„Wartet’s ab, irgendwann kommt ihr noch zur Bundeskanzlerin!“

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Okt 082009
 

So flapsig äußerte ich mich zu unserer Kindergartenleiterin Ute Kahrs, als wir den Anstoß für eine „musikbetonte Kita“ ausgeheckt hatten. Auch in dieser gutgeführten Schöneberger Einrichtung überwogen die Kinder aus türkischen und arabischen Familien. Die Deutschen schickten ihre Kinder auf die kleinen und feinen privaten und kirchlichen Kitas. Dafür zahlten sie auch gerne.

Heute, drei Jahre später, hat sich eine prachtvolle, fröhliche Kita daraus entwickelt, die deutschen Eltern setzen sich wieder auf die Warteliste. Die Berliner Zeitung hat darüber berichtet. Dieses Blog hat mehrfach darüber berichtet. Und – jawohl – die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Kinder und die Erzieherinnen empfangen und sich auf ein schönes Foto dazugestellt. Dies entnehme ich mit großer Freude dem neuen Programmheft des Nachbarschaftsheims Schöneberg auf S. 125.

Programmheft-2-09_01.pdf (application/pdf-Objekt)

Kristina Köhler sagte gestern in der mäßig harten und ziemlich unfairen Sendung „Hart aber fair“: „Wir müssen mehr Erfolgsgeschichten erzählen.“ Richtig! Dann schaut euch doch mal das Foto mit Bundeskanzlerin Merkel und der Kita am Kleistpark an: Alle Kinder tragen einen Pulli in den deutschen Farben, sie dokumentieren damit: Wir gehören alle dazu. Und zwar zu Deutschland. Viele Musiker stehen als stützender schützender Hintergrund dabei. Das heißt: Klassische Musik, die Musik eines Mozart, eines Bach, eines Brahms oder Dvorak oder Tschjaikowskij kann uns zusammenführen und verbinden.

Ich ergänze: Diese deutschen Kinder brauchen neben viel Musik und Malen auch viel Poesie. Sie brauchen sinnvolle Gedichte. Sie brauchen Reime, Abzählspiele, Kinderlieder. Sie brauchen Goethe, sie brauchen Friedrich Schiller. Sie brauchen von mir aus auch die türkische Nationalhymne. Und zwar in deutscher Sprache.  Und genau das – gute, einfache, farbenfrohe Bilder aus der deutschen, der europäischen, der Weltkultur – vermisse ich.

Ich blättere verzweifelt die Lesefibeln durch, mit denen unsere Kinder in der Grundschule lernen. Nichts! Keine sinnstiftenden Geschichten! Keine Märchen, keine Sagen, keine Legenden. Keine Reime. Keine Pippi Langstrumpf, kein Zundelfrieder, kein Schweik. Kein Hans im Glück! Nichts. Es ist die Selbstaufgabe der europäischen Kultur, was ich da in den Lernmitteln der Kinder sehe. Der komplette Bankrott. Nur um niemandem auf die Füße zu treten, vermitteln unsere Grundschul-Lehrmittel eine weiße Fläche. Kein Hänsel, kein Gretel, und nicht einmal ein Ali Baba oder ein kleiner Muck. Denn es könnte ja sein, das Kulturstereotypen unbewusst weitergegeben werden. Huch!

Das sollte sich ändern. Wir brauchen ein gutes Lesebuch für die Grundschule. Mit Geschichten, Märchen, Bildern, Gedichten, Liedern.

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„Ich bin auch noch da!“

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Okt 082009
 

Schaut euch noch einmal das Bild von gestern an. Ihr seht den fleißigen Blogger Johannes Hampel im Kreise der Zauberflöten-Kinder von der Fanny-Hensel-Grundschule nach der Aufführung von Mozarts Singspiel „Die Zauberflöte“.

Nun ratet mal, welcher Muttersprache diese Kinder zugehören! Seht ihr die beiden großen blonden Kinder? Deren Mütter sprechen zuhause Russisch und Polnisch. Die Mütter aller anderen Kinder sprechen zuhause teils Arabisch, teils Türkisch. Eine spricht Italienisch. So sieht es aus. Das ist die Lage an unserer Grundschule. Es sind alles gute, fröhliche, aufgeweckte Kinder. Der da so vorlaut den Finger hochreckt, der blonde Junge, das ist mein Sohn. Deutsche Kinder, überwiegend hier geboren, alle hier in Deutschland aufwachsend. Sie sind unsere Zukunft. Wir tragen alle für sie Verantwortung – ehe sie dann für uns Verantwortung übernehmen. Wie heißt es doch so schön?

Am Ende hängen wir doch ab
von denen, die wir machten.

Kennt ihr den Namen des deutschen Dichters, der solches schrieb? Sagt euch sein Name noch etwas, oh ihr guten deutschen Erwachsenen, die ihr dies lest? Er hieß Goethe. Ü-ber-ra-schung! Sagt euch der Name Mozart noch etwas? Diesen Kindern aus deutsch-türkischen und deutsch-arabischen, aus deutsch-russischen und deutsch-polnischen Familien sagt er etwas! Ich gebe euch mein Wort.

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„Nimm’s doch nicht so wichtig“

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Okt 072009
 

Die großmächtig angekündigte Bewerbung war überflüssig. Man meldet sich bei solchen Elterntreffen zu Wort, kündigt seine Bereitschaft an, ein Ehrenamt zu übernehmen, und wird dann meist auch gewählt. Ich habe nur wenig gesagt, sprach mich in meiner einzigen Wortmeldung dafür aus, dass die Informationsblätter der Schule an die Eltern nur in deutscher Sprache verfasst werden sollten.

Zum Glück war unsere bisherige GEV-Vorsitzende, Frau Krüger, bereit, diese Aufgabe weiter zu übernehmen. Ich wurde zu ihrem Stellvertreter gewählt, nachdem sich niemand anderes gemeldet hatte. Ich halte die Grundschulen für äußerst wichtig. Hier entscheiden sich Schulkarrieren, hier entscheidet sich die Zukunft des Landes.

Deshalb werde ich das weiterhin sehr wichtig nehmen, was an unserer Grundschule geschieht.

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Ein leuchtendes Leitbild für Kreuzbergs Grundschulen

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Okt 072009
 

Vor der Sitzung der Gesamtelternvertretung an der Kreuzberger Fanny-Hensel-Schule nehme ich  mir eine volle Stunde Zeit, um all meine über Jahrzehnte hinweg gesammelten Erfahrungen an Kreuzberger Grundschulen in wenigen Worten darzulegen. Wer weiß, vielleicht würde es ja um ein zu vergebendes Amt zu kämpfen gelten? Ich kenne das aus den USA! Jedes öffentliche Ehrenamt ist dort ein Amt, das Ehre bringt. Man bewirbt sich darum, gerne auch mit einem Flyer oder einem Bild.

 

Ich  werde mich so bewerben:

 

 dsci0041.JPG

 

 

Johannes Hampel

Elternvertreter der Klasse 1/2/3 D

in der Fanny-Hensel-Grundschule

 

 

Bewerbung als Elternsprecher der Fanny-Hensel-Grundschule

 

Meine Leitsätze: Wir haben wunderbare Kinder! Wir haben eine sehr gute Schule! Wir gehören alle dazu!

Meine Ziele: Die Fanny-Hensel-Grundschule soll stolz auf alle Menschen sein, die in ihr arbeiten und lernen. Jedes Kind soll sich in ihr stark fühlen.

Unser Weg: Sprache, Kunst, Tanz, Musik, Theater. Gutes Deutsch für alle! Deshalb: Unsere Kinder brauchen ein gutes Lesebuch, das sie mit vielen Gedichten und Geschichten begleitet und zusammen mit den Lehrern zu gutem, akzentfreiem Deutsch führt.

Die Zugehörigkeit zur Schule soll sich in äußeren Zeichen ausdrücken, etwa in Losungen für den Tag oder die Woche, in einer gesungenen Schul-Hymne, in gemeinsamen Festen oder auch in einem Schulpullover.

Zur Person:  Aufgewachsen bin ich in Augsburg/Bayern. Ich lebte und arbeitete nach dem Studium 3 Jahre in Italien. Derzeitiger Beruf: Dolmetscher für Englisch und Italienisch. 2 Söhne, 25 und 7 Jahre alt. Beide in Kreuzberg zur Grundschule gegangen und gehend. Eine Leidenschaft: die Geige.

2000-2002: Gesamtelternsprecher an der Berliner Walther-Rathenau-Oberschule, zugleich Mitarbeit im Bezirkselternausschuss (BEA) Charlottenburg-Wilmersdorf. 2004-2005: Anregungen und musikalische Späße für die Schöneberger Kita am Kleistpark, die mittlerweile eine sehr erfolgreiche „musikbetonte Kita“ geworden ist.

Derzeit zusammen mit meiner russischen Frau Irina Potapenko ehrenamtlich Theateraufführungen und Konzerte in Kindergärten, Schulen und in Kirchen, vorzugsweise Mozarts Zauberflöte. Beim ADFC (Fahrradclub) Berlin Sprecher der Stadtteilgruppe Friedrichshain-Kreuzberg.  

Das Bild zeigt mich bei der Aufführung der Mozartschen Zauberflöte in der Fanny-Hensel-Grundschule.  In meinem persönlichen Blog schreibe ich immer wieder Wichtiges und Unwichtiges über die Frage, „wie wir unsere Kinder erziehen wollen“. Besucher sind willkommen!

 

http://johanneshampel.online.de

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„Ein leuchtendes Vorbild“

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Okt 062009
 

Hamburg: Humorvoller Videoclip informiert über die Gefahren mangelhafter Fahrradbeleuchtung – Fahrradportal > Aktuell > Neuigkeiten – Fahrradportal Nationaler Radverkehrsplan

Gut gemachter Videoclip über die die Herrlichkeit einer gut funktionierenden Fahrradbeleuchtung! Bei vielen Debatten über den Straßenverkehr werfe ich den Begriff des Vorbildes in den Raum. Oder ich stelle ihn einfach mal so hin. Denn Rummosern bringt wenig.

So auch in der neuesten Radzeit, dem beliebten Fachblatt der Fahrradstadt Berlin, das diesmal dem Hauptthema „Sicher zur Schule“ gewidmet ist. „Das eigene Vorbild wird positiv aufgenommen„,  töne ich da. – Das ist zwar kein vorbildlich gutes Deutsch, aber es gibt meine Empfindung wider.

Ich habe immer wieder das Gespräch mit den radelnden Regelbrechern gesucht, um etwas über dieses ärgerliche Verhalten zu erfahren. „Lass mich in Ruhe“, „ich fahre, wie es mir passt“, „hier in Berlin fahren alle so, Sie sind wohl nicht aus Berlin?“, waren die freundlichsten Antworten. Die Beleidigungen versuche ich zu vergessen und habe sie auch schon vergessen.

Es fehlt bei sehr vielen Radfahrenden an Bewusstsein für das, was sie bewirken. Wenn ich mit Fußgängern, Kindern, Lehrern, Erziehern, Autofahrern oder Politikern aus den verschiedensten Parteien spreche, schlägt mir sehr viel Verärgerung und mitunter regelrechte Wut auf uns Radfahrer entgegegen.

Einen großen Teil der Radfahr-Erziehung für meinen 7-jährigen Sohn Wanja nimmt mein Bestreben ein, ihn zur Beachtung der grundlegendsten Verkehrsregeln anzuhalten, auch wenn er Stunde um Stunde, Tag um Tag sieht, dass sich sehr viele oder vielleicht sogar die meisten Berliner Radfahrer nicht ans Rotlicht, nicht an Regeln, nicht an das Gebot der Rücksichtnahme halten. Ich versuche ihm begreiflich zu machen, dass Regeln im menschlichen Zusammenleben unerlässlich sind – auch im Straßenverkehr. „Wenn du dich selbst nicht an Regeln hältst, kannst du es auch nicht von anderen erwarten.“

Ich meine: Wir sollten uns stets beispielhaft verhalten und auch unseren Einsatz für bessere Bedingungen im Radverkehr fortsetzen.

Wir stehen in der Pflicht, uns in die Öffentlichkeit hinein klar, wiederholt und eindrücklich für Rücksicht, Freundlichkeit und Regeltreue einzusetzen.

Ich werde dieses Thema bereits am heutigen Dienstag als gewählter Elternsprecher in der Gesamtelternvertretung der Fanny-Hensel-Grundschule in Kreuzberg anschneiden. Wir alle sollten die Vernetzung mit Akteuren aus Schule, Politik und Verwaltung suchen und ausbauen.

Ich meine, es geht nicht nur um unser Image, es geht um eine Ethik des Radfahrens.

Allerdings erhalte ich auch viel Lob für vobildliches Verhalten, für Rücksicht und Vorsicht! „Mann, endlich ein Radfahrer, der bei Rot anhält!“, hörte ich einmal einen BSR-Müllkutscher. Der Mann kurbelte eigens sein Fenster herunter. Das will etwas heißen!

Ich versuche, Fußgängern zuzulächeln, so oft es geht. Ich bedanke mich durch freundliches Winken bei Autofahrern, wenn sie sich fair und rücksichtsvoll verhalten. Ich suche jederzeit Augenkontakt und sende kurze, freundliche Gesten aus. Der Klimawandel auf Berlins Straßen ist möglich! Wir können ihn alle gemeinsam bewirken. Jede Fahrradfahrt kann zur Quelle von guten Begegnungen werden. Wir sind stark. Freundlichkeit setzt sich durch.

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Okt 062009
 

Zu meiner großen Genugtuung wird mir soeben gemeldet, dass der Berliner Landesverfassungsgerichtshof entschieden hat: Das Kita-Volksbegehren ist gültig! Damit hat sich der Einsatz gelohnt. Ich selbst habe auch ein paar Unterschriften gesammelt. In diesem Blog haben wir am 27.04.2008 und am 27.02.2009 über das Kita-Volksbegehren berichtet und uns als Unterstützer zu erkennen gegeben.

Es geht nur um einen Betrag von 90 bis 165 Millionen, durch den dieses Gesetz in die Budgethoheit des Landes Berlin eingegriffen hätte. Gut so! Was hat denn direkte Demokratie für einen Sinn, wenn wir Bürger nicht auch über das Geld mitbestimmen dürfen! Für Bildung muss dieses Geld da sein.

Also, Mütter, Väter, Kinderlose! Fleißig in die Hände gespuckt – wir müssen die Einkünfte des Staates durch Fleiß und Tüchtigkeit mehren, damit die Mehrausgaben nicht unseren Kindern zur Last fallen! Eine kleine Rechnung ergibt: Wir müssen netto mehr arbeiten und mehr Steuern zahlen, damit der Staat mehr Geld für Kinderbetreuung ausgeben kann. Während dieser Mehrarbeit stehen wir als Eltern unseren Kindern nicht für die Betreuung zur Verfügung. Weniger Zeit für Kinder.

Landesverfassungsgericht – Richter erklären Berliner Kita-Volksbegehren für gültig – Berlin – Berliner Morgenpost
Mehr Zeit und mehr Geld für die Betreuung von Kindern hatten die Initiatoren des Kita-Volksbegehrens gefordert und dafür mehr als 66.000 Unterschriften gesammelt. Doch der Berliner Senat ignorierte das Ergebnis – mit Verweis auf die Kosten. Nun hat der Landesverfassungsgerichtshof entschieden, dass eine Ablehnung des Kita-Volksbegehrens durch den Senat mit der Verfassung von Berlin nicht vereinbar ist.

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„Es ist an mir das für mein Leben zu verändern“

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Okt 052009
 

Einige wenige gute Kommentare zu Thilo Sarrazins Interview sind mittlerweile erschienen. Einer davon im Tagesspiegel: Prüfen statt prügeln.  Zwar lässt auch Peter von Becker nicht erkennen, dass er über längere Zeit mit uns Migrantenfamilien zusammengelebt hat. Dann würde er nicht erneut von schlechter Integration der Türken und Araber sprechen. Denn sie sind doch hervorragend integriert, sowohl untereinander als auch ins deutsche Hilfesystem. Und sie haben  auch ein überdurchschnittlich hohes Einkommen, wenn man es mit dem Durchschnittseinkommen in den Herkunftsländern vergleicht. Das muss selbstverständlich die Basis der Betrachtung sein. Genau dieser Abstand ist es doch, der Jahr um Jahr zu den vielen neuen, nachholenden Eheschließungen anregt. Weshalb die Mütter und Väter nach meinen Beobachtungen Jahr um Jahr weniger Deutsch können. Daraus ist niemand ein Vorwurf zu machen.  Jeder Mensch wird dahin gehen, wo er den in seiner Perspektive besten, vernünftigsten und vertretbarsten Lebensstandard mit der geringsten Mühe erreichen kann.

Aber Peter von Becker  gesteht immerhin zu, dass Sarrazin auf hohem Niveau und mit großer Sachkenntnis beleidigt.

In den Online-Kommentaren fischte ich folgendes goldene Zitat des Lesers creaturiv heraus:

Prüfen statt prügeln
Ein Jugendlicher mit türkischem Migrationshintergrund mit dem ich in Mannheim zusammenarbeitete drückte es in einem Radiointerview mal so aus: „Als meine Eltern nach D kamen, dachten sie es wäre nur für ein paar Jahre. Meine Mutter hat drei Kinder großzuziehen und keine Zeit für einen Deutschkurs. Mein VAter hat auf dem Bau gearbeitet und ist von einer Baustelle zur nächsten geschickt worden und hat mit anderen Gastarbeitern in Containern gelebt, der hatte auch keine Zeit für einen Deutschkurs. Es tut mir leid für meine Eltern, aber ich mache ihnen keinen Vorwurf. Es ist an mir das für mein Leben zu verändern.“
Ebenfalls in Mannheim hatte ich mit einem anderen Jugendlichen 12 Jahr zu tun, der sich bei mir bitter darüber beklagte, das er immer als Türke bezeichnet werden würde, obwohl er hier geboren sei, nur einen Deutschen Pass habe und noch nie in der Türkei gewesen sei. Ich könnte noch zahllose solcher Geschichten erzählen.

 Posted by at 11:25
Okt 032009
 

Als Mitglied des Bundesbankvorstands ist Sarrazin nicht mehr zu halten. Darin stimme ich den Kritikern Sarrazins zu. In seiner Funktion hätte er sich niemals zu so kühnen, in vielerlei Hinsicht zutreffenden, aber in vieler Hinsicht verächtlichen Feststellungen hinreißen lassen dürfen. Wollte er entlassen werden? Wollte er wieder zum einfachen Bürger Thilo Sarrazin werden?

Interessant zu sehen, wie der Schuss Sarrazins nach hinten losgeht! Statt über die Themen zu diskutieren, überlegen die Sarrazin-Jäger, wie sie ihn am besten abschießen können. „Sarrazin gehört abgeschossen!“ so oder so ähnlich kann man es wörtlich in der Presse lesen.  Und ähnlich wie in ganz anderem Zusammenhang dies Gregor Gysi zur eigenen Verteidigung tat, wird das gesamte Arsenal des Strafrechts gezückt, um den unbequemen Querkopf zum Schweigen zu bringen.

Man lese das Interview Sarrazins im Ganzen! Dann wird man erkennen, dass er zur Integration sehr viel Gutes, Zielführendes gesagt hat! Die Kritiker reißen einzelne Sätze aus dem Zusammenhang und entstellen dadurch den von Sarrazin gemeinten Sinn, verkehren ihn ins genaue Gegenteil!

Sehr klarsichtiges Interview mit Vlad Georgescu bei Spiegel online – mit einem der Gründer der Migrantenpartei! Er und seine Mitstreiter haben sehr klar erkannt, dass die Migranten ein unbeackertes Feld der 5 großen deutschen Parteien sind. Zwar wählen die meisten traditionell SPD und die Linke. Denn die SPD und die Linke vertreten genau dieselbe paternalistische Klientelpolitik, die die meisten Migranten aus ihren Herkunftsländern gewöhnt sind. „Ich schenke Dir eine weitere Beratungsstelle für MigrantInnen aus Deinem Herkunftsland, mit 2 Vollzeitanstellungen und zwei Teilzeitstellen, und du führst mir 1000 Wählerstimmen zu.“ So läuft es doch.

Aber mich persönlich überzeugt keine der 5 Parteien (SPD, Linke, CDU, FDP, Grüne). Keine der bestehenden Parteien hat das Thema wirklich gründlich genug durchdacht. Deshalb auch immer wieder solche Verkehrsunfälle wie die Äußerungen Sarrazins. Da kaum jemand die Lage vor Ort bei uns Migrantenfamilien kennt, da wir ja eine freiwillige Apartheid haben – fallen die Leute aus allen Wolken, wenn jemand aus dem Nähkästchen plaudert, wenn er die geballte Wucht der Daten zu politischen Schlussfolgerungen nutzt.

Die Migranten können es sich erneut behaglich in ihrem Opferstatus einrichten, der ja nun schon einige Jahrzehnte lang dauert. Sie werden noch in 100 oder 200 oder 500 Jahren sich als „sozial Benachteiligte“ ausgeben, wie es ja ein Großteil der Schwarzen in den USA bis zum heutigen Tage ebenfalls tut. Mit einem riesigen Unterschied: Die entfernten Vorfahren der Schwarzen kamen gegen ihren Willen, sie wurden verschleppt, gequält und gefoltert.

Die heutigen Migranten kamen alle freiwillig. Sie konnten sich für oder gegen dieses Land entscheiden. Sie genießen volle Rechte auf Bildung und Aufstieg, wenn sie es denn wollten.  Sie sind privilegiert gegenüber den Bürgern in den Herkunftsländern, die keinerlei vergleichbare soziale Sicherungssysteme haben.  Jeder, der sagt: „Wir sind alle Deutsche, wir wollen hier leben, das ist unsere Heimat„, dem steht das Land mit all seinen faszinierenden Möglichkeiten offen. Wer dies erkennt, der ist nicht benachteiligt, sondern der ist bevorzugt!

Wie ihr wisst, bin ich selbst offiziell Mitglied einer Familie „mit Migrationshintergrund“,  bin mit einer Ausländerin verheiratet. Wie wir in Deutschland uns hier in Berlin über die Jahrzehnte dauerhaft hilfsbedürftige Menschen, freiwillig bevorzugte Menschen herangezogen und hereingeholt haben, das löst bei uns immer wieder Kopfschütteln aus. Hier gilt es umzusteuern. So kann es nicht weitergehen. Darüber brauchen wir eine Debatte! Wir brauchen keine Debatte darüber, wie man Thilo Sarrazin, den Verkünder unbequemer Wahrheiten schnellstmöglich mit den Waffen der medialen Ächtung und des Strafrechts züchtigen kann.

Migrantenpartei gegründet – “Sarrazin gehört gefeuert“ – Politik – sueddeutsche.de
Georgescu: Wir sind uns dessen bewusst. Es gibt auch Migrantengruppen, die sich bislang überhaupt noch nicht miteinander ausgetauscht haben. Trotzdem glauben wir, dass es einen verbindenden Faktor gibt, der uns dabei hilft: Wir sind alle Deutsche, wir wollen hier leben, das ist unsere Heimat.

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„Schäm dich, Thilo!“

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Okt 022009
 

„Soso, Sie führen also volksverhetzende Literatur?“, fragte ich bohrend meine guten Bekannten, die Buchverkäuferinnen im Buchladen Anagramm am Mehringdamm. „Die nehme ich!“ Danach räumte ich ein Exemplar der Zeitschrift Lettre International, bezahlte pflichtgemäß 17 Euro und zog ab. Das Interview mit Thilo Sarrazin muss man ganz lesen, ehe man sich ein Urteil erlaubt. Mich stört vieles an Sarrazins Tonlage, an einer gewissen Kaltschnäuzigkeit, an seiner abkanzelnden Art. So ist er halt.

Was mich aber noch mehr stört, ist, dass jetzt eine wahre Meute von Journalisten, Politikern, Kollegen über ihn herfällt, ohne erkennbar auf das Thema einzugehen: eine in Berlin weitverbreitete Empfänger- und Anspruchsmentalität, die auf Dauer die Eigeninitiative, das selbstverantwortete Leben zu ersticken droht. Und ein bei weitem nicht gelöstes, ja vielleicht nicht einmal erkanntes Problem mit dauerhaft vom Sozialsystem abhängigen Nachbarschaften, Stadtvierteln, ja halben Stadtbezirken.

Worin Sarrazin recht hat, ist: Wir haben in Berlin geschlossene parallele Volksgruppen aus der Türkei und aus arabischen Ländern. Sie begreifen sich selbst vorrangig – teils aus eigenem Entschluss, teils wegen ablehnender Signale – als Angehörige dieser fest in Berlin etablierten ethnischen Gruppen, nicht als Bürger des Gemeinwesens Bundesrepublik Deutschland. Oder überlegen Sie einmal: wann haben Sie zum letzten Mal länger als fünf Minuten mit einem Migranten geredet? Wann zuletzt einen zu sich in die Wohnung eingeladen?

Einen Triumph darf schon einmal die Migranten-Lobby feiern:

Bundesbanker beleidigt Migranten: Ist Sarrazin ein Volksverhetzer? – taz.de
Die Türkische Gemeinde in Deutschland sieht sieht die Debatte über abfällige Äußerungen des Bundesbank-Vorstands Thilo Sarrazin zu Einwanderern in Berlin nun als beendet an. „Sarrazin hat sich entschuldigt und eingeräumt, dass seine Aussagen missverständlich waren“, sagte der TGD-Vorsitzende Kenan Kolat am Freitag in Berlin. „Der Fall ist damit für uns erledigt. Wir hoffen, dass Sarrazin in Zukunft keine Äußerungen dieser Art mehr macht.“

„Thilo, in die Ecke!“ Kolat sagt also irgendwie: Das Problem gibt es nicht, Sarrazin hat unrecht, lasst uns weitermachen wie bisher. Wir lernen daraus: Jeder, der ein bisschen Tacheles redet, redet fortan unter dem Damoklesschwert der Strafanzeige – oder schlimmer noch, des SPD-Parteiausschlusses, wie ihn Frau Högl MdB soeben gefordert hat.

Es wird schon beim ersten Lesen klar, dass Thilo Sarrazin sich im Ton vergriffen hat, dass er manche polemisch zugespitzte Äußerung haarscharf am Ziel vorbei setzt. Vieles an seinen Worten muss beleidigend klingen. Aber es entspringt dem Unmut eines Bürgers, der Einblick in Zahlenwerke und Berichte hat, die niemals das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben, weil sie allzu niederschmetternde Befunde aufweisen würden.

Allerdings: Wenn man mit Mitarbeitern des Neuköllner Sozialamts oder mit Schulleitern aus Wedding spricht, wird man ganz Ähnliches hören können wie das, worüber alle Welt aus den gutgewärmten Redaktionen und zuverlässig bezahlten Funktionärseliten sich jetzt so maßlos, selbstgerecht und selbstgefällig ereifert.  Das Empörende ist, dass Thilo Sarrazin das ausspricht, was die Menschen vor Ort, die in den Sozialämtern, Schulämtern, Klassenkonferenzen schier verzweifeln, im stillen Kämmerlein denken. Selbstverständlich ohne es je laut auszusprechen.

Auf Thilo Sarrazin einzuprügeln, weil er sich so weit vorgewagt hat und sich derb im Ton verstiegen hat, wird diese Probleme nicht lösen. Im Gegenteil: Sie werden durch Verschweigen eher noch anwachsen.

Ich fordere also auf, das lange 5-seitige Interview mit Thilo Sarrazin ganz zu lesen, ehe man darüber den Stab bricht. Es ist beileibe keine Volksverhetzung, sondern eine wütende Anklage – und es enthält auch Vorschläge, wie man es besser machen kann.

Klasse statt Masse. Von der Hauptstadt der Transferleistungen zur Metropole der Eliten. Thilo Sarrazin im Gespäch. In: Lettre international. Nr. 86, Herbst 2009, S. 197-201

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