Jul 142010
 

Ein Blick auf Wirtschaftsstatistiken zeigt: Echte, „massenhafte“ Armut herrschte in Deutschland  immer wieder: so etwa in den Jahren 1640-1650 während und nach dem Dreißigjährigen Krieg, 1919-1923, 1946-1947. Meine Vorfahren väterlicherseits zogen nach dem zweiten Weltkrieg mit 25 kg Gepäck und ohne Bargeld in den Westen. Sie waren in der Tat arm. Dennoch hielten sie zusammen wie Pech und Schwefel, kümmerten sich umeinander. „Erziehungsversagen“ kam ganz selten vor, „aus allen ist etwas geworden“, und schon nach wenigen Jahrzehnten waren sie alle „reich“, gemessen an den Maßstäben von 1946-1947.

Anders heute! Lest:

Berliner Zeitung – Aktuelles Politik – Schröder will Kinder vor Vernachlässigung schützen
Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, sprach in der «Welt» von einer dramatischen Entwicklung. Ein immer größerer Teil der Kinder lebe in Armut, und Armut sei der größte Risikofaktor, sagte er. Zu 90 Prozent spielten sich die Fälle, in denen die Kinder aus den Familien herausgeholt werden müssten, im Armutsmilieu ab. «Das Problem des Erziehungsversagens löst man nicht mit mehr Geld, sondern mit mehr Prävention“, sagte Hilgers. Je früher der Staat Eltern und Kindern mit familienergänzenden Hilfen unter die Arme greife, desto größer seien die Erfolgschancen und desto niedriger die Kosten.

Erziehungsversagen ist heute ein massives Problem. Das sehe ich selbst in meinem Umfeld immer wieder. Die Familien zerfallen, halten nicht zusammen, geschweige denn „wie Pech und Schwefel“.

Als eine der Hauptursachen, vielleicht die Hauptursache für das Versagen der Eltern meine ich den Mentalitätswandel und den tiefgreifenden Wandel im Familienbild zu erkennen, dessen Zeuge jeder heute über 50-jährige geworden ist.

Dieser Mentalitätswandel wird befördert durch die verlässliche materielle Absicherung der Existenz jedes Einzelmenschen durch den Staat. Die Familie hat (vorübergehend?)  als wesentliches soziales Sicherungssystem – wie sie das sicherlich über Jahrtausende hin in nahezu allen Völkern war –  ausgedient. „Du brauchst nichts zu machen, die Kinder wachsen von selber auf, das Geld kommt vom Amt.“

So läuft es. Dieses Grundmuster meine ich flächendeckend zu erkennen. Ausbildungsverweigerung, Kriminalität, Drogensucht, Vernachlässigung, all das gab es in kleinem Maße früher in der Bundesrepublik auch. Aber dass es wirklich zu einem „Flächenbrand“ an auseinanderbrechenden Lebensläufen kommt, das ist systemisch bedingt. Untrennbarer Bestandteil dieses „Systemversagens“ ist die Missachtung, die Geringschätzung, ja teilweise die bewusste, ideologisch überhitzte Zersetzung des Familienbildes.

Gesunde, intakte, von persönlicher Liebe zusammengehaltene Familien sind die beste Prävention gegen Misshandlung, Schulversagen, Kriminalität.

Das ist keine Frage des Geldes, sondern eine Frage der Moral oder wie man mit einem treffenden, altertümlich klingenden Ausdruck sagen könnte, der Sittlichkeit.

Ich bin kein Sozialarbeiter, aber ich kenne viele Menschen und spreche mit denen, um die sich Sozialarbeiter kümmern oder kümmern sollten. Nur aus diesen direkten Beobachtungen speisen sich die vorstehenden Betrachtungen.

 Posted by at 09:10

  One Response to “Entsteht Erziehungsversagen durch Armut?”

  1. Könnte es nicht auch daran liegen, dass man bei den unbeliebten Arbeiten auch kaum was verdient? Vielleicht sind also die Löhne zu niedrig?

    Ich hab mir schon als Kind gedacht – wenn ich einer Putzfrau beim Putzen der Klos in der Firma meines Vaters zugeschaut habe: Wieso verdient die weniger als mein Vater? Die macht doch die dreckigste, unangenehmste Arbeit, während mein Vater im schönen Büro sitzt und sich Kaffee kommen lässt.

    Der Lohn, die Lohnhöhe machen viel vom Prestige einer Arbeit aus. Wir könnten also die Stundenlöhne der Drecksarbeiten verdreifachen … und siehe da, plötzlich werden sich genug Leute melden, die es tun wollen.

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