Unser gestern aufgenommenes Bild zeigt einen Fluss, eine Brücke, einen Turm. Leben ist Aufbruch. Leben ist ein „Über-den-Fluss-Gehen“. Leben ist ständiger Wandel! Wo kein Wandel stattfindet, zieht Muff und Schimmel ein.
Die Sozialwohnungen an der Schöneberger Straße in Kreuzberg sind der späte Musterfall eines Berliner Sozialghettos, vergleichbar der bundesweit bekannten, klassischen Schöneberger Pallassiedlung. Auch wenn’s bei uns in Kreuzberg-West viel hübscher und IBA-würdiger zugeht. Das ergeben meine Gespräche mit Nachbarn, Freunden, Bekannten immer wieder. Hier haben sich extrem abgeschlossene Milieus gebildet, aus denen ein Ausstieg oder Aufstieg kaum möglich ist.
Eine komplette Umstrukturierung der Mieterschaft ist das Beste, was diesen Menschen selbst, diesem Fanny-Hensel-Kiez und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern geschen kann. Manche sollten wegziehen, manche sollten zuziehen, vorzugsweise selbstverdienende Menschen ohne Arabisch-, aber mit guten Deutschkenntnissen. Das hat nichts mit „Vertreibung“ zu tun. Das Wort Vertreibung ist in diesem Zusammenhang grotesker Unfug. Jeder, der die Zuzugsgeschichte der Menschen im Fanny-Hensel-Quartier kennt, wird beim Wort „Vertreibung“ nur den Kopf schütteln können.
Alle sollten dann dahin ziehen, wo für sie etwas Neues erkennbar ist. Durch eigene Arbeit, durch eigene Anstrengungen sollen sich die Menschen etwas aufbauen. In welcher Gegend? In Berlin? In Beirut, in Düsseldorf? In welchem Land? Das sollen sie selbst entscheiden! Da, wo sie sich am wohlsten fühlen, da, wo sie durch eigene Anstrengungen etwas beisteuern können zum Glück ihrer Kinder, zu ihrem eigenen Glück.
Natürlich: Wieder drücken allerlei selbsternannte Interessenvertreter die Tränendrüsen, sprechen von sozialer Kälte, von „Unsozialem Wohnungsbau“. So ein Artikel in der Jungen Welt vom 01.03.2010. So auch der Artikel auf S. 8 im neuesten MieterMagazin des Berliner Mietervereins, dessen Mitglied ich bin.
Die Berichte der Journalisten zeugen wieder und wieder von einer gewissen Unbekanntschaft mit der Lage vor Ort. Ich kann mir das nur so erklären, dass sie keine direkten Kontakte zu Betroffenen aufgebaut haben, etwa weil die Journalisten keine Arabischkenntnisse haben und deshalb nicht an die richtigen Informationen herankommen.
Hier ergeht nun mein Ruf an die Stadtentwicklungssenatorin: Frau Junge-Reyer, bleiben Sie hart! Sie tun durch Härte den vermeintlich „vertriebenen“ Menschen etwas Gutes.
01.03.2010: Seht, wo ihr bleibt (Tageszeitung junge Welt)
Zwar lassen die von der Koalition 2007 verabschiedeten »Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Mietausgleich und Umzugskostenhilfe für vom Wegfall der Anschlußförderung betroffene Mieter im Sozialen Wohnungsbau« so etwas zu. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) lehnt die Unterstützung mit Verweis auf den »entspannten Wohnungsmarkt« jedoch kategorisch ab. Lediglich Umzugshilfen in Ausnahmefällen kämen nach Einzelfallprüfung in Betracht. Der Berliner Mieterverein sieht angesichts der Rechtslage für die überwiegend sozial schwachen Familien keine Alternative zum Auszug.