Mrz 152009
 

Aus der Presse allein wird man sich kaum ein zutreffendes Bild über die Lage in einzelnen Ländern machen können. Man muss andere Quellen heranziehen, mit Leuten sprechen, die vor Ort gelebt haben. Der walisische Schriftsteller und Journalist Matt Rees hat über 13 Jahre in den Palästinensergebieten und Israel gelebt, spricht Arabisch und Hebräisch, pendelte hin und her, berichtete für namhafte Sender. Er hatte das Gefühl, als Journalist immer nur Teile der Wahrheit sagen zu können.

In seinem Roman The Saladin Murders berichtet er aus den Palästinensischen Gebieten.  Hautnah, schweißtreibend, auf Du und Du mir den Leuten vor Ort. Berichtet über durchdringende Korruption, Machtklüngel, Revierkämpfe, Bestechung, Amtsmissbrauch, Kriminalität in größtem Umfang. Sein niederschmetternder Hauptbefund: Nicht die Besatzungsmacht, sondern die oftmals miteinander verfeindeten palästinensischen Organisationen selbst tragen die Hauptschuld an den verheerenden Zuständen im Gaza-Streifen, die zur Zerstörung einer ganzen Gesellschaft führen.

Lesen lohnt sich. Die Berichterstattung in den Nachrichten-Medien streift wirklich nur die Oberfläche. Das Buch liegt auch in arabischer und deutscher Übersetzung vor.

Matt Rees: The Saladin Murders. An Omar Yussef Novel. Atlantic Books, London 2008. Preis in Deutschland: 10,90 Euro

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Schuld sind immer die anderen

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Mrz 152009
 

Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Laschet wunderte sich kürzlich laut Spiegel online über die weitverbreitete Judenfeindschaft bei den in Deutschland lebenden arabischen und türkischen Jugendlichen und klopfte an die eigene Brust: „Der islamische Antisemitismus in Deutschland ist hausgemacht.“ Im Klartext: Wir Deutsche sind selber schuld, wenn die in Deutschland aufgewachsenen Moslems den Juden spinnefeind sind.

Das halte ich für zu kurz gesprungen, werter Herr Minister. Ich halte den Antisemitismus unter den moslemischen Jugendlichen für aus den Herkunftsländern importiert, nicht für „made in Germany“. Beleg: In der arabischen Welt erfreut sich ein gewisser Adolf H. weiterhin großer Beliebtheit; wer davor die Augen verschließt, dem rate ich: „Reise hin, sprich mit den Leuten. Die Leute werden sich wundern, weshalb du als Deutscher nicht stolz auf Adolf H. bist.“

Umgekehrt sticht natürlich die Karte „Rassismus“ immer dann, wenn es gelingt, sich selbst als Opfer des Rassismus auszugeben. Genau das versuchen offenbar die Migrantenverbände. Wenn ein Betrieb einen in Deutschland aufgewachsenen Jugendlichen nicht einstellen will, weil er weder die Grundrechenarten kann noch ein hinreichend korrektes Deutsch schreibt und spricht – ist das natürlich Rassismus.

So zementiert man die Opfermentalität bei ganzen Generationen von arabischen und türkischen Jugendlichen. Necla Kelek hat diesen Sachverhalt erneut in einem Artikel in der heutigen taz benannt:

Muslime missbrauchen Rassismusbegriff: Der menschliche Makel – taz.de
In den türkischen Zeitungen und dem inzwischen inhaltlich von der AKP dominierten staatlichen Rundfunk TRT werden täglich ausführliche Berichterstattungen über die angeblichen Diskriminierungen der Muslime, besonders in Europa, gesendet. Der Ton gegenüber Deutschland und Europa wird zunehmend anklagender, es scheint ein gezieltes Interesse daran zu bestehen, die Muslime aus der europäischen Gemeinschaft auszugrenzen. Täglich führt man den Landsleuten vor: Seht her, man will euch nicht.

Islamfunktionäre, die einerseits in allen möglichen staatlichen Gremien und Konferenzen sitzen und die Integrationspolitik mitbestimmen, beklagen sich wortreich darüber, in Europa ausgegrenzt zu werden.

Die türkische Tageszeitung Hürriyet schreibt täglich darüber, wie schrecklich es den Türken und Muslimen in Deutschland geht, gibt aber gleichzeitig Tipps, wie man nach Deutschland kommen kann, ohne einen Deutschkurs zu belegen. Nämlich: Man wird schwanger. Es gibt im Türkischen ein Sprichwort, das lautet: „Die Katze, die nicht ans Futter kommt, sagt, es sei verdorben.“ So kann man sich auch einem Dialog entziehen, indem man Kritik zu Beleidigungen umdeutet und der Bevölkerung ein Feindbild suggeriert, weil die eigenen Konzepte scheitern.

Erneut kann ich nur sagen: Jeder in Deutschland aufgewachsene muslimische Jugendliche kann hier in Deutschland eine Schulbildung bis hin zum Universitätsstudium absolvieren – weder der Staat noch die Mehrheitsgesellschaft und schon gar nicht die Juden hindern ihn daran. Es liegt an den Migantenverbänden, diese schlichte Wahrheit bei ihren Schäflein ankommen zu lassen, statt ihnen ständig erneut das Bewusstsein der Ausgrenzung einzuimpfen. Diese Ausgrenzung ist von den Migranten selbst erzeugt und betrieben: durch die Weigerung, die Landessprache zu erlernen, durch die Verweigerung des Lernens überhaupt, durch weitreichende Nicht-Teilnahme am öffentlichen Leben dieses Landes.

Noch einmal: Wer diese Sicht nicht teilt, dem empfehle ich nachdrücklich, das Gespräch mit muslimischen jungen Männern in Neukölln oder Kreuzberg zu suchen. Es wird ihn nachdenklich stimmen – so wie mich.

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Die Polizei hat recht . . .

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Mrz 142009
 

14032009014.jpg  …  liebe Autofahrer, wenn es um Aufklärung zu den Verkehrsregeln geht! Schon erstaunlich, wie fahrradfreundlich das Info-Angebot der Berliner Polizei ist. Staun!

Immer wieder habe ich mit den Polizisten vor der früheren Schule meines Sohnes gesprochen. Sie haben sich offensichtlich gefreut, dass ich mich an alle Verkehrsregeln hielt. Man kommt schnell ins Gespräch, und ein paar aufmunternde Worte tun der Polizistenseele auch gut, glaub ich.

Aber hier noch etwas, was immer wieder Kopfschütteln auslöst: Müssen Radfahrer den Radweg benutzen, wenn einer da ist? Antwort: Nein, nur dann, wenn er mit einem blauen Schild als benutzungspflichtig ausgewiesen ist. Damit befasste sich sogar mehrfach der Bundestag, wie unser Blog am 25.02.2008 berichtete.

 Achtung, Achtung: Hier spricht die Polizei:

Radwegbenutzungspflicht – Berlin.de
Radwegbenutzungspflicht
Nicht ausgeschilderte Radwege müssen nicht, dürfen aber benutzt werden.
Bereits 1947 wurden mit der sogenannten „Radfahrernovelle“, wesentliche Regelungen für Radfahrer in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) überarbeitet und ergänzt. Das erfolgte mit dem Ziel, den Fahrradverkehr sicherer zu gestalten, umweltfreundliche Verkehrsmittel weiter zu fördern und den Radfahrern mehr „Freiräume“ bei der Wahl der zu benutzenden Verkehrsflächen einzuräumen.
Vz Radfahrer
Vz Radfahrer
Eine wesentliche Änderung betrifft die Benutzungspflicht von Radwegen:
Eine Benutzungspflicht besteht seit dem 1.10.1998 nur noch für diejenigen Radwege, die mit den Verkehrszeichen

* Z 237 (Sonderweg Radfahrer),
* Z 240 (gemeinsamer Geh- und Radweg) oder
* Z 241 (getrennter Geh- und Radweg)

ausgeschildert sind. Alle anderen Radwege dürfen benutzt werden. Insofern besteht in einigen Straßen die Wahl auf dem Radweg oder auf der Fahrbahn zu fahren.

Obwohl diese Änderung nun bereits einige Jahre gilt, sind viele Verkehrsteilnehmer – insbesondere auch Autofahrer – noch nicht mit den Bestimmungen vertraut.
Gründe für die teilweise Aufhebung der Benutzungspflicht waren:
Der Radverkehr sollte nach früherer Auffassung aus Sicherheitsgründen so weit wie möglich vom Kraftfahrzeugverkehr auf der Fahrbahn getrennt werden. Das hieß im Amtsdeutsch: „Entmischung des Fahrzeugverkehrs zum Schutz des Radverkehrs vor den Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs“. Dann haben Ergebnisse aus langjährigen Unfalluntersuchungen, Erfahrungen der Behörden und nicht zuletzt die Bemühungen des Allgemeinen Deutschen Radfahrerclub (ADFC) zu einem Umdenken geführt.

Es gilt als gesichert, dass die Führung der Radfahrer auf der Fahrbahn im Bereich des Fließverkehrs zu besserem Sichtkontakt zwischen Autofahrern und Radfahrern führt und damit vor allem die schweren Abbiegeunfälle mit oft tödlichem Ausgang an Kreuzungen und Einmündungen oder Grundstücksausfahrten reduziert bzw. gemildert werden.
Außerdem lässt der Zustand der vorhandenen Radwege oft erheblich zu wünschen übrig. Mal sind sie zu schmal, mal durch geparkte Fahrzeuge, Baucontainer, Baumaterial oder Bauschutt verstellt oder nicht durchgehend angelegt. Die Radwegbefestigung ist oft schadhaft, mit Laub bedeckt, verschmutzt, verschneit oder vereist.

Durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wurden und werden jedoch erhebliche finanzielle Mittel zur Verbesserung dieser Situation bereitgestellt und den Belangen von Radfahrern großes Augenmerk gewidmet. Erklärtes Ziel ist es, Berlin zu einer radfahrerfreundlichen Stadt zu entwickeln.

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Verschrottungsprämie für Fahrräder endlich eingeführt …

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Mrz 142009
 

. . .   wie vom VCD gefordert …  ätsch, aber leider nur in Argentinien. Macht nichts, Frauen in höchsten Ämtern haben eben eher ein Herz für sinnvolle Maßnahmen … lächel, lächel. Leider erreicht mich diese Nachricht flaschenpostartig mit 3-wöchiger Verspätung. Aber lest selbst, was die Nation am 23.02.2009 berichtet:

Habrá un canje de bicicletas con cuotas desde 16 pesos – lanacion.com
Mientras anunciaba la ampliación del plan de financiamiento de autos para los sectores de mayores recursos, el Gobierno lanzó ayer un programa que apunta al otro extremo de la población con necesidades de movilidad propia: el plan canje de bicicletas.

Los compradores deberán entregar su bicicleta usada en los comercios habilitados y con el pago de la primera cuota ya podrán acceder al nuevo rodado. El costo total de la unidad deberá ser cancelado en 12 cuotas fijas, con una tasa de interés final del 11%. „La industria de la bicicleta y la cadena bicipartista recibirán, contra el compromiso de venta, crédito para capital de trabajo al 11%, que se recuperará en 12 meses pari passu (a igual ritmo) el pago de las cuotas“, señaló el Ministerio de Producción en un documento, que además afirmó que las bicicletas se comercializarán con descuentos de entre 22 y 41 por ciento.

Gute Sache, diese Kombi mit einem Zukunftskredit für die Anschaffung eines neuen Fahrrades!

Übrigens: Noch heute werden etwa die Hälfte aller in Deutschland verkauften Fahrräder in Deutschland hergestellt.

Also – ran an den Fahrradhändler, heimische Wirtschaft und internationale Verflechtung stärken! Fahrrad verkehrssicher machen, mit Licht vorne und hinten, Klingel und ähnlichem Zierat – spült schon mal Geld in den Handel! Next step: Zweitfahrrad anschaffen, Gästefahrrad anschaffen für die zahlreichen Berlinbesucher, denn niemand bringt sein Fahrrad aus Argentinien mit. 14 verkehrstüchtige Fahrräder erzeugen nach meinen eigenen Berechnungen bereits ungefähr soviel Umsatz wie ein kleiner PKW!

Gemeinsam aus der Krise radeln – Umwelt schützen – Wirtschaft stärken! Hola!

Unser Bild zeigt den herrlichen neuen Linksabbieger-Haltestreifen in der Katzbachstraße, Einmündung Yorckstraße. Aufgenommen heute.

Hinfahren – nutzen – links abbiegen! Aber Achtung, Augen auf! Von rechts und von links und von überallher können jederzeit Fahrradfahrer kommen. Rotlicht oder Grünlicht besagt bei uns im Heimatbezirk nichts. Muss man wissen.

 Posted by at 20:24
Mrz 132009
 

Mehrfach hatten wir in diesem Blog auf Bismarck als einen wesentlichen Schöpfer unseres heutigen Sozialstaates hingewiesen, so etwa am 20. und 21.02.2009.  Und am 09.03.2009 zitierten wir einen unglücklichen Bordellbetreiber, der dem guten deutschen Sozialstaat die Schuld an seiner kriminellen Karriere gab: „Wenn es den Sozialstaat nicht gäbe, wären wir nicht hier.“ Ist der Sozialstaat an allem schuld?

Ist also Bismarck für alles in Haft zu nehmen? Der Bericht im aktuellen SPIEGEL, Nr. 11/2009 „Geschlossene Gesellschaft“ ist da recht unerbittlich. Michael Sauga analysiert das Auseinanderfallen von „ganz arm“ und „ganz reich“. Es ist eine unleugbare Tatsache, dass das reale Nettoeinkommen bei den reichsten 10% der Bevölkerung seit 1992 um 31 Prozent zugenommen, bei den ärmsten 10% dagegen um 10% abgenommen hat. Die Oberschicht reproduziert sich weitgehend selbst, unabhängig von Leistung und Verdienst. An keiner Stelle wurde versucht, die bismarckschen Grundpflöcke des obrigkeitlich verordneten Sozialstaates zu versetzen. Es hat seit 1888 nie mehr eine durchgreifende Sozialreform in Deutschland gegeben! Sauka schreibt:

„Doch wann immer im Nachkriegsdeutschland eine wichtige sozialpolitische Weichenstellung anstand, setzten sich die Bismarck-Jünger durch. Von der Rente bis zur Pflege wurden die wichtigsten Zweige des Wohlfahrtsstaates als Versicherungskasse organisiert, zum Nutzen der bessergestellten Stände und nicht zuletzt der politischen Klasse. Sie merkte bald, welch geeignetes Instrument ihnen das deutsche Sozialstaatsmodell in die Hände gab, sich als Wohltäter des kleinen Mannes zu inszenieren.“

Der Spiegel 11/2009, S. 64

Damit trifft er den Nagel auf Kopf. Kaum irgendwo wird das deutlicher als im Bundesland Berlin, wo die Parteien, allen voran die SPD und die CDU, über Jahrzehnte hinweg ein sattes Klienteldenken gepflegt und gehätschelt haben. Durch großzügig ausgereichte Wohltaten sicherten sich die Mehrheitsparteien die Zustimmung beim gemeinen Volk. Wer besser und glaubwürdiger versprach, der gewann die Wahlen.

Das ging gut, solange die Wirtschaft insgesamt sowohl nominal als auch real wuchs. Und jetzt geht es eben nicht mehr gut. Wir haben es nicht nur mit schrumpfenden Städten, sondern auch mit schrumpfenden Wirtschaften zu tun. Die eherne Voraussetzung, auf die Ludwig Erhard sein Modell der sozialen Marktwirtschaft gegründet hatte, nämlich das beständig steigende Einkommen in allen Schichten des Volkes, bricht unter den Füßen weg.

Das Umdenken fällt sehr, sehr schwer! Finanzsenator Sarrazin, ein aufrechter Einzelkämpfer, konnte sich zeit seines Amtes nicht an die Berliner Denke anpassen und machte seinem Ingrimm durch allerlei spöttisch-kantige Sprüche Luft. Er wusste sich keinen anderen Ausweg mehr. Doch Berlin hat ihn nicht so recht verstanden. Sarrazin erkaufte sich keine breite Zustimmung durch die Massen, er wurde zum Risiko für seine Partei und deren Regierungsmacht.

Dabei böte die Krise die Chance zu echten Reformen. Allerdings müsste der Staat sich dazu auf seine Kernaufgaben besinnen: Herstellung der Chancengleichheit für alle, Verhinderung von ungehemmter Ausbeutung der Machtpositionen durch die „Geschlossene Gesellschaft“ der Mächtigen, Schutz aller vor Hunger, Obdachlosigkeit und schwerer Verelendung, Durchsetzung des Gewaltmonopols, Durchsetzung des Rechtsstaates. Von der Vorstellung, dass jeder und jede möglichst viel vom großen Kuchen heraushacken soll, gilt es sich zu verabschieden.

Dieses Ausbeutungsdenken gegenüber dem von vielen erwirtschafteten Reichtum zeigt sich erneut in den üppig ausgezahlten Boni und Abfindungen der Banken und Versicherungen: Trotz Verlusten in Rekordhöhe zahlen Banken und Versicherungen ihren Führungskräften Boni in Millionenhöhe aus. Ein Beispiel von vielen, das die Berliner Zeitung heute berichtet:

Die Gesamtbezüge der Allianz-Vorstände gaben im Jahresvergleich um fast ein Drittel auf 26,3 Millionen Euro nach. Top-Verdiener war Allianz-Chef Michael Diekmann, der allerdings mit 3,8 Millionen Euro rund 27 Prozent weniger erhielt als vor einem Jahr. Der Anfang des Jahres aus dem Vorstand ausgeschiedene frühere Dresdner-Bank-Chef Herbert Walter blieb 2008 mit 1,06 Millionen Euro und fast um zwei Drittel unter dem Vorjahresbezügen. Er erhält allerdings – wie bereits bekannt – zudem für die vorzeitige Auflösung seines Arbeitsvertrags eine Abfindung von knapp 3,6 Millionen Euro. Die Dresdner Bank war tief in den Strudel der Finanzkrise geraten und hatte ihre einstige Konzernmutter Allianz im vergangenen Jahr mit einem Minus von 6,4 Milliarden Euro schwer belastet.

Die athenische Demokratie, häufig genug als Modell der Demokratie schlechthin gepriesen, hatte ein sehr ausgeprägtes System der Verhinderung von Übermacht: wer zu reich oder zu mächtig wurde, dessen Einfluss wurde per Volksentscheid eingedämmt, bis hin zur Verbannung. Ein drastisches Mittel, das heute mit dem Rechtsstaaat kollidieren würde!  Aber Machtbegrenzungsmechanismen braucht jede funktionierende Demokratie. Die unsrigen sind nicht zielgenau genug. Das ganze System lädt zur fröhlichen Selbstbedienung auf Kosten des Gemeinwohls ein, und zwar quer durch alle Einkommensklassen.

Nachdenken tut not. Der Fall Opel zeigt uns noch einmal eine hypertrophe Blüte des obrigkeitlichen Denkens: der Staat soll Retter spielen, er soll sich das Wohlwollen der Untertanen erkaufen, indem er ihnen den Arbeitsplatz rettet.  Die Dankbarkeit der Untertanen gegenüber dem Retter wird grenzenlos sein – mindestens bis zur nächsten Bundestagswahl.

Und Bismarck? Der kann doch nichts dafür! Er tat das, was er damals für das Richtige hielt. Dass seine Nachfahren so mutlos sein würden, konnte er nicht ahnen. Dafür ist ihm kein Vorwurf zu machen.

 Posted by at 20:34

Einfach über Kompliziertes reden – Kompliziertes einfachreden?

 Geld  Kommentare deaktiviert für Einfach über Kompliziertes reden – Kompliziertes einfachreden?
Mrz 132009
 

Man soll sich die Dinge nicht immer schlechtreden, wie z.B. unsere Grundschulen. Soll man, darf man sich hingegen die kompliziertesten Dinge einfachreden? Ich meine: ab und zu ja! Immer dann, wenn der Rubikon einer unbequemen, risikobehafteten Entscheidung überschritten wird, überschritten werden muss. Gerade die berühmten abendfüllenden Themen wie etwa „Staatliche Hilfen für Opel – ja oder nein?“ müssen, wenn alle Argumente auf dem Tisch sind, auf eine bündige Formel gebracht werden – und dann sollte ungesäumt eine Entscheidung fallen. Und zwar so, dass alle diese Entscheidung verstehen können. Auch wenn die Betroffenen dann erst einmal laut aufschreien: eine schlüssige Entscheidung ist oft besser als das Zaudern. Genau so habe ich mich gestern abend auf einer Veranstaltung des CDU-Ortsvereins Oranienplatz geäußert. Und wen wundert’s – nicht alle Anwesenden ließen sich davon überzeugen.

Bereits seit 12.11.2008, also seit nicht weniger als vier Monaten,  berichtet dieses Blog über das Thema Staatshilfe für Opel – wesentliche, grundstürzende neue Erkenntnisse sind seither nicht in die Öffentlichkeit gelangt. Soll dieses Thema jetzt bis in den Bundestagswahlkampf hinein verschleppt werden?

Solche Klarheit und Entscheidung sind auch beim Thema Mehrwertsteuer anzumahnen. Frankreich hat nach langem Drängen und Bitten beschlossen, den Mehrwertsteuersatz für Restaurants herabzusetzen. Das Gefüge der unterschiedlichsten Mehrwertsteuersätze in der EU und innerhalb der einzelnen Länder wird um einen Farbtupfer reicher – oder soll man sagen chaotischer? Die Süddeutsche berichtet heute:

Zoff um die Mehrwertsteuer  – Finanzen – sueddeutsche.de
Kein einziges deutsches Steuergesetz ist so unlogisch, so widersinnig, ja so ungerecht wie das Mehrwertsteuerrecht mit seinen Hunderten Ausnahmen: Da werden Esel, Hörbücher und Baby-Windeln mit dem vollen Steuersatz belegt, Maultiere, Bücher und Hundekuchen aber mit dem halben – ebenso wie Tannengrün, Pferdeköpfe und Schlachtabfälle von Bibern. Geht es nach Seehofer, müssen künftig auch Friseure nur noch sieben Prozent abführen, Kfz-Meister aber weiterhin 19 Prozent.

Ich meine: Den Schalmeienklängen einer weiteren Staffelung und Verunklarung der Besteuerung sollte man nicht nachgeben. Wir brauchen eine größere Vereinheitlichung im Steuerrecht! „Maultiere“ und „Esel“ sind gleichberechtigt. Sonst streiten die Maultiere und die Esel wie  . . .  die störrischen Esel (Maultiere sind gefügiger – werden sie dafür mit dem niedrigeren Mehrwertsteuersatz belohnt? Das wäre eine verfassungswidrige Gesinnungsprüfung!).

Deshalb meine Bitte: Ausnahmen lieber abschaffen als neue Ausnahmen schaffen!

Der Brite sagt: Simplify!

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„Das war voll schön“

 Geige, Gute Grundschulen, Kinder, Märchengeiger  Kommentare deaktiviert für „Das war voll schön“
Mrz 122009
 

Jede Gelegenheit nutze ich, um meinen Sohn in die Grundschule zu bringen oder von dort abzuholen. Heute früh schaffte ich es, da ich beruflich nicht gebunden war. Ich bestaune die bunten Vögel und die schönen lustigen Bilder, die die Kinder gestern unter Anleitung meiner Frau geschaffen haben. Das Ganze dient als Vorbereitung und Kulisse einer neuen Zauberflöten-Aufführung, die wir demnächst anbieten. Denn Papageno braucht die gefiederten Gefährten, damit er so richtig herumwirbeln kann.

Plötzlich höre ich reden: „Das ist der Mann, der beim Fasching Geige gespielt hat!“ Aha, die Parallelklasse 1a erkennt mich wieder! „Und bist du die Prinzessin, der wir damals gratuliert haben?“ frage ich das Mädchen. „Nein, die Prinzessin steht da drüben“, erfahre ich. „Aber ihr seht alle so anders aus heute, warum? „Ja, damals war doch der Fasching! Wir waren alle verkleidet“, sagen die Kinder. „Ach ja, wie dumm von mir!“, mit gespielter Überraschung schlage ich mir an die Stirn. „Und kannst du auch Gitarre spielen?“, fragt mich ein Junge. Ich bleibe bei der Wahrheit: „Nein. Aber möchtest du Geige lernen?“ „Nein.““Woher kennt Ihr dieses Gedicht, von … ich weiß nicht mehr, wie der heißt“, fragt ein anderes Mädchen. Jetzt schaltet sich mein Sohn ein: „Das ist kein Gedicht, sondern eine Geschichte“, sagt er belehrend, eine Spur altklug wohl gar. „Das ist die Geschichte vom Stier Ferdinand. Ich habe sie von einem Geiger gehört. Dann wollte ich die Geschichte selber spielen und erzählen. Da habe ich mir die Noten und die Geschichte gekauft“, erkläre ich. „Von wem ist diese Geschichte?“ Ich antworte: „Die Geschichte ist von Munro Leaf, und die Musik für Geige hat Alan Ridout geschrieben.“

„Das war voll schön“, erwidert das kleine türkische Mädchen.

Und wisst ihr was, Bloggers im Lande, Freunde? Dass ich dies heute hören durfte, war für mich . . . ebenfalls, wie soll ich sagen? . . . voll schön. Und deshalb werde ich weiterhin meinen Sohn in unsere wunderbare kleine Kreuzberger Grundschule bringen, sooft meine Zeit erlaubt.

Nebenbei: Der Geiger, von dem ich die Geschichte hörte, heißt Daniel Hope. Er spielte die Geschichte in der Staatsoper, bei einem Kongress über frühkindliche musische Bildung.  DAS MÖCHTE ICH AUCH KÖNNEN!, dachte ich damals, – und ein Jahr später war es soweit.

Das find ich voll schön. Echt.

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Zeichen der Einsamkeit

 Armut  Kommentare deaktiviert für Zeichen der Einsamkeit
Mrz 112009
 

11032009001.jpgEin Arbeitstag in Österreich.Bei der Rückfahrt vom Dienstort entdecke ich aus dem Fond der Limousine heraus ein Schild: Zur Erinnerung an Franz Schubert – leider dauerte diese Begegnung nur wenige Sekunden. Aber sie lässt mich an den verehrten Meister denken, der meine Jugend geprägt hat wie nur zwei oder drei andere Komponisten. Er war der große Sänger der Vereinsamung.

Im Flieger erhalte ich die neuste Ausgabe des Magazins News. Ich lese einen Artikel über Elina Garanca. Sie sagt: „Auch wenn es wenig zu essen gab und wenig zum Anziehen, gab es doch immer eine Familie, die zusammenhielt und in der zusammen gesungen wurde. Das bleibt mir. Ich bin Patriotin und freue mich, nach Riga zurückzukehren.“ Vorbildlich!

Bei meinen Reisen in der ehemaligen Sowjetunion habe ich viele Menschen kennengelernt, die echten Hunger, echte Not erlebt haben. Aber einen Franz Schubert, einen Peter Tschaikowskij, einen Pasternak kannten und liebten sie. Wie entäuscht sind viele von ihnen, wenn sie nach Deutschland kommen und entdecken, dass hier fast niemand mehr die großen Musiker und Dichter liebt, kennt und singt. Man wird durch eine Industrie abgefüllt, Tag und Nacht.

Obwohl wir immer genug zu essen zu haben und genug zum Anziehen. Alle.

Zugleich die Nachricht vom Amoklauf in Winnenden. Entsetzlich. Familienministerin von der Leyen sagt: „Viele solche Taten werden aus Vereinsamung heraus begangen.“ Sie schlägt Erziehungspartnerschaften vor. Guter Gedanke!

Bin in Nürnberg, steige gerade in anderen Flieger um.

Foto zeigt das Dorf mit der Gedenktafel Schuberts. Aufgenommen in einer Heurigengegend, am heutigen Tag.

 Posted by at 21:08
Mrz 102009
 

Einen echten Systemwechsel für unsere Wirtschaft fordert der ehemalige Bayerische Ministerpräsident Günter Beckstein heute in der Süddeutschen:

 Günther Beckstein im Interview – “Eine neue Wirtschaftsordnung ist erforderlich“ – Bayern – sueddeutsche.de
sueddeutsche.de: Hat die Bundesregierung die richtigen Antworten auf die Krise parat?

Beckstein: Da gibt es zwei Probleme. Zum einen weiß keiner, wie eine neue Ordnung aussehen könnte. Man weiß nur: Die freie Marktwirtschaft ist gescheitert, ebenso wie die staatliche Überregulierung. Zum anderen wagt sich die Politik nicht an die Debatte, wie eine neue Wirtschaftsordnung aussehen könnte. Doch das wäre jetzt dringend erforderlich. Denn eines ist klar: Mit den alten Blaupausen von vor zehn Jahren kommen wir nicht weiter.

Merke: Nicht alle, die einen Systemwechsel wollen, sind Mitglieder der Linkspartei. Aber einige sind oder waren Ministerpräsidenten für die Unionsparteien. Auch Dieter Althaus tritt für einen Systemwechsel ein – nämlich im System der Grundsicherung. Er fordert bekanntlich das bedingungslose Grundeinkommen; dieses Blog berichtete am 25.11.2007.

Aber ist die Marktwirtschaft wirklich gescheitert? Ich glaube nicht.

Becksteins Äußerung werte ich als einen von vielen Belegen, wie sehr die gegenwärtige wirtschaftliche Lage die meisten Analytiker überfordert. Es fehlt an Orientierung.

 Posted by at 15:54
Mrz 092009
 

Mein sechsjähriger Sohn und meine Frau berichten lachend soeben von einer reizenden Unterhaltung mit zwei türkischen Jungen auf dem Spielplatz in unserer Straße. Die Jungs sind 8 und 10 Jahre alt. Sie erzählen stolz:

„Wißt ihr, dass unser Vater ein Millionär ist? Ihm gehören die zwei Häuser hier gegenüber! Und wir haben zwei große Limousinen, einen BMW und einen Merzedes. Und wisst ihr, gestern habe ich Geburtstag gehabt. Ich habe eine Jeans bekommen, die 100 Euro kostet. Und ich habe einen Flachbildfernseher bekommen. Und ich habe einfach so noch 100 Euro bekommen.

Und wisst ihr, dass ich ein Apl-Handy habe? Und wisst ihr, dass meine Mutter eine Sängerin ist? Und wisst ihr, dass Britney Spears meine Tante ist?“

„Und wisst ihr, dass wir nicht in die Adolf-Glassbrenner-Schule gehen, sondern dass wir jeden Tag in eine Privatschule abgeholt werden?“

Nein, das alles wussten meine Frau und mein Sohn nicht. Wie hätten sie es wissen können? Es klang sehr überraschend! Sie hätten es sich nicht träumen lassen!

Ich lerne daraus, worauf türkische Kinder in Kreuzberg stolz sind, und wovon sie vielleicht träumen. Und ich schreibe dies rasch auf:

Die türkischen Kinder in Kreuzberg träumen davon,

dass sie mindestens einen Tag lang Neffen und Nichten von Britney Spears wären, und dass sie nicht in die Adolf-Glassbrenner-Schule gehen, sondern jeden Tag in die Privatschule abgeholt würden.

Sie sind stolz darauf, dass sie ein I-Phone von Apple haben und einen Flachbildfernseher. Und dass sie 100 Euro zum Geburtstag erhalten. Und dass ihre Jeans endlich einmal 100 Euro kostet. Und dass ihr Vater zwei Limousinen, die eine von BMW und die andere von Mercedes fährt.

Sie träumen davon, dass ihre Mutter eine Sängerin wäre.  Und dass ihr Vater ein Millionär wäre und ihm zwei Häuser in dieser Straße gehören.

Und sie wünschen sich, dass dies alles wahr wäre. Und sie glauben daran.

Ich kann nur empfehlen: Geht zu den türkischen Kindern und fragt sie: Wovon träumt ihr? Worauf seid ihr stolz?

 Posted by at 18:06

Ist das böse deutsche Sozialsystem an allem schuld?

 Sozialstaat, Sündenböcke, Türkisches, Verwöhnt  Kommentare deaktiviert für Ist das böse deutsche Sozialsystem an allem schuld?
Mrz 092009
 

„Wenn es das deutsche Sozialsystem nicht gäbe, wären wir nicht hier“. So klagt Yilmaz. Er ist unzufrieden: die Kunden laufen ihm davon, während er an einem Ort eingeschränkter Freiheit sich nicht um seine Geschäfte kümmern kann – einen Autohandel und ein Institut für Dienstleistungen der besonderen Art. Hören wir doch, was er erzählt:

„Wenn es das deutsche Sozialsystem nicht gäbe, wären wir nicht hier. In den türkischen Cafés gibt es nur ein Thema: Warum sind wir nicht in unserer Heimat? Wie sind wir bloß hierhergeraten? Wenn wir doch bloß das gute System der Deutschen hätten, würden wir hier nicht versauern.“

So erzählt Yilmaz in dem Buch „Die verlorenen Söhne“, der zusammen mit einer deutschen Frau und einem Partner ein Bordell betreibt und nebenher Autos nach Osteuropa verschiebt, bis er eines Tages erwischt wurde (N. Kelek, Die verlorenen Söhne, a.a.O. S. 86).

Sind die Klagen des Yilmaz berechtigt? Ist das deutsche Sozialsystem an allem schuld? Zunächst einmal sollte uns freuen: das Sozialsystem in Deutschland findet er nicht schlecht, sondern gut. Böse ist es aber, weil es schuld an seiner Misere ist: Denn er sitzt im Gefängnis. Ohne das deutsche Sozialsystem säße er nicht Gefängnis. Letztlich ist also das deutsche Sozialsystem an allem schuld. Es ist – Kismet.

„Wenn wir doch in der Türkei ein ähnliches Sozialsystem hätten, dann bräuchten wir nicht in Deutschland zu leben!“ So hört man es immer wieder. Was ist dran? Nun, die Türkei hat immerhin eine staatliche Renten- und seit einigen Jahren auch Arbeitslosenversicherung. Die Mindestbeitragsdauer für den Rentenbezug wurde kürzlich von 20 auf 25 Jahre heraufgesetzt. Eine allgemeine Krankenversicherungspflicht gibt es nicht, die Gesundheitsvorsorge ist kostenlos. Gute medizinische Versorgung muss man aus eigener Tasche bezahlen.

Allerdings: eine umfassende Grundsicherung für die gesamte Existenz wie die deutsche Sozialhilfe oder das deutsche Langzeitarbeitslosengeld („Hartz IV“) gibt es in der Türkei nicht. Folge: Es ist finanziell immer noch wesentlich attraktiver, die Familie in Deutschland anzusiedeln als in strukturschwachen Gebieten mit praktisch keinen freien Arbeitsplätzen wie etwa Anatolien. Denn wer einmal im deutschen Sozialsystem drin ist, kann dann auch seine gesamte spätere Familie daran teilhaben lassen. Das Ergebnis kann man erfahren, wenn man durch eine beliebige Schulklasse in Neukölln, Wedding oder Kreuzberg geht und fragt: Wovon lebt ihr? Die Antwort wird erneut ein erfreulicher Beweis für die Attraktivität des deutschen Sozialwesens sein! Also freuen wir uns doch!

Etwa die Häfte der türkischen Immigrantenehen gelten als arrangiert, das heißt, die beiden Ehepartner werden füreinander ausgesucht, ohne sich richtig zu kennen, die Frau meist aus der Türkei, der Mann aus Deutschland.

Ist das deutsche Sozial- und Bildungssystem böse, weil es dem türkischen Staat so viele junge Menschen, vor allem junge Frauen raubt und ihnen neben der existenziellen Grundsicherung  keine umfassende Ausbildung in türkischer Sprache bis hin zum Dr. rer. nat. anbietet, – sondern nur in deutscher und teilweise englischer Sprache? Wenn man Yilmaz oder viele türkische Migrantenverbände hört, drängt sich dieser Eindruck auf. Fast alles macht der deutsche Staat in der Darstellung der Migrantenverbände falsch – jetzt zum Beispiel dadurch, dass er den kurdischen, assyrischen, tscherkessischen und tatarischen Menschen kein anständiges Türkisch und Koran-Arabisch beibringt – ganz zu schweigen davon, dass er ihnen neben den türkisch-deutschen Europaschulen keine schlüsselfertigen Schulen in kurdischer oder arabischer Sprache mit obligatorischem Türkisch hinstellt.

Ich meine: im staatlichen Zusammenleben haben Begriff wie „böse“ und „gut“ wenig Platz. Es geht um Funktionen, um das Durchschauen von wirtschaftlichen und kulturellen Kausalitäten. Hartz IV ist nicht „böse“, nur weil es Hunderttausende von Menschen um echte Entwicklungschancen bringt.

Richtig ist: Das weder „böse“ noch „gute“ deutsche Sozialwesen bietet für ein riesiges, ja unerschöpfliches Reservoir an Menschen eine verlässliche Grundsicherung, die sich in ihren Herkunftsländern keine eigene Existenz aufbauen wollen. Wieso sollten sie auch?

Wichtig ist dabei auch, dass zusätzliche Fertigkeiten und Fähigkeiten, z.B. deutsche Sprachkenntnisse oder eine abgeschlossene Berufsausbildung, kontraproduktiv sind, da sie im schlimmsten Falle dazu führen, dass der Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit verdient werden müsste – was zum Ausscheiden aus dem verlässlichen System der Grundsicherung führen kann.

Man gehe einmal als einzelne junge Frau an einem Sommertag in leichter Sommerkleidung durch die Neuköllner Karl-Marx-Straße und bedenke diesen kausalen Zusammenhang.

Oder man besuche irgendeine von den wohlmeinenden deutschbürgerlichen Eltern gemiedene Grundschule in Kreuzberg oder Wedding und versuche in deutscher Sprache ein Gespräch über diese Zusammenhänge zu führen.

Erst danach wird man die Frage beantworten können, ob das deutsche Sozialwesen an allem schuld ist.

 Posted by at 14:49

Weiter Vorbehalte gegen Reform der Grundschule

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Mrz 092009
 

Weiter Vorbehalte gegen Reform der Grundschule

In den Grundschulen gibt es weiterhin große Vorbehalte gegen das jahrgangsübergreifende Lernen (JüL). Dennoch wird die Methode nach den Sommerferien in vielen weiteren Anfangsklassen eingeführt. „Die Schulräte üben Druck auf die Kollegien aus“, berichten übereinstimmend Vertreter von GEW und Elternschaft. Die Bildungsverwaltung verweist auf die Gesetzeslage, betont aber, dass „begründete Ausnahmen“ weiterhin erlaubt seien. Zum vergangenen Schuljahr hatten sich noch etwa 125 der knapp 400 Grundschulen verweigert.

So berichtet heute der Tagesspiegel. Wir haben uns mit den Eltern im Oktober 2008 an unserer damaligen Grundschule intensiv über das jahrgangsübergreifende Lernen unterhalten. Dann verfassten wir gemeinschaftlich folgendes Schreiben, das fast alle Eltern unsere beiden ersten Klassen unterzeichneten (60 Unterschriften). Der Erhalt und die Weiterleitung unserer Stellungnahme „an die zuständige Stelle“ wurde uns schriftlich vom Schulamt Mitte bestätigt. Eine inhaltliche Reaktion ist nicht erfolgt.

ELTERN DER JAHRGANGSSTUFE 1 AN DER GRUNDSCHULE AM BRANDENBURGER TOR GEGEN JAHRGANGSÜBERGREIFENDEN UNTERRICHT

Berlin, 06. Oktober 2008

– Bezirksamt Mitte von Berlin
Bezirksstadträtin für Bildung und Kultur, Dagmar Hänisch

– Abteilung Bildung und Kultur
Schul- und Sportamt
Mathilde-Jacob-Platz 1
10551 Berlin

 

Sehr geehrte Frau Hänisch,

sehr geehrte Damen und Herren,

wir, die nachstehend genannten Eltern der ersten Jahrgangsstufe in der ersten Klasse der Grundschule am Brandenburger Tor  (Staatliche Europaschule Berlin) sprechen uns dagegen aus, dass für unsere Kinder der jahrgangsübergreifende Unterricht als Regelfall eingeführt wird.

In jeder Klasse der Staatlichen Europaschulen Berlin wachsen Schülerinnen und Schüler verschiedener Nationen mit unterschiedlichen Muttersprachen auf. Sie lernen nicht nur miteinander, sondern auch voneinander.

Bereits jetzt sitzen also in den bestehenden Klassen Kinder ganz unterschiedlicher Herkunft zusammen. Sie bringen in den verschiedenen Teilgebieten unterschiedliche Voraussetzungen mit. Manche können in der ersten Klasse schon langsam lesen, andere fangen mit einzelnen Buchstaben an. Das vielgerühmte gegenseitige Lernen und Lehren der Kinder ließe sich also sofort in einem stärker binnendifferenzierten Unterricht umsetzen. Dafür ist keineswegs die Jahrgangsmischung oder das jahrgangsübergreifende Lernen (Jül) eine Voraussetzung.

Die uns bekannten und seit langen beständig wiederholten Argumente einiger, nicht aller Politiker und einiger, nicht aller Bildungsfunktionäre konnten uns nicht überzeugen, dass das jahrgangsübergreifende Lernen in der Grundschule am Brandenburger Tor den gewünschten Erfolg bringen würde.

Wer in den 60-er Jahren für die altersgemischten Dorfschulklassen eintrat, galt als verknöchert und rückständig. Heute wird man als reformunwillig angesehen, wenn man sich gegen die Wiedereinführung altersgemischter Klassen einsetzt. Uns sind keine wissenschaftlich fundierten Langzeitstudien bekannt, die den Vorteil des jahrgangsübergreifenden Lernens bestätigen.

Wir regen nachdrücklich an, dass zu einzelnen Anlässen und einzelnen Projekten Kinder aus unterschiedlichen Klassen zusammenkommen und voneinander lernen, etwa beim gemeinsamen Theaterspiel und Musizieren.

Wir lehnen jedoch die Einführung der grundsätzlichen Jahrgangsmischung ab, wie sie das Berliner Schulgesetz als Regelfall vorschreiben möchte.

Unsere Kinder brauchen bestmögliche Förderung, einen effizient organisierten Unterricht und verbindliche Lernziele. Die Jahrgangsmischung scheint uns kein geeignetes Mittel, um solche Ziele zu erreichen.

Wir wollen, dass unsere Kinder weiterhin in Jahrgangsklassen unterrichtet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Eltern der Jahrgangsstufe 1 an der Staatlichen Europaschule am Brandenburger Tor:

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Ich grolle nicht

 Frau und Mann, Musik  Kommentare deaktiviert für Ich grolle nicht
Mrz 082009
 

Heinrich Heine und die Frauen – das war das Thema, dem am Freitag ein ganzer Salon bei Marie-Luise gewidmet war.  Ort: In der Rosa-Luxemburg-Straße zu Berlin, ausgerechnet!

Die Sängerin Irina Potapenko trug, begleitet durch Uwe Streibel, fünf Lieder Heines in der Vertonung durch Robert Schumann vor. Großartig! Schumann schafft es, den tändelnden Texten Heines einen Gegen-Wortlaut anzuhängen. Dadurch werden sie schwer, bitter, widerständiger als sie es sind. Besonders das herrliche „Ich grolle nicht“ steht mir jetzt noch in Ohr und  Gedächtnis.

Ich grolle nicht, und wenn das Herz auch bricht,
Ewig verlornes Lieb! ich grolle nicht.
Wie du auch strahlst in Diamantenpracht,
Es fällt kein Strahl in deines Herzens Nacht.

Das weiß ich längst. Ich sah dich ja im Traum,
Und sah die Nacht in deines Herzens Raum,
Und sah die Schlang, die dir am Herzen frißt, –
Ich sah, mein Lieb, wie sehr du elend bist.

Schumann komponiert das Lied im Grunde über das eine Wörtchen „nicht“. In den Oktavschlägen der linken Hand, hervorgehoben im subito forte, wird das „nicht“ aufgehoben, ins Gegenteil verkehrt. Es ist, als hörte man: „Aber ja, ich grolle“ doch so sehr! Selten ward Freuds Einsicht, dass das Unbewusste kein „Nein“ kennt, so sinnfällig bewahrheitet wie in dieser Vertonung Schumanns. Und welche Wende steckt in diesem Wort elend!

Bei den Damen kam Heine erneut sehr gut an. Keine empörte sich, dass Heine die Frauen etwa nur benutzt habe als Muse, Stichwortgeberinnen – oder Vorwände, um unglücklich zu sein. Anderes hörte ich allerdings danach im Salon-Geplauder. Ein aufmerksam lauschender Iraker äußerte sich kritisch gegenüber Heine: „Er hat Frauen geschlagen. Deswegen mag ich ihn nicht.“ Mehrere der anwesenden Frauen verteidigten Heine mit dem Bedenken, dass auch er von Frauen geschlagen worden sei. Es müsse Waffengleichheit herrschen, diese sei auch einem gebildeten Manne wie Heinrich Heine unbedingt zuzubilligen.

Mir fiel die Rolle zu, Gedichte, Briefe und Prosatexte von Heinrich Heine vorzutragen. Dieser Aufgabe entledigte ich mich mit der mir eigenen Zungenfertigkeit. Im Wechsel dazu erklangen Musik, eine geraffte Erzählung der Heine’schen Frauenbeziehungen, deren es etliche gab – und Ausschnitte aus den allerlei Fehden und Bittgängen, die der deutsch-jüdische Dichter durchgefochten.

Madame Potapenko erklärte sich auch bereit, vor dem Auftritt mit mir zu posieren, was mich sehr gefreut hat. Das Portrait seht ihr oben.

Als Vorklang auf den heutigen Frauentag nahm ich aus der Küche in der Rosa-Luxemburg-Straße den bildlich-eindrücklichen Aufruf mit: „Auch du hältst die Küche sauber, Genosse!“

Was ich mir zur Verpflichtung nahm. Mindestens heute.

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