Als Freunde der ewigen Wiederkehr beweisen sich erneut die Berliner Christdemokraten. Oder, wie es Boyzone sagt: Back again … no matter what. Egal, was du gemacht hast, wenn du einmal in der Partei was geworden bist, stellen sie dich immer wieder vorne hin.
In wenigen Minuten möchten die Christdemokraten den neuen Landes-Chef der Presse vorstellen. Mutmaßlich wird es ein Mann sein, der – wie gestern bereits dargestellt – das Erscheinungsbild der Berliner CDU in den letzten Jahren entscheidend mitgeprägt hat. Im Personalkarussell war er unter den ersten drei. In der siebenjährigen Führungs- und Kommunikationskrise der Berliner Union seit 2001 war er – und bleibt er offenbar – ein fest abonnierter Teilnehmer.
Wie wird er selbst eingeschätzt? Immer wieder rühmen alle, die ihn kennen, seine sympathische Art, sein nettes offenes Wesen. Ich stimme dem zu. Auch ich rühme seine sympathische Art. Ich würde gerne mal mit ihm in einer Rugby-Mannschaft spielen. Ich hätte auch nichts dagegen, in der gegnerischen Rugby-Mannschaft zu spielen. Denn „der Frank“ ist fair, der Frank grätscht nicht, der Frank meint, was er sagt. „Mensch, Frank …“ dieser Kommentar des Regierenden Wowereit, zusammen mit einem jovialen Schulterklaps, als der Frank zum ersten Mal im Sessel des Fraktionsvorsitzenden Platz nahm, sagt sehr viel über die Berliner Landespolitik. Man kennt sich, man weiß, man wird sich auf dem Rad der ewigen Wiederkehr immer wieder sehen. Aber warum haben Sie die Rede des Frank nicht aufmerksam angehört, Herr Regierender Bürgermeister? Meinten Sie nichts Neues zu hören?
Als zweiter wesentlicher Vorzug des mutmaßlichen Landesvorsitzenden wird gepriesen, dass er seine Berliner CDU sehr gut kennt, dass seine Partei ihn kennt und schätzt. Auch hier stimme ich aus ganzem Herzen zu: Er scheint geradezu verschmolzen mit dem unverkennbaren Ton der Berliner CDU. Man kann solche Sätze beliebig aufzählen, sie bleiben im Gedächtnis haften. Wie etwa der, als er die Linke in eine Traditionslinie mit der RAF-Bande stellte. Oder diese schroffe Entgegensetzung von „uns“, den Guten, und „denen“, den Bösen, also den Terroristen, den Linken, der rot-roten Koalition, die es bekanntlich nicht können, die immer und stets versagen, die mit den Verbrechern unter einer Decke stecken. Nein, nein, „mit solchen Strolchen wollen wir nichts zu tun haben“. So ist er, so redet er.
Frank Henkel kennt seine CDU. Seine CDU kennt und schätzt ihn. Die große Frage ist: Wieviel Außenwelt lässt er zu? Welt – außerhalb der Innenansicht der CDU? Außerhalb einer Innenansicht, die die Menschen außerhalb der Berliner Union schon längst nicht mehr teilen?
Und hier taucht erneut die Frage auf, weshalb immer und überall als Voraussetzung für hohe politische Ämter eine jahre-, besser jahrzehntelange Parteikarriere angesehen wird. Findet denn überhaupt kein Austausch zwischen der Sonderwelt der Politik und der Welt draußen statt? Wie oft habe ich schon gehört: „Ich bin seit meinem 17. Lebensjahr Mitglied!“ „Sie blickt auf jahrzehntelange Erfahrung innerhalb der Partei zurück – deshalb ist sie eine Gute.“ Tja, da werde ich immer ganz kleinlaut. Da kann ich nie und nimmer mithalten. Meine Erfahrungen speisen sich aus sehr vielen unterschiedlichen Lagern und Lebensbereichen. Die omertà, diese verschwörerische Grundhaltung, welche einen Teil der Parteien kennzeichnet, wird mir nicht gelingen.
Wenn ein Konzern wie etwa Siemens ins Strudeln gerät, wird man dann als Sanierer ein Mitglied des amtierenden Vorstands rufen? Muss denn der Sanierer nicht von draußen kommen? Doch! Und ich meine: So sollte es auch in politischen Parteien sein. Aber es ist offenbar nicht so.
Die meisten Parteien handeln nach dem uralten Motto: „Der Speer, der dich verletzt hat, wird dir Heilung bringen.“ In der Parzival-Sage klingt dieses antike Motiv immer wieder an. Ganz selten schaffen es Quereinsteiger, die sich bereits über längere Zeit in einem bürgerlichen Beruf bewährt haben, in den umhegten Sonderbezirk, in die Boyzone der Politik hinein. Wo Jungs und Mädels ihre Rugby-Spiele austragen. Das Volk liebt diese absonderlichen Quereinsteiger ganz besonders, so etwa Angela Merkel und Horst Köhler.
Gehen wir doch einfach davon aus, dass Menschen – und folglich auch Politiker – sich ändern können, dass sie sich neu erfinden können. Frank Henkel hat schon damit angefangen. Er stellt neuerdings den Leitbegriff „Freiheit“ in den Mittelpunkt. Ganz anders als früher, wo er hinter jedem Laternenpfahl die Bösen lauern sah. Er folgt damit dem Ratschlag von Thomas de Maizière, über den wir in diesem Blog am 09.05.2008 berichteten.
Und er wird versuchen, die Union nicht mehr als Westberliner Milieupartei weiterzuführen, sondern sie zu einer Volkspartei weiterzuentwickeln, die vielleicht sogar irgendwann – in einigen Jahren oder Jahrzehnten – auch außerhalb der engen eigenen Klientel wählbar wird.
Für diesen Griff nach draußen werden weiterhin in der zweiten Reihe Politiker wie Christoph Stölzl, Monika Grütters, Friedbert Pflüger, Peter Kurth – und wie sie alle hießen, heißen und heißen werden – gebraucht.
Berliner Union – Die CDU will ihren neuen Chef präsentieren – Berlin – Berliner Morgenpost
Die Krise der Berliner CDU war Anfang September im Streit um die Parteiführung zwischen dem damaligen Fraktionschef Friedbert Pflüger und Parteichef Ingo Schmitt ausgebrochen. Pflüger wollte Schmitt auf dem nächsten Parteitag im Mai 2009 ablösen. Er verlor den Machtkampf und wurde auch als Fraktionschef abgewählt. Auch Schmitt trat vorzeitig zurück.
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