März 072010
 

04032010013.jpg Haben wir in Deutschland ein Autobahn-Defizit oder ein Sinn-Defizit? „Törichte Frage!“ – werdet ihr mir einwenden – „die Autobahnen sind doch der Sinn Deutschlands, das wird jeder Raumfahrer, der vom Mars nach Deutschland kommt, sofort bestätigen! Autobahnen verbinden Städte, Autobahnen umhegen Städte, Autobahnen gliedern Städte im Inneren auf sinnstiftende Weise! Autobahnen ermöglichen Freiheit. Autos sind das Symbol der Freiheit! Nur wer Auto fährt, ist ein freier Mensch. Der Mensch diene dem Auto! Nicht umgekehrt! Denn das Auto verkörpert den Traum jedes Unfreien, endlich frei zu werden. Schlösser sind das Symbol der Unfreiheit! Deshalb gab es zu Zeiten der Hohenzollern auch fast keine Autos. Deshalb wurde das Stadtschloss in Schutt und Asche gelegt!“

Deshalb hat der Verkehrsminister auch gefordert, lieber 8 km Autobahn zu bauen statt dem Schloss eine Kuppel aufzusetzen.

Ist das alles so einfach? Ich hege Zweifel. Zumal ja das Fahrrad ebenfalls diesen Traum der individuellen Freiheit dank Mobilität verkörpert – mindestens innerhalb der Städte. Man müsste also erst einmal 8.000 km sichere, leicht erkennbare, gut ausgeschilderte  Fahrradrouten in Berlin-Brandenburg anlegen, ehe man noch für dasselbe Geld weitere 8 km Autobahn baut. Wir brauchen die Fahrradbahn! Also eine Art Radbahn, die die Städte ähnlich engmaschig erschließt, wie dies die Autobahnen landesweit, außerhalb der Wohngebiete tun sollen.

Das Foto zeigt eine „vorgezogene Aufstellfläche für Radfahrer“ in der Landeshauptstadt Düsseldorf.

Der Tagesspiegel bringt heute auf S. 16 einige Leserbriefe zu diesem Thema „Kuppel oder Autobahn?“. Ich zitiere einen davon – von der Kreuzbergerin Annette Ahme:

Die Bürger sind gefordert
Jeder sieht mit einem Blick, dass ohne Kuppel oder mit einer Minikuppel das Schloß stark an Attraktivität verliert. Schon Schlüter hatte eine Kuppel geplant, die dann der Schinkel-Schüler Stüler in nobler Weise realisiert hat. Durch Kuppel und Eosander-Portal ist die Kastenhaftigkeit des Schlosses vermieden, welche ihm ohne diese Bauelemente anhaften würde. Späterhin ist der Raschdorffsche Dom entstanden, dessen Kuppel auf die Schloßkuppel antwortet. Die Silhouette mit den Kuppeln der damaligen Religionsgemeinschaften – goldene Kuppel der großen Synagoge in der Oranienburger Straße, Domkuppel, St. Hedwig – im Zusammenspiel mit der Schloßkuppel und später mit der Reichstagskuppel. Noch sind nicht alle Menschen ausgestorben, die solche Stadtsilhouetten zu lesen und schätzen wissen. Zu schätzen über den Tag hinaus. Zu schätzen als wertvoller als 8 km Autobahn …

Annette Ahme, Berlin-Kreuzberg

 Posted by at 13:30

Sorry, the comment form is closed at this time.