Ein Jahr nach „Fukushima“ – hä? –

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Mrz 112012
 

Für die Deutschen war das Tsunami-Unglück eine willkommene Bestätigung ihrer tiefverwurzelten Ängste. Die Deutschen sind seit Jahrzehnten das große Volk der großen Ängste!

Früher, in den 30er und 40er Jahren, war es die Angst vor einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung, heute ist es die Angst vor dem angeblich sicheren Atomtod durch die deutschen AKW.

„Seht her! – wir haben es immer gesagt: Atomkraft tötet! 15.000 Tote! Deshalb müssen jetzt aber die deutschen AKW sofort abgeschaltet werden! Alle!“

Und jetzt – 1 Jahr nach „Fukushima“ – gedenkt Japan der über 15.000 Todesopfer. Springers Morgenpost titelt:

Schweigeminute – Ein Jahr Fukushima – Japan steht eine Minute still – Ausland – Berliner Morgenpost – Berlin

Wie sagt der Japaner dazu? Hören wir den Japaner:

Jo mai lia be leit do san aba mal wia da in Deutschland die Sicherungen des Menschenverstandes durchgeknallt. Nicht 1 Jahr nach „Fukushima“, sondern 1 Jahr nach dem verheerenden Meerbeben wird eine Gedenkminute eingelegt. Japan gedenkt der über 15000 Opfer, die die verheerende Flutwelle gefordert hat. Vor den Wassermassen, den einstürzenden Bauten gab es für Tausende kein Entrinnen.

Der verstärkte Schutz vor derartigen Naturereignissen, wie es seit Menschengedenken die Tsunamis sind, wird bei aller Trauer das Handeln der Japaner weiterhin bestimmen!

In die Trauer der Japaner sollten wir einstimmen, statt unsere typisch deutschen Ängste vor dem Tod durch die AKWs zu hegen und zu pflegen.

„Immer zählen für euch Deutschen die eigenen Ängste mehr als das reale Leiden der anderen Völker!“ HARTE WORTE, die ich einmal von einer Japanerin zu hören bekam!

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Ist alles Deutsche böse?, oder: „Meine Integration – Grimms Märchen“

 Das Böse, Integration, Integration durch Kultur?, Singen, Was ist deutsch?  Kommentare deaktiviert für Ist alles Deutsche böse?, oder: „Meine Integration – Grimms Märchen“
Feb 282012
 

Ist alles typisch Deutsche böse und verwerflich? Die Deutschen scheinen dies zu glauben. Anders ist die Bereitwilligkeit, mit der sie überall sich selbst als Hort des absoluten Bösen, der finstersten Mächte ausgeben, nicht zu erklären.

Aber: Was ist typisch deutsch? Um das zu beantworten, greife ich auf meinen Sommerurlaub an der Osteeküste zurück. Mein erstes Gespräch in Ribnitz-Damgarten führte ich in strömendem Regen mit einem 1-Euro-Jobber, der dort Flaschen sammelte und dem wir uns, mühselig auf Fahrrädern mit Gepäck strampelnd, am Boddenweg anschlossen, da wir den Weg nicht kannten. „Endlich habe ich was zu tun, lieber sammle ich Flaschen, als bloß herumzusitzen!“

Der 1-Euro-Jobber, der lieber Flaschen sammelt, als bloß herumzusitzen? Ist er typisch deutsch?

Am ersten Sonntag besuchte ich den evangelischen Gottesdienst in der Marienkirche in Ribnitz (siehe Bild). Dort sang ich laut vernehmlich die protestantischen Kirchenlieder mit, einerlei ob von Philipp von Zesen, Paul Gerhard oder Nikolaus Graf Zinzendorf.

Ich kenne ja die meisten christlichen Kirchenlieder fast alle seit meiner Kindheit aus Bayern, darunter das unsterbliche „Die güldene Sonne“, my personal favourite song, mein Hit, mein Lieblingslied. „Die güldene Sonne“ – ist sie typisch deutsch?

Die Predigt des Pastors, die letzte, ehe er in den Urlaub aufbrach, handelte von der Unvorstellbarkeit Gottes. Der hebräische Name Gottes bedeute ungefähr: Ich bin der ich sein werde. Der Gott des alten Israel ist ein Gott des Werdens, der sich ausspricht im Zuspruch an die hörenden Herzen. „Wir können ihn nicht dingfest machen. Es ist nicht so, dass wir über ihn Macht hätten, indem wir seinen Namen aussprechen. Auch wenn wir uns wie Goethes Faust bemühen, das zu erkennen und zu benennen, was die Welt im Innersten zusammenhält, lässt er sich nicht festsetzen. Anders als beim Rumpelstilzchen in Grimms Märchen, über das die Prinzessin Macht gewinnt, indem sie seinen Namen ausspricht!“

Der redliche 1-Euro-Jobber, Goethes Faust, Grimms Märchen, evangelische Kirchenlieder, Rumpelstilzchen – mehrfach genannt in einer einzigen Predigt beim sonntäglichen Gottesdienst – sind sie typisch deutsch?

Nach dem Gottesdienst entspann sich auf Einladung des Pastors unter den Gottesdienstbesuchern ein Gespräch über das Altarbild der Hamburger Malerin Ingeborg Prinzessin zu Schleswig-Holstein. Es hatte heftige Wellen in der meinungsbildenden Presse, namentlich der OSTSEE-Zeitung ausgelöst. Mehrere Leser sprachen sich gegen das abstrakte, farbenfrohe Ölgemälde aus, in dem man nichts Bestimmtes erkennt. Fazit einiger Leserstimmen: „Es ist kein geeignetes Altarbild, da man nichts Genaues erkennen kann!“

Im Gespräch meldete ich mich zu Wort, stellte mich artig als Sohn der Stadt der Confessio Augustana vor und erklärte: „Das Bild finde ich sehr gut. Ich erkenne eine Tiefe, die nach oben und nach hinten in eine unbekannte Ferne führt. Es stört mich nicht, dass ich nichts Greifbares erkennen kann. Und selbst wenn: Lassen wir uns doch stören von dem, was wir nicht erkennen können.

Niemand widersprach. Im  Gegenteil, ich glaube, dass ich die Meinung der Ostsee-Menschen zugunsten des Bildes beeinflusst habe. Beim Hinausgehen geriet ich ins Gespräch mit den Zweiflern: Einige kamen aus der Stadt Ribnitz, andere stammten aus Russland, sie waren einige jener mehreren Hunderttausend Russlanddeutschen, die zurück ins Vaterland gesiedelt sind.

Und nun kann ich die Frage beantworten, die gestellt wurde:

Für mich sind der fleißige 1-Euro-Jobber, ist Die güldene Sonne, sind Gespräche über die Unerkennbarkeit Gottes, sind Goethes Faust und Grimms Rumpelstilzchen, ist der Meinungsstreit über abstrakte Kunst, sind die Russlanddeutschen allesamt typisch deutsch.

Allerdings wird man beim genaueren Nachdenken erkennen, dass wenig von diesem so typisch deutschen Gepräge seinen Ursprung in Deutschland hat:

Das sozialpolitische Modell des 1-Euro-Jobbers stammt aus USA (workfare, von Richard Nixon bereits 1969 gefordert), der Fleiß (lateinisch industria) ist eine in vielen europäischen und asiatischen Ländern gelobte Tugend, die christliche Religion stammt aus Kleinasien, der Gedanke der Unnennbarkeit Gottes stammt aus dem Judentum, Grimms Märchen sind überwiegend Übersetzungen aus dem Französischen des Perrault, das Lob der güldenen Sonne ist iranisch-orientalischen Ursprungs und ist seit dem 6. Jahrhundert vor Christus bezeugt. Nur die deutsche Sprache und Goethes Faust, die sind – so meine ich – in der Tat unverwechselbar deutsch. Und auf all das lege ich auch größten Wert, all das typisch Deutsche sollten wir als Integrationsmotoren nutzen.

Hat man den fleißigen 1-Euro-Jobber, Die güldene Sonne, Gespräche über die Unerkennbarkeit Gottes, Goethes Faust und Grimms Rumpelstilzchen,  den Meinungsstreit über abstrakte Kunst, die Russlanddeutschen verstanden, so versteht man ein bisschen von dem, was Deutschland geprägt hat und zusammenhält.

Merkwürdigerweise scheinen das die gut integrierten Zuwandrerinnen ebenso zu sehen. Dilek Kolat, die Berliner Sozialsenatorin, weist ebenso wie Hatice Akyün auf die prägende Rolle hin, die ausgerechnet  Grimms Märchen für ihre Bildung, für ihr Ankommen in Deutschland gespielt haben.

Akyün sagt sogar in einem Video:

Meine Integration – Grimms Märchen!

Und was ist an der urdeutschen „Güldenen Sonne“ des typisch deutschen Philipp von Zesen (1619-1689), die Leben und Wonne bringt, so schlimm, so deutsch und so böse, dass man bei staatlichen Feiern der Bundesrepublik Deutschland stets auf englische Lieder ausweichen muss?

Woher diese Selbstverleugnung, diese Selbstaufgabe der Deutschen?

Jede gläubige Muslima, jeder Jude, jeder Atheist, jede Agnostikerin, jede Türkin, jeder Deutsche kann dieses herrliche Lied von der Güldenen Sonne aus voller Brust und voller Kehle mitsingen!

Hatice Akyün

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Jan 192012
 

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The British, the British, the British are best,
I wouldn’t give tuppence for all of the rest

Derartig stolzgeschwellte Bocksgesänge sang ich gern selbst gelegentlich mit meinen britischen Kolleginnen und Kollegen mit, wenn es um lustiges Laienspiel ging. Diese Zeilen fielen mir wieder ein, als ich kürzlich  „The Kaiser’s Holocaust – Germany’s forgotten Genocide“ von David Olusoga und Casper W. Erichsen las. Kein lustiges Thema. Die Autoren stellen bereits im Titel die Einzigartigkeit des Holocaust in Frage. Denn wenn der deutsche Kaiser bereits in Deutsch-Südwest-Afrika einen Holocaust beging, wird dadurch unterstellt, es habe nicht nur einen von den Deutschen begangenen Holocaust gegeben. Die Deutschen wären erneut gebrandmarkt als das Volk des – diesmal doppelten – Holocaust. Soweit nichts Ungewöhnliches.

Gefröre einem nicht das Blut in den Adern, wäre man versucht zu singen:

The Germans, the Germans, the Germans are worst
I wouldn‘ give twoppence for all others‘ burst …

Dürfen die Autoren aber eigentlich die Einzigartigkeit des Holocaust in Frage stellen? Viele kluge und weniger kluge Argumente für und wider sind darüber gesagt und gedruckt worden.

Die Welt ist offenbar weiterhin einig, dass die Deutschen und nur die Deutschen die schlimmsten Menschheitsverbrechen begangen haben. Selbst die Deutschen fangen ja bereitwillig an dies zu glauben. Das geht so weit, dass man sagen kann: Selbst wenn es einen zweiten Holocaust gegeben haben sollte, hätten ihn denknotwendig immer noch die Deutschen und nur die Deutschen begangen. So bleibt alles in Ordnung. Das ist der Sinn des Buchtitels „The Kaiser’s Holocaust“.

Auf über 6 Millionen Tote schätzen Historiker die Zahl der in der Shoah (vulgärsprachlich Holocaust) von staatlichen Organen und deren willigen Helfershelfern ermordeten europäischen Juden. Staatliche Organe und Bürger fast aller europäischen Länder waren an diesem entsetzlichen Massenmord beteiligt. Historiker, die sich in die Archive und Zeitzeugenberichte hineinwagen, wissen es längst: Offenkundig war der Holocaust nicht die alleinige Schuld Deutschlands und der mit ihm verbündeten Staaten. Sowohl besetzte Länder als auch unbesetzte europäische Länder haben mit staatlichen Organen und mit Bürgern am Holocaust mitgewirkt.  So hat etwa der nicht von den Deutschen besetzte Teil Frankreichs, der Französische Staat (vulgärsprachlich „Vichy-Regime“ genannt), haben französische Polizisten und Gendarmen bereitwillig und ohne jeden Zwang Juden an den deutschen Staat zur Ermordung ausgeliefert.

6 Millionen – eine schreckliche Zahl, hinter der sich unbeschreibliches Elend und Grauen verbirgt!

Auf weit über 55 Millionen Tote schätzt der Historiker Norman Davies die Zahl der von staatlichen Organen und Institutionen Getöteten, die von 1917-1953  in der Sowjetunion und sowjetisch annektierten Ländern ums Leben kamen – wohlgemerkt ohne Kriegsopfer. Weit über 55 Millionen tatsächliche oder vermutliche, echte oder eingebildete Gegner der kommunistischen Diktatur verloren ihr Leben in systematischen oder willkürlichen Erschießungen, durch Hinrichtungskommandos, in Lagern, in Gefängnissen, wurden erschlagen, deportiert, vertrieben, in den Hungertod getrieben. Schrecklich.

„Ein Toter ist eine Tragödie – eine Million Tote sind nur Statistik“, so sagte Stalin einmal. Die staatlichen Organe der Sowjetunion haben von 1917 bis mindestens 1953 dementsprechend gehandelt. Hinter den Dutzenden und Dutzenden Millionen Ermordeter der kommunistischen Diktaturen in der Osthälfte Europas stecken Tragödien, zerbrochene Familien, zerstörte Existenzen, verwüstete Landstriche.

6 Millionen Ermordete! 55 Millionen Ermordete! Das sind atemberaubende Zahlen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Leider muss man die ungefähren Opferzahlen zusammenrechnen, um eine Vorstellung von der Dimension der Verbrechen zu erhalten. Kein Zweifel kann daran bestehen, welches der beiden totalitären Regime mehr Ermordete durch brutale Repression auf dem Gewissen hat. Offenbar haben die kommunistischen linken Diktaturen durch Verfolgung und Repression insgesamt weit mehr Tote, weit mehr Ermordete in den eigenen zivilen Bevölkerungen verursacht als die nationalsozialistischen und faschistischen rechten europäischen Diktaturen.

Ob man nun den Holocaust oder die Shoah der europäischen Juden einzigartig nennt oder nicht, ist meines Erachtens zweitrangig. Man sollte sich nicht den Mund fusslig über Einzigartigkeit reden, sondern der Millionen Opfer aller systematischen Massenmorde, die sich gegen Völker, gegen Klassen, gegen echte oder eingebildete Feinde richteten, gedenken.

Jeder Mord ist in gewisser Weise einzigartig, ist das schlimmste Verbrechen. „Wer einen Menschen tötet, tötet die Menschheit“, sagen Talmud und Hadithe übereinstimmend.

Dass aber systematischer Massenmord sich geplant oder willkürlich gegen ganze Völker, gegen Religionen oder Menschengruppen, gegen Klassen oder Rassen richtete, ist leider in der Menschheitsgeschichte mehrfach vorgekommen. Es geschah in deutschem Namen in Deutsch-Südwestafrika, es geschah aber auch nicht minder brutal in belgischem Namen in Belgisch-Kongo, in französischem Namen in Algerien, in italienischem Namen in Libyen und Abessinien.

Das EU-Parlament sollte versuchen, auch den vergessenen Opfergruppen Gerechtigkeit im trauernden Gedenken widerfahren zu lassen. Dabei sollten Deutsche vor allem die Opfer der von Deutschen begangenen Verbrechen, Russen die Opfer der von Russen begangenen Verbrechen, Belgier die Opfer der von Belgiern begangenen Verbrechen, Europäer die Opfer der von Europäern begangenen Verbrechen betrauern. Nur aus der Trauer über die selbstbegangenen Verbrechen der eigenen Völker kann Versöhnung erwachsen.

Ganz anders sieht dies jedoch eine Gruppe von EU-Abgeordneten, – worüber heute die taz berichtet:

EU-Abgeordnete formulieren Appell: Der Holocaust ist einzigartig – taz.de

Quellenangaben:

David Olusoga und Casper W. Erichsen: The Kaiser’s Holocaust – Germany’s forgotten Genocide. Faber & Faber, London 2010

Frank Brendle: Der Holocaust ist einzigartig. taz online, 19.01.2012

Norman Davies: Categories of people killed in Soviet Russia and the Soviet Union 1917-1953 (excluding war losses, 1939-1945), in: Europe. A History. Pimlico, London, 1997,  S. 1328-1329

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Nov 262011
 

Als Berlins größtes politisches Problem benennt die BILD-Zeitung die  BILDUNG.

Unter dem Motto BILD DIR DEINE MEINUNG besuchte ich gestern und heute Tage der Offenen Tür an Berliner Schulen in freier Trägerschaft. Denn Schulen in freier Trägerschaft sind offensichtlich ein wichtiger Weg, um aus der gegenwärtigen Misere der senatsgeführten Schulen herauszukommen.

Gestern besuchte ich den Tag der Offenen Tür an der privaten deutsch-russischen Lomonossow-Grundschule.

Eine russische Mutter erhob sich in der Aussprache, nahm das Wort und führte aus, weshalb sie ihr Kind nach zwei Jahren von den staatlichen Schulen Berlins weggezogen habe. Mit schneidender Schärfe führte sie in russischer Sprache – unter dem beifälligen Kopfnicken aller Anwesenden – die Hauptargumente gegen die staatlichen Grundschulen Berlins aus. Ich weiß, dass viele Eltern in Gesprächen genau dieselben Beschwerden vorbringen, und gebe deshalb die folgenden Ausführungen mit Zustimmung Irina Potapenkos wider:

1) Es fehlt in Berlins staatlichen Grundschulen ein erkennbares Programm. Es ist für die Eltern nicht ersichtlich, womit sich die Kinder den lieben langen Tag beschäftigen. Den Kindern selbst ist es auch oft nicht ersichtlich.

2) Es fehlt ein inhaltlicher Kanon an Werten, Grundhaltungen und Tugenden. Den Kindern werden keine persönlichen Vorbilder vermittelt, sondern beliebige Angebote gemacht.

3) Einfache Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen, Singen und Malen werden in den ersten Grundschuljahren nicht ausreichend vermittelt. Die Kinder können beispielsweise am Ende der ersten zwei Grundschuljahre nicht das, was die Kinder in den Herkunftsländern nach zwei Jahren konnten: einfache Texte lesen, einfache Texte schreiben.

4) Die Kinder werden als Experimentierobjekte für pädagogische Neuerungen missbraucht. Dazu gehören das jahrgangsgemischte Lernen, das „Schreiben nach Gehör“, die Ganzwortmethode usw., die Verwischung der Rollendistanz zwischen Schüler und Lehrer, die Testeritis mit VERA usw.

5) Umgekehrt wird alles Bewährte über Bord geworfen. Die Kinder werden in einen kulturell leeren Raum hineinerzogen. Der vorherrschende Kulturrelativismus führt zu einer völligen Entkernung der deutschen Bildung, weshalb die Stärkung der Herkunftsidentität als Ausweg gesucht wird.  „Wenn schon die Deutschen nichts von ihrer klassischen Kultur und von sich erwarten, dann erziehen wir die Kinder eben nach türkischen, russischen, französischen, islamischen … Methoden und Werten.“

6) Je länger die Zuwanderer unter dem Berliner Schulsystem leiden, desto stärker klammern sie sich an der Herkunft fest.

7) Es fehlt an der Autorität des Lehrers. Die Kinder werden zuviel sich selbst überlassen. Die Disziplinprobleme überschreiten das erträgliche Maß.

8) Es fehlt an Leistungsanreizen. Die Abschaffung der Noten in den ersten Grundschuljahren bedeutet Laissez-faire ohne Ende, die Kinder werden nicht gefordert. Ihnen wird nichts zugetraut.

9) Es fehlt an Büchern, die durchgearbeitet werden. Deshalb fehlt es auch an Systematik. Der Lernfortschritt erfolgt zufällig. Kinder und Eltern haben oft das Gefühl, „sich im Kreis zu drehen“.

Die vorstehend angeführten Meinungen scheinen mir bei den allermeisten Eltern der Kinder mit Migrationshintergrund, die Berliner staatliche Grundschulen besucht haben und sich enttäuscht abwenden, vorzuherrschen.

Mangelnde materielle Ausstattung, fehlende Verbeamtung, „marode Turnhallen“, zu große Klassen usw., all die wortreichen Jeremiaden, mit denen die Deutschen und die deutschen Politiker über die staatlichen Schulen ablästern und herfallen, spielen in den Klagen der Eltern mit Migrationshintergrund erstaunlicherweise keine Rolle.

Es befremdet mich immer wieder, dass die Berliner Eltern mit Migrationshintergrund in der bildungspolitischen Debatte nicht erfasst werden.  Wer das große Wort führt, das sind die Deutschen und die wohlbesoldeten Standesvertreter der großen deutschen Lobbyverbände, die im wesentlichen ihre eigenen Klientel-Interessen verfolgen, egal ob sie nun GEW, TBB oder sonst irgendwie heißen.

Meinungsforschungsinstitute! Politiker! Ihr könntet ruhig einmal diese 9 oben aufgestellten Thesen der russischen Mutter einer Umfrage bei Eltern mit Migrationshintergund unterziehen. Die Frage müsste lauten: „Inwieweit stimmen Sie diesen Aussagen zu?“ Das Ergebnis wäre sicher überraschend.

Auf die neue Bildungssenatorin wartet jede Menge Arbeit!

Was tun? Zunächst gilt: Schulen in freier Trägerschaft wie etwa die deutsch-russische Lomonossow-Schule, Schulen in kirchlicher Trägerschaft bieten nach Ansicht der Eltern einen echten Ausweg aus dem beschriebenen Dilemma.

Darüber werden wir in den nächsten Beiträgen dieses Blogs berichten.

Koalitionsvertrag unterschrieben: Warum will keiner Berlins größtes Problem in die Hand nehmen? – Berlin – Bild.de

 Posted by at 23:42
Nov 122011
 
Ein „Migrant“ ist Bushido nicht. Bushido wuchs bei seiner weißen, urdeutschen Mutter auf, sein tunesischer Vater hatte nichts  mit ihm zu tun. Wer Bushido als Migranten bezeichnet, argumentiert rein genetisch. Der Vater  hat sich aus dem Staub gemacht. Bushido ist also kein Migrant, kein Mulitikultimann, sondern typisch deutsch! Ich sehe ihn eher als typisch deutschen verlorenen Sohn, als eine Art Burschenschaftler und Paukbruder.

Rotzfreche Sprache, Pöbeleien und Gewaltkultur gab’s in deutschen Landen immer schon, z.B. bei den Burschenschaften des 19. Jahrhunderts, den Schützenvereinen, bei den Söldnern und den Freikorps, aber auch in Friedrich Schillers „Räubern.“

Gratulation zum Bambi. Clever rausgeholt.

Dass Heino sauer ist, versteh ich aber auch sehr gut.

Umstrittene Auszeichnung: Heino gibt Bambi wegen Bushido zurück – Welt – Tagesspiegel

 Posted by at 23:33
Okt 022011
 

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Soeben schlenderten wir einige Stunden über das Fest der Deutschen Einheit am Brandenburger Tor. Die sehr freundlichen Sicherheitskräfte ließen uns nach Prüfung unserer Taschen ins Allerheiligste des deutschen Sonntags hinein. Da staunten wir! Über allem Getriebe und Gewühle schwebte glückverheißend eine große rote Kugel: das war der Ball der bräunlichen Glücksbrause.

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Mächtig ragte auf das HAPPINESS MONUMENT. Coca Cola hat das Fest der deutschen Einheit fest im Griff. Hier herrscht die ödeste aller öden Glücksverheißungen. Ziel scheint das vollkommen stillgestellte, das vollkommen mit Glücks-Glukose, Glücks-Hormonen abgefüllte Gehirn zu sein. The brain in the vat – das Gehirn in der Zuckerlösung.

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Den Menschen merkte ich eine betäubt-betäubende Gleichgültigkeit an, sie werden buchstäblich mit Reizen abgefüllt und gefügig gemacht. Es ist die Diktatur des Kommerz, der hier der Boden bereitet wird. Deutschland schafft sich ab.

Von riesigen Bildschirmen scholl wummernd und pochend ein elektrischer Beat, mehrere Sänger versuchten sich in schwer verständlichen Sprachfetzen, die zumeist als critically ill English erkennbar waren. Deutsch wird gar nicht mehr gesungen, stattdessen wird die ehrwürdige englische Sprache mitten in Berlin in einem fort misshandelt und gefleddert. Why on earth?  Den ultimativen Kick versprach das Bungee-Jumping von 60 m Höhe zum Preis von 45 Euro, Mitfahrt kostet 3 Euro.

Von deutscher Einheit ist hier vor dem Brandenburger Tor nicht das Mindeste zu spüren. Im Gegenteil, hier schafft sich Deutschland ab. Ein Besuch auf der Festmeile vor dem Brandenburger Tor ist allen zu empfehlen! Hier kannst du lernen, warum die Kinder in Kreuzberg kein richtiges Deutsch mehr lernen. Warum sollten sie sich Mühe geben mit einer Sprache, die nicht einmal an den Festen der Deutschen mehr verwendet oder gesungen wird? Wenn die Deutschen es vorziehen, irgendein billiges Pseudo-Englisch zu mantschen, statt ihre Landessprache zu erlernen und zu pflegen?

Wie sollen Menschen in Deutschland noch irgend etwas anderes wertschätzen lernen, wenn sie auf allen Kanälen mit klebrig-zuckriger Pampe abgefüllt werden?

Dass Coca Cola hier statt eines „Blüh im Glanze dieses Glückes“ sich schamlos mit dem HAPPINESS MONUMENT als Garant und Gewährer des Glückes breit und frech inszenieren darf, enthüllt eine völlige Entkernung des politisch-moralischen Denkens, eine derartige Inhaltsleere in diesem Fest der Deutschen Einheit, dass es einen schaudern lässt.

Es ist die große deutsche Volksverdummung, die hier mitten in der Hauptstadt inszeniert wird. Es hinterlässt mich unfassbar traurig und wütend, dass ein solcher Tag derart würdelos begangen wird.

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Apr 062011
 

Im Jahr 1972 las ich erstmals als 12-jähriger Gymnasiast den Bericht des Club of Rome. Die Botschaft war eindeutig: Wenn wir so weitermachen, zerstören wir die Erde! Ein dumpfes Gefühl der Angst beschlich mich. War es noch zu verantworten, Kinder in die Welt zu setzen? War es nicht unverantwortlich von unseren Eltern, uns Kinder in eine derart von Umweltzerstörung, Kriegen und Atomunglücken geprägte Welt hineinzugebären? Würden wir im Jahr 1990 noch leben? So fragten wir nicht nur stillschweigend, sondern ganz offen!

Die tiefe Verunsicherung, welche die damals entstehende Ökologie- und Anti-Atom-Bewegung in die Kinderseelen einpflanzte, hat eine ganze Generation geprägt. Diese Generation der etwa 50-Jährigen stellt heute das Führungspersonal in großen Teilen der Parteien. Diese Bangnis überlagerte in mir nach und nach wie Mehltau das tiefe Urvertrauen, das ich in meiner frühen Kindheit erlebt hatte. Bis zum heutigen Tag entdecke ich in vielen Deutschen eine völlig überflüssige, eine lähmende Zukunftsangst und Kleinmütigkeit. Sie stürzen sich mit Wollust auf Unglücksnachrichten, quälen sich mit düsteren Ahnungen und vergessen dabei, das Leben wie es kommt und ist anzupacken. Ganz zu schweigen davon, dass niemandem, der in Not ist, geholfen wird, wenn er wieder und wieder hört: „Die Welt ist bedroht. Du bist Opfer. Böse Mächte haben uns alle im Griff.“ In meinem Bekanntenkreis hatten wir vor wenigen Jahren einen schrecklichen Selbstmord zu beklagen. Der Jugendliche hatte ausdrücklich die unaufhaltsame Umweltzerstörung und die weltweit tobenden Kriege als Auslöser seines Freitodes genannt!

Heute wissen wir: Die Voraussagen des Club of Rome waren viel zu düster. Sie sind nicht eingetreten. Ihre Voraussetzungen waren teilweise wissenschaftlich falsch, teilweise wurde durch das Handeln der Menschen Abhilfe geschaffen. Das Ausmaß der Umweltschädigung in den sozialistischen Staaten hingegen war größer als bekannt. Die Abhilfe gegen die unleugbare Umweltzerstörung war in den freien Marktwirtschaften besser, effizienter, als man damals annahm. Insbesondere die natürlichen Ressourcen haben sich als viel größer herausgestellt als damals angenommen. Der Hunger, die Kindersterblichkeit, die Zahl der Kriege sind seit 1970 zurückgegangen, obwohl die Erdbevölkerung zugenommen hat.

Aber diese düstere Grundstimmung wird weiterhin in die Kinderseelen eingepflanzt. Soeben sah ich mit meinem Sohn logo, die Kindernachrichten des öffentlichen Fernsehens KiKa. Aufmacher der ganzen Sendung: „Verseuchtes Wasser quillt unaufhörlich aus dem AKW Fukushima in das Meer, Radioaktivität wird von Fischen aufgenommen, gelangt in die Nahrungskette.“ Unterschwellige Botschaft an die Kinder: „WIR SIND ALLE BEDROHT.  Die japanischen AKWS fügen uns unermesslichen Schaden zu!

Diese Angst der Deutschen vor Verunreinigung, vor Verseuchung, vor Zerstörung durch fremde Mächte hat schon sehr viel Unheil bewirkt. Ist es eine typisch deutsche Angst? Ja! Genau diese Angst hat zu den größten Demonstrationen in der Geschichte der Bundesrepublik geführt!

Ich halte diese Panikmache bei den Kindern, wie sie etwa KiKa einflößt, für unverantwortlich. Mit teilweise unhaltbaren, teilweise falschen Aussagen wird den Kindern, die den KiKa kucken, eine tiefe Weltangst eingepflanzt. Die Aufmerksamkeit der Kinder wird auf einen einzelnen fernen Punkt in Japan fokussiert. Fukushima – das ist das Böse. Das tiefe Leid der Menschen, die durch den Tsunami (nicht durch den Unfall im AKW) ihre Habe und ihr Obdach verloren haben, wird überhaupt nicht erwähnt. Das ist obendrein zynisch.

Toll dagegen, wie Schalke gestern Abend Inter Mailand zerlegt hat!  Rangnick hat die Mannschaft gedreht, obwohl Magath große Verdienste um den Spielaufbau erworben hat. Magath kommt in der Darstellung meist zu schlecht weg, finde ich. Die Grundeinstellung stimmte einfach! Sie haben sich durch das frühe Tor nicht entmutigen lassen. Eine Zuversicht, ein Glück des Gelingens war in den allermeisten Spielzügen zu erkennen. Keine Spur von Zukunftsangst! Sehr gut!

KI.KA – Fernsehen – logo

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Kleine Brötchen backen!

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Mrz 302011
 

„Wie schaut’s mit Ihrem Thema Die Neuen Deutschen aus …?“, fragte mich soeben ein Bekannter beim Bäcker um die Ecke.

„Ich bleibe dran an dem Thema. Mühsam nährt sich das Eichhörnchen. Ich denke, es bleibt wichtig für die nächsten 10 oder 20 Jahre. Wir müssen kleine Brötchen backen. Aber es braucht Zeit“, erwiderte ich, ehe ich Brötchen und Zucker kaufte.

Kuckt auch mal das hier an:

Große Feier im Kanzleramt – „Wir sinddie neuen Deutschen“ – Politik-Videos – Bild.de

 Posted by at 10:01

„Bitte alle 7 Strophen noch einmal!“

 Deutschstunde, Kanon, Kinder, Was ist deutsch?  Kommentare deaktiviert für „Bitte alle 7 Strophen noch einmal!“
Mrz 212011
 

u1_978-3-596-90327-6343324.jpg„Guter Mond, du gehst so stille“ – dieses Lied sang ich gestern in allen 7 Strophen für meinen kleinen Sohn, wie es einst unser eigener Vater auch sang. Nach einem anstrengenden Tag entfaltete das Singen des Liedes eine unglaublich befreiende, lindernde Wirkung. Der Sohn sagte dann: „Jetzt singe das ganze Lied noch einmal!“ Ich traute meinen Ohren nicht.

Ich schüttelte alle Sorgen ab und schlief den erquickenden Schlaf.

Das Buch „Die schönsten Volks- und Wanderlieder“ hatte ich nahezu druckfrisch von meinem Besuch der Buchmesse Leipzig mit nachhause genommen und schon im ICE leise zu singen angefangen.

Die Kinder von heute lernen diese Lieder, die teilweise über mehrere Jahrhunderte weitergegeben worden sind, nicht mehr in der Schule. Ich wiederum kenne keine Lieder, die meine Söhne in der Schule gelernt hätten. Die Lieder im Musikbuch sind mir alle unbekannt. Keines bleibt haften. Rilke stellte im Malte Laurids Brigge fest: „Dass man erzählte, das muss vor meiner Zeit gewesen sein.“ Mir scheint: „Dass man die Kinder singen lehrte, das war vor unserer Zeit.“

Ich denke: Es wäre doch schön, wenn die Kinder in Kita und Schule Lieder sängen –  nebenbei würden sie auch eine gute deutsche Aussprache erlernen. Mir fällt auf, dass die Aussprache des Deutschen sich bei Kindern und Jugendlichen in Berlin schon sehr zu wandeln beginnt. Die Kinder verschlucken immer mehr Laute, die Vokale werden immer farbloser, Quantitäten verschwimmen, oft habe ich das Gefühl, die Berliner Kinder „kriegen die Kiefer nicht mehr auseinander“. Es wird vieles verhuscht und vernuschelt, die Satzmelodie ändert sich. Tausende und abertausende Berliner Kinder verlassen die Schulen jedes Jahr mit rudimentären Deutschkenntnissen. Vielleicht eine Folge dessen, dass fast nicht mehr gesungen wird?

Die schönsten Volks- und Wanderlieder. Texte und Melodien. Herausgegeben von Günter Beck. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, März 2011, 304 Seiten, € 8.-

Fischer Klassik

 Posted by at 22:10
Mrz 032011
 

Theoder Fontane schreibt in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg:

In leichtem Trabe geht es auf der Chaussee wie auf einer Tenne hin, links Wiesen, Wasser, weidendes Vieh und schwarze Torfpyramiden, rechts die steilen, aber sich buchtenden Hügelwände, deren natürlichen Windungen die Freienwalder Straße folgt. Aber nicht viele befinden sich auf unserem Wagen, denen der Sinn für Landschaft aufgegangen; Erwachsene haben ihn selten, Kinder beinah nie, und die Besatzung unseres Wagens besteht aus lauter Kindern. Sie wenden sich denn auch immer begehrlicher dem näher liegenden Reiz des Bildes, den blauen Pflaumen, zu. In vollen Büscheln hängen sie da, eine verbotene Frucht, aber desto verlockender. »Die schönen Pflaumen«, klingt es von Zeit zu Zeit, und sooft unser Kremser den Bäumen nahe kommt, fahren etliche kleine Hände zum Wagen hinaus und suchen die nächsten Zweige zu haschen. Aber umsonst. Die Bewunderung fängt schon an in Mißstimmung umzuschlagen. Da endlich beschleicht ein menschliches Rühren das Herz des Postillons, und auf jede Gefahr, selbst auf die der Pfändung oder Anzeige, hin links einbiegend, fährt er jetzt mit dem wachsleinenen Baldachin mitten in die Zweige des nächsten Baumes hinein. Ein Meistercoup. Wie aus einem Füllhorn fällt es von Front und Seite her in den offenen Wagen; alles greift zu; der Kleinste aber, ein Blondkopf, der vorne sitzt und die Leine mit halten durfte, als führ er selber, deklamiert jetzt auf den schmunzelnden Postillon ein: »Das ist der Daum, der schüttelt die Pflaum«, und an Landhäusern und Wassermühlen, an Gärten und Fischernetzen vorüber geht es unter endloser Wiederholung des Kinderreims, in den der ganze Chorus einfällt, in das hübsche, aber holprige Freienwalde hinein.

„Das ist der Daum, der schüttelt die Pflaum …“ Fontane erzählt von einer Kutschfahrt  am Fuße des Barnims, wo er Kinder diesen Spruch aufsagen hörte. Kennen die Kinder diesen Spruch heute noch? Er fiel mir ein, als ich Kristina Scharfenberg an der Neuköllner Hermann-Sander-Grundschule Roma-Kinder unterrichten sah, und zwar heute in der Zeitung Morgenpost.

Kinder lernen Deutsch mit allen Sinnen, mit Auge, Hand und Ohr, mit Gefühlen, Bildern, Tönen und Bewegungen!

Berlin wirbt dafür, eine internationale Stadt zu sein – schwirrend von Sprachen, Kneipen, Bars und Werbetafeln. Jetzt ziehen wieder vermehrt Roma-Familien nach Berlin, beantragen politisches Asyl und erhalten früher oder später den ersehnten ständigen Aufenthaltstitel. Hunderte von Roma-Kindern ohne jede Deutschkenntnisse werden in diesem Jahr beschult. Darüber berichtet heute die Morgenpost auf S. 12.

Soll Berlin sich dessen brüsten, „international“ zu sein? Ja. Sollen die Erwachsenen und deren Kinder das Gefühl haben, es komme gar nicht darauf an, Deutsch zu lernen, da Berlin ohnehin international sei? Nein!

Das können wir uns nicht wünschen.  Zwar kann man durchaus als Familie über Generationen hinweg in Berlin ohne Deutsch- und ohne jede Berufskenntnisse prima leben. Aber man versündigt sich dadurch an den Lebenschancen der Kinder. Außerdem kann der Staat das spätestens ab der dritten Generation kaum mehr bezahlen.

Die Kinder brauchen nicht das Gefühl, in einer „internationalen“ Stadt zu sein. Sie brauchen – so meine ich – das Gefühl, dass sie hier ohne gute, ohne sehr gute Deutschkenntnisse nicht weit kommen werden.

Im Moment beobachte ich ganz im Gegenteil eine sehr starke Verfestigung von klaren Volksgruppen, von festumrissenen nationalen Minderheiten! Wir werden zunehmend zum Vielvölkerstaat wie etwa Österreich-Ungarn bis 1918, die Tschechoslowakei bis 1991, die Russische Föderation heute – mit all den enttäuschten Segnungen und Verheißungen, die diese multinationalen Gebilde mit sich trugen oder tragen.

Der entscheidende Hebel für die Verwandlung des Nationalstaates in einen Nationalitätenstaat Deutschland à la Österreich-Ungarn ist – unser hochgelobtes, heißbegehrtes deutsches Sozialsystem, verbunden mit dem mangelnden Druck, die Landessprache Deutsch zu erlernen. Wozu sollte man Deutsch lernen, wenn Berlin erklärtermaßen so international ist und man ohne Deutschkenntnisse wunderbar über die Runden kommt?

Die Türken wurden ja vor wenigen Tagen wieder einmal leidenschaftlich durch ihren Präsidenten bestärkt, vor allem Türken zu sein. Sie sollen eine willige Enklave des ewigen Türkentums im Ausland bilden. Die Roma sollen also vor allem Roma sein, die Russen vor allem Russen. Es wird schon! Keine Bange. Wir werden immer internationaler! Die Pflaumen hängen zum Greifen nahe vor aller Augen.

Diese bleiche, werblich angepriesene Internationalität hat zur Beliebigkeit geführt, zu  schwersten sprachlichen Defiziten bei Zehntausenden von Kindern und Jugendlichen dieser Stadt, zu unabsehbaren psychischen und sozialen Folgekosten, zum kulturellen Nirwana.

Es wäre gut, wenn alle Kinder bereits recht früh mindestens einfache Kinderreime oder Kinderlieder deutscher Sprache wie etwa „Das ist der Daumen …“ lernten. Das geschieht viel zu wenig nach meinen Beobachtungen. Das Ergebnis ist dann ein fast unverständliches Deutsch – und für Zehntausende die Aussicht, niemals einen bezahlten Beruf erreichen zu können.

mobil.morgenpost.de

Quellen:

Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Zweiter Teil. Das Oderland. Barnim-Lebus. Freienwalde. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1997, hier: S. 50-51

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Jan 272011
 

Zitat 1: „Nie – nie – nie wieder Deutschland!“

Zitat 2: „Diese Schande wird in Jahrhunderten nicht mehr von unserem guten deutschen Namen abzuwaschen sein!“

Zitat 3: „Ich habe mich seit 1933 oft geschämt, ein Deutscher zu sein, in tiefster Seele geschämt: vielleicht wusste ich mehr als manche andere von den Schandtaten, die von Deutschen an Deutschen begangen wurden, von den Verbrechen, die an der Menschheit geplant wurden.“

Aus welchen Jahren stammen diese Zitate? Antwort: Eines vom 12.01.2011 (Quelle: Spiegel online, Video vom 12.01.2011), ein anderes von 1939 (Quelle: mündliche Erzählungen eines Zeitzeugen an den Blogger), ein drittes vom 24.03.1946.

Was ist den Aussagen  gemeinsam? Ein Bezug auf schwere und schwerste Verbrechen, die im deutschen Namen und von Deutschen begangen worden sind.

Zitat 1  stammt aus dem Jahr 2011. Man sollte den Video-Bericht „Rechtspopulisten gestoppt“ vom 12.01.2011 auf Spiegel online noch einmal betrachten. Der Ruf „Nie wieder Deutschland“ ist Teil der antideutschen Ideologie, die unter einigen jungen Deutschen (und nur unter diesen)  verbreitet ist. Es handelt sich offenbar um eine Art Auto-Immun-Reaktion. Die Logik dahinter scheint zu sein: „Alles Böse ist in der Vergangenheit von Deutschland ausgegangen. Wenn Deutschland beseitigt ist, ist auch das Böse in der Welt beseitigt. Die Deutschen sind alle des Teufels. Hat man den Deutschen das Deutsch-Sein ausgetrieben, so sind sie alle lieb und brav wie wir selbst es ja bereits sind. Das Böse wird aus der Welt verschwunden sein. Es wird allenfalls in Gestalt des personifizierten Teufels, der passenderweise wie der Teufel im Mittelalter als „Ziegenf…“ tituliert wird, weiterhin auftreten. Diesen letzten Teufel in mancherlei Gestalt, der weiterhin stets ein Deutscher ist, gilt es zu stoppen.“

Zitat 2 hat mir ein deutscher ehemaliger Bewohner der Stadt Troppau in Schlesien aus dem Oktober oder November 1938 berichtet, also wenige Wochen, nachdem die Wehrmacht ins Sudetenland eingerückt war.  Es ist der Ausspruch eines katholischen Priesters, nachdem sowohl mein Gewährsmann als auch der Priester Zeugen von Leichenschändungen an jüdischen Grabstätten geworden waren. Der katholische deutsche Priester wurde die Woche darauf in ein deutsches Konzentrationslager geschickt und mutmaßlich ermordet.

Zitat 3 zeichnet sich dadurch aus, dass der Sprechende in Ich-Form sich zur Zugehörigkeit zu diesem Volk bekennt. „Ich habe mich oft geschämt ein Deutscher zu sein.“ Er leugnet nichts, er spricht von seinen eigenen Gefühlen, „er stiehlt sich nicht davon“, er redet sich nicht heraus. Ich halte diese Einstellung für vorbildhaft, zumal zu vermuten ist, dass der Sprechende an diesen Verbrechen nicht persönlich beteiligt war.

Der Name des Sprechenden in Zitat 3? … Wer könnte das gesagt haben?

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Dez 302010
 

Soeben las ich den Kindern Stifters Bergkristall vor. Adalbert Stifters Deutsch ist von jenem Bemühen um Reinheit gekennzeichnet, wie es einige große Meister der deutsche Sprache immer wieder bewiesen haben – zu ihnen zählen beispielsweise auch Franz Kafka und dessen erklärtes Vorbild Heinrich von Kleist. Sie verwenden in der Tat fast keine Fremdwörter. Goethe und Schiller hingegen streuen sie gerne und ohne zu zögern ein.

Minister Ramsauers Bemühen um Eindämmen der Anglizismen-Flut halte ich für im Grundsatz richtig.

Zur Zeit des Barock bemühten sich zahlreiche wackere Männer wie etwa Gryphius, Lohenstein oder Harsdörffer, die deutsche Sprache vom klirrenden Zierat, vom welschen Tand zu reinigen. Noch Immanuel Kant kämpfte um 1720 ersichtlich mit dem Deutschen, bahnte Wege des Denkens in einer Sprache, die sich noch nicht auf eine Norm hatte festlegen lassen.

Erst danach konnte unter vielen Mühen so etwas wie eine einheitliche deutsche Hochsprache sich bilden, in der Lessing, Goethe, Schiller, G.W.F. Hegel und später auch Kleist oder Kafka schrieben. Auch das Grundgesetz richtet sich in Lautung und Wortschatz etwa nach den Normen, die sich um 1770 herausgebildet hatten.

Diese im Großen und Ganzen einheitliche, wenn auch in sich stark differenzierte deutsche Hochsprache, die wir seit etwa 1770 schreiben und sprechen, gilt es zu pflegen und weiterzuentwickeln. Das scheint mir das Anliegen Ramsauers zu sein. Und darin stimme ich ihm zu.

Es stört mich in der Tat, wenn die grünen Männer in einem Manifest von role models sprechen – statt von männlichen Vorbildern.

Sprachfeldzug des Verkehrsministers: Ramsauer jagt Schlagzeilen – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik

 Posted by at 00:35
Nov 032010
 

So herrschte eine meiner zahlreichen politischen Gesprächspartnerinnen mich an, als ich mal wieder über „zeitgenössische“ Dichter wie Andreas Gryphius oder Franz Kafka daherschwadronierte.

„Das heißt aber Gwoguw!“, ermahnte sie mich mütterlich.

Breslau, Grünberg, Glogau, Prag – das sind alles Namen, die mir in dieser Form geläufig sind, ich kenne Menschen, die aus jenen Städten stammen, dort geboren sind, kenne Dichter, Schriftsteller und andere Persönlichkeiten mehr.

Andreas Gryphius etwa ist ein deutscher Dichter aus Glogau, der teils deutsch, teils lateinisch publizierte. Genauso war Franz Kafka ein Prager Schriftsteller jüdischer Herkunft, der sich eindeutig und ausdrücklich zum – wie er das bezeichnete – „Deutschtum“ bekannte und ausschließlich auf Deutsch publizierte; er gehörte nach eigenem Bekunden zur deutschen Minderheit in Prag, besuchte die deutschen Schulen depr Minderheit, besuchte den deutschen Zweig der Prager Universität.

Habt ihr ein Problem damit, wenn ich das feststelle?

Wenn ich Deutsch rede, sage ich Glogau, wenn ich aber Polnisch radebreche, sage ich Głogów.

Habt ihr ein Problem damit? Natürlich mir ist schon klar, was die polnische Wikipedia ausführt: „Niemiecka nazwa Glogau w odniesieniu do współczesnego miasta stopniowo wychodzi z użytku w języku niemieckim na rzecz nazwy polskiej.“ Das sollte aber kein Hindernis sein daran zu erinnern, dass es bis zu den Vertreibungen der Jahre 1945-1947 sowohl im heutigen Polen als auch in der heutigen tschechischen Republik bedeutende, seit Jahrhunderten dort ansässige deutsche Gemeinden und geschlossene deutsche Siedlungsgebiete gab.

Diese deutschen Gemeinden und Volksgruppen verloren dann nach dem 2. Weltkrieg über Nacht alle staatsbürgerlichen Rechte, die Staatsbürgerschaft wurde ihnen kollektiv aberkannt, der Besitz wurde eingezogen, das Aufenthaltsrecht wurde aberkannt, mehrere Millionen Menschen wurden vertrieben, viele wurden ermordet.

Die Tschechoslowakei etwa entledigte sich gewaltsam innerhalb weniger Wochen eines Drittels ihrer eigenen Bevölkerung. Nach Umfang wäre das so, als würde man allen Nordrhein-Westfalen sagen: „Ihr gehört ab heute nicht mehr zu Deutschland. Denn ihr seid nur Nordrhein-Westfalen. Ihr seid keine Staatsbürger mehr.“

Etwa ein Drittel der tschechoslowakischen Staatsbürger wurde nur aufgrund ethnischer Merkmale vertrieben. Die Vertreibungen wurden teils vorher, teils nachträglich für rechtens erklärt, alle 1945-1947 an Deutschen begangenen Verbrechen wurden durch die bis heute gültigen Benesch-Dekrete für straffrei erklärt.  Und so ist es bis heute geblieben.

Die scharfe Ablehnung deutscher Ortsnamen durch die Deutschen ist Bestandteil jener kollektiven Amnesie, mit der man das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen dem Orkus anheimfallen lassen will.

Da mach ich nicht mit. Nein, ich nehme weiterhin für mich in Anspruch, die bösen Namen Glogau, Breslau und Stettin in den Mund zu nehmen. Tut – mir – leid. Bardzo mi przykro!

Dabei bin ja ganz brav: Wenn ich Englisch rede oder Polnisch radebreche, verwende ich die politisch korrekten Bezeichnungen Głogów, Wrocław, Szczecin. Und zwar in einer nahezu perfekten Aussprache, wie mir meine polnischen Freunde gerne bestätigen werden.

 Posted by at 13:05