Wandle dich!

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Jul 172010
 

Wandle dich! Jeder der sich selbst immer gleich bleibt, erstarrt. Kaum ein anderes Musikstück liegt mir in diesen Monaten so am Herzen wie die Méditation der Thais aus der gleichnamigen Oper von Jules Massenet. Ich habe dieses Violinsolo mindestens schon 10 Mal vorgetragen, ob in Kirchen, Schulen und Sälen, zuletzt im Kreuzberger Schnittchen bei einer Geburtstagsfeier.

Hier zunächst für alle geigenden Freunde eine wohlfeile Sammelausgabe, die auch dieses Stück in einer Fassung für Violine und Klavier bietet:

Violin Meets Piano. Score and violin part. Zusammengestellt und herausgegeben von Lajos Vigh. Könemann Music Budapest.

Kürzlich in Wohltats Buchhandlung erstanden für € 4,95.

Thais ist eine bekannte Kurtisane im Ägypten des 4. Jahrhunderts n. Chr., die in Liebe zu dem christlichen Mönch Athanael entbrennt. Das schafft erhebliche, dramatische Schwierigkeiten. Heidnische und christliche Parallelgesellschaft treffen aufeinander – mitten in Ägypten. Thais ist hin- und hergerissen. Sie weiß nicht nicht, wo sie hingehört. Nichts ist mehr sicher. Und in dieser Situation – erklärt sie, nichst anderes zu sein als sie selbst. Sie will die bleiben, die sie ist. Hört man die überirdisch schön herabschwebende Zwischenaktsmusik, so erfährt man die verändernde Kraft der Musik. Man wird dieses Thema bei der Wiederkehr ganz anders hören als beim ersten Mal. Dieser innere Kampf in der Seele, der zeigt die Wandlung an. Wandlung, Umkehr, Läuterung – darum geht es in dieser Musik. Das wird sich jedem erschließen. Zuletzt auch den Kindern der Fanny-Hensel-Schule in der St.-Lukas-Kirche.

THAIS (avec un dernier mouvement de
revolte) . 

Non! Je reste Thais, Thais la
courtisane. Je ne crois plus a rien et
je ne veux plus rien. Ni lui, ni toi, ni
ton Dieu!

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Jul 152010
 

Als „medizinische Zeitbombe“ bewerten immer mehr Fachleute die starke Zunahme von Diabetes bei Kindern und Jugendlichen. Zunehmend beobachten Ärzte sogar den üblicherweise spät einsetzenden Typ-II-Diabetes bei Jugendlichen! Diabetes ist mit großer Wahrscheinlichkeit multifaktoriell bedingt, aber Übergewicht spielt mit Sicherheit in den meisten Fällen eine mitauslösende Rolle. Übergewicht im Jugendalter führt in vielen Fällen zum frühen Diabetes.

Erstaunlich: Übergewicht und krankhaft erhöhtes Übergewicht (Adipositas) scheint in den verschiedensten Bevölkerungsgruppen gleichermaßen vermehrt aufzutreten. So liegen die Zahlen für Adipositas bei Jugendlichen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und im Gaza-Streifen in der gleichen Größenordnung. „Jeder achte Schulanfänger war 2008 übergewichtig“ (amtliche Bezirksbroschüre Friedrichshain-Kreuzberg, S. 96). „Von den 19,5% übergewichtigen arabischstämmigen Kindern sind über die Hälfte als adipös einzustufen“ (ebda.).

Als Ursache für Übergewicht wird meist Bewegungsmangel und Fehlernährung angegeben. Diese Vermutung äußert auch die WHO in ihrem amtlichen Bericht über die medizinische Lage im Gaza-Streifen:

However, high prevalence of overweight children was found. In children 10-16 years overweight prevalence is 15.9%. This prevalence is higher in North Gaza District (20.4%) and lower in Rafah District (13.4%). The prevalence of overweight among females is five times that of males: 24.6% compared to 5.4%. At district level, the largest difference between female and males was detected in Gaza District: 30.0% in females and 6.5% in males. A more in depth analysis is needed but the lack of physical activity and poor diet are considered to be a possible reason for these findings.
Iron Deficiency

Gaza Health Assessment (29Jun09).pdf (application/pdf-Objekt)

Diabetes ist eine schwere, chronische Erkrankung, die beim einzelnen Menschen und seinen Angehörigen viel Leid verursachen kann. Bereits heute verursacht Diabetes etwa 20% der Kosten im Gesundheitswesen. Die Volkskrankheit Diabetes steigt derzeit stark an.

Der Anstieg des Diabetes lässt sich teilweise durch gezielte Bewegungsförderung, teilweise auch durch gesunde Kost bremsen. Gesunde Ernährung, reichlich Bewegung vom Kindheitsalter an sind das Gebot der Stunde. Mehr Radfahren, mehr Zu-Fuß-Gehen, täglich 1-2 Stunden Schulsport scheinen mir dringend geboten.

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Tritt in die Pedale, strample dich ab!

 Tugend  Kommentare deaktiviert für Tritt in die Pedale, strample dich ab!
Jul 152010
 

„Mit jedem Tritt in die Pedale deines Fahrrads verlängerst du dein Leben vor der Demenz um 5 Sekunden. Du reduzierst die Erderwärmung um 0,0000000002 Prozent. Du hellst die Stimmung deiner Mitmenschen um den Faktor 0,007 Prozent auf.“ Flapsige Sprüche … die wenig taugen, oder? Vergesst sie mit aller Kraft!

Denkt bitte jetzt nicht: „Mit jedem Tritt in die Pedale meines Fahrrads verlängere ich mein Leben vor der Demenz um 5 Sekunden. Ich reduziere die Erderwärmung um 0,0000000002 Prozent. Ich helle die Stimmung meiner Mitmenschen um den Faktor 0,007 Prozent auf.“

Aber einen wirklich tollen Clip über das Alltagsradfahren entdeckte ich soeben. Ihn kann ich nur allen Radfahraktivisten WÄRMSTENS empfehlen …  (die letzten Sekunden dienen der Produktwerbung für einen Mobiltelephonhersteller… dann bitte einfach abschalten).

Sell dir vor on Vimeo

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Une juste fierté

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Jul 142010
 

Großes Fest der Inklusivität am Nationalfeiertag! Man zeigt Farben. Ehemalige Kolonien entsenden Soldaten. Der Präsident zeigt sich mit Behinderten, geht den letzten Abschnitt zu Fuß. Gute Sache! Und dass ein Nichtfranzose die Etappe von Chambéry nach Gap gewonnen hat- sollte ebenfalls Anlass zum Stolz auf das eigene Vaterland zu sein.

Félicitations!

L’info en vidéo – France Télévisions Info

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Jul 142010
 

Vieles wird übertrieben, nicht alles ist falsch. Hübscher Hintergrundbericht über mein Stammbad, das Prinzenbad. Columbiabad hatte versucht, uns den ersten Rang in der Berichterstattung streitig zu machen: abgeschmettert! Das Prinzenbad ist schöner, großzügiger, weitläufiger.

Übrigens: das Badewasser wird durch eine Solaranlage beheizt. Insofern kann man ohne schlechtes Klimagewissen dort schwimmen gehen. Und wenn’s mal Probleme gibt wie im Columbiabad? Das sagt der Schwimmmeister:

Harte Welle: Bademeister – kein Job für Ängstliche – Berlin – Tagesspiegel
Sonnenbrille abnehmen, Blickkontakt suchen. Dann höflich, aber bestimmt reden. Wer keine deutlichen Ansagen macht, habe verloren.

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Jul 142010
 

Ein Blick auf Wirtschaftsstatistiken zeigt: Echte, „massenhafte“ Armut herrschte in Deutschland  immer wieder: so etwa in den Jahren 1640-1650 während und nach dem Dreißigjährigen Krieg, 1919-1923, 1946-1947. Meine Vorfahren väterlicherseits zogen nach dem zweiten Weltkrieg mit 25 kg Gepäck und ohne Bargeld in den Westen. Sie waren in der Tat arm. Dennoch hielten sie zusammen wie Pech und Schwefel, kümmerten sich umeinander. „Erziehungsversagen“ kam ganz selten vor, „aus allen ist etwas geworden“, und schon nach wenigen Jahrzehnten waren sie alle „reich“, gemessen an den Maßstäben von 1946-1947.

Anders heute! Lest:

Berliner Zeitung – Aktuelles Politik – Schröder will Kinder vor Vernachlässigung schützen
Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, sprach in der «Welt» von einer dramatischen Entwicklung. Ein immer größerer Teil der Kinder lebe in Armut, und Armut sei der größte Risikofaktor, sagte er. Zu 90 Prozent spielten sich die Fälle, in denen die Kinder aus den Familien herausgeholt werden müssten, im Armutsmilieu ab. «Das Problem des Erziehungsversagens löst man nicht mit mehr Geld, sondern mit mehr Prävention“, sagte Hilgers. Je früher der Staat Eltern und Kindern mit familienergänzenden Hilfen unter die Arme greife, desto größer seien die Erfolgschancen und desto niedriger die Kosten.

Erziehungsversagen ist heute ein massives Problem. Das sehe ich selbst in meinem Umfeld immer wieder. Die Familien zerfallen, halten nicht zusammen, geschweige denn „wie Pech und Schwefel“.

Als eine der Hauptursachen, vielleicht die Hauptursache für das Versagen der Eltern meine ich den Mentalitätswandel und den tiefgreifenden Wandel im Familienbild zu erkennen, dessen Zeuge jeder heute über 50-jährige geworden ist.

Dieser Mentalitätswandel wird befördert durch die verlässliche materielle Absicherung der Existenz jedes Einzelmenschen durch den Staat. Die Familie hat (vorübergehend?)  als wesentliches soziales Sicherungssystem – wie sie das sicherlich über Jahrtausende hin in nahezu allen Völkern war –  ausgedient. „Du brauchst nichts zu machen, die Kinder wachsen von selber auf, das Geld kommt vom Amt.“

So läuft es. Dieses Grundmuster meine ich flächendeckend zu erkennen. Ausbildungsverweigerung, Kriminalität, Drogensucht, Vernachlässigung, all das gab es in kleinem Maße früher in der Bundesrepublik auch. Aber dass es wirklich zu einem „Flächenbrand“ an auseinanderbrechenden Lebensläufen kommt, das ist systemisch bedingt. Untrennbarer Bestandteil dieses „Systemversagens“ ist die Missachtung, die Geringschätzung, ja teilweise die bewusste, ideologisch überhitzte Zersetzung des Familienbildes.

Gesunde, intakte, von persönlicher Liebe zusammengehaltene Familien sind die beste Prävention gegen Misshandlung, Schulversagen, Kriminalität.

Das ist keine Frage des Geldes, sondern eine Frage der Moral oder wie man mit einem treffenden, altertümlich klingenden Ausdruck sagen könnte, der Sittlichkeit.

Ich bin kein Sozialarbeiter, aber ich kenne viele Menschen und spreche mit denen, um die sich Sozialarbeiter kümmern oder kümmern sollten. Nur aus diesen direkten Beobachtungen speisen sich die vorstehenden Betrachtungen.

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„Alle anderen sind nur Flaschen“

 Integration  Kommentare deaktiviert für „Alle anderen sind nur Flaschen“
Jul 132010
 

nicht-nur-flaschen-im-columbiabad-12072010.jpg Assimilation ist kein Verbrechen. Jedenfalls dann, wenn sie von den hier geborenen, hier aufwachsenden Menchen erbracht (nicht erzwungen) wird. Respekt, Assimilation, Erlernen der Sprache – dies alles fordert Bushido aus Neukölln.

Unsere Fotos zeigen den Eingang zum Columbiabad in Neukölln.

columbiabad-eingang-12072010001.jpgIch fuhr gestern dort mit meinem tiefergelegten FENT F85 vorbei, zückte mein E51, schoss vom fahrenden Fahrzeug aus, gab Gummi und zog Leine. Alle anderen sind Flaschen.

Kuckt ma, Jungs: Der Eingang gleicht baulich einem Hochsicherheitstrakt in Stammheim. Mehrfach übermannshoch vergittert, Video-Totalkontrolle. Krass.

Daneben der coole Spruch der Wasserwerke: „Alle anderen sind nur Flaschen.“ Fett! Er erinnert mich an den Spruch eines Jugendlichen aus einer vielköpfigen Kreuzberger Brüderschar von neuen Deutschen, mit dem wir einmal ein Radausflug machten:  „Verkehrsregeln sind doch nur was für Angsthasen.“ Das gibt das Selbstbild der etwa 60 jugendlichen neuen Deutschen zutreffend wider, die am Samstag das Columbiabad unter ihre Gewalt brachten. Ich schließe messerscharf: Es waren messerbewaffnete Mitglieder der berühmten „libanesischen“ Clans, die Schritt um Schritt ihren Einflussbereich ausweiten.

Und das blüht euch, Jungs, wenn ihr nicht schnellstens die Spur wechselt:

12072010002.jpg

Integration: „Ey, Bruder, da ist Bierhoff dran“ – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Kultur
Natürlich haben wir früher darüber geredet, wo die Väter herkommen, aber das hat keine Rolle gespielt. Wir haben nicht gesagt: Eigentlich kommst du aus Palästina und du aus dem Libanon und der dritte aus der Türkei.

SPIEGEL: Sondern?

Bushido: Wir sind Deutsche. Genauso wie Mesut Özil. Meinen Sie, der hat ernsthaft überlegt, für die Türkei zu spielen?

SPIEGEL: Der Berliner Kevin Boateng spielt auch für Ghana. Der scheint sich anders als Sie nicht so deutsch zu fühlen.

Bushido: Das ist was anderes. Ich kenne Kevin gut. Der hatte beim DFB keine Chance, das war eine reine Karriereentscheidung. Aber der musste auf der Karte erst mal gucken, wo Ghana liegt.

SPIEGEL: Eine Mannschaft mit vielen Migrantenkindern spielt super Fußball, und ein Rapper, den man ebenfalls erst mal nicht für deutsch hält, singt das Lied dazu. Meinen wir das mit multikulturell?

Bushido: Das ist noch gar nichts. Es wird Zeit, dass Deutschland sich auch auf anderen Gebieten, jenseits von Fußball und Pop, wandelt. Wenn wir über Integration sprechen, müssen wir nicht nur über euch Deutsche sprechen, nicht nur darüber, ob ihr uns annehmt. Wir müssen vor allem über die neuen Deutschen reden, die hier leben: Ob die bereit sind, sich zu assimilieren, die Sprache zu lernen, Respekt zu haben.

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Festhalten am Bestehenden – oder den Wandel gestalten?

 Anbiederung  Kommentare deaktiviert für Festhalten am Bestehenden – oder den Wandel gestalten?
Jul 122010
 

11072010004.jpg „Jeder Mieter hat ein Recht darauf, in seinem angestammten Wohnumfeld zu bleiben.“ So lässt sich – nahezu wortgleich mit einem BVV-Beschluss – die Position des Mieterschutzes zusammenfassen, welche etwa die Verfechter des Status quo hier in Kreuzberg (Fanny-Hensel-Kiez) vertreten.

Ein Blick auf meinen Steuerbescheid ergibt, dass meine gesamten Steuern für diesen Bestandsschutz hoch subventionierter Sozialbauten ausgegeben werden. Ich zahle als wackerer Kreuzberger Steuerzahler im Grunde nur für das starre Festhalten am Status quo. Das Land Berlin hat – zu Nutz und Fromm der Machthaber in Politik und Bauwirtschaft –  mehrere Milliarden in stark überteuerte soziale Wohnbauprojekte versenkt und bedient nun noch auf Jahrzehnte hinaus die daraus erwachsenden Verpflichtungen. Für wichtige Themen – etwa Ausbau der frühkindlichen Bildung, Verkleinerung der Klassen, vermehrte Neueinstellung von Lehrern,   Sprachfördung, Ausbau des Radwegenetzes, ganz zu schweigen vom Klimaschutz – fehlt das Geld. Das öffentliche Geld ist ganz überwiegend für Sozialausgaben, für das starre Festhalten am Status quo festgeschrieben.

Ist das nachhaltige Politik? Nein! Das Bundesland Berlin betreibt seit Jahrzehnten keine nachhaltige Politik mehr. Diese erschütternde Einsicht treibt offenbar auch den neuen Finanzsenator Nußbaum um. Noch ist er nicht verzweifelt. Herrliches Interview gestern im Magazin der Berliner Zeitung!

Nachhaltigkeit bedeutet auch die Gestaltung des unabweisbaren Wandels. Hierüber geriet ich meinerseits gestern im tiefen, tiefen Tegeler Walde in tiefsinniges Nachdenken, das heute noch nachwirkt.  Hier könnt ihr in diese Gedanken hineinhören:

YouTube – Nachhaltigkeit und Wandel 11072010.mp4

Bild: Die Dicke Marie, eine etwa 900 Jahre alte Eiche am Tegeler See, der wir jungen Hupfer gestern Respekt zollten.

 Posted by at 13:47
Jul 102010
 

09072010.jpg Obwohl selbst symbolisch eher der Kreuzberger Unterschicht angehörend, verfolge ich doch mit Sympathie die Erklärungen und Versuche des Finanzsenators Nußbaum, eines erfolgreichen Unternehmers. Er verwaltet unsere Staatsschulden, die sich auf etwa 21.000 Euro/Bürger belaufen.

Was er in der Berliner Zeitung sagt, entspricht genau meinem Eindruck: Die Reichen und die Wohlhabenden, die Stiftungen der Reichen und Wohlhabenden könnten etwas mehr tun! So habe ich mich erstmals vor einigen Wochen etwa bei einigen Stiftungen darum bemüht, 200.- Euro Honorar für eine Pianistin, die bei unserem Schulkonzert mitwirkte, zu erlangen. Vergeblich. Die ganze Bettelei hat uns außer Zeitverlust nichts gebracht. Wir bezahlen also die Pianisten der Schulkonzerte weiterhin selber. In genau diesen Wochen der vergeblichen Bettelei besuchte ich auch einen noch erträglichen Kongress über „Bürgerschaftliches Engagement“. Des Langen und Breiten wurde von Politikern dort über Freiwilligkeit usw. diskutiert.

Was Nußbaum über die Volksentscheide und Volksbegehren sagt, trifft den Nagel auf den Kopf. Sie richten sich GEGEN etwas (siehe Mediaspree versenken), ohne pragmatisch-politisch Durchführbares aufzuweisen, oder sie verlangen MEHR GELD vom Staat – für zugegebenermaßen durchweg löbliche Zwecke. Dann sollen sie aber auch sagen, wo sie das verlangte Geld wegnehmen. Denn das Bundesland Berlin lebt zu großen Teilen vom Geld der anderen Bundesländer.

Wir halten fest: Die Berliner Bürger verlangen mehr Geld vom Staat. Das Bundesland Berlin – hier vertreten durch den Finanzsenator – verlangt mehr ehrenamtliches Engagement von den Bürgern. Jeder sagt zu dem anderen: Geh du voran!

Bild: Versteppungen auf einer Brachfläche in Kreuzberg, aufgenommen gestern.

Berliner, schaut auf Eure Stadt! – Berliner Zeitung
Der Unternehmer, den der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) als Thilo Sarrazins Nachfolger vor anderthalb Jahren aus Bremen holte, bescheinigte den Berlinern eine wenig ausgeprägte Identifikation mit ihrer Stadt. Es gebe zwar ein Mobilisierungspotenzial, erkennbar etwa an den jüngsten Volksbegehren wie „Pro Reli“. Es seien aber oft Initiativen, die sich gegen etwas stellen oder vom Staat etwas forderten. „Ich wünschte mir mehr Bewegungen, bei denen die Menschen selbst etwas in die Hand nehmen und mit ihrem Engagement Verantwortung übernehmen.“

 Posted by at 11:53
Jul 092010
 

Etwa 900.- Euro soll die neuartige Bürgerarbeit den Arbeitenden einbringen. Das entspricht nach Kaufkraft und Höhe in etwa dem Lohn eines Arbeiters in der früheren DDR oder in einem der heutigen östlichen EU-Länder. Und es ist nach Kaufkraft und Höhe das 20fache des Betrages, der einer normalen Mutter in Sambia zur Verfügung steht. Das ist viel!

Das Beste daran ist: Die Menschen kommen heraus aus ihrer Strukturlosigkeit. Sie versacken nicht. Sie werden gegrüßt und gebraucht.

Mir fallen gleich eine ganze Menge Arbeiten ein, die jetzt unerledigt bleiben. Beispielsweise kenne ich Familien mit Demenzkranken, bei denen das Einkaufen oder simple Besorgungen schon ein riesiges Problem darstellen. Denn unsere schwer Demenzkranken (ca. 2 Millionen) müssen Minute um Minute betreut werden, 24 Stunden am Tag muss jemand um sie sein. Hier können die Bürgerarbeiter dringend benötigte Hilfe liefern.

Hier um die Ecke vor dem Anhalter Bahnhof findet das Frauenfußballturnier Discover Football statt. Bürgerarbeiterinnen können den Frauen aus Sambia unsere Stadt zeigen, können ihnen zujubeln, sie anfeuern, sie an der Hand nehmen und in ihre Häuser führen. Sie können gemeinsam Lieder singen.

Der Görlitzer Park oder der Viktoriapark in Kreuzberg werden immer wieder von Müll übersät. Hier können die Bürgerarbeiter schnell wieder Ordnung schaffen.

Viele Teilnehmerinnen der Integrationskurse finden keinerlei Möglichkeit, außerhalb des Kurses mit deutschen Frauen zu reden. Bürgerarbeiterinnen können mit ihnen reden. Können auf Kinder aufpassen, Kochrezepte austauschen.

Einige migrantische Familien hier haben 10 oder 12 Kinder, die Väter sind meist verschwunden. Hier können deutschsprachige Bürgerarbeiter Nachmittage organisieren, können die Kinder zu Stadtwanderungen einladen, ihnen zeigen, wie ein Berg oder ein Wald aussieht.

Werdet Schmiede des Glücks! Was in Bad Schmiedeberg gelungen ist, wird auch in Kreuzberg, Wedding, Augsburg oder Tutzing am Ammersee gelingen.

Die Bürgerarbeit ist ein Dienst am Menschen, an den Menschen, die unsere Gesellschaft bilden  – vor allem an den Menschen, die ungewollt in Arbeitslosigkeit geraten sind. Es wird ihnen besser gehen, wenn sie einen solchen Platz ergattern!

Bild: „Discover Football“ heute in Kreuzberg.

Statt Hartz IV: 34.000 Plätze für Bürgerarbeit | meta.tagesschau.de
09.07.2010 – 21:24 — Bigbyte

Anmerkungen eines Hartz4-Beziehers…

Ich bin aufgrund einer seit mehreren Jahren bestehenden Depression Bezieher von Hartz4.
Sollte dieses Vorhaben der Regierung wirklich umgesetzt werden, so kümmert mich der Verdienst von 900 Euro brutto rein garnicht. Ich hoffe, es gelingt mir dann, eine dieser Stellen zu „ergattern“.
Was nämlich nicht mit Geld aufzuwiegen ist, ist der Umstand, sich endlich wieder (zumindest teilweise) als gewolltes Mitglied dieser Gesellschaft zu fühlen.
Niemand, der sich nicht in der gleichen Situation befindet, kann auch nur im Entferntesten nachempfinden, was es heißt, sich wie das allerletzte Subjekt zu fühlen.
Ich wünsche jedem der Kommentatoren, die die wirkliche Situation von Hartz4-Empfängern bagatellisieren, dass er niemals in die Lage kommt, davon und damit leben zu müssen.
Auch hege ich keinerlei Neid auf Besserverdienende. Ich erkenne den Leistungsgedanken durchaus an, aber Leistungsbereitschaft reicht in diesem Land längst nicht mehr aus.
Und glauben Sie mir, ich habe in meinem Leben grundsätzlich niemals geplant, auf Ihre Kosten leben zu müssen.

 Posted by at 22:57

Ein Helmbruch tut nicht so arg weh

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Jul 092010
 

„Der Helm ist die preiswerteste Lebensversicherung, die du als Radsportler abschließen kannst. Alles andere ist leichtsinnig.“ So der ehemalige Rad-Profi Jörg Ludewig in der aktuellen Ausgabe  von Roadbike (Juli 2010, S. 43).

Da fällt mir ein: Erst in den letzten Wochen traf ich zwei Berliner Alltagsradfahrer, die nach einem Sturz bzw. einem Aufprall die Zerstörung ihres Fahrradhelms zu beklagen hatten. Aber – sie beklagten sich nicht! „Der Helm ist hin – zerbröselt, ich hatte einfach den Pfosten nicht gesehen“, erzählte mir erleichtert ein Jugendlicher. Wieso war er „erleichtert“? Ein wirklich sehr guter, renntauglicher Helm kostet laut aktuellem Roadbike-Test ab 70 Euro aufwärts! Für einen Jugendlichen ist das doch ein herber finanzieller Verlust.

Ich erklär mir das so: Diese beiden Berliner Alltags-Radfahrer waren offenkundig erleichtert, dass ihr Kopf nicht den helmzerstörenden Aufprall ungemindert abzufangen hatte. So ein „Helmbruch“ tat ihnen offenkundig nicht weh. Der „Helmbruch“ war ihnen offenkundig lieber als der „Schädelbruch“. Und ehrlich gesagt: Darin verstehe ich sie.

Helme – roadbike.de

 Posted by at 13:36

Ad fontes!

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Jul 092010
 

Reichen wir hier noch den Fundort für unsere Wendung „callida junctura“ samt Übersetzung in unser Englisch, unsere Mischmasch-Sprache nach:

 The Routledge Dictionary of Latin Quotations: The Illiterati�s Guide to Latin Maxims, Mottoes, Proverbs, and Sayings | BookRags.com
dixeris egregie notum si callida verbum reddiderit junctura novum

you will have spoken well if, by skillful arrangement of your words, you have made the ordinary seem new

 Posted by at 13:04
Jul 092010
 

Klasse Wendung: „Opportunistische Wut“. Geklaut haben wir diese listige Fügung, diese callida junctura, wie dies Gevatter Horaz nannte, bei einem Instant-Blog, das sich zeitgemäß „Einminutentexte“ nennt.

Opportunistische Wut – jeder Redner muss sie beherrschen, jeder Redner muss sie zu entfachen wissen! „Wohlfeile Empörung“ über alles mögliche gefällt mir auch, aber diese Fügung ist schon zur stehenden Wendung geworden. Wut oder Empörung über alles mögliche – über Privatschulen oder Einheitsschulen, über Radfahrer oder Autofahrer, über Atomkraft oder Solarstromubventionen, über die A 100 oder die JüL – der Gegenstand dieses künstlichen Sturms ist stets zweitrangig. Wichtig ist: Man muss fest daran glauben – dann werden irgendwann auch andere daran glauben.

einminutentexte.de
Bis zum Februar 1975. Da besetzten Bauern, Winzer und Jäger den Bauplatz für das oberrheinische Kernkraftwerk Wyhl. Und in ihrer hohen opportunistischen Wut schwenkten die Intellektuellen um – auf einen erbitterten Protest gegen den Atomstaat.

 Posted by at 11:38