Okt 072008
 

Jeden Tag lesen mehrere Hundert Leser dieses Blog. Oft sind es Tag um Tag dieselben Zahlen, vermutlich auch dieselben Menschen, die auf diese Weise ihr Interesse an den Irrungen und Wirrungen des „tumben Tors“ Johannes Hampel bekunden. Euch Lesern und Anteilseignern dieses Blogs schulde ich Klarheit und Wahrheit.

Also raus mit der Wahrheit! Am 14. September 2008, einem Sonntag, erklärte ich um 6 Uhr morgens meinen Austritt aus der CDU Berlin. Auch in diesem Blog. Den Beitrag habe ich mittlerweile entfernt. Mein Serotonin-Spiegel war sehr niedrig. Ich war verzweifelt und traurig. Ich sah – nur einige Stunden lang – auf absehbare Zeit keine Chance, meinem CDU-Landesverband noch irgendwie anders weiterzuhelfen als durch diesen radikalen Schritt. Ich wollte meinen Landesverband ein letztes Mal versuchen wachzurütteln. Der Parteiaustritt war die letzte Stufe in der Eskalation von zahlreichen unerbetenen Ratschlägen, kritischen Kommentaren, Vorschlägen, Schmeicheleien und Präsentationen, welche ich intern über 15 Monate hinweg in den verschiedensten Gremien der Berliner und der Bundes-CDU abgebrannt hatte.

Dieses Blog ist Teil meiner langfristigen Strategie, Berlins CDU von ganz unten her, also aus der Sicht eines völlig machtlosen, einflusslosen, weithin unbekannten, unscheinbaren, völlig unerfahrenen einfachen Neumitglieds, auf einen für alle gangbaren Weg aus der Krise herauszuführen. Ich bin also dabei, Berlins CDU in aller Öffentlichkeit zu unterwandern.

Denn ich sah und erklärte parteiintern seit vielen Monaten, dass die seit 2001 ohne Unterbrechung andauernde Führungs- und Kommunikationskrise der Berliner CDU durch kluges Management nahezu geräuschlos beendet werden musste. Hierzu legte ich intern Vorschläge vor. Ein vollkommen umgearbeiteter kommunikativer Auftritt des Landesverbandes ist das Kernstück meiner Parteireform. Meine Vorschläge sahen ferner unter anderem vor, die Parteispitze recht bald im Wege demokratischer Wahl neu zu besetzen, da die gegenwärtigen Amtsinhaber Teil und Ursache dieser langjährigen Führungskrise seien. Das sah ich. Das sagte ich. Das schrieb ich.

„Der Fraktionsvorsitzende wird sich so nicht halten können, der Landesvorsitzende wird sich so nicht halten können. Der Generalsekretär wird sich so nicht halten können. Alle drei müssen sich teilweise entweder neu erfinden oder abtreten. Wenn sie so weitermachen, sägen sie sich den Stuhl ab, auf dem sie sitzen. Bitte weitergeben an die betreffenden Personen!“ So sagte und schrieb ich innerhalb der Partei ab Ende 2007.

Ab August 2008, also spätestens seit die gesamte Presse, auch die Springer-Presse, die Selbstdemontage der gegenwärtigen Spitze meines Landesverbandes geradezu genüsslich ausschlachtete,  läutete ich alle Alarmglocken, die mir zur Verfügung standen. Vergeblich. Ich rief: „Die Männer an der Spitze schmeißen sich binnen kurzem gegenseitig von Bord! Die zerlegen das Floß in einzelne Stämme! Die langjährige Krise der Führung der Berliner CDU spitzt sich dramatisch zu!“ Reaktion: Fast keine. Ich bin ja nur ein einfältiges Mitglied.  Ein Tschapperl, wie meine Mutter immer sagte. Andere sagten: „Sind Sie ein Kabarettist?“

„Krise der Berliner CDU … welche Krise? Wir machen weiter wie bisher. Wir sagen nach draußen nichts, was uns schaden könnte. Meinungsverschiedenheiten legen wir bei einem Glas Bier bei.“ So der Tenor der Reaktionen. Ich frage euch: Wenn die ganze Truppe in die falsche Richtung marschiert und du das Gefühl hast, du bist der einzige, der dies erkennt und offen ausspricht – was kannst du dann als einzelner noch machen?

Versteht ihr jetzt, warum ich ausgetreten bin?

Politische Weggefährten aus verschiedenen Parteien, auch aus meiner CDU, und verschiedenen Verbänden, auch aus meinem ADFC, haben recht einheitlich reagiert: sie erklärten meinen Schritt für nachvollziehbar, aber taktisch falsch. „Gerade jetzt braucht die Berliner CDU Männer wie Sie, Herr Hampel! Kehren Sie zurück!“

Und sie haben recht. Ich habe darüber nachgedacht. Ich sehe meinen taktischen Fehler ein. Der Kreisvorstand Friedrichshain-Kreuzberg hat deshalb im Benehmen mit mir den Parteiaustritt für unwirksam erklärt. De facto und de jure bin ich also weiterhin Mitglied meines CDU-Landesverbandes Berlin.

Ich halte es mit dem neuesten Come-Back-Album von Boyzone (Click here to keep informed): Back again … no matter what. Happy reunion!

Da ich Delegierter für die Wahl des Kandidaten für den Bundestags-Wahlkreis bin, habe ich am 26. September bereits mein Wahlrecht ordnungsgemäß ausgeübt. Der Kandidat für den Bundestagswahlkreis 084 ist noch nicht gewählt worden. Aber die Delegierten für die Europawahl und für die Landeslisten sind gewählt worden. Ich habe dabei keineswegs alle 11 mir zustehenden Stimmen vergeben, sondern nur diejenigen Kandidaten gewählt, die mir persönlich bekannt sind und die mein Vertrauen genießen. Und, oh Freude! Sie haben sich durchgesetzt!

Also, Blogger, verzeiht mir meine Irrungen und Wirrungen! Et ego peccavi!

Ihr könnt mir aber helfen. In den nächsten Wochen wird meine CDU die Kandidatin oder den Kandidaten für den Bundestagswahlkreis 084 bestimmen. Ich bin Delegierter und kann mitbestimmen. Bedenkt: Bereits jetzt, in den parteiinternen Kandidatenwahlen, werden mindestens 50% aller Bundestagsmandate vergeben! Und ich bestimme als Delegierter mit. Wir sind also keineswegs so machtlos, wie es den Anschein hat.

Beratet mich: Wen soll ich wählen? Wie sollte der Kandidat aussehen? Welche Eigenschaften sollte er oder sie mitbringen? Wir haben es in der Hand! Darüber sollten wir uns freuen!

Die seit 2001 sich hinschleppende  Führungs- und Kommunikationskrise meiner Berliner CDU neigt sich dem finalen Showdown zu. Zwei gute stellvertretende Parteivorsitzende sind schon gefunden. Sie haben den festen Willen zur Zusammenarbeit erklärt! Bravo! Brava! Die heutige BZ und der heutige Tagesspiegel stellen diese beiden hochverdienten Personen als einander ergänzende Joker vor. „Aber keiner will den Chefposten“ (Tagesspiegel heute, gedruckte Ausgabe S. 9). Beide haben das – wie Pofalla und andere sagten – „durch nichts zu rechtfertigende“ und „katastrophale“ Erscheinungsbild meines CDU-Landesverbandes in den vergangenen  Jahren entscheidend mitgeprägt. Das ist ihr einziges großes Problem. Denn wenn sie in all diesen sieben Jahren der Krise nicht nach ganz vorne gekommen sind oder die Krise nicht entschlossen angepackt haben, dann wollten oder konnten sie das offenbar nicht. Oder es fehlt ihnen der nötige Durchsetzungsinstinkt. Der Machtwille, der unerlässlich ist, wenn man nach oben will. Dann haben sie offensichtlich nicht den Schlüssel zur Lösung dieser Sieben-Jahres-Krise der Berliner CDU in der Hand. Und sie haben sich in der Presse eigentlich schon – tja, nicht „verbrennen“ lassen, aber sie sind schon „angezündelt“. Die Springer-Presse leistet weiterhin ganze Arbeit im Personalmanagement der Berliner CDU. Hut ab, Herr Schupelius!

Mein Berliner CDU-Landesverband braucht dringend ein eigenes, von der Presse unabhängiges Personalmanagement. Und er braucht den Neuanfang mit neuen Gesichtern. Keinen kompletten Machtwechsel, aber doch eine komplette Neuausrichtung, mit einer Mischung aus änderungswilligen alten Hasen und gestaltungswilligen jungen Hupfern.

Beide Kandidaten für den stellvertretenden Parteivorsitz stehen weiterhin in der Verantwortung. Beide haben schon erklärt, dass sie den Vorsitz selbst eigentlich nicht wollen. Der eine Joker hat sich auf geradezu verblüffende Art gewandelt, seit er von seinem vorigen Amt zurückgetreten ist. Weiter so! Die andere Jokerin hat dasselbe Problem wie die Kanzlerin: Sie wird weiterhin als untypisch für die CDU wahrgenommen. Und deshalb würde sie sich nur mit konsequenter Ausübung von Macht durchsetzen können. Und zwar von Anfang an. Diesen Augenblick hat sie schon verstreichen lassen.

Die Zeit ist reif.

 Posted by at 10:37

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