Feb 162011
 

13022011333.jpg „Wer räumt auf?“ Eine ungeliebte Frage, die uns vier Geschwistern in der Kindheit immer wieder entgegenschallte, wenn wir unser Kinderzimmer als lustiges Schlachtfeld hinterlassen hatten. Oft wurde dann von Mutti gesagt: „Heute räumst DU auf!“ „Wieso immer ICH?“ Klare Ansage, der wir uns (meist) murrend fügten. Kleine Kinder brauchen derartige klare Ansagen!

Heyder räumt auf!“ Mit dieser klaren Ansage zieht ein NPD-Kandidat in den Bürgermeisterwahlkampf. „Unser Kandidat räumt auf!“ Eine typische NPD-Wahlaussage, mit der auch tatsächlich die Rechtsextremen in der ehemaligen DDR hohe Stimmenanteile erzielen. Auch gestern in frontal 21 war diese Ansage in der Berichterstattung über rechte Gewalt in der ehemaligen DDR zu sehen: „Der NPD-Kandidat xy räumt auf!“

de.indymedia.org | Sachsen-Anhalts NPD im Wahlkampf

Bildwechsel! Auf dem Tahrir-Platz in Ägypten ziehen Bürgerinnen und Bürger, Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Greise mit Schaufel und Besen auf und fegen buchstäblich die Hinterlassenschaften des tagelangen Ausharrens hinweg. Sie haben die ersten Früchte des politischen Kampfes eingefahren, die Revolution in Gang gebracht. Und jetzt räumen die Bürger auf!

Was gefällt euch besser? Der Tahrir-Platz in Ägypten oder die rechtsextreme Propaganda in Sachsen?

Bei aller Liebe zu Sachsen: Bei der Ansage „Unser Mann räumt hier auf!“ schaudert mich.

Umgekehrt halte ich das bürgerschaftliche Engagement auf dem Tahrir-Platz in Kairo für vorbildlich. Tugenden wie Gemeinsinn, Freiheitsliebe, Verantwortung, Leistung, Geschwisterlichkeit, Fleiß, Umweltpflege – die brauchen wir! Die Ansage lautet: „Bürger, es ist eure Stadt! HOLT EUCH DIE STADT ZURÜCK! Bürgerinnen, holt euch das LAND zurück!“

Wir brauchen nicht den starken Mann, der in der Stadt aufräumt. Wir brauchen Gemeinsinn und Fleiß. Wir sind keine Kinder!

Ein jeder kehre vor seiner Tür,
und rein ist bald das Stadtquartier.

So liebe Kinder, das war … deutsch. Von Goethe. Goethe, kennt ihr den? Das war einmal  großer Dichter.

Das stumme Bild zeigt einen Blumenladen in Kreuzberg am Mehringdamm, aufgenommen vorgestern.

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Vom Zauber der Zahlen: German gentrification

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Feb 152011
 

12022011329.jpg Etwa in Höhe der Inflation steigen die Nettokaltmieten durchschnittlich in den einzelnen Bezirken Berlins und in Berlin insgesamt. Das ergeben die Zahlen, die ich den regelmäßigen Mitteilungen des MieterMagazins entnehme. Wie passt das aber zu folgenden Aussagen aus dem aktuellen Economist?

Communes in Berlin: German gentrification | The Economist
Rows about rising rents and their effect on Berlin’s character are spreading. Because of the city’s isolation and its former wall, the population in the centre is a socioeconomic jumble, poor by the standards of west European capitals. Although rents are still enticingly low they have risen fast (by roughly 20% between 2007 and 2010). Housing subsidies to poor families are not keeping pace. The number of one-person households has soared, increasing demand for flats. Residents of Friedrichshain-Kreuzberg, which straddles the old border, pay 30-50% of their income in rent, says Franz Schulz, the district’s mayor. “That’s why gentrification is so intense.”

Nun, diese Zahlen des Bürgermeisters sind nicht falsch. Sie beziehen sich jedoch stets auf NEUVERMIETUNGEN in bestimmten Wohnlagen, nie auf die Gesamtheit der vermieteten Wohnungen in einem Bezirk, geschweige denn auf die Gesamtheit der Mietwohnungen in Berlin.

Wer will, findet weiterhin traumhaft niedrige Mieten in jedem Bezirk Berlins, nur eben nicht in genau dem Haus oder genau der Wohnlage, die sie oder er sich ausgekuckt hat.  So ist das nun mal im Leben.

Es wird einfach sehr viel geschummelt und getrickst mit Zahlen. Von massiven Verdrängungseffekten kann nicht die Rede sein. Das behaupten viele linke Politiker wieder und wieder, um ihren Schäfchen durch derartiges lautes Bellen tüchtig Angst einzujagen.

Unser Bild zeigt eine traumhaft lauschige Lage am Schleusenufer, hart an der Bezirksgrenze zwischen Friedrichshain-Kreuzberg und Treptow-Köpenick.

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Feb 152011
 

Jede Menge Zahlen hat der Blogger an diesem Morgen schon verarbeitet. Hier kommen einige:

Wieviel kostete ein Liter Bier im Liebig 14? Der aktuelle Economist bringt auf S. 31 die Antwort: „Films were screened for free and half-litres of beer cost a euro.“

Ergebnis: Ein Liter Bier kostete im Liebig 14 zwei Euro.

Wieviel kostet ein Liter Leitungs-Trinkwasser in Berlin? Die aktuellen Hartz-IV-Tabellen sehen 2,99 Euro pro Monat für Mineralwasser in Flaschen vor.

Wieviel kostet ein Liter Trinkwasser in Berlin aus dem  Wasserhahn? Was glaubt ihr? Etwa halb so viel wie Bier, etwa halb so viel wie Mineralwasser vom Supermarkt? Na, wie sieht’s aus?

Schock! 1 Kubikmeter Trinkwasser kostet mehr als ein Liter Bier im Liebig 14! 1 Kubikmeter Berliner Trinkwasser kostet samt Entsorgung mehr als Hartz-IV-Empfänger vom Staat für Mineralwasser bekommen!

Hier die aktuellen Preise für Berliner Trinkwasser:

1 Kubikmeter Trinkwasser kostet derzeit in Berlin einschließlich des obligatorischen Schmutzwasserentgeltes 5,12 Euro! Ein Liter Bier ist billiger als 1 Kubikmeter Trinkwasser!

Quelle: Berliner Morgenpost, 15.02.2011, S. 11

Schlagzeile: Trinkwasser teurer als Bier!

Fußnote zur Mengenangabe: Wieviel ist 1 Kubikmeterchen Wasser? Na, wie schaut es aus? 10 Liter, 50 Liter, 100 Liter?

Antwort: Ein Kubikmeter Trinkwasser ist 1000 (eintausend) Liter Trinkwasser.

Strenggenommen kostet 1 Liter Trinkwasser den redlichen Berliner also den unvorstellbaren Betrag von 0,0051 Euro oder auch 0,51 Cent.

Das Bier im Liebig 14 war also rund 392 Mal so teuer wie das Berliner Trinkwasser.

Ergo: Im Liebig 14 waren die Bewohner aber reich! Denn die Wasserpreise in Berlin sind viel zu hoch, das sagen die Politiker mehrerer Parteien. Und die Politiker haben recht, wenn sie mehreren Parteien entstammen.

Ein klarer Beweis für „German gentrification“!

Communes in Berlin: German gentrification | The Economist
TUCKED behind the grand façades along the old Stalinallee in East Berlin „Germany“s „first socialist street“ was another Utopia. Graffiti-splashed Liebigstrasse 14 had ten flats, artists‘ studios, two washing-machines and 25 tenants who found room in Berlin for a way of life centred on sharing rather than striving. Films were screened free and half-litres of beer cost a euro. Hard-up residents could skip a few months‘ rent. „Collective living means you can share thoughts and emotions,“ says Jakob, a Liebig 14 denizen who gives only his first name. „You see how strong the connection between people can be.“

Bild: Herrlicher Blick auf die wasserreiche Umgebung Berlins, hier beispielhaft den Straussee, einen eiszeitlichen Rinnensee im brandenburgischen Landkreis Märkisch Oderland

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Response:ability – oder: Freiheit und Verantwortung

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Feb 142011
 

„Meine zentralen Leitbegriffe in der Politik sind Freiheit und Verantwortung. Sie  sind für mich wie die zwei Seiten einer Medaille. Freiheit ohne Verantwortung für sich und die Nächsten führt zu schrankenlosem Egoismus, zu Gier, zur Ausbeutung der Natur und des Menschen, zur Spaltung der Gesellschaft! Umgekehrt gilt: Verantwortung ohne Freiheit der Wahl gibt es nicht. Wenn die staatliche Macht zu viel vorschreibt und sich um zu vieles im Leben der Menschen kümmert, erstickt letztlich die Verantwortung!“

So hausbacken und schlicht würde ich antworten, wenn man mich unter Androhung von Strafen zwänge, die Leitwerte meines politischen Engagements zu benennen. Ebenso sprach etwa kürzlich Cem Özdemir von „Ökologie und sozialer Gerechtigkeit“ als den Markenkernen der Grünen.

Was aber ist Verantwortung? Das Wort klingt so altväterlich! Kann man es auffrischen? Ja! Übersetzen wir es versuchsweise ins Englische:

Freedom and responsibility

Klingt schon besser. Aber noch nicht griffig, noch nicht vermarktungsfähig!

Was ist Verantwortung? Verantwortung ist die Fähigkeit, Rede und Antwort zu stehen für das, was man unterlässt und was man tut.

Grundform: „Was hast du da unterlassen? Was hast du da gemacht?“ Wer gut darauf antworten kann ohne rot zu werden, der handelt verantwortlich. Also: Wer gut antworten kann, wer gut Rede und Antwort stehen kann, der ist ver-antwort-lich.

Verantwortung ist die Fähigkeit, die Ability, auf eine Frage oder Anforderung eine gute Reaktion oder eine gute Antwort, eine gute Response, zu geben.

Responsibility = Response:ability

So auch das Motto der diesjährigen Transmediale!

Selbst bei einer Fruchtfliege stellten wir gestern eine geringe Fähigkeit zur Wahl fest. Keine Freiheit in unserem Sinne, aber doch eine wie immer beschränkte  Möglichkeit, zwischen Alternativen zu wählen. In sehr rudimentärem Sinne hat die Fruchtfliege ein Minimum an Reaktionsmöglichkeiten.

Freiheit und Verantwortung

Freedom and response:ability

So wird ein Schuh draus. Besser: zwei Schuhe.

Freiheit und Verantwortung sind die beiden Schuhe eines Paares. Beide Schuhe muss man sich anziehen! Wer nur einen Schuh anzieht, hinkt, hüpft oder fällt!

Freiheit ohne Verantwortung ist leere Selbstsucht, Verantwortung ohne Freiheit ist knechtische Lähmung.

transmediale

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Feb 142011
 

Menschen- und Bürgerrechte gelten in Deutschland uneingeschränkt.

Aber ist dies auch in anderen Ländern so? Darüber wird heute Abend zu reden sein! Ich gehe hin!

Montag, 14.02., 19.30 Uhr „Freiheit, Demokratie und Menschenrechte“

Referentin: Ekaterina Sokirianskaia („Memorial“)

In der „Friedrichstädtischen Galerie“, Stresemannstraße 27,

10963 Berlin (gegenüber dem Willy-Brandt-Haus, bitte klingeln).

Startseite- www.memorial.de

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Feb 142011
 

Auf Jahrzehnte hinaus eine unerschöpfliche Quelle von  politischen Diskussionen und wahlentscheidenden Skandalen: die Fehlsteuerungen im Sozialen Wohnungsbau. Durch den öffentlichen Wohnungsbau wurden über Jahrzehnte hinweg dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Die Zeche zahlen die Mieter und die Landeshaushalte, also letztlich die steuerzahlenden Bürger. Das Land Berlin hätte nie einen derart aufgeschwemmten öffentlichen Wohnungsbestand anhäufen dürfen! Das zeigt sich gerade jetzt, denn viele Sozialbauten, etwa in Kreuzberg, sind mit völlig überzogenen Renditeversprechungen für die Investoren behaftet. Die Berliner Senate haben also schlecht gewirtschaftet.

Im Gegensatz zur Wasserversorgung ist die Versorgung mit Wohnraum keine staatliche Aufgabe – außer in Zeiten echter Wohnungsnot, also etwa in Zeiten des Krieges bei Flächenbombardements oder in Nachkriegszeiten, wenn durch Vertreibungen sehr viele Menschen zusätzlich untergebracht werden müssen.

Aufschlussreicher Artikel von Daniela Englert heute im Tagesspiegel auf S. 8!

Mietrecht: Sozialwohnungen als Renditeobjekte – Berlin – Tagesspiegel
Denn nach seiner Rechtsauffassung darf der Vermieter im Sozialen Wohnungsbau keine Profite erwirtschaften, sondern nur die Miete verlangen, die seine Kosten deckt. Eigenkapital darf mit maximal 6,5 Prozent verzinst werden. „Dass hier Immobilien als Schnäppchen erworben werden, ist meines Erachtens vom Gesetz her nicht gewollt“, sagt Gellwitzki.

 Posted by at 12:18
Feb 142011
 

Kleiner Nachtrag: Der Stimmzettel des gestrigen Volksentscheides enthielt tatsächlich 2 offenkundige Rechtschreibfehler.  Allerdings wäre die Schreibung „offen legen“ von 1991-2006 möglich gewesen. Lächerlich, dass man sich noch in der Wahlkabine Gedanken über die deutsche Rechtschreib-Reformunfähigkeit machen musste! Wie viele der Nein-Stimmen sind wohl durch die Rechtschreibfehler verursacht worden, etwa im Sinne: „Die können ja nicht mal richtig Deutsch schreiben!“? Ich glaube: keine. Denn mittlerweile kennt sich niemand mehr so recht mit der deutschen Rechtschreibung aus.

Was tut’s. Der Volksentscheid ist ein Erfolg. Darin drückt sich vor allem ein gewaltiges Misstrauen des Volkes gegenüber den Berliner Landesregierungen, einschließlich des amtierenden rot-roten Senats aus. Für ihn, aber nicht nur für ihn, ist es eine Klatsche. Ich werte es als eine Klatsche für die Berliner Landesregierungen der vergangenen Jahrzehnte.

Mal sehen, was jetzt alles zutage kommt! Der Blogger ist gespannt. Die taz hat schon mal mitten in der Nacht vorgelegt, als sie enthüllte, dass der Senator Harald Wolf sich für weit höhere Wasserpreise ausgesprochen hatte. Sebastian Heiser berichtete nämlich in der Online-Ausgabe der tageszeitung, der Linken-Politiker habe weit höhere Wasserpreise durchsetzen wollen als schließlich vereinbart worden seien.

Na, wenn die Grünen einen hohen Benzinpreis wollen, dann dürfen die Linken aber auch einen hohen Wasserpreis fordern. Nur sagen sollte man es.

Aus ökologischer Sicht ist Wasser immer noch wahnsinnig billig. 1000 Liter allerbestes Trinkwasser für unter 20 Euro! Davon können die Araber und Sudanesen nur träumen!

Mir fällt dazu einer meiner Lieblingsreporter ein, nämlich Herodot. Er schrieb: „Was ihnen zu tun verboten ist, dürfen sie auch nicht aussprechen. Das Entehrendste ist bei ihnen das Lügen. An zweiter Stelle steht das Schuldenmachen, dies aus vielen Gründen, namentlich aber, weil ihrer Meinung nach ein Schuldner notwendig in die Lage kommt zu lügen.“ Historien I, 138.

korrekturen.de | Wortliste: offenlegen / offen legen

Herodot: Historien. Deutsche Gesamtausgabe. Alfred Kröner Verlag, 4. Auflage, Stuttgart 1971, S. 69

 Posted by at 11:13
Feb 132011
 

Dieser Kreuzberger Blogger hat soeben abgestimmt!  Genauestens las er sich die Fragestellung noch einmal durch. Und wieder einmal gewahrte er, ein wie schwierig Ding die deutsche Rechtschreibung doch ist. Entscheidet selbst – geht bei den Wasserverträgen alles mit rechten Dingen zu?

Berliner Wassertisch
Alle bestehenden und künftigen Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe sind mit Ausnahme personenspezifischer Daten vorbehaltlos offen zu legen. Sie bedürfen einer eingehenden öffentlichen Prüfung und Aussprache unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen und der Zustimmung des Abgeordnetenhauses von Berlin.

Sie sind unwirksam, wenn sie nicht im Sinne dieses Gesetzes abgeschlossen und
offen gelegt werden
.

Die Abstimmungsfrage lautet:
Stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu? (Ja/Nein)

Die Abstimmungsfrage lautet: Halten Sie diese Schreibungen offen zu legen und offen gelegt für richtig?

Ich meine: Nein, sie sind nicht richtig. Nach § 34 (2.2)  der amtlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung muss das Partizip offengelegt und der Infinitiv offenlegen oder offenzulegen zusammengeschrieben werden. Es handelt sich nämlich um eine Zusammensetzung von Verb und Adjektiv, bei der der adjektivische Bestandteil eine neue, idiomatisierte Bedeutung bildet. Das amtliche Wörterverzeichnis führt demgemäß offenlegen als zusammenzuschreibendes Verb an.

Vergleichen wir folgende Schreibungen:

a) Die Wasserrohre können je nach Beschaffenheit des Untergrundes in Einhausung oder offen gelegt werden.

b) Die Wasserrohre können je nach Beschaffenheit des Untergrundes offengelegt werden, wenn Zweifel an ihrer Dichtheit bestehen.

c) Die Wasserrohre können je nach Beschaffenheit des Untergrundes offen gelegt werden, wenn Zweifel an ihrer Dichtheit bestehen.

a), b), und c) sind richtig geschrieben, denn dies ist ein resultatives Prädikativ; es kann zusammen oder getrennt geschrieben werden.

d) Die Wasserverträge müssen je nach Ausgang der Abstimmung offengelegt werden.

e) Allerdings sind sie im Haupttext bereits offengelegt.

f) Der Vertrag liegt aufgeblättert sichtbar auf dem Schreibtisch. Er ist also offen gelegt.

Der neueste Duden, 25. Aufl., 2009, schreibt ebenfalls offenlegen vor, während Wahrig Wörterbuch der deutschen Rechtschreibung von 2005 sowohl Zusammen- als auch Getrenntschreibung zuließ.

Gestimmt habe ich heute übrigens mit Nein.

Da die Wasserverträge bereits offengelegt sind, brauchen sie nicht noch einmal offengelegt zu werden. So scheint es mir richtig. Fragen?

 Posted by at 18:49

Freiheit für Fruchtfliegen?

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Feb 132011
 

Einen bestechend klar formulierten, naturwissenschaftlich abgesicherten Aufsatz des Biologen Björn Brembs las ich soeben in der neuesten Nummer der Zeitschrift Proceedings of the Royal Society – B Biological Sciences.

Thema: „Zu einem naturwissenschaftlichen Begriff der Willensfreiheit als eines biologischen Merkmals: Spontanes Handeln und Entscheidungsfindung bei Wirbellosen“.

Der Autor untersuchte, vereinfacht ausgedrückt, die folgende Frage: Haben Fruchtfliegen so etwas wie Willensfreiheit? Der Autor untersuchte Fruchtfliegen auf ihre Fähigkeit, zwischen Handlungsalternativen zu wählen. Bei gleicher Ausgangslage müssten doch Tiere derselben Art stets gleich entscheiden, so die triviale Ausgangsannahme. Hungrige Fruchtfliegen müssten sich doch stets auf eine mögliche Nahrungsquelle zu bewegen! Dem ist aber nicht so. Die Tiere zeigten stets eine etwa 20-prozentige Abweichung vom zu erwartenden Verhalten. Selbst bei einfachen Stimulus-Response-Situationen, wo ein einfacher Reiz durch eine hochgradig vorhersagbare Reaktion zu beantworten ist, gibt es Abweichler, Ausbrecher, Neugierige unter den Fliegen. Sondert man diese etwa 20 Prozent Abweichler unter den Probanden aus und setzt die verbleibenden Fliegen einem neuen Experiment aus, so ergibt sich wieder eine etwa gleich hohe Abweichlerquote.

Fliegen scheinen also Lösungen für Probleme zu suchen – statt einfach nur Instinkte spielen zu lassen.

Towards a scientific concept of free will as a biological trait: spontaneous actions and decision-making in invertebrates — Proceedings B
The fly cannot know the solutions to most real-life problems. Beyond behaving unpredictably to evade predators or outcompete a competitor, all animals must explore, must try out different solutions to unforeseen problems. Without behaving variably, without acting rather than passively responding, there can be no success in evolution.

Das Verhalten von Insekten ist selbst in einfachsten Standard-Situationen nie zu 100% voraussagbar. Es sieht so aus, als hätten die Insekten eine Art Ermessensspielraum. Die Freiheit des Ausprobierens sichert den Arten einen Evolutionsvorteil.

Entscheidungen für oder gegen etwas scheinen selbst im Tierreich in dem Sinne möglich zu sein, dass die Tiere neuronal nicht determiniert sind. Bei absolut gleichen Ausgangsbedingungen „entscheiden“ sich genetisch ähnliche oder genetisch gleiche Insekten selbst in fundamentalen Existenzfragen – etwa bei der Frage, ob tier ins Licht oder vom Licht weg fliegen sollte – unterschiedlich!

Neurobiologie – diese im Moment äußerst angesagte Leitwissenschaft – diskutiert, ob man so etwas wie den freien Willen noch zulassen oder rechtfertigen könne. Wird Willensfreiheit obsolet, da doch zunehmend erklärbar wird, warum unser Hirn so reagiert, wie es reagiert?

Der Aufsatz von Brembs weist meines Erachtens nach, dass neuronale Vorgänge die tatsächliche Handlungsentscheidung bei Tieren nicht eindeutig bestimmen.

Für das uralte philosophische Problem der Willensfreiheit beim Menschen meine ich festhalten zu dürfen:

Ein biologischer Nachweis, dass wir keinen freien Willen haben, lässt sich nicht erbringen. Viele Befunde sprechen dafür, dass nicht nur wir Menschen, sondern auch Tiere einen sehr weiten Entscheidungsspielraum nutzen können. Dass wir tatsächlich entscheiden können, dass wir also mit Willensfreiheit begabt sind, dass wir in weitem Umfang „Herr oder Herrin unserer Taten“ sind, ist eine nicht nur durch Introspektion zugängliche, sondern auch durch naturwissenschaftliche Experimente nicht widerlegbare Grundverfasstheit.

Damit wird nicht geleugnet, dass Willensakte an materielle Vorgänge unlösbar gebunden sind – also letztlich an Prozesse unter Neuronen, Synapsen, Botenstoffen und Erregungspotenzialen im Hirn. Aber diese Prozesse sind nur Substrate, Trägersubstanzen des Willens.

Der Mensch selbst ist frei. ER WILL – oder will nicht. Erst durch Freiheit wird Verantwortung, wird Moral, wird Sittlichkeit, wird Recht und Unrecht denkbar. So wird etwa niemand einem Mörder eine Entschuldigung zubilligen, wenn er behauptet: „Ich musste töten! Es überkam mich!“

Von den wenigen Fällen des Wahnsinns oder der Schuldunfähigkeit abgesehen, werden wir stets sagen: „Der Mörder musste nicht töten. Er muss sich für die Folgen seines Tuns verantworten.“

Ich bekenne mich in diesem Sinne leidenschaftlich zur Freiheit des Menschen.

Bild: Der arme Kreuzberger Blogger spricht mit Berliner Kindern über Freiheit, über Gut und Böse in Mozarts Zauberflöte.

Björn Brembs: Towards a scientific concept of free will as a biological trait: spontaneous actions and decision-making in invertebrates. Proc. R. Soc. B 22 March 2011 vol. 278 no. 1707 930-939

 Posted by at 16:56
Feb 122011
 

Etwa 2000 Jahre gelebte Multikulturalität birgt das Christentum mit sich. Das Neue Testament ist durchtränkt mit Erfahrungen der Fremdheit zwischen Sprachen, Kulturen, ethnischen Gruppen, religiösen Fundamentalismen. Es gibt Hinweise darauf, dass etwa der Prozess gegen Jesus vor Pilatus eine Kette interkultureller Missverständnisse war.

Jesus selbst, dieser alle überragende Mensch, war allerdings stets bereit, diese kulturbedingten Barrieren zu überwinden, und er verlangte dies auch von anderen.

Für ihn stand letztlich der einzelne Mensch, der ihm begegnete, im Mittelpunkt seiner Fürsorge und Zuwendung. Diesen Menschen, der ihm begegnete, nannte er „den Nächsten“. „Wer ist denn mein Nächster?“, wurde er gefragt.  „Jeder Beliebige!“ Ausdrücklich verstand er unter „dem Nächsten“ nicht den Angehörigen der jeweiligen Sippe oder Nation, sondern den räumlich oder emotional Begegnenden. So mag Jesus und die auf ihn sich berufende Religion, das Christentum, als fundamentaler Zeuge gegen jede Art der ethnischen oder kulturellen Verhärtung gelten.

Soeben lese ich im Corriere della sera von gestern auf S. 11 einen Reflex eben dieses beständigen Grenzen-Überschreitens. Kardinal Gianfranco Ravasi spricht sich für einen Übergang vom Multikulturalismus zur Interkulturalität aus: „Ciò che dobbiamo fare è passare dalla multiculturalità alla interculturalità, von der bloßen Koexistenz von Kulturen, die nicht miteinander reden, müssen wir zur Erfahrung des Dialogs übergehen. Wir brauchen eine Art kulturelle convivenza, ein Zusammenleben, das freilich schwer und kompliziert ist.“

Ravasi verlangt nicht das Aufgeben der eigenen Kultur, sondern das Wahrnehmen der Andersartigkeit. Als Ursache für das Scheitern des Multikulturalismus sieht er eine Verleugnung der eigenen kulturellen Herkunft Europas, eine tiefe Selbst-Unsicherheit auf Seiten der Europäer, die neben anderen kulturellen Errungenschaften vor allem das Christentum buchstäblich verlernt hätten.

Es sei so, als wollte man ein Duett singen, und einer der Partner wüßte nicht, was seine Melodie ist.

Den Betrachtungen Gianfranco Ravasis kann ich meine lebhafteste Zustimmung nicht verweigern.
Multiculturalismo.pdf (application/pdf-Objekt)

 Posted by at 23:45
Feb 122011
 

 12022011330.jpg „Wir kommen einfach nicht an sie heran“, so äußerte sich wiederholt unsere  Friedrichshain-Kreuzberger Schulstadträtin Herrmann über unsere aus dem Libanon zugewanderten Familien. „Wir sollten den Arabern ihre Parallelgesellschaft lassen„, beschwichtigt Bürgermeister Schulz. „52 Prozent der Berliner Türken, 92 Prozent der Berliner Libanesen leben amtlich von Hartz IV“, wirft das Landesamt für Statistik dazwischen.  „Du musst Deutsch können„, donnerte Renate Künast bereits im Jahr 2009 an die Adresse unsere lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger. Vergeblich. Genützt hat Künasts Aufforderung wenig. Die jungen Türken, die hier in Kreuzberg wirklich gut Deutsch lernen, werden weniger und weniger – wenn es sie je gab. Das stimmt mich besorgt. Denn gut Türkisch lernen sie auch nicht. Welche berufliche Perspektive erarbeiten sie sich – außer Sozialhilfe?

Die Briten haben uns 20 Jahre an multikultureller Erfahrung voraus.  Mohammed ist mittlerweile nach Auskunft der britischen Standesämter bei den Geburten landesweit der häufigste englische Vorname. Nichtmigrantische Briten sind in vielen britischen Innenstädten deutlich in der Minderheit- etwas, was in 15 oder 20 Jahren in weiten Stadtteilen des ehemaligen West-Deutschland, weniger in der ehemaligen DDR ebenfalls der Fall sein wird. Das Land Shakespeares erkennt sich nicht mehr wieder, fürchtet, die britische Kultur zu verlieren.

So mag sich wohl erklären, was David Cameron kürzlich über den gescheiterten Multikulturalismus sagte:

Cameron: My war on multiculturalism – UK Politics, UK – The Independent
He warned Muslim groups that if they fail to endorse women’s rights or promote integration, they will lose all government funding. All immigrants to Britain must speak English and schools will be expected to teach the country’s common culture.

Es fehlt an Gemeinsamkeiten, an die die Zuwanderer andocken können, es fehlt an Werten, die wir den Zuwanderen überzeugend vorleben – so deute ich einen anderen Teil aus Camerons Rede, den ihr hier auf Video sehen könnt.

Was ich in der Tat an unseren Grundschulen bemerke, ist ein fast völliges Überbordwerfen einiger Jahrhunderte europäischer Kultur – aus Angst, man könnte die zarten Migrantenseelen verletzen?

Ich habe mir einmal das Deutsch-Lesebuch „Bausteine“ meines achtjährigen Sohnes angeschaut und entdecke fast nur Texte, die nach 1990 entstanden sind.  Es wimmelt darin von frechen&klugen Mädchen, die die Jungs in der Klasse mit schierer Körperkraft niederringen, von Jungen, die gerne Gummi hüpfen und die Farbe Rosa lieben, es gibt Opas, die null von Computern kapieren, es gibt alleinerziehende Mütter, die den ganzen Laden allein und bewundernswert schmeißen. Es herrscht in den Texten gegenüber Älteren ein respektloser, schnoddriger Ton. Das Buch passt sich anbiedernd der Sprache unserer Kinder an. „Opa kapiert null.“ Ein typischer Satz aus einem deutschen Lesebuch unserer Zeit!

Wie mag all dies auf einen jungen Türken, einen jungen Araber wirken? Die Deutsch-Lesebücher unserer Schulen bieten keinerlei kulturelle Modelle an, an die Achmed oder Mohammed anknüpfen könnten!

Die Lieder in seinem Musikbuch sind mir ebenfalls alle unbekannt. Sie sind alle jüngeren und jüngsten Datums. Das heißt, wenn Eltern und Kinder zusammentreffen, etwa bei Wanderungen, kennen sie keine gemeinsamen Lieder mehr zum Singen. Das war früher anders.

In einem stimme ich jedenfalls David Cameron, Franz Schulz, Angela Merkel und auch Nicolas Sarkozy zu: Die verschiedenen Kulturen, an deren Zusammenwachsen oder Miteinanderleben viele von uns noch vor 15 oder 20 Jahren geglaubt haben, haben in unseren europäischen Städten nie wirklich zueinander gefunden. Sie leben beziehungslos nebeneinander her. Es ist und bleibt mühsam. Oft spricht man ja nicht einmal eine gemeinsame Sprache. Räumliche Segregation kommt trennend hinzu. Bei meinen Wanderungen und Gesprächen durch Kreuzberg wird mir dies immer wieder klar.

Die zweifelhaften Segnungen des Satellitenfernsehens und der Sozialhilfe tun ein übriges. Dieser Zustand kann niemanden befriedigen. Hier beim NKZ, einem bekannten Sozialbau in Kreuzberg am Kotti, kann man mulitikulturelle Atmosphäre schnuppern und schwelgen, schwelgen in Erinnerungen und Gedanken an die Zeiten, als man noch an den Multikulturalismus glaubte.

 Posted by at 22:38

Es gibt keinen Milieuschutz für Diktatoren mehr!

 Freiheit, Geld, Gouvernance économique  Kommentare deaktiviert für Es gibt keinen Milieuschutz für Diktatoren mehr!
Feb 112011
 

09022011326.jpg Großer Tag für Ägypten! Großer Tag für die arabische Welt! Großer Tag für die Freiheit! Es gibt keinen Milieuschutz für Diktatoren in den arabischen Staaten mehr.

Was aber ist das – „Milieuschutz“?

Milieu lautet ein alter Name für die verbrecherische Halbwelt.

Neben dem herrlichen Ausdruck „Förderkulisse“ habe ich in drei bis vier Jahren teilnehmender Beobachtung der politischen Landschaft Berlins auch den Ausdruck Milieuschutz gelernt.  Milieuschutz bedeutet in grobschlächtiger Vereinfachung die Verhinderung des Wandels. Milieus, wie sie über Jahrzehnte hinweg durch die Berliner Förder- und Subventionspolitik herangezogen wurden, sollen erhalten bleiben. Zur Abwehr des Wandels wird beispielsweise beschlossen, dass bestimmte Bäder nicht eingebaut werden dürfen. Wer bestimmt dies? Die Politik!

Es genügt, eine bestimmte Bäderart als Luxusbad einzuordnen, und schon unterbleibt die bauliche Veränderung. Das berüchtigte „Milieu“ bleibt unter sich, der Wandel wird zuverlässig verhindert.

Lasst uns den Gedanken des Milieuschutzes etwas weiterspinnen! Denkbar wäre auch, dass bestimmte Arten von Fahrrädern, etwa Lastenräder mit drei Rädern oder Räder mit mehr als 3 Gängen oder Rennräder mit weniger als 12 kg Gewicht oder Tageszeitungen mit mehr als 24 Seiten (wie etwa die Wochenend-taz oder FAZ) verboten werden könnten. Denn sie sind ebenfalls – sofern die Politik das so will – als Luxusgüter einzustufen. Man braucht „eigentlich“ kein Rennrad unter 12 kg Gewicht, keine Tageszeitung mit mehr als 24 Seiten.

Förderkulissen funktionieren mit Geldgeschenken.

Milieuschutz funktioniert mit verweigerten Genehmigungen oder mit Verboten.

Geschenke und Verbote sind Merkmale einer obrigkeitlichen Politik, die Freiheiten einschränkt und Staatsabhängigkeit erzeugt. Obrigkeitliche Politik kann in Diktatur umschlagen. Extremes Beispiel: Ägypten!

Amt für Stadtplanung, Vermessung und Bauaufsicht, Fachbereich Stadtplanung, Milieuschutz – Berlin.de

Förderkulisse und Milieuschutz sind Eigenarten der Berliner Landes- und Kommunalpolitik. Zusammen sichern sie eine extrem hohe Staatsquote – und reichlich Posten und Pöstchen für stockkonservative Politiker in allen Parteien, die über beides verfügen. Dank des Milieuschutzes wird verhindert, dass weniger staatsabhängige Bewohner, also etwa Familien mit Kindern und selbstverdienenden Eltern, in sozial schwächere Gebiete einziehen. Und mit den reichlich ausgereichten Fördermitteln belohnen und befestigen die Politiker dann anschließend ihre Milieus. Die Verfügungsgewalt über Fördermittel und Verbote sichert der Politik in den Parteien eine immer stärkere Macht. Es ist ein Schwarzes Loch!

Ein jahrzehntelanger verhängnisvoller, aus den Mauerzeiten stammender Kreislauf, den die Berliner Kommunal- und Landespolitiker in den Innenstadtbezirken aus dem Eff-eff beherrschen!

Unsere Bilder zeigen ein Beispiel  für informellen Milieuschutz.

Inschrift des anonymen Milieuschützers:

„Yuppie-Palais am Hofgarten in Kreuzberg unerwünscht“

09022011325.jpg

 Posted by at 22:18

Helft Obdachlosen und Behinderten!

 bitte!, Sozialstaat  Kommentare deaktiviert für Helft Obdachlosen und Behinderten!
Feb 112011
 

11022011328.jpg  Die Hilfe für Obdachlose, für Gestrandete und Gescheiterte, für Kranke und Alte ist ein Kernanliegen nicht nur des Sozialstaates, sondern auch der christlichen Botschaft.

Radelte eben an der Heilig-Kreuz-Kirche vorbei und hielt inne an der Heilig-Kreuz-Kirche: „Wir bauen unser Wohnprojekt für Obdachlose behindertengerecht um.“ Wieviel Geld wird benötigt?

Das Wort Wohnprojekt bekommt einen guten Klang, wenn erkennbar für die Bedürftigen, für die Gescheiterten gearbeitet wird. Für andere Menschen in Fleisch und Blut also.

 Posted by at 16:08