Jürgen Todenhöfer – “Wir haben in Afghanistan nichts zu suchen“

 Krieg und Frieden  Kommentare deaktiviert für Jürgen Todenhöfer – “Wir haben in Afghanistan nichts zu suchen“
Okt 092008
 

Und wieder bekräftigt Jürgen Todenhöfer (CDU) seine harten Vorwürfe gegen die kriegführenden NATO-Partner in Afghanistan. Der Afghanistan-Krieg wird sicherlich ein Hauptthema im Bundestagswahlkampf werden. Jeder, der für die CDU oder für die SPD antreten will, tut gut daran, sich die Lage unvoreingenommen schildern zu lassen. Auch hier gilt – wie überall: Audiatur et altera pars! Todenhöfers Standpunkt scheint mir sehr nahe an dem von Christian Ströbele zu liegen. Am 6. Oktober lasen wir in der Süddeutschen:

Jürgen Todenhöfer – “Wir haben in Afghanistan nichts zu suchen“ – Politik – sueddeutsche.de

Todenhöfer: In den 14 Tagen Afghanistan und Pakistan habe ich feststellen müssen, dass unsere Bevölkerung über den Afghanistankrieg genauso an der Nase herumgeführt wird wie die amerikanische Bevölkerung über den Irakkrieg. Unsere Soldaten werden in einen Krieg geschickt, der mit dem offiziell verkündeten Kriegsziel nichts zu tun hat. Politiker, die behaupten, wir kämpften am Hindukusch gegen den globalen Terrorismus und für die Sicherheit Deutschlands täuschen nicht nur ihre Wähler, sondern auch unsere Soldaten. Das ist unverantwortlich.sueddeutsche.de: Ein harter Vorwurf.

Todenhöfer: Ich kann einfach nicht verstehen, dass deutsche Politiker nach all den schrecklichen Ereignissen der Vergangenheit unsere Soldaten so leichtfertig in einen Krieg schicken, der mit Sicherheit kein Verteidigungskrieg ist. Nur Verteidigungskriege sind nach unserer Verfassung zulässig – und auch das nur im äußersten Notfall.

 Posted by at 22:09

„Gastmitgliedschaft“ – eine tolle Idee

 Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für „Gastmitgliedschaft“ – eine tolle Idee
Okt 092008
 

Als politischer Beobachter grase ich gerne das Angebot der Parteien ab. So heute bei der SPD Friedrichshain-Kreuzberg. Und da stieß ich soeben auf eine sehr interessante Möglichkeit, eine Partei von innen kennenzulernen: die Gastmitgliedschaft. Man darf dabei an allen Veranstaltungen teilnehmen, hat Rederecht, aber kein Wahlrecht. Das ganze ist auf höchstens 2 Mal 12 Monate befristet. Sehr gut!

Warum ich das gut finde? Ich glaube, die Vorgänge in einer Partei müssen zunächst einmal sehr verwirrend auf jedes Neumitglied wirken. Die Parteien haben alle ihre eigene Kultur über die Jahrzehnte hinweg entwickelt. Vieles wirkt rätselhaft daran, anderes ist gewöhnungsbedürftig, anderes ist schwer akzeptabel. Und da kommt so eine Probemitgliedschaft gerade recht: Beide Seiten müssen umeinander werben. Die Partei muss beweisen, dass sie so gut ist, wie sie sich nach außen darstellt. Das Neumitglied kann unter Beweis stellen, dass es eigenständig denkt, dass es gewillt ist, etwas beizusteuern und nicht bloß mitzuschwimmen.

Hallo Parteien! Bitte nachmachen!

www.mitmachen.spd.de

 Posted by at 19:25

Ich fordere Sicherheit, Recht und Ordnung auf Berlins Straßen!

 Fahrrad  Kommentare deaktiviert für Ich fordere Sicherheit, Recht und Ordnung auf Berlins Straßen!
Okt 092008
 

04102008002.jpg Ich sah gestern abend den rbb-Abendschau-Bericht über den Angriff eines Radfahrers auf den Busfahrer in der Friedrichstraße.

Gedächtnisprotokoll (sinngemäß):
„Fast jeden Tag kommt es zu Angriffen auf einen BVG-Busfahrer … allein in diesem Jahr sind BVG-Busfahrer schon über hundert Mal angegriffen worden. So auch heute wieder: ein Radfahrer schlug einen Busfahrer mit der Faust auf die Schulter.“

Das war wirklich mathematisch verzerrt – denn wir haben schon über 270 Tage in diesem Jahr gehabt. Kein Wort darüber, dass der Busfahrer den Radfahrer zuvor, mindestens nach Angaben des Radfahrers, gefährlich geschnitten hatte – wie man der Presse entnehmen konnte! Die Kurzschlusshandlung des Radfahrers wurde also mit den in der Tat schrecklichen Pöbeleien und grundlosen Angriffen von Fahrgästen auf Busfahrer gleichgesetzt.

Ich meine: Der Radfahrer hatte keinerlei Berechtigung, den Busfahrer anzugreifen oder auch nur zur Rede zu stellen. Er hat etwas Verwerfliches gemacht, als er den Busfahrer bedrohte. Aber dass es soweit gekommen ist, ist sehr bedauerlich. Leider erlebe ich als passionierter Radfahrer täglich Schimpfereien, Pöbeleien und gehäufte Verstöße gegen die Verkehrsregeln bei meinen lieben Mitradlern (und auch bei so manchem Autofahrer).

Mir selbst ist gestern allerdings etwas Ähnliches passiert: Ich fuhr auf dem Tandem vorschriftsmäßig mit meinem sechsjährigen Sohn um ca. 19.20 Uhr die Wiener Straße Richtung Skalitzer Straße in mäßiger Geschwindigkeit auf dem Radweg entlang. Unser Tandem war vorschriftsmäßig beleuchtet. Neben uns fuhr ein Taxi. Es hatte den Blinker nach rechts gesetzt, um dann in die Lausitzer Straße einzubiegen. Die typische Situation, bei der es oft zu Unfällen kommt. Da ich aber gut sichtbar fuhr, glaubte ich, es reiche aus, wenn ich noch einmal laut und kräftig klingelte. Das tat ich also. Ich läutete hell, laut und deutlich, um den Taxifahrer auf uns aufmerksam zu machen. Wir hatten Vorfahrt. Der Taxifahrer bog ab, ohne sein Tempo zu verringern, genau in meine Fahrstrecke hinein – und zwang mich zu einer Vollbremsung! Gerade noch schaffte ich es, nicht von dem Taxi überfahren zu werden, da ich mit aller Kraft bremste. Wir sind nicht überfahren worden. Beweis: Ich erfülle weiter meine Dienstpflicht als Blog-Verfasser.

Ich schrie: „Ja, könnt ihr denn nicht aufpassen, ihr ….!“Der Taxifahrer hat mich sicher nicht gehört und nicht gesehen. Wahrscheinlich telefonierte er gerade mit seinem Handy. Oder er war bekifft. Oder er war betrunken. Oder er hörte die neue CD von Boyzone mit voller Dröhnung. Egal. Gut, dass wir überlebt haben. Das ist mir eine weitere Warnung. Ich werde ab sofort keinem, keinem Rechtsabbieger mehr trauen.

Und zwei Zeugen habe ich auch: Das waren zwei Feuerwehrleute, die gerade wartend vor der Feuerwache standen. Sie haben alles genau gesehen und gehört. Und sie riefen mir laut zu: „Wie die Behinderten, so fahren die … !“

Einspruch, liebe Feuerwehr! Ich finde es eine diskriminierende Bemerkung über die Behinderten.

Ich würde sagen: „Wie die anderen Autofahrer, so fahren diese Taxifahrer. Traue keinem Rechtsabbieger! Du wirst es noch mal bereuen!“

Wie können wir rasch und effizient auf derartige Vorfälle reagieren?

Zunächst mein erneuter Appell: Lasst uns tätig werden. Lasst uns gemeinsam daran arbeiten, dass das Klima auf Berlins Straßen zwischen Radfahrenden und Kraftfahrern besser, entspannter, freundlicher wird. Es ist möglich!

Polizei, ADFC und ADAC müssen endlich an einem Strang ziehen. Und die Feuerwehr auch. Und der VCD auch. Und die Unfallchirurgen auch … Und die Presse auch … und … und … auch.

Sicherer Straßenverkehr gelingt gemeinsam!

Unser heutiges Foto zeigt den Verfasser dieses Blogs mit seinem zweiten Sohn beim Nachdenken über die großen Rätsel dieser Welt. Still, sicher, im Recht, in Ordnung, der Welt enthoben. Auf Augenhöhe mit allen Busfahrern dieser Welt. Ort: Berlin-Tiergarten

 Posted by at 12:36

Eine Reform an Haupt und Gliedern …

 Positive Kommunikation  Kommentare deaktiviert für Eine Reform an Haupt und Gliedern …
Okt 082008
 

… verlangt nunmehr auch der designierte Parteichef Frank Henkel. Die BILD schreibt heute:

Henkel will die Partei umkrempeln: „Es wird eine Reform an Haupt und Gliedern. Die Partei wird nicht die gleiche sein wie vorher.“

Berliner Union: Frank Henkel und Monika Gruetters eilen zur CDU-Krisensitzung – Berlin – Berlin – Bild.de

Damit sind die Forderungen, die wir bereits Ende Juli vorgetragen hatten, nunmehr zur konkreten Handlungsabsicht geworden:

a) Das umfassende Revirement an der Spitze der Partei, das Manfred Güllner vorgeschlagen hatte, hat begonnen.

b) Die Reform an Haupt und Gliedern, die wir am 30. Juli 2008 in diesem Blog angemahnt hatten, wird nunmehr auch vom designierten Parteichef verlangt. Damals hieß es aus dem Munde Frank Henkels noch: „Wir müssen unser Profil schärfen.“

Mein persönliches Fazit: Wenn man in einer Partei mitarbeiten will, braucht man viel Geduld. Aber nach und nach lassen sich viel mehr Forderungen durchsetzen, als man zunächst zu hoffen wagte! Und oft sogar schneller, als man für möglich hielt. Die erstaunliche Wandlung des Frank Henkel ist ein Beweis.

Meine nächsten Arbeitsziele:

1) Darauf hinarbeiten, dass die Führungskrise nicht nur mit einzelnen Namen verknüpft wird. Was seit 2001 in der Berliner Union geschieht, muss als beständige Wiederholung von strukturell gleichartigen Inszenierungen gelten. Die Führungskrise dauert im wesentlichen seit 2001 an. Sie ist noch nicht vorbei.

2) Zentrale Rolle der Kommunikation noch stärker betonen! „Ja, mit der Kommunikation hat er’s ja nicht …“ Diese Aussage über den scheidenden Landeschef spricht Bände! Die Führungskrise ist auch eine Kommunikationskrise. Jede Partei, die eine schlechte Kommunikation hat, steht nach außen als schlechte Partei da.

Umgekehrt gilt: Sobald in einer Partei eine gute, methodisch klare Kommunikation eingeführt wird, werden sich Prozesse sofort verbessern. Verbesserte Prozesse werden mittelfristig auch zu besseren Wahlergebnissen führen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Man braucht dann nicht mehr um Personen oder um Programme zu streiten. Denn am Ende guter Kommunikation steht eine Abstimmung. Nach einer demokratischen Abstimmung werden die Unterlegenen – sofern eine gute Kommunikation vorausging – dieses erzielte Ergebnis mittragen.

 Posted by at 12:42
Okt 082008
 

… schrieb Johannes Hampel am 30. Juli 2008 in diesem Blog. Damals brach die jüngste Zuspitzung der Dauerkrise aus … nämlich in dem Totalverriss der Berliner CDU, den Gunnar Schupelius in die BZ setzte. Aus Gründen der historischen Nachprüfbarkeit sei auch dieser Beitrag, den ich später löschte, noch einmal unverändert hier veröffentlicht:

Beitrag aus Johannes Hampels Blog am 30. Juli 2008 (unverändert):

Wohin will die Berliner CDU des Jahres 2008  …

east-side-gallery-21062008001.jpg fragt Chefreporter Gunnar Schupelius in der heutigen BZ. Er weiß es nicht. Aber: Wie so oft, gibt der Fragende in seinem Kommentar bereits einige erste Antworten. Schupelius schreibt:

“Es irritiert mich, dass die Berliner, insbesondere im Westteil der Stadt, der CDU so wenig die Treue halten.”

Ich meine: Herr Schupelius, das sollte niemanden irritieren. “Treue” oder “feste Parteienbindung” gibt es nicht mehr in dem Sinne, wie das noch bis in die 90er Jahre hinein galt. Wer auf “Treue” setzt, hat in der heutigen Wettbewerbsdemokratie schon verloren. Die Berliner CDU sollte also nicht mehr auf “Treue” setzen, sondern auf “Überzeugung”, “Wettbewerb” und “Werbung”. Sie muss über ihre schrumpfende, alternde Stammklientel einen mutigen Schritt hinausgehen. Etwa in der Kandidatenaufstellung. Frisches Blut muss heran. Die hochmobilen Großstädter, die Akademiker, die jungen Frauen, die Künstler, die nicht-linken Umweltbewegten, die sozial Schwachen, die konservativen Türken mit deutscher Staatsbürgerschaft, die enttäuschten Alt-Linken – diese Gruppen sind ein riesiges Reservoir an Wählerstimmen, das die Berliner CDU entdecken könnte. Sattelt die Fahrräder! Seht euch nicht länger als rückwärtsgewandte, konservative Bürgerblockpartei für Stadtrandgruppen, sondern werdet die dynamische Volkspartei der Mitte, der Stadtmitte und der Vermittlung, wie es das neue Parteiprogramm der Bundes-CDU verheißt.
Die Berliner CDU hätte große Chancen, wenn sie ein positives, in die Zukunft weisendes Leitbild für die Stadt Berlin entwickelt hätte – ähnlich der “wachsenden Stadt” eines Ole von Beust in der ehemaligen SPD-Bastion Hamburg. Die Berliner CDU hat jedoch kein positiv besetztes Leitbild für diese Stadt nach außen getragen. Positive Kommunikation – wie sie etwa vor wenigen Tagen Barack Obama so glanzvoll vorgeführt hat – ist ihr ein Fremdwort. Die Berliner CDU pflegt mit Inbrunst ihre unnachahmliche Variante der Negativpropaganda. Sie schimpft auf den unfähigen Senat, auf den ach so schwachen Regierenden Bürgermeister, der angeblich nichts zustande bringt. Warum tut sie das? Wem schadet sie damit?

Bitte bedenken Sie auch, lieber Herr Schupelius: In Berlin hat seit 1991 ein riesiger Bevölkerungsaustausch stattgefunden. Über 1,6 Millionen Menschen haben die Stadt verlassen, über 1,6 Millionen Menschen sind zugewandert. Diepgen, der 2001 abgewählt wurde, ist vielen von ihnen schon eine unbekannte Größe. Und mit der Tempelhof-Kampagne hat die Berliner CDU aufs falsche Pferd, auf ein nostalgisch besetztes Thema gesetzt, das die Wähler im Osten und auch die zugezogenen Neuberliner eher kalt lässt oder sogar gegen die CDU aufbringt.

Für einen groben Irrtum halte ich es, wenn die Schuld am derzeitigen Tiefstand der Berliner CDU hauptsächlich dem Bankenskandal oder einer einzelnen Person gegeben wird. Denn dann hätte es die SPD ähnlich hart treffen müssen, was aber nicht der Fall ist. Außerdem ist das Führungspersonal der Berliner CDU seit der Ära Diepgen/Landowsky fast komplett ausgetauscht, an den Sünden der Vergangenheit kann es also nicht im wesentlichen liegen, wenn die Wahlergebnisse der CDU nach unten gegangen sind. Der Bankenskandal hat der SPD und der CDU sicherlich in erheblichem Umfang geschadet, aber die Wählerschaft hat neuerdings ein erstaunlich kurzes Gedächtnis.

Schupelius schreibt:

“Es irritiert mich also, dass die Berliner ihre CDU im Stich lassen.”

Auch hier gilt, so meine ich: Keine Partei genießt Bestandsschutz! In Italien ist die christdemokratische Partei, die berühmte Democrazia Cristiana, vollständig von der Bildfläche verschwunden. Sie hat sich selbst aufgelöst. Dabei war sie noch ein Jahrzehnt zuvor die mächtigste Partei im westlichen Lager überhaupt. Sie erkannte die Schrift an der Wand nicht, zog keine Lehren aus Skandalen und Korruption. Andere sahnten ab. Eine Antipartei wurde über Nacht aus dem Boden gestampft und gewann die Wahlen.

“Im Stich lassen …” – die Wähler lässt so ein Vorwurf kalt. Verehrter Herr Schupelius: Ich glaube, so wird kein Schuh draus. Die Wähler wollen umworben, überzeugt, mitgerissen werden. Die Wähler fühlen sich offenbar von der CDU im Stich gelassen. So wird ein Schuh draus. Wer – wie die Berliner CDU – sich weiterhin im “bürgerlichen Lager” einigelt, der hat an den Wahlurnen schon verloren. Denn die Bürger sind längst weitergezogen. Und: Wir alle sind Bürger, und die Bürger wählen in Berlin in diesen Jahren eben nur zu einem kleinen Teil die CDU.

Schupelius schreibt:

“Fassungslos sehe ich, wie die CDU gegenüber einem Senat in der Bedeutungslosigkeit versinkt, der seinerseits einer der schwächsten ist, die hier jemals regiert haben. Senatoren wie von der Aue, Lompscher, Junge-Reyer, Wolff usw. unterlaufen ständig schwere Fehler. Und die Union merkt es gar nicht oder interessiert sich nicht. Wohin eigentlich will die Berliner CDU des Jahres 2008? Ich weiß es nicht.”

Unausgesetzt höre ich aus der CDU: “Rot-rot kann es nicht. Rot-Rot muss weg. Rot-rot macht arm.” Ich meine: Wenn der Senat handwerklich wirklich so schwach ist, wie Sie, Herr Schupelius, und die Berliner CDU dies gerne behaupten, dann müsste dies doch der Opposition zugute kommen, nicht wahr? Oder die Berliner CDU beherrscht das Handwerk der politischen Kommunikation nicht. Augenscheinlich profitiert nämlich vor allem die Partei “Die Linke” von den Fehlern der Berliner Landesregierung. Diese Partei hat es erfolgreich verstanden, sich zugleich als Regierung und Opposition darzustellen. Ein echtes Kabinettstückchen! Bitte studieren!

Was sollte die Berliner CDU tun? Ich meine: Not tut ihr jetzt, in diesem Augenblick, eine gründliche reformatio capite et membris unter folgenden Leitsätzen:

1) Eine gute Kommunikation pflegen. Die vorherrschende Negativpropaganda abstellen, verbal abrüsten. Gute Beispiele suchen und ihnen nacheifern.

2) Hilfe von außen suchen, insbesondere von der CDU-Spitze und der CDU anderer Bundesländer! Die Politikmodelle “Team Merkel” und “Team Ole von Beust” studieren, deren Grundkonzeption anpassen und auf Berlin übertragen. Boris Johnson in London, Gianni Alemanno in Rom haben beeindruckend vorgeführt, wie in europäischen Millionenstädten neue Mehrheiten für die politische Mitte zu gewinnen sind. Wie? Nun, man sollte vermittelnde, moderate Töne anschlagen, nicht immer gleich mit der Brechstange argumentieren, den Gegner nicht beschimpfen und kleinreden. Ich empfehle noch einmal nachzulesen, was Kanzleramtsminister de Maizière der CDU Friedrichshain-Kreuzberg ins Stammbuch geschrieben hat. Dieses Blog berichtete am 09.05.2008.

3) Fachleute von außerhalb der Partei einbinden, die den gesamten kommunikativen Auftritt unerbittlich auf den Prüfstand stellen. Aus einer “lärmenden Partei” sollte die Berliner CDU zu einer “lernenden Partei” werden.

4) Zukunft schlägt Vergangenheit! Nicht in die Vergangenheit starren. Die Mauer ist weg. Es gilt viele Mauern abzubauen. Die East Side Gallery – siehe Bild oben – stellt es in wünschenswerter Klarheit dar.

5) Realistische Mehrheiten in der Sache suchen, nicht auf mögliche Koalitionen starren. Ich halte es für falsch, irgendwelche Kampagnen loszutreten, die nur eine Art fiebrige Wahlkampfstimmung erzeugen, aber zu keinem messbaren Erfolg in der politischen Praxis führen. Die Wahlergebnisse sind in Deutschland schon seit Jahren schwer vorherzusehen. Jegliches systematische Arbeiten auf Koalitionen hin kann von den Wählern durchkreuzt werden. Deshalb rate ich – wie de Maizière auch – davon ab, allzu sehr über Jamaika oder andere Dreifach-Koalitionen zu spekulieren. Die Parteien müssen selbst ihre Schäfchen ins Trockene bringen, es herrscht Wettbewerbsdemokratie bei uns, nicht Hinterzimmerdemokratie.

6) Themen setzen – Themen besetzenein überzeugendes Leitbild für ganz Berlin erarbeiten. Es gibt so viele Politikfelder, auf denen es in Berlin an gangbaren Konzepten fehlt. Daran könnte sich die Berliner Opposition erproben, damit könnte sie Breitenwirkung entfachen und neue Wählerschichten ansprechen. Wenn sie denn wollte.

7) In jedem historischen Tiefstand stecken Chancen. Man muss hinhören, einen kurzen Augenblick innehalten und sich selbst gegenüber und auch nach außen ehrlich sein.

Lesen Sie auch einen Artikel samt Forum im Tagesspiegel:

Linke und CDU erstmals gleichauf

Lesen Sie jetzt noch die heutige Kolumne des BZ-Reportes im Wortlaut:

Schupelius-Kolumne – BZ-Berlin.de
“Eine Forsa-Umfrage hat die friedlich in der Sommerpause schlummernde Berliner CDU gestern wie ein Erdbeben erschüttert: Sie käme jetzt nur noch auf 20 Prozent der Stimmen und läge damit gleich auf mit der Linkspartei. Das wäre das schlechteste Ergebnis der Union in ihrer ganzen Geschichte, nur1948 stand sie schlechter da 19,4.Es irritiert mich, dass die Berliner, insbesondere im Westteil der Stadt, der CDU so wenig die Treue halten. Hier erreichte sie 1981 sagenhafte 48 Prozent. Aber auch in der wiedervereinten Stadt war sie lange Zeit die führende Kraft: 1990 kam sie mit Eberhard Diepgen auf 40,4 Prozent, 1999 unter seiner Führung sogar auf 40,8 Prozent. 53 Prozent der Berliner hätten Diepgen damals direkt gewählt, wenn das möglich gewesen wäre, 63 Prozent waren mit seiner Politik zufrieden.

So weit hat es nicht einmal Klaus Wowereit gebracht, der auch auf dem Höhepunkt seiner Popularität im Herbst 2006 zwei Punkte dahinter blieb 61 Prozent Zustimmung.

Es irritiert mich also, dass die Berliner ihre CDU im Stich lassen. Ich kann es aber verstehen. Denn die CDU nimmt in meinen Augen ihre Rolle als Opposition nicht wahr. Anfang dieser Woche beispielsweise, als SPD-Chef Müller die Zahl der Senatoren um 20 Prozent aufstocken wollte, in Zeiten, da der öffentliche Dienst abgebaut wird, da stimmte die CDU sofort zu, anstatt diese unpassende Idee in der Luft zu zerreißen. Ich könnte eine endlose Reihe solcher Beispiele zitieren.

Fassungslos sehe ich, wie die CDU gegenüber einem Senat in der Bedeutungslosigkeit versinkt, der seinerseits einer der schwächsten ist, die hier jemals regiert haben. Senatoren wie von der Aue, Lompscher, Junge-Reyer, Wolff usw. unterlaufen ständig schwere Fehler. Und die Union merkt es gar nicht oder interessiert sich nicht. Wohin eigentlich will die Berliner CDU des Jahres 2008? Ich weiß es nicht.”

 Posted by at 12:04

Reform an Haupt und Gliedern – eine offene Forderung aus dem Juli 2008

 Hebraica  Kommentare deaktiviert für Reform an Haupt und Gliedern – eine offene Forderung aus dem Juli 2008
Okt 082008
 

Man reibt sich verwundert die Augen. Forsa-Chef Güllner kommentiert die neuesten Berliner Umfrageergebnisse seines Instituts laut taz unter anderem mit folgender Aussage:

Eine bürgerliche Koalition aus CDU und FDP kommt bei Forsa zwar gerade einmal auf zusammen 28 Prozent.

Was soll das denn heißen? Bedeutet dies, dass 72% der Berliner keine Bürger sind? Oder keine richtigen Bürger? Oder gibt es zwei Klassen an Bürgern? Gibt es unbürgerliche Parteien? Wann wird dieser Unsinn endlich aufhören, dass man die Parteien in bürgerliche und unbürgerliche einteilt? Die Linkspartei, die SPD, vor allem aber die Grünen – die neue Partei der Akademiker und Besserverdienenden – sind doch so bürgerlich, wie sie sich das nie erträumen konnten! Sie sind Teil des staatsbürgerlichen Systems, sie vertreten einen Teil des Bürgertums, nämlich all die Bürger, die sie wählen, ebenso wie CDU und FDP einen Teil des Bürgertums vertreten.

Es lohnt sich gleichwohl, den ganzen taz-Artikel zu lesen. Denn nach unserem gestrigen 7-Punkte-Programm “Die lernende Partei”, also dem Vorschlag einer grundlegenden Umgestaltung der Berliner CDU “an Haupt und Gliedern”, liegen nun zwei weitere Vorschläge auf dem Tisch: Generalsekretär Henkel schlägt eine Schärfung des Profils vor, insbesondere auf den angestammten Politikfeldern Arbeit, Bildung, Sicherheit. Forsa-Chef Manfred Güllner rät zu einem personellen Revirement.

Es wird sicherlich spannend zu sehen, welchen Weg die Partei wählt. Drei ganz unterschiedliche Vorschläge sind vorgelegt. Möge die innerparteiliche Demokratie obsiegen!

taz.de – Neue Umfrage von Forsa: Pflüger führt die CDU tiefer ins Tal

 Posted by at 11:52

Union im Stimmungstief – Bürger suchen „Freie Wähler“

 Konservativ  Kommentare deaktiviert für Union im Stimmungstief – Bürger suchen „Freie Wähler“
Okt 082008
 

So schnell kann es gehen! Innerhalb weniger Wochen hat sich der Abstand zwischen Union und SPD um satte 11 Prozent verringert. Das gemahnt an die Geschehnisse vor der letzten Bundestagswahl 2005, als die Union ebenfalls binnen weniger Wochen 10 Prozent verlor. Damit ist die Wiederwahl Merkels bereits jetzt in Gefahr.

Ohne die Umfrage im einzelnen zu kennen, wage ich folgende Deutung: Das zwischen „verheerend“, „zerstritten“, „nicht zu rechtfertigen“ und „katastrophal“ schwankende Erscheinungsbild der Union in den Bundesländern Berlin, Bayern und Brandenburg trägt einen Großteil zum Umfragen-Absturz bei. Ich glaube, langjährig verschleppte Krisen schwappen aus diesen drei Ländern stimmungsmäßig in andere Bundesländer über. Wenn Landesverbände über einen längeren Zeitraum, also etwa über sieben Jahre,  nur noch mit Personalfragen beschäftigt scheinen, dann wenden sich die Wähler endgültig ab: „Die streiten ja immer nur untereiander statt sich um die Probleme des Landes zu kümmern.“

Solche Parteien werden nach und nach unwählbar. Denn krisenhafte Abstürze werden in der Regel nicht zu einem echten Machtwechsel genutzt, sondern es werden innerhalb eines geschlossenen Tableaus ein paar Köpfe umgruppiert.

In dem Maße, wie die Linke sich als ganz normale Partei etabliert, verliert sie an Anziehungskraft für das Heer der Unzufriedenen. Deshalb erfolgt nun die Massenabwanderung von den früheren Volksparteien weg, vor allem der Union, zu den Anti-Parteien, also vor allem zu den Freien Wählern.

Umfrage: Union im Stimmungstief – Bürger suchen „Freie Wähler“ – Bund – Politik – FAZ.NET

Die Union steckt einer Forsa-Umfrage zufolge im Stimmungstief. CDU/CSU verloren im Vergleich zur Vorwoche vier Punkte und kommen derzeit nur noch auf 33 Prozent – das ist der niedrigste Wert, den das Institut seit Anfang 2007 für die Unionsparteien ermittelt hat. Die SPD kletterte um einen Punkt auf 27 Prozent, wie aus der am Mittwoch veröffentlichten Umfrage für die Zeitschrift „Stern“ und den Fernsehsender RTL weiter hervorgeht.Damit verkürzte sich der Abstand der Sozialdemokraten zur Union von 17 Punkten im August auf nur noch sechs Punkte. Von der Schwäche der Union profitiert auch die FDP, die um zwei Punkte auf 13 Prozent stieg. Die Grünen kommen demnach auf 9 Prozent (plus eins). Die Linkspartei steht wie in der Vorwoche bei 13 Prozent.

 Posted by at 11:16

Typisch Berliner CDU: Back again … no matter what

 Konservativ  Kommentare deaktiviert für Typisch Berliner CDU: Back again … no matter what
Okt 082008
 

Als Freunde der ewigen Wiederkehr beweisen sich erneut die Berliner Christdemokraten.  Oder, wie es Boyzone sagt: Back again … no matter what. Egal, was du gemacht hast, wenn du einmal in der Partei was geworden bist, stellen sie dich immer wieder vorne hin.

In wenigen Minuten möchten die Christdemokraten den neuen Landes-Chef der Presse vorstellen. Mutmaßlich wird es ein Mann sein, der – wie gestern bereits dargestellt – das  Erscheinungsbild der Berliner CDU in den letzten Jahren entscheidend mitgeprägt hat. Im Personalkarussell war er unter den ersten drei. In der siebenjährigen Führungs- und Kommunikationskrise der Berliner Union seit 2001 war er – und bleibt er offenbar – ein fest abonnierter Teilnehmer.

Wie wird er selbst eingeschätzt? Immer wieder rühmen alle, die ihn kennen, seine sympathische Art, sein nettes offenes Wesen. Ich stimme dem zu. Auch ich rühme seine sympathische Art. Ich würde gerne mal mit ihm in einer Rugby-Mannschaft spielen. Ich hätte auch nichts dagegen, in der gegnerischen Rugby-Mannschaft zu spielen. Denn „der Frank“ ist fair, der Frank grätscht nicht, der Frank meint, was er sagt. „Mensch, Frank …“ dieser Kommentar des Regierenden Wowereit, zusammen mit einem jovialen Schulterklaps, als der Frank zum ersten Mal im Sessel des Fraktionsvorsitzenden Platz nahm, sagt sehr viel über die Berliner Landespolitik. Man kennt sich, man weiß, man wird sich auf dem Rad der ewigen Wiederkehr immer wieder sehen. Aber warum haben Sie die Rede des Frank nicht aufmerksam angehört, Herr Regierender Bürgermeister? Meinten Sie nichts Neues zu hören?

Als zweiter wesentlicher Vorzug des mutmaßlichen Landesvorsitzenden wird gepriesen, dass er seine Berliner CDU sehr gut kennt, dass seine Partei ihn kennt und schätzt. Auch hier stimme ich aus ganzem Herzen zu: Er scheint geradezu verschmolzen mit dem unverkennbaren Ton der Berliner CDU. Man kann solche Sätze beliebig aufzählen, sie bleiben im Gedächtnis haften. Wie etwa der, als er die Linke in eine Traditionslinie mit der RAF-Bande stellte. Oder diese schroffe Entgegensetzung von „uns“, den Guten, und „denen“, den Bösen, also den Terroristen, den Linken, der rot-roten Koalition, die es bekanntlich nicht können, die immer und stets versagen, die mit den Verbrechern unter einer Decke stecken. Nein, nein, „mit solchen Strolchen wollen wir nichts zu tun haben“. So ist er, so redet er.

Frank Henkel kennt seine CDU. Seine CDU kennt und schätzt ihn. Die große Frage ist: Wieviel Außenwelt lässt er zu? Welt – außerhalb der Innenansicht der CDU? Außerhalb einer Innenansicht, die die Menschen außerhalb der Berliner Union schon längst nicht mehr teilen?

Und hier taucht erneut die Frage auf, weshalb immer und überall als Voraussetzung für hohe politische Ämter eine jahre-, besser jahrzehntelange Parteikarriere angesehen wird. Findet denn überhaupt kein Austausch zwischen der Sonderwelt der Politik und der Welt draußen statt? Wie oft habe ich schon gehört: „Ich bin seit meinem 17. Lebensjahr Mitglied!“ „Sie blickt auf jahrzehntelange Erfahrung innerhalb der Partei zurück – deshalb ist sie eine Gute.“ Tja, da werde ich immer ganz kleinlaut. Da kann ich nie und nimmer mithalten. Meine Erfahrungen speisen sich aus sehr vielen unterschiedlichen Lagern und Lebensbereichen. Die omertà, diese verschwörerische Grundhaltung, welche einen Teil der Parteien kennzeichnet, wird mir nicht gelingen.

Wenn ein Konzern wie etwa Siemens ins Strudeln gerät, wird man dann als Sanierer ein Mitglied des amtierenden Vorstands rufen? Muss denn der Sanierer nicht von draußen kommen? Doch! Und ich meine: So sollte es auch in politischen Parteien sein. Aber es ist offenbar nicht so.

Die meisten Parteien handeln nach dem uralten Motto: „Der Speer, der dich verletzt hat, wird dir Heilung bringen.“ In der Parzival-Sage klingt dieses antike Motiv immer wieder an. Ganz selten schaffen es Quereinsteiger, die sich bereits über längere Zeit in einem bürgerlichen Beruf bewährt haben, in den umhegten Sonderbezirk, in die Boyzone der Politik hinein. Wo Jungs und Mädels ihre Rugby-Spiele austragen. Das Volk liebt diese absonderlichen Quereinsteiger ganz besonders, so etwa Angela Merkel und Horst Köhler.

Gehen wir doch einfach davon aus, dass Menschen – und folglich auch Politiker – sich ändern können, dass sie sich neu erfinden können. Frank Henkel hat schon damit angefangen. Er stellt neuerdings den Leitbegriff „Freiheit“ in den Mittelpunkt. Ganz anders als früher, wo er hinter jedem Laternenpfahl die Bösen lauern sah. Er folgt damit dem Ratschlag von Thomas de Maizière, über den wir in diesem Blog am 09.05.2008 berichteten.

Und er wird versuchen, die Union nicht mehr als Westberliner Milieupartei weiterzuführen, sondern sie zu einer Volkspartei weiterzuentwickeln, die vielleicht sogar irgendwann – in einigen Jahren oder Jahrzehnten – auch außerhalb der engen eigenen Klientel wählbar wird.

Für diesen Griff nach draußen werden weiterhin in der zweiten Reihe Politiker wie Christoph Stölzl, Monika Grütters, Friedbert Pflüger, Peter Kurth  – und wie sie alle hießen, heißen und heißen werden – gebraucht.

Berliner Union – Die CDU will ihren neuen Chef präsentieren – Berlin – Berliner Morgenpost

Die Krise der Berliner CDU war Anfang September im Streit um die Parteiführung zwischen dem damaligen Fraktionschef Friedbert Pflüger und Parteichef Ingo Schmitt ausgebrochen. Pflüger wollte Schmitt auf dem nächsten Parteitag im Mai 2009 ablösen. Er verlor den Machtkampf und wurde auch als Fraktionschef abgewählt. Auch Schmitt trat vorzeitig zurück.

 Posted by at 09:59

Freibits für alle! Kandidatenwacht (2)

 Bundestagswahlen, Etatismus  Kommentare deaktiviert für Freibits für alle! Kandidatenwacht (2)
Okt 072008
 

04102008.jpg Einen guten Schritt vorangekommen ist mittlerweile Björn Böhning in seinem Vorhaben, als SPD-Direktkandidat für unseren hochbegehrten Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg nominiert zu werden. Dieses Blog berichtete bereits am 19.09.2008 über ihn. Wie hat er diesen Schritt zur ersehnten Nominierung gemacht? Er ließ machen! Im Spiegel-Heft 40/2008 vom 29.09.2008 ist ihm eine ganze Seite gewidmet. Sogar ein Foto zeigt ihn in meiner Heimatstadt als fleißigen Plakatkleber. Ein sympathischer junger Mann, offener Blick, cooles Outfit. Er kniet auf dem Boden, er ackert.

Dass ein Nachwuchspolitiker einen Artikel in einem Magazin mit über 1 Million Auflage erhält, ist mit Gold nicht aufzuwiegen. Es wird sehr schwer für seine beiden innerparteilichen Mitbewerber werden. Ich halte ja eher zu den Underdogs, nicht zu denen, die auf der Woge der Popularität schwimmen. Deshalb ein kritischer Blick auf sein Programm!

Was will Böhning? Eine rot-rote Koalition findet er auch im Bund gut vorstellbar. Er möchte die Wirtschaft mit einem Konjunkturprogramm aus Steuermitteln aufpäppeln. „Und für Berlin wünscht er sich einen quasi-staatlichen Internet-Zugang, der allen Bürgern zur Verfügung steht: „natürlich kostenlos“.“ Soweit der SPIEGEL.

Meine Meinung: Diese Punkte entspringen dem klassischen, staatsorientierten Denken der politischen Linken aus dem vergangenen Jahrhundert. Der Staat soll es richten für uns alle.

Ich persönlich hege nur begrenztes Vertrauen in die staatliche Wirtschaftslenkung. Ich glaube nicht an den nachhaltigen Effekt von Konjunkturprogrammen.

Ich meine: Gerade in der jetzigen Finanzkrise sind die finanz- und fiskalpolitischen Instrumente einer klugen, beständig hinzulernenden, behutsam nachsteuernden Politik gefordert. Für Konjunkturprogramme im rückwärtsgewandten Sinne eines Björn Böhning sehe ich keinerlei Spielraum. Wir brauchen international abgestimmte Regularien, nicht nationale, den Wettbewerb verzerrende Konjunkturprogramm-Füllhörner, wie sie Böhning vorschweben. Unsere Füllhörner sind leer.

Kostenloser Internet-Zugang? Die Idee finde ich nicht so schlecht. Man müsste mal schauen, was das kostet. Bibliotheken sind ja auch fast kostenlos. Das Internet ist eine Infrastruktur wie etwa Straßen auch. Und jeder Fahrradfahrer und Fußgänger kann Straßenland kostenlos nutzen. Herr Böhning, ich möchte wissen, was kostenloser Internetzugang kosten würde, etwa im Vergleich zu den anderen Infrastrukturen, die unser Staat kostenlos bereitstellt. Bitte eine Vergleichsrechnung aufstellen, Herr Böhning.

Ich selber zahle derzeit noch 29,00 Euro pro Monat für meinen mobilen Internetzugang. Viele dieser Einträge sind über mobilen, durch mich privat finanzierten  Internetzugang ins Netz gestellt. So etwa dieser hier. Ich sitze gerade in Berlin-Adlershof.

Aber es geht auch schon für 10,00 Euro pro Monat. Bezahlbar? Wären Sie bereit, eine Stunde mehr zu arbeiten, um jederzeit Internetzugang zu haben? Ich schon!

Oder denken Sie an flächendeckendes Wi-Fi? Dann müsste man erst einmal mit den Umweltschützern reden. Denn das führt vielleicht doch zu einer weiteren Smog-Belastung mit Funkwellen.

Björn Böhning, ich werde gerne zu Ihren Wahlkampfveranstaltungen kommen. Ich freu mich drauf.

Unser Bild, aufgenommen vor drei Tagen, zeigt das neue SPD-Büro in der Kreuzberger Großbeerenstraße.

 Posted by at 21:23

Typisch Berliner CDU: erst raus, dann wieder rein

 bitte!  Kommentare deaktiviert für Typisch Berliner CDU: erst raus, dann wieder rein
Okt 072008
 

Jeden Tag lesen mehrere Hundert Leser dieses Blog. Oft sind es Tag um Tag dieselben Zahlen, vermutlich auch dieselben Menschen, die auf diese Weise ihr Interesse an den Irrungen und Wirrungen des „tumben Tors“ Johannes Hampel bekunden. Euch Lesern und Anteilseignern dieses Blogs schulde ich Klarheit und Wahrheit.

Also raus mit der Wahrheit! Am 14. September 2008, einem Sonntag, erklärte ich um 6 Uhr morgens meinen Austritt aus der CDU Berlin. Auch in diesem Blog. Den Beitrag habe ich mittlerweile entfernt. Mein Serotonin-Spiegel war sehr niedrig. Ich war verzweifelt und traurig. Ich sah – nur einige Stunden lang – auf absehbare Zeit keine Chance, meinem CDU-Landesverband noch irgendwie anders weiterzuhelfen als durch diesen radikalen Schritt. Ich wollte meinen Landesverband ein letztes Mal versuchen wachzurütteln. Der Parteiaustritt war die letzte Stufe in der Eskalation von zahlreichen unerbetenen Ratschlägen, kritischen Kommentaren, Vorschlägen, Schmeicheleien und Präsentationen, welche ich intern über 15 Monate hinweg in den verschiedensten Gremien der Berliner und der Bundes-CDU abgebrannt hatte.

Dieses Blog ist Teil meiner langfristigen Strategie, Berlins CDU von ganz unten her, also aus der Sicht eines völlig machtlosen, einflusslosen, weithin unbekannten, unscheinbaren, völlig unerfahrenen einfachen Neumitglieds, auf einen für alle gangbaren Weg aus der Krise herauszuführen. Ich bin also dabei, Berlins CDU in aller Öffentlichkeit zu unterwandern.

Denn ich sah und erklärte parteiintern seit vielen Monaten, dass die seit 2001 ohne Unterbrechung andauernde Führungs- und Kommunikationskrise der Berliner CDU durch kluges Management nahezu geräuschlos beendet werden musste. Hierzu legte ich intern Vorschläge vor. Ein vollkommen umgearbeiteter kommunikativer Auftritt des Landesverbandes ist das Kernstück meiner Parteireform. Meine Vorschläge sahen ferner unter anderem vor, die Parteispitze recht bald im Wege demokratischer Wahl neu zu besetzen, da die gegenwärtigen Amtsinhaber Teil und Ursache dieser langjährigen Führungskrise seien. Das sah ich. Das sagte ich. Das schrieb ich.

„Der Fraktionsvorsitzende wird sich so nicht halten können, der Landesvorsitzende wird sich so nicht halten können. Der Generalsekretär wird sich so nicht halten können. Alle drei müssen sich teilweise entweder neu erfinden oder abtreten. Wenn sie so weitermachen, sägen sie sich den Stuhl ab, auf dem sie sitzen. Bitte weitergeben an die betreffenden Personen!“ So sagte und schrieb ich innerhalb der Partei ab Ende 2007.

Ab August 2008, also spätestens seit die gesamte Presse, auch die Springer-Presse, die Selbstdemontage der gegenwärtigen Spitze meines Landesverbandes geradezu genüsslich ausschlachtete,  läutete ich alle Alarmglocken, die mir zur Verfügung standen. Vergeblich. Ich rief: „Die Männer an der Spitze schmeißen sich binnen kurzem gegenseitig von Bord! Die zerlegen das Floß in einzelne Stämme! Die langjährige Krise der Führung der Berliner CDU spitzt sich dramatisch zu!“ Reaktion: Fast keine. Ich bin ja nur ein einfältiges Mitglied.  Ein Tschapperl, wie meine Mutter immer sagte. Andere sagten: „Sind Sie ein Kabarettist?“

„Krise der Berliner CDU … welche Krise? Wir machen weiter wie bisher. Wir sagen nach draußen nichts, was uns schaden könnte. Meinungsverschiedenheiten legen wir bei einem Glas Bier bei.“ So der Tenor der Reaktionen. Ich frage euch: Wenn die ganze Truppe in die falsche Richtung marschiert und du das Gefühl hast, du bist der einzige, der dies erkennt und offen ausspricht – was kannst du dann als einzelner noch machen?

Versteht ihr jetzt, warum ich ausgetreten bin?

Politische Weggefährten aus verschiedenen Parteien, auch aus meiner CDU, und verschiedenen Verbänden, auch aus meinem ADFC, haben recht einheitlich reagiert: sie erklärten meinen Schritt für nachvollziehbar, aber taktisch falsch. „Gerade jetzt braucht die Berliner CDU Männer wie Sie, Herr Hampel! Kehren Sie zurück!“

Und sie haben recht. Ich habe darüber nachgedacht. Ich sehe meinen taktischen Fehler ein. Der Kreisvorstand Friedrichshain-Kreuzberg hat deshalb im Benehmen mit mir den Parteiaustritt für unwirksam erklärt. De facto und de jure bin ich also weiterhin Mitglied meines CDU-Landesverbandes Berlin.

Ich halte es mit dem neuesten Come-Back-Album von Boyzone (Click here to keep informed): Back again … no matter what. Happy reunion!

Da ich Delegierter für die Wahl des Kandidaten für den Bundestags-Wahlkreis bin, habe ich am 26. September bereits mein Wahlrecht ordnungsgemäß ausgeübt. Der Kandidat für den Bundestagswahlkreis 084 ist noch nicht gewählt worden. Aber die Delegierten für die Europawahl und für die Landeslisten sind gewählt worden. Ich habe dabei keineswegs alle 11 mir zustehenden Stimmen vergeben, sondern nur diejenigen Kandidaten gewählt, die mir persönlich bekannt sind und die mein Vertrauen genießen. Und, oh Freude! Sie haben sich durchgesetzt!

Also, Blogger, verzeiht mir meine Irrungen und Wirrungen! Et ego peccavi!

Ihr könnt mir aber helfen. In den nächsten Wochen wird meine CDU die Kandidatin oder den Kandidaten für den Bundestagswahlkreis 084 bestimmen. Ich bin Delegierter und kann mitbestimmen. Bedenkt: Bereits jetzt, in den parteiinternen Kandidatenwahlen, werden mindestens 50% aller Bundestagsmandate vergeben! Und ich bestimme als Delegierter mit. Wir sind also keineswegs so machtlos, wie es den Anschein hat.

Beratet mich: Wen soll ich wählen? Wie sollte der Kandidat aussehen? Welche Eigenschaften sollte er oder sie mitbringen? Wir haben es in der Hand! Darüber sollten wir uns freuen!

Die seit 2001 sich hinschleppende  Führungs- und Kommunikationskrise meiner Berliner CDU neigt sich dem finalen Showdown zu. Zwei gute stellvertretende Parteivorsitzende sind schon gefunden. Sie haben den festen Willen zur Zusammenarbeit erklärt! Bravo! Brava! Die heutige BZ und der heutige Tagesspiegel stellen diese beiden hochverdienten Personen als einander ergänzende Joker vor. „Aber keiner will den Chefposten“ (Tagesspiegel heute, gedruckte Ausgabe S. 9). Beide haben das – wie Pofalla und andere sagten – „durch nichts zu rechtfertigende“ und „katastrophale“ Erscheinungsbild meines CDU-Landesverbandes in den vergangenen  Jahren entscheidend mitgeprägt. Das ist ihr einziges großes Problem. Denn wenn sie in all diesen sieben Jahren der Krise nicht nach ganz vorne gekommen sind oder die Krise nicht entschlossen angepackt haben, dann wollten oder konnten sie das offenbar nicht. Oder es fehlt ihnen der nötige Durchsetzungsinstinkt. Der Machtwille, der unerlässlich ist, wenn man nach oben will. Dann haben sie offensichtlich nicht den Schlüssel zur Lösung dieser Sieben-Jahres-Krise der Berliner CDU in der Hand. Und sie haben sich in der Presse eigentlich schon – tja, nicht „verbrennen“ lassen, aber sie sind schon „angezündelt“. Die Springer-Presse leistet weiterhin ganze Arbeit im Personalmanagement der Berliner CDU. Hut ab, Herr Schupelius!

Mein Berliner CDU-Landesverband braucht dringend ein eigenes, von der Presse unabhängiges Personalmanagement. Und er braucht den Neuanfang mit neuen Gesichtern. Keinen kompletten Machtwechsel, aber doch eine komplette Neuausrichtung, mit einer Mischung aus änderungswilligen alten Hasen und gestaltungswilligen jungen Hupfern.

Beide Kandidaten für den stellvertretenden Parteivorsitz stehen weiterhin in der Verantwortung. Beide haben schon erklärt, dass sie den Vorsitz selbst eigentlich nicht wollen. Der eine Joker hat sich auf geradezu verblüffende Art gewandelt, seit er von seinem vorigen Amt zurückgetreten ist. Weiter so! Die andere Jokerin hat dasselbe Problem wie die Kanzlerin: Sie wird weiterhin als untypisch für die CDU wahrgenommen. Und deshalb würde sie sich nur mit konsequenter Ausübung von Macht durchsetzen können. Und zwar von Anfang an. Diesen Augenblick hat sie schon verstreichen lassen.

Die Zeit ist reif.

 Posted by at 10:37

Sag: „Ich will.“ Kandidatenwacht Wahlkreis 084 (1)

 Grünes Gedankengut  Kommentare deaktiviert für Sag: „Ich will.“ Kandidatenwacht Wahlkreis 084 (1)
Okt 042008
 

15072008001.jpg In loser Folge berichten wir ab heute über die Kandidaten, die die verschiedenen Parteien in unserem Wahlkreis aufstellen. Beginnen wir mit Christian Ströbele. Vorausgeschickt sei, dass ich diesem einzigen direkt gewählten Bundestagsabgeordneten der Grünen immer wieder über den Weg laufe und radle, dass er in diesem Blog schon mit Foto vertreten ist und dass ich vor wenigen Wochen beim Graefekiezfest ein kleines Gespräch mit ihm führen konnte.  Er hat sich in der Welt vom 29.09.2008  mit folgenden Äußerungen wieder als Direktkandidat zurückgemeldet:

Die Grünen beklagen, dass die nachfolgende Generation „Kann-grad-nicht“ zu wenig in politische Ämter strebt. Hätten sie nicht auch sagen können, nach einem erfüllten politischen Leben mache ich den Weg frei?

Ströbele:

Ein solches Direktmandat für einen Grünen kann man nicht einfach weitergeben wie einen Listenplatz. Es ist sehr stark auf die konkrete Person bezogen. Es muss jedes Mal völlig neu erkämpft werden, schon weil ein starker Bevölkerungsaustausch stattgefunden hat. Es wäre völlig offen, welcher Kandidat welcher Partei den Wahlkreis gewinnt, wenn ich nicht mehr antrete.

Wie bewertet Blogger Johannes Hampel diese Äußerung?

Ein starkes Ich-Bewusstsein spricht sich hier aus. Da Ströbele wieder antritt, so lernen wir von ihm, ist der Wahlausgang nicht völlig offen. Sondern er ist „gesetzt“. Diese Einschätzung halte ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt für richtig. Zugleich offenbart aber dieses ständige „Ich will es noch einmal wissen“ auch eine Schwäche der Grünen: Sie haben es offenbar nicht vermocht, im Schatten des Prominenten rechtzeitig Alternativen aufzubauen. Sie, die in unserem Bezirk als „Alternative Liste“ begannen, setzen nunmehr offenkundig auf den Faktor Prominenz. Eine Personalalternative können sie nicht anbieten. Lesen wir weiter im Interview:

Fürchten Sie den kommenden Wahlkampf mit ihren Mitbewerbern?

Ströbele:

Wahlkämpfe machen mir Spaß. Jedenfalls bis zur Ermüdung. Ich treffe viele Leute und diskutiere mit denen politisch, mit denen ich sonst nie Kontakt hätte. Diese Gelegenheit der direkten Auseinandersetzung gibt es sonst selten. Die Diskussion um meine Mitbewerber in den anderen Parteien verfolge ich mit wachsendem Interesse.

Eine gute Aussage! Sie zeigt: Ströbele hat weiterhin Lust auf die Auseinandersetzung, er lebt für die Politik. Genau diese Haltung brauchen wir: Offenheit, Auseinandersetzung, Dialog.

Was er zu Afghanistan sagt – „Beendigung des Krieges in verantwortbarer Weise“ – klingt ebenfalls vernünftig. Er gibt hier sicherlich die Mehrheitsstimmung in unserem Wahlkreis wider.

„Die offensive Kriegsführung muss wegen der vielen zivilen Opfer sofort gestoppt und über Waffenstillstand verhandelt werden. Und zwar mit allen am Krieg Beteiligten sowie mit den Nachbarstaaten, Pakistan und Iran, um einigermaßen Sicherheit herzustellen.“

Und er leugnet nicht, dass er nicht mehr für den Hauptstrom der Grünen steht, sondern nur „zuweilen“ die Mehrheitsmeinung der Partei hinter sich weiß:

„Was die Partei angeht, wird meine Politik nicht nur im Basiskreisverband getragen, sondern es gibt zuweilen durchaus Mehrheiten dafür in der Gesamtpartei. Ich fühle mich bei den Grünen durchaus zu Hause.“

Meine vorläufige Einschätzung: Ströbele trifft weiterhin den richtigen Ton bei der bürgerlichen Mitte der über 30-Jährigen in unserem Wahlkreis. Er gibt sich eigentlich keine Blöße in diesem Interview. Der entscheidende Schwachpunkt ist eher, dass seine Partei ihm offenbar kein überzeugendes Team an die Seite stellen kann. Der hochgeachtete Mann entscheidet allein. Und die Partei sagt: „Ja, er will!“

Ströbele ist kein Mannschaftsspieler. Das muss nicht unbedingt zu seinem Nachteil gereichen. Aber es macht ihn angreifbar. Denn in der heutigen Politik kommt es stark auf Teamqualitäten an. Mehr als früher.

Unser Foto zeigt heute Fahrräder in meinem Hof, darunter mein Raleigh-Tandem, das sicherlich älter als Ströbeles berühmtes Aluminium-Rad ist.

 Posted by at 19:21

ES GILT VIELE MAUERN ABZU BAUEN

 Konservativ  Kommentare deaktiviert für ES GILT VIELE MAUERN ABZU BAUEN
Okt 032008
 

east-side-gallery-21062008001.jpg Tag der deutschen Einheit. Für mich, für uns, ein besonderer Tag. In dieser Schreibung finde ich diesen Spruch „Es gilt viele Mauern abzu bauen“ wieder und wieder einprägsam. Das alte Denken, die Einigelung in „Blöcke“ und „Lager“ möge ein kräftiger, belebender Wind hinauswehen! Möge der Geist der Einheit, der Geist der freundschaftlichen, fairen Auseinandersetzung, das Ringen um das Gemeinwohl an die Stelle der Zerrüttung und der Spaltung treten! Lasst uns zusammen lernen statt gegeneinander zu lärmen! Das ist mein sehnlichster Wunsch für die Berliner Landespolitik.

Dies trifft besonders auf mein Heimatdorf Friedrichshain-Kreuzberg zu. Wo sonst in unserer Republik finden sich noch so kräftige Reste des alten verkrusteten Denkens – auf beiden Seiten der Mauer? Wo sonst diese geballte Kommunikationsverweigerung, dieses unerschütterliche Festhalten an althergebrachten linken und rechten Überzeugungen? Wahrhaftig, hier in Kreuzberg kann man noch die alten Haudegen und Kämpen aus dem „linken“ und dem „bürgerlichen“ Lager antreffen.

Also, Altertumsforscher und Ethnologen, besucht uns, erforscht das alte Denken, konserviert es für die Nachwelt, ehe die unerschrockenen Recken des Lagerdenkens aussterben.

 Posted by at 21:50
Okt 022008
 

„Was ziehe ich bloß an?“ – kopfschüttelnd nehme ich solche Fragen schon ein Leben lang zur Kenntnis, wenn ich mich mit Gefährtinnen zu irgendeinem Theaterbesuch auf den Weg mache. „Mach dir keinen Kopf – zieh das an, was du gerade trägst!“, erwidere ich meist.  Wir Herren haben es da einfach leichter. Jeans und Pullover – oder Anzug mit Krawatte. Fertig, die Sache ist klar.

Wirklich? Nein! Helft mir! Ich leide furchtbar! Mein Rie-sen-pro-blem ist: Ich bewege mich ständig in verschiedenen Lagern – gehöre also weder eindeutig dem bürgerlichen noch dem linksalternativen Block an. Außerdem bin ich migrantisch belastet, da meine Familie nicht rein deutsch ist. Schlimm! Ich bin folglich Angehöriger verschiedenster Stammesgesellschaften, die hier im Berliner Leben schiedlich-friedlich nebeneinander her leben und sich misstrauisch belauern, zum Glück ohne sich die Schädel einzuschlagen.  Das bedeutet unter anderem, dass ich mich bis zu vier Mal pro Tag umziehen muss, wenn ich verschiedene Termine beruflicher, privater, politischer, sportlicher, gesellschaftlicher oder künstlerischer Art wahrnehmen muss. Denn ich versuche stets, mich dem Anlass und dem Ort entsprechend zu kleiden und nicht unangenehm aufzufallen. Meist geht es gut, manchmal geht es ins Auge. So geschah es mir beispielsweise, als ich am 1. Dezember 2007 durchnässt und verspätet in einen Kreisparteitag der CDU stolperte, mit Jeans und Pullover bekleidet. Obendrein schleppte ich als einziger Mappi ein Kleinkind an. Und dann wollte ich auch noch einige Änderungsanträge durch die Abstimmungen bringen! Mit solchen Klamotten! Vor einem Publikum, das vorwiegend – soweit männlichen Geschlechts – in der „Uniform der Gesittung“, als welchen Thomas Mann den Anzug mit Krawatte bezeichnet, angetreten war! So geht es nicht! Nur 11 meiner 17 Anträge wurden angenommen, die anderen fielen durch. Zum Beispiel einer zur konsequenten Stärkung des Fahrradverkehrs.

Ironie der Geschichte: Genau auf den Tag ein Jahr später, am 1. Dezember 2008, wird die Bundes-CDU auf dem Bundesparteitag einen Antrag des Bundespräsidiums zum Thema „Bewahrung der Schöpfung“ beraten. Und eine der wichtigen Aussagen darin wird genau das verlangen, womit ich am 01.12.2007 so kläglich-grandios gescheitert war: die konsequente Stärkung des Fahrradverkehrs. Ich bin schon gespannt! Bitte, Präsidiumsmitglieder: Nicht in Jeans und Pullover den Antrag vertreten! Kleidet euch stammesgemäß! Tragt die Uniform der Gesittung!

Gestern war wieder so ein Tag, der mich ins Schwitzen brachte. Mittags musste ich zur Kostümprobe für einen historischen Film, bei dem ich in einer Nebenrolle gebraucht werde. Gefragt war staatsmännische Kleidung vom Ende der 80er Jahre. Die hatte ich – außer einem passenden Gürtel, einer passenden Krawatte im Stil der 80er. Aber meine Hugo-Boss-Schuhe aus dem Jahre 2006 sind zeitlos. Abgehakt, Klamotten ok.

Abends dann – hoch in den dritten Stock der Deutschen Bank. Adresse: Unter den Linden. Eine gute Gesellschaft hat sich versammelt. Thema der Konversation: Berlins CDU – Krise und Neubeginn in einer dysfunktionalen Organisation. Man steht in lockeren Gesprächen um weißgedeckte Tische herum, die Stimmung ist gut. Ich schüttle viele Hände, stelle mich artig bei Leuten vor, die ich bisher nur aus der Zeitung kannte. Ich verteile zwei Exemplare der Radzeit. Und sogar eine Mutter mit Kleinkind ist erschienen. Großartig, die weiß, wie ich mich damals gefühlt habe! Gleich als dritter Debattenredner ergreife ich das Mikrophon und sage: „Eine solche dysfunktionale Organisation muss sich als beständig lernende, im beständigen Wandel zeigen. Dabei sind gute Prozesse wichtiger als konkrete Resultate, als vorschnelle Festlegung auf konkrete Persönlichkeiten. Diese Organisation darf kein geschlossenes System sein. Sie muss sich nach außen öffnen. Sie muss klar nach außen das Signal senden: Wir hören zu, wir stehen mitten in der Öffentlichkeit.“ So – oder so ähnlich – rede ich. Na immerhin, das Mikrophon reicht man mir danach wieder. Deswegen heißt es ja: „Das Wort ergreifen“ – es müsste eher heißen: „Das Mikrophon ergreifen.“ Wer das Mikrophon hat, hat die Macht. Das gilt in jeder Veranstaltung.

So weit, so gut. Alles erledigt, im dunklen Anzug mit Krawatte. Aber es gab auch Abweichler – Männer, die sich dem Dresskode entzogen, mit Jeans und offenem Hemd erschienen waren. Auch gut so!

Dann weiter zur ADFC-Vorstandssitzung. Und hier ist man mit dunklem Anzug einfach deplatziert. Sollte man meinen. Die Herren tragen Pullover, Jeans und Schuhe, die erkennbar nicht von Hugo Boss sind. Die Damen – sind sportlich-elegant gekleidet. Was kann ich da machen? Nichts – ich nehme nur die Krawatte ab. Und dann gibt es lange anregende Gespräche. Über wichtige Sachthemen wird gesprochen, manchmal streitig, manchmal im Konsens. Über Sicherheit im Straßenverkehr, über andere Themen. So muss es sein! Es ist Zeichen einer guten Organisation, dass Meinungsverschiedenheiten offen und freundschaftlich ausgetragen werden. Alle Gremiensitzungen des ADFC sind öffentlich, es sei denn, es geht um Personalien oder einige wenige vertrauliche Themen. Gut so!

Alle politischen Parteien könnten sich ein Beispiel am ADFC nehmen. Es ist eine gesunde Organisation. Ruhm und Macht kann man dort nicht erlangen. Aber wenn man dort mitarbeitet, hat man das Gefühl: Die tun was! Und dabei kriegen sie nicht einmal Geld. Die kennen sich aus. Denen geht es um die Sache. Ich selber bin übrigens erst seit Dezember 2007 beim ADFC dabei. Wär ich doch mal früher eingetreten!

So beschließe ich denn den Tag in dem Gefühl, beim ADFC an der richtigen Stelle zu sein. Egal ob in Anzug oder Jeans. Die akzeptieren mich so wie ich bin. Und deswegen fühle ich mich bei denen wohl. Ich schwinge mich frohgemut auf das Rad und fahre zurück vom Wedding nachhause. In mein heimatliches Stammesgebiet, in das nette Dorf Kreuzberg.

Dann lese ich noch mal die Lokalzeitungen mit den neuesten Rauchsignalen verschiedener Stämme. Hier eines dieser zahlosen widersprüchlichen Trommelsignale über einen anstehenden Machtwechsel in einer Stammesorganisation. Da wird ein neuer Häuptling gesucht. Arbeitslose, Hartz-IV-Empfänger, ihr alle, die ihr die Straße liebt und auf ihr lebt! Meldet euch auf folgende Stellenausschreibung:

taz.de – Kommentar: Wechsel an der Berliner CDU-Spitze: Wenig Hoffnung auf Veränderung

All das fehlt der Berliner Union. Hier gibt es eben keinen charismatischen unverbrauchten Hoffnungsträger auf Abruf. Es gibt keinen Seehofer, der schon vor einem Jahr an die Spitze wollte und bis jetzt nur darauf wartete, dass die anderen es nicht packen. Es gibt bis jetzt keinen, der nicht nur krittelt, sondern nach der Macht greift, wenn sie wie jetzt auf der Straße liegt.

 Posted by at 11:45