Mrz 052010
 

04032010006.jpg Unser gestern aufgenommenes Bild zeigt einen Fluss, eine Brücke, einen Turm. Leben ist Aufbruch. Leben ist ein „Über-den-Fluss-Gehen“. Leben ist ständiger Wandel! Wo kein Wandel stattfindet, zieht Muff und Schimmel ein.

Die Sozialwohnungen an der Schöneberger Straße in Kreuzberg sind der späte Musterfall eines Berliner Sozialghettos, vergleichbar der bundesweit bekannten, klassischen Schöneberger Pallassiedlung. Auch wenn’s bei uns in Kreuzberg-West viel hübscher und IBA-würdiger zugeht. Das ergeben meine Gespräche mit Nachbarn, Freunden, Bekannten immer wieder. Hier haben sich extrem abgeschlossene Milieus gebildet, aus denen ein Ausstieg oder Aufstieg kaum möglich ist.

Eine komplette Umstrukturierung der Mieterschaft ist das Beste, was diesen Menschen selbst, diesem Fanny-Hensel-Kiez und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern geschen kann. Manche sollten wegziehen, manche sollten zuziehen, vorzugsweise selbstverdienende Menschen ohne Arabisch-, aber mit guten Deutschkenntnissen. Das hat nichts mit „Vertreibung“ zu tun. Das Wort Vertreibung ist in diesem Zusammenhang grotesker Unfug. Jeder, der die Zuzugsgeschichte der Menschen im Fanny-Hensel-Quartier kennt, wird beim Wort „Vertreibung“ nur den Kopf schütteln können.

Alle sollten dann dahin ziehen, wo für sie etwas Neues erkennbar ist. Durch eigene Arbeit, durch eigene Anstrengungen sollen sich die Menschen etwas aufbauen. In welcher Gegend? In Berlin? In Beirut, in Düsseldorf? In welchem Land? Das sollen sie selbst entscheiden! Da, wo sie sich am wohlsten fühlen, da, wo sie durch eigene Anstrengungen etwas beisteuern können zum Glück ihrer Kinder, zu ihrem eigenen Glück.

Natürlich: Wieder drücken allerlei selbsternannte Interessenvertreter die Tränendrüsen, sprechen von sozialer Kälte, von „Unsozialem Wohnungsbau“. So ein Artikel in der Jungen Welt vom 01.03.2010. So auch der Artikel auf S. 8 im neuesten MieterMagazin des Berliner Mietervereins, dessen Mitglied ich bin.

Die Berichte der Journalisten zeugen wieder und wieder von einer gewissen Unbekanntschaft mit der Lage vor Ort. Ich kann mir das nur so erklären, dass sie keine direkten Kontakte zu Betroffenen aufgebaut haben, etwa weil die Journalisten keine Arabischkenntnisse haben und deshalb nicht an die richtigen Informationen herankommen.

Hier ergeht nun mein Ruf an die Stadtentwicklungssenatorin: Frau Junge-Reyer, bleiben Sie hart! Sie tun durch Härte den vermeintlich „vertriebenen“ Menschen etwas Gutes.

01.03.2010: Seht, wo ihr bleibt (Tageszeitung junge Welt)
Zwar lassen die von der Koalition 2007 verabschiedeten »Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Mietausgleich und Umzugskostenhilfe für vom Wegfall der Anschlußförderung betroffene Mieter im Sozialen Wohnungsbau« so etwas zu. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) lehnt die Unterstützung mit Verweis auf den »entspannten Wohnungsmarkt« jedoch kategorisch ab. Lediglich Umzugshilfen in Ausnahmefällen kämen nach Einzelfallprüfung in Betracht. Der Berliner Mieterverein sieht angesichts der Rechtslage für die überwiegend sozial schwachen Familien keine Alternative zum Auszug.

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Feb 262010
 

Die Verquickung öffentlicher Ämter mit Tätigkeiten in der Wohnungswirtschaft, das war über Jahrzehnte hinweg eine sprudelnde Quelle von Skandalen in der Berliner Politik. Wir bezeichneten den Sozialen Wohnungsbau gestern als „Freifahrtschein zur Selbstbedienung der Machtelite“ – zu harte Worte für das, was einmal war?

„War“ – in der Tat, das Schlimmste ist wohl vorbei, aber es gibt immer wieder ein Nachbeben, wie die derzeit laufende Howoge-Angelegenheit beweist. Die Berliner Zeitung meldet heute:

Die Stadt als Beute? – Berliner Zeitung
Im Streit um die Vergabe von Aufträgen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Howoge an das Ingenieurbüro des SPD-Abgeordneten Ralf Hillenberg hat die Opposition schwere Vorwürfe gegen die regierenden Sozialdemokraten erhoben. CDU-Fraktionschef Frank Henkel sprach gestern bei einer Debatte im Abgeordnetenhaus von „SPD-Baufilz“ und warf den Sozialdemokraten vor: „Sie machen sich die Stadt zur Beute“. Henkel forderte, die gesamte Vergabepraxis von Aufträgen der landeseigenen Wohnungsunternehmen auf den Prüfstand zu stellen. Vertreter von SPD und Linkspartei erklärten, sie wollten die Vergabepraxis der Howoge aufklären, sie warnten aber vor einer Vorverurteilung.

Ich stimme den Ausführungen  der Vertreter von CDU, SPD und Linke zu. Macht mal!

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„Gentrification sucks“

 Friedrichshain-Kreuzberg, Mieten, Nahe Räume  Kommentare deaktiviert für „Gentrification sucks“
Aug 292009
 

 26082009011.jpg „Gentrification sucks“  „Der Zuzug des Kleinadels (gentry) saugt uns das letzte Blut aus den Adern“. So liest man auf dem Wahlplakat eines nicht chancenlosen Bundestagskandidaten in unserem Bezirk. Kennt ihr diesen Hochadligen, diesen König von Kreuzberg?

Der Kandidat belebt mal wieder alle reaktionären Vorurteile gegenüber den blutsaugerischen kleinadligen Zuzüglern aus West- und Ostdeutschland.

Die Gentrifizierung – also die Aufwertung eines Wohnumfeldes durch wirtschaftliche Tätigkeit, durch Zuzug von Selbstverdienern – wird als Gespenst überall in Friedrichshain-Kreuzberg an die Wand gesprayt.  Dieses Gepenst der Gentrifizierung übernimmt unser konservativer hochadliger Kandidat in kluger Anpassung an die Wetterfahne der herrschenden Stimmung auf sein Wahlplakat.

Und unser guter Tagesspiegel greift das Thema ebenfalls auf:

Wer schick baut, kann in Berlin Angst bekommen
Die sogenannten Aktionswochen im Juni sollten auf die „Gentrifizierung“ aufmerksam machen. Der Begriff bezeichnet einen Verdrängungsprozess in einem Kiez. Zum Beispiel wenn Studenten und Kreative in eine billige Wohngegend ziehen, Cafés und Galerien folgen, die Gegend „aufgewertet“ wird und die Mieten steigen – bis die nicht so zahlungskräftige Bevölkerung vertrieben wird. Die Veranstalter hatten allerdings nicht zu Brandanschlägen aufgerufen.

ICH HALTE DAGEGEN:

 

Durchmischung fördern! Keine Apartheid!

“ … bis die nicht so zahlungskräftige Bevölkerung vertrieben wird“. Leider plappert sogar Frau Heitmüller den Unsinn nach, es werde die angestammte Bevölkerung „vertrieben“. Das ist grober Unfug. Eine Vertreibung wie etwa die der Indianer in den USA, der Hereros durch die Deutschen, der Deutschen aus der Tschechoslowakei ist nicht im Ansatz zu erkennen. Nicht einmal eine Verdrängung der bisherigen Mieter findet in nachweisbarem Umfang statt, das hat selbst Bürgermeister Franz Schulz festgestellt. Sicherlich hat dank der über Jahrzehnte fortgesetzten Mietpreisbindung im sozialen Wohnungsbau eine Verdrängung der angestammten Mieter stattgefunden. Die künstliche Niederhaltung der Mieten hat zu Mauerzeiten in weiten Teilen Kreuzbergs zu einer massiven Verschlechterung der Wohnqualität geführt. Die deutschen Familien mit Kindern haben Reißaus ergriffen, sobald sie es sich leisten konnten. Für nachziehende Familien aus der Türkei, für Sozialhilfeempfänger, für Arbeitslose und Studenten wurde billiger, bezahlbarer Wohnraum frei. Politisch gewollte Niedrigstmieten wie im alten SO 36 führen zu einer Ballung sozialer Probleme. Das Ergebnis sind heute Verhältnisse wie am Kottbusser Platz. Eine bessere Durchmischung der sozialen Milieus ist dringend geboten. Die neuen Wohnungen und sanierten Häuser in gehobener Qualität müssen allen willkommen sein, die das Wohnumfeld in Kreuzberg für Familien von Selbstverdienern wieder attraktiv machen wollen. Die reaktionäre Parole der ewiggestrigen Konservativen „Yuppies vertreiben – Junkies bleiben“ ist das falscheste Signal. Die Mischung macht’s. Wir brauchen ein sichtbares Zeichen gegen Vertreibungen! Und die Vertreibungen werden einzig und allein von den reaktionären Kräften der Zündler, Schmierer und Plärrer angedroht.

 

HEY PEOPLE! STOP HOOLIGANISM. STOP THE SELF-DECLARED PETTY TALIBAN. STOP GRAFFITI. IT SUCKS.


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Feb 282009
 

Immer wieder höre ich die niederschmetternde Nachricht, dass erwachsene Menschen von 351.- im Monat leben sollen. Wohlmeinende Politikerinnen sagen dann auch gerne: entwürdigend, „zum Leben zu viel, zum Sterben zu wenig“ und dergleichen mehr. Seufz! In unserem Wahlkreis treten Kandidaten an, die eine Aufstockung dieses erbärmlichen Satzes verlangen.

Diese 351 Euro sind der gegenwärtige Regelsatz zum Lebensunterhalt für Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Kann man davon leben? Ich erkundige mich bei den Betroffenen selbst. Ihre eindeutige Antwort: Ja, es geht. Zwar kann man keinen Flachbildfernseher davon kaufen, aber ein üblicher Fernseher gehört zur Erstausstattung einer Wohnung. Und diese wird bezahlt.

Ja, wie denn das? Antwort: Die 351 Euro sind nur der Geldbetrag, der unabhängig vom tatsächlichen Bedarf ausgezahlt wird. Zusätzlich zu diesem Regelsatz übernimmt die Gemeinschaft jedoch für die Hartz-IV-Empfänger:

Miete, Heizkosten, Steuern, Krankenkassenbeiträge, Zuzahlungen bei Zahnersatz, Schulbücher, Möbel bei Erstausstattung einer Wohnung, Babykleidung bei Erstausstattung, mehrtägige Klassenfahrten, GEZ-Gebühren, Schornsteinfeger, Gebühren für Straßenreinigung, Haushaltsgeräte bei Erstausstattung einer Wohnung, Mietkaution, Umzugskosten, Pflegeversicherungsbeiträge, Arbeitslosenversicherungsbeiträge

Wieviel Geld ist das? Ich rechne für uns nach und komme zum Schluss: Ein Mehrfaches des sogenannten Regelsatzes. Man kann grob gerechnet davon ausgehen, dass jeder Hartz-IV-empfangende Erwachsene etwa 1500 Euro pro Monat an Zuwendungen erhält.

Zum Thema Auto: Ein Auto, das mehr als 7500 Euro wert ist, wird als Vermögen angerechnet, d.h.: Nur bis zum Wert von 7500 Euro gilt ein PKW als „angemessen“ und gilt als Schonvermögen. Ob die Hartz-IV-Empfänger Anspruch auf Auszahlung der Abwrackprämie zur Anschaffung eines Neu-PKWs haben, wird derzeit im Arbeitsministerium geprüft.

Wie können die Hartz-IV-Empfänger überleben? Die Antwort haben wir uns selbst gegeben. Die Gemeinschaft übernimmt die gesamten Grundkosten der Existenzsicherung; diese Kosten sind die eigentliche Unterstützung, und darauf gibt es dann noch zusätzlich die 351 Euro. Damit kann man keine großen Sprünge machen, aber es müsste eigentlich reichen. Eine ökologisch verantwortliche Lebensführung ist damit möglich. Gegenüber den Nicht-EU-Ländern wie etwa Russland, Ukraine, Weißrussland, Türkei, Serbien, Montenegro, Libanon usw. sind dies geradezu üppige Verhältnisse. Und unseren deutschen Hartz-IV-Empfängern geht es statistisch weit besser als den Sozialhilfeempfängern in vielen EU-Ländern.

Eine Erhöhung des Regelsatzes von 351 auf 360 Euro – wie von der Linken gefordert – entspräche dann einer Aufbesserung der Hartz-IV-Versorgung um etwa 0,6%. Lohnt es sich, diese 0,6%  als echten Wahlkampfknaller zu verwenden? Wird sich dadurch etwas Grundlegendes an der Situation ändern?

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Muss das sein – die arme Felge!

 Fahrrad, Friedrichshain-Kreuzberg, Mieten  Kommentare deaktiviert für Muss das sein – die arme Felge!
Mrz 102008
 

10032008_felgenkiller.jpg Jeden Tag laufe ich in meinem Hof an einer Installation der Vergänglichkeit vorbei, die nachgerade ein bewegender Aufruf für bessere Fahrradabstellanlagen ist. Das Fahrrad eines Mieters, dessen Vorderrad erbärmlich zugerichtet ist. Grund: Nur mit dem Vorderrad ist das Fahrzeug eingestellt. „Wenn das Fahrrad nur mit dem Vorderrad eingestellt wird, ist es an der empfindlichsten Stelle stabilisiert. Das hat zur Folge, dass die Felge leicht verbiegt“, warnt Roland Huth vom Bundesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Geht es auch besser? Aber ja! Für die Aufstellung in Höfen empfiehlt Wilhelm Hörmann vom ADFC zwei Modelle: den Beta Focus XXL von Orion Bausysteme in Biebenheim und den Genius L15 vom Hersteller Langer in Langelsheim. „Bei den Modellen sind die Kriterien Diebstahlschutz, Standsicherheit und gute Zugänglichkeit erfüllt.“ Und als echter Kreuzberger bin ich natürlich besonders stolz auf den „Kreuzberger Bügel“, der sich mittlerweile bestens bewährt hat und den Ruf unseres zunehmend fahrradfreundlichen Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg in die Welt hinausträgt! Zu besichtigen vielerorten, etwa vor dem Gebäude der AGB oder dem Rathaus in der Yorckstraße. Wir Mieter haben wegen der „Felgenkiller“ bereits an die Hausverwaltung geschrieben – einen Brief mit 45 Unterschriften. Die Antwort war abschlägig: Der Denkmalschutz lasse die Montage besserer Abstellvorrichtungen nicht zu.

Zitate aus: „Der Felgenkiller muss nicht sein.“ Von Michaela Maria Müller, in: MieterMagazin Heft 3/2008, S. 21

 Posted by at 00:29