einmündung der Oranienburger Straße in die Friedrichstraße. Probiert es mal aus, fahrt mit euren Fahrrädern hin!

Fahrradfreundliche Straßen: Planungsbeispiele Südliche Friedrichstadt in Berlin

Am kommemden Mittwoch, 17.03.2010, 17 Uhr tagt das nächste Mal der bezirkliche FahrRat Friedrichshain-Kreuzberg! Alle Sitzungen sind öffentlich, es lohnt sich, dieses Gremium durch eure Anwesenheit zu beehren! Wo? Rathaus Kreuzberg, Yorckstraße 4-11, Raum 2051. Da geh ich selbst natürlich auch hin!

Noch einmal schaue ich in meine Notizen von der letzten Sitzung! Ich ziehe folgende Bilanz:

Recht weit war das verkehrspolitische Denken schon in unserem Bezirk vor 23 Jahren. Wolfram Däumel vom ADFC hielt bei der letzten Sitzung des bezirklichen FahrRats Friedrichshain-Kreuzberg eine sehr ansprechende Präsentation über die Probleme der Ost-West-Querung in der Südlichen Friedrichstadt, wie sie 1987 in einer von ihm und anderen Autoren verfassten Broschüre zur Internationalen Bauausstellung (IBA) aufgearbeitet worden waren. 

In seinem Vortrag stellte Däumel Damals-Heute-Vergleiche an, die er durch aktuelle Fotos untermauerte. Daran schlossen sich kurze Besprechungen einzelner Punkte an.

Die 1987 erarbeitete Broschüre ist heute im Internet abrufbar unter der Adresse:

http://www.däumel.de/WD/Radverkehr/IBA87/

 Allgemeine Themen, die damals, 1987, schon in der Luft lagen:

1.       Radwege auf Bürgersteigen?  Können eine Verschlechterung der Situation des Radverkehrs bedeuten. Denn es kommt häufig zu Konflikten zwischen Radfahrern und den Fußgängern. Bürgersteigradwege stellten also bereits 1987  – selbst wenn sie zu Fahrradrouten gehören – nicht grundsätzlich eine Verbesserung dar.

2.      Sinnvolle Fahrradrouten ermöglichen den Radfahrenden das Durchfahren längerer Strecken auch ohne besondere Ortskenntnisse. Mit ihrem deutlich erkennbaren Leitsystem sind sie ein wichtiger Bestandteil der Fahrrad-Infrastruktur.

3.     Wichtige Kriterien guter Radverkehrsführung: Einbeziehung ruhigerer Nebenstraßen, Wegweisung für Radfahrer, auf Hauptverkehrsstraßen Radfahrstreifen von 2 m Breite.

4.      Bereits damals (1987) wurden wichtige Neuerungen und Verbesserungen gefordert und erklärt: Radfahrstreifen, vorgezogene Aufstellflächen (damals: „aufgeblasener Fahrradaufstellstreifen“ genannt), Abstellbügel (die heutigen „Kreuzberger Bügel“), die „Fahrradstraße“.

U11032010001.jpg Und das hier sind vorbildliche Anlehnbügel … gesehen vor der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin-Mitte. Ein Vorbild auch für die Konrad-Adenauer Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung, die Hanns-Seidel-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-Stiftung? Haltet euch ran! Lehnt euch daran an!

 

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Mrz 152010
 

09032010.jpg Ein spannendes Gespräch mit Ai Weiwei  brachte soeben Deutschlandradio Kultur. Wichtigste Punkte: Die vollkommene Stadt gibt es nicht. Aber Städte sind gedacht, vom Menschen her zu wachsen. Städte sollen freundlich sein. Eine menschenfreundliche, aus der Landschaft heraus wachsende Stadt ist ohne Einhaltung der Menschenrechte und der Bürgerrechte nicht denkbar. Misswirtschaft und Fehlplanung im Städtebau kostet Menschenleben. Man muss an das Gute im Städtebau glauben und daran arbeiten.

Bild: Land -Wasser – Häuser – Himmel. Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg. Eine Stadtlandschaft.

Deutschlandradio Kultur – Thema

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Mrz 072010
 

04032010013.jpg Haben wir in Deutschland ein Autobahn-Defizit oder ein Sinn-Defizit? „Törichte Frage!“ – werdet ihr mir einwenden – „die Autobahnen sind doch der Sinn Deutschlands, das wird jeder Raumfahrer, der vom Mars nach Deutschland kommt, sofort bestätigen! Autobahnen verbinden Städte, Autobahnen umhegen Städte, Autobahnen gliedern Städte im Inneren auf sinnstiftende Weise! Autobahnen ermöglichen Freiheit. Autos sind das Symbol der Freiheit! Nur wer Auto fährt, ist ein freier Mensch. Der Mensch diene dem Auto! Nicht umgekehrt! Denn das Auto verkörpert den Traum jedes Unfreien, endlich frei zu werden. Schlösser sind das Symbol der Unfreiheit! Deshalb gab es zu Zeiten der Hohenzollern auch fast keine Autos. Deshalb wurde das Stadtschloss in Schutt und Asche gelegt!“

Deshalb hat der Verkehrsminister auch gefordert, lieber 8 km Autobahn zu bauen statt dem Schloss eine Kuppel aufzusetzen.

Ist das alles so einfach? Ich hege Zweifel. Zumal ja das Fahrrad ebenfalls diesen Traum der individuellen Freiheit dank Mobilität verkörpert – mindestens innerhalb der Städte. Man müsste also erst einmal 8.000 km sichere, leicht erkennbare, gut ausgeschilderte  Fahrradrouten in Berlin-Brandenburg anlegen, ehe man noch für dasselbe Geld weitere 8 km Autobahn baut. Wir brauchen die Fahrradbahn! Also eine Art Radbahn, die die Städte ähnlich engmaschig erschließt, wie dies die Autobahnen landesweit, außerhalb der Wohngebiete tun sollen.

Das Foto zeigt eine „vorgezogene Aufstellfläche für Radfahrer“ in der Landeshauptstadt Düsseldorf.

Der Tagesspiegel bringt heute auf S. 16 einige Leserbriefe zu diesem Thema „Kuppel oder Autobahn?“. Ich zitiere einen davon – von der Kreuzbergerin Annette Ahme:

Die Bürger sind gefordert
Jeder sieht mit einem Blick, dass ohne Kuppel oder mit einer Minikuppel das Schloß stark an Attraktivität verliert. Schon Schlüter hatte eine Kuppel geplant, die dann der Schinkel-Schüler Stüler in nobler Weise realisiert hat. Durch Kuppel und Eosander-Portal ist die Kastenhaftigkeit des Schlosses vermieden, welche ihm ohne diese Bauelemente anhaften würde. Späterhin ist der Raschdorffsche Dom entstanden, dessen Kuppel auf die Schloßkuppel antwortet. Die Silhouette mit den Kuppeln der damaligen Religionsgemeinschaften – goldene Kuppel der großen Synagoge in der Oranienburger Straße, Domkuppel, St. Hedwig – im Zusammenspiel mit der Schloßkuppel und später mit der Reichstagskuppel. Noch sind nicht alle Menschen ausgestorben, die solche Stadtsilhouetten zu lesen und schätzen wissen. Zu schätzen über den Tag hinaus. Zu schätzen als wertvoller als 8 km Autobahn …

Annette Ahme, Berlin-Kreuzberg

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Feb 202010
 

20022010001.jpg Einen herrlichen zweistündigen Winterurlaub verbrachten wir heute auf einem der höchsten Berge unseres Bundeslandes, dem Kreuzberg. Schaut euch das herrliche Bild an! Der Schnee war rekordverdächtig schnell – die Bahn aber teilweise vereist, so dass ohne Spikes an den Füßen ein Bezwingen dieses Berges nur über Umwege möglich war.

Auf dem Rückweg kamen wir wieder durch die Großbeerenstraße. Gestern hatten wir dort über die in 4 Reihen parkenden Autos berichtet. Es stimmt: Die Autokonjunktur hat geboomt, der Fahrspaß kann sich in dieser Straße wie sonst auch austoben, die Fahrradstreifen werden mit Wonne zugeparkt. Die Abwrackprämie entfaltet jetzt ihre Wirkung: die Autos wirken mehrheitlich neu und gepflegt.

Spiegelbildlich verkehrt zum Blühen des Autoverkehrs verzeichnen wir das Sterben der kleinen Geschäfte, der kleinen Lokale und Theater in der Großbeerenstraße. Allein auf einer Strecke von 100 m sah ich 7 der verräterischen roten Schilder: „Zu vermieten“. Das in diesem Blog am 28.02.2009 angekündigte Sterben der kleinen Geschäfte und Bühnen hat sich in erschreckender Deutlichkeit bewahrheitet. Die Entmietungswelle der Gewerbeflächen hat voll eingesetzt. Viele Läden und Geschäfte, in denen wir in diesem Blog berichtet haben, gibt es nicht mehr. Einige sind weggezogen, die meisten haben wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten aufgegeben. Vom Staat durch gezielte Lobby-Politik angeregt, legen die Leute ihr Geld lieber in neuen Autos und in Benzin an statt in Theaterbesuchen, Einkäufen vor Ort und Neuanschaffungen von den hiesigen Künstlern.

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Gekommen ist: die 2. Reihe der parkenden Autos, mehrere mit dem Auto gut zu erreichende Discounter (Aldi, Lidl) in der weiteren Umgebung des Kreuzbergs.

Ersatzlos verschwunden aus unserem unmittelbaren Umfeld sind mittlerweile: 1 Teehandlung, 2 kleine Privattheater, 1 vegetarisches Restaurant, 1 Optiker, 1 kleiner Lebensmittelladen, 1 Reformhaus, 1 Eckrestaurant. Die Ladenimmobilien stehen jetzt leer.

20022010006.jpg

Was hier in Kreuzberg-West geschieht, ist bezeichnend: Die Erfahrung der Nähe droht verlorenzugehen.  Der öffentliche Raum wird stärker durch Autos und weniger durch kleine Betriebe bestimmt. Wenn nicht einmal die Grundschüler zu Fuß zur Schule gehen können, wird die Stadt noch stärker von der Begegnungsfläche der Menschen zur Fahrfläche der Autos.

Das eigentlich Städtische, also die hochverdichtete Nähe von Wohnen, Arbeiten, Gewerbe, Freizeit und Schule wird zersetzt, und zwar auch durch die falschen Anreize, die die Politik setzt – von der lobbygesteuerten autofreundlichen Konjunkturpolitik der vorigen Bundesregierung bis hinab zur klientelangepassten Schulpolitik der Bezirksregierung.

Dem müssen wir entgegenwirken!

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Fahrspaß für Autofahrer statt Lebensqualität für alle!

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Feb 192010
 

19022010.jpg Na, habt ihr ihn erkannt? Den alten Mann von gestern, der für jeden von uns mit 20.000 Euro in der Kreide steht, den alle anpumpen wollen, und den jeder mit seiner Leierkastenmelodie nervt: „Gib, gib, gib mehr!“  Richtig, es ist der alte Spendier- und Kümmereronkel – Vater Staat! Etwa 60 Milliarden Staatsschulden hat das Bundesland Berlin zu unser aller Wohl angehäuft – weil die Kinder ja so unersättlich sind.

Heute kam schon wieder eine neue Forderung: 4 Milliarden Euro bis 2030 fordert der ADAC für neue Straßen, neue Tunnels unter der Berliner Innenstadt, neue Autobahnen, neue S-Bahn-Trassen – und, ach wie niedlich! – 25 Millionen Euro für 100 km neue Fahrradstraßen. Zitat aus der Berliner Zeitung:

 100 Kilometer Fahrradstraßen wären nötig, um Konflikte zwischen Rad- und Autofahrern zu verhindern – zum Ausgleich könnten auf parallelen Hauptstraßen die Fahrradspuren wieder verschwinden.

Aha! Das Auto holt sich seine Hauptstraßen zurück! Damit noch mehr Menschen, noch mehr Grundschüler aus Angst vor dem Autoverkehr das Fahrrad zuhause lassen und lieber ins Auto steigen.

Allen Prognosen, wonach der Autoverkehr in Berlin wie in den letzten Jahren schon weiter abnehmen dürfte, entgegnet der ADAC:

„Der Fahrspaß wird bleiben.“ 

Das bedeutet: Die Leute wollen weiter ihren Spaß haben, sie wollen weiter das Auto für ihre Freizeit nutzen. Sie wollen weiter ihre Kinder mit dem Auto zur Grundschule bringen. Jeden Morgen sehe ich das gleiche Bild: Vor allen Grundschulen meines direkten Wohnumfeldes bilden sich lange Schlangen mit wartenden, an- und abfahrenden Autos, mit parkenden Autos. Die Kinder huschen zwischen den Autos zur Grundschule. Ausgerechnet im armen Kreuzberg, wo es doch so viele Hartz-IV-Empfänger gibt?

Und wir haben keinen Platz in einer wohnortnahen, für uns bequem erreichbaren Grundschule bekommen, weil die Autobesitzer aus lauter Fahrspaß ihre Kinder lieber mit dem PKW in die Volkschule bringen! Da stimmt etwas nicht!

Unser Bild zeigt heute mal zur Abwechslung die in vier Reihen parkenden Autos vor der Charlotte-Salomon-Grundschule, aufgenommen heute. Das gleiche Bild zeigt sich vor allen anderen Grundschulen in Kreuzberg-West. Mit einem Fahrrad kommt man zum Glück noch leicht durch.

Durch das Autofahren geht die Erfahrung der Nähe verloren. Freundschaften können nicht so leicht entstehen, weil die Kinder so weit entfernt wohnen. Man kann nicht mehr auf den Straßen spielen. Schon die Grundschulwege werden sehr gefährlich – oder allzu weit.

Ich meine: Dieser Lebensstil mit dem vielen überflüssigen Autofahren ist teuer, er verringert Lebensqualität, vor allem für Kinder. Der Autoverkehr bindet Ressourcen, die anderswo dringendst benötigt werden! In der Bildung, in der Kranken- und Altenpflege, in der Freizeitgestaltung von Jugendlichen.

Es gibt kein Geld für Lesebücher in der Grundschule! Aber die Eltern verfahren jeden Monat Hunderte von Kilometern, um ihre Sprösslinge in der Grundschule abzusetzen. Da stimmt etwas nicht!

Der ADAC will Berlin untertunneln
ADAC-Chef Müller dagegen ist von einer weiteren Zunahme des Autoverkehrs überzeugt. „Der Fahrspaß wird bleiben.“

Mein Tag wurde komplettiert durch eine weitere Fahrrad-Diebstahls-Meldung aus meinem Wohnhaus:

19022010001.jpg

Da haben wir’s! Die Eltern fahren Auto, weil die Fahrräder so leicht gestohlen werden! Was bleibt ihnen anderes übrig?

 Posted by at 22:16

Zum Nachhören … Shared Space

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Jan 272010
 

Ein Bekannter schickt folgenden Hinweis zur Sendung über Shared Space heute:

wer`s verpaßt hat, nachzuhören hier (eventuell auf einer der früheren
Seiten):
http://www.dradio.de/aod/html/?year=2010&month=01&day=27&page=3&

direkt hier:

„Mehr Sicherheit durch weniger Schilder? – NRW und Niedersachsen testen neue
Verkehrsregeln“

Audio:
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2010/01/27/dlf_20100127_1010_d5b3a4cd.mp3

Sendezeit: 27.01.2010 10:10
Autor: Roehl, Michael
Programm: Deutschlandfunk
Sendung: Länderzeit
Länge: 70:16 Minuten

 Posted by at 22:38
Jan 212010
 

4. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist wie die Stadt Berlin durch eine starke Zerklüftung und zunehmendes Auseinanderdriften der verschiedenen Bevölkerungsteile geprägt. Die zersplitterten Milieus versuchen nun, das jeweils Beste für sich herauszuholen, da sie sich keinem gemeinsamen Leitbild verantwortlich wissen.

So schrieb ich am 06.01.2010. Dies war einer der erschreckenden Befunde, der zum Leitbild „Die zusammenwachsende Stadt“ führte. Meine Diganose wird nun durch den neuesten Sozialatlas gestützt. Sein Titel: Monitoring Soziale Stadtentwicklung. Der Tagesspiegel berichtet heute:

Die soziale Kluft zwischen Berlins Problemkiezen und dem Rest der Hauptstadt hat sich weiter vergrößert. Arbeitslosigkeit, Armut und Chancenlosigkeit sind in sozial schwachen Stadtvierteln nach der jüngsten Untersuchung im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Jahr 2008 nicht spürbar zurückgegangen.

Überflüssig zu erwähnen, dass ich als Kreuzberger mittendrin wohne und die empirischen Daten nicht überraschend finde.

Es wäre schön gewesen, wenn die Parteien dieser Stadt  – SPD, CDU und Linke vorneweg – dieses Problem der sich zunehmend spaltenden Stadt erkannt hätten, das sich ja nun schon seit vielen Jahren abzeichnet. Aber sie haben es nicht erkannt, sie haben es nicht aufgegriffen! Ich vermisse Diagnosen und Konzepte. Es war kein Thema in den Wahlkämpfen.

Bemerkenswert: Wieder einmal zerhacken die Parteien die unterschiedlichen Ansätze in Stückwerk. Es fehlt ein umfassender Ansatz.Warum nimmt sich keine Partei ein Herz und packt das Ganze an?

Ich meine: Mehr Geld wird die Lage nicht bessern. Das fehlende Geld ist nicht das Problem.  Ein Hauptproblem scheint mir zu sein, dass überhaupt viel zu viel vom staatlichen Handeln erwartet wird. Über Jahrzehnte hinweg hat eine satt profitierende politische Kaste in dieser Stadt hübsch davon gelebt, dass Hilfeempfänger herangezogen wurden. Die unselige Verquickung von Wohnungswirtschaft und Politik, von Landesbanken und Politik, von Sozialleistungsindustrie und Politik halte ich für eine der Ursachen dieser schwierigen Lage.

Es war allzu bequem, die Kinder unablässig als „benachteiligt“ einzustufen, statt den Eltern und den Kindern mehr abzuverlangen. Diesen Fehler sollte man nicht endlos wiederholen.

 

 Posted by at 16:02