Ja und Nein: das ist Politik

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Feb 142009
 

Recht ordentlich schlägt sich Kandidat Ströbele, den die Besatzer des Bethanien laut hasserfüllten Graffiti am liebsten aus Deutschland schmeißen wollen, auf Abgeordnetenwatch.de.   Im letzten Beitrag antwortet er auf eine Anfrage einer Bürgerin, die sich für eine Gesetzgebung gegen hassgeleitete Vergehen einsetzt. Ströbele bleibt skeptisch – als gewiefter Politiker antwortet er jedoch weder mit ja noch mit nein. Er sagt:

abgeordnetenwatch.de: Hans-Christian Ströbele
Die Hate-Crime-Gesetzgebung stammt aus dem anglo-amerikanischen Recht. Rechtspolitiker der grünen Fraktion teilen mit mir die Skepsis, ob die Übertragung dieser Gesetzgebung auf das deutsche Rechtssystem und die in dem Gesetzesentwurf voreschlagene Regelung zielführend und erforderlich ist. Schon nach geltendem deutschen Strafrecht, sind bei der Strafzumessung „Beweggründe und Ziele des Täters“ zu berücksichtigen. Das trifft auch für die „Gesinnung“ zu, aber nur insoweit als sie „aus der Tat spricht“. So steht es im geltenden § 46 StGB. Das bedeutet, daß nicht allgemein die Gesinnung des Täters bestraft oder strafverschärfend gewertet wird, sondern nur soweit sie sich in der Tat manifestiert. Gesinnungsstrafrecht und Gesinnungsüberprüfung können wir nicht haben wollen, selbst wenn die Gesinnung noch so absurd, fehlgeleitet oder verwerflich ist.

Ich persönlich teile in diesem Fall Ströbeles Skepsis. Wir haben bereits im Strafrecht den Begriff der „Verwerflichkeit“, des „niedrigen Beweggrundes“, der „Heimtücke“- wie sie etwa als Merkmal für den Tatbestand des Mordes gefordert wird.

Ich bin der Meinung: Wir brauchen keine eigene Gesetzgebung wegen „niedriger Gesinnung“, „verwerflicher Gefühle“ oder ähnlicher, letztlich nur subjektiv wägbarer Tatumstände.

Es wäre schön gewesen, wenn Ströbele sich mit Ja oder Nein zum Thema „Hassgesetzgebung“ geäußert hätte.

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Feb 142009
 

13022009008.jpg Wie erwartet: Die Besichtigung des Bethanien gestern war nicht lustig, aber aufschlussreich. Besonders zu empfehlen: Das genaue Studium der aktuellen Wandinschriften im weithin gerühmten Südflügel des Gebäudes. Es ist ein Gebäude, das sich im Eigentum des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg befindet. Und was lesen wir denn da? Hier eine Kostprobe:

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Wir entziffern: Underground Ratmole: Anarchieordnung

Und darunter:

Wir entziffern: Freiheit

Aha. Der „Untergrund-Rattenmaulwurf“ verlangt die Anarchieordnung. Das soll wohl die Losung für das neue soziokulturelle Zentrum werden, das der Bezirk hier einrichtet. Aber wird die türkisch-arabische Bevölkerungsmehrheit im Kiez mit dieser Losung einverstanden sein? Zweifel sind angebracht. Wie die meisten Besatzungstruppen, scheinen auch die Besatzer des Bethanien-Südflügels keinerlei Interesse an den Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung zu haben.

Wie aber sieht die so ersehnte Freiheit nach den Vorstellungen der Besatzungstruppen im Südflügel aus? Die Antwort kann man jederzeit auf einem ganzen Quadratmeter darüber nachlesen. Im Südflügel. Im Bethanien. Wir entziffern getreulich, was wir gestern lasen:

ihr kriegt uns hier nicht raus, das ist unser HAUS, schmeißt doch endlich Schmidt, Merkel, Stoiber, Ströbele, THIERSE, FISCHER, WESTERWELLE und TRITTIN aus DEUTSCHLAND RAUS

(Großschreibung lt. Original)

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Mit den Besatzungstruppen, vertreten durch den Verein Druschba e.V., die solche Vorsätze auf ihre Zimmerwände schreiben, hat unser Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg soeben einen gültigen Mietvertrag geschlossen. Die Besatzer des Bethanien sinnen also ganz offen auf eine große Säuberungswelle, die DEUTSCHLAND endlich von den Vertretern des verhassten „Systems“ befreien soll. Das ist ihre Vorstellung von Freiheit.

Man kann die Ideale der Bethanien-Besatzer auch so formulieren: „Wir nehmen uns die Freiheit, euch jene Freiheit zu nehmen, die ihr uns gegeben habt. Wir werden uns diese Freiheit weiter nehmen. Dann seid ihr dran, endgültig.“ Ihr mutmaßliches Ziel: Ein Deutschland ganz in ihrer Hand. Schaut euch doch genau die Graffiti an, die das Gebäude nahtlos innen und außen bedecken. Wichtig: Man muss Englisch und Deutsch können, um sie zu verstehen.

Das ehemalige Diakonissenkrankenhaus Bethanien im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gleicht heute einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt, in der einige sich selbst einliefernde, schwerst wahngestörte Patienten die Macht ergriffen haben und nun mit dem Klinikpersonal – den Ärzten, Betreuern und Schwestern aus dem Bezirksamt – darüber verhandeln, ob die Rollen vertauscht werden sollen nach dem Motto: „Ihr fliegt raus – wir bleiben!“

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Mir wurde gestern eines klar: Der Bezirk spielt, seit die Besatzer 2005 in den Südflügel einmarschierten, den Biedermann, der die „Brandstifter“, die  in Gestalt der Druschba-Besatzungstruppen auftreten, vertraglich beschwichtigen oder „einbinden“ will. Druschba heißt ja Freundschaft! Und wer mit diesen freundschaftlichen Besatzern Verträge schließt, sollte auch das Großgeschriebene zur Kenntnis nehmen: Die geplante Vertreibung der verhassten deutschen Funktionselite quer durch alle Parteien – nebenbei einschließlich unserer bürgerlichen Mehrheitspartei im Bezirk – Die Grünen.

Die Schrift ist an der Wand, man muss sie nur zur Kenntnis nehmen.

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Die erste Vertreibung haben die freundschaftlichen Besatzungstruppen bereits erreicht. Das Künstlerhaus Bethanien, einer der wichtigen Mieter dieses bezirkseigenen Gebäudes, verlässt in diesem Jahr das Haus. Nicht ohne noch einen höchst freundschaftlichen Fußtritt vom Vermieter in Gestalt einer doppelt bis dreifach erhöhten Miete zu erhalten.

Wird die Musikschule folgen und ebenfalls vertrieben werden? Ein hoffnungsvoller Anfang ist gemacht! Man darf gespannt sein, wie lange der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das Besatzungsregime noch unterstützen wird.

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Zur Vertiefung des Hintergrunds empfehle ich, im Archiv der Berliner Zeitung das Stichwort „Bethanien“ einzugeben. Dann tauchen nämlich die zugehörigen Artikel nicht in zeitlicher Ordnung auf. Man wird dann, wenn man das Datum der Veröffentlichung einmal beiseite lässt, das ganze lustige, labyrinthisch wuselnde Katz-und-Maus-Spiel, in dem das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg sich schon seit 2005 zum Narren halten lässt,  wunderbar nachvollziehen. Dazu reicht es aus, die Überschriften nachzulesen. Hier nur einige wenige:

„Ein garstiges Allerlei“ – „Alles auf Anfang“ – „Nase voll von den Besetzern und der Politik“

Alle Fotos zeigen das ehemalige Diakonissenkrankenhaus  Bethanien am gestrigen Tage. Der frühere Zustand ist derzeit noch in der Wikipedia unter Bethanien (Berlin) zu betrachten.

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Was ist los im Krankenhaus Bethanien?

 Aus unserem Leben, Friedrichshain-Kreuzberg, Geige  Kommentare deaktiviert für Was ist los im Krankenhaus Bethanien?
Feb 132009
 

Es war im Bethanien … Mein erstes Probespiel als Geiger absolvierte ich in diesem ehemaligen Diakonissenkrankenhaus beim Salonorchester Die Berliner Stadtmusikanten im Jahre 1987 für den anspruchsvollen Posten des Sologeigers – und gewann es. Von Stund an war ich neben meinem Literatur- und Philosophiestudium an der FU Tanzgeiger und verdiente mir ein hübsches Zubrot auf allerlei Bürgerfesten, Feiern und Tanzveranstaltungen. Zu unserem Repertoire gehörten unvergessliche Perlen wie die Tritsch-Tratsch-Polka, die Petersburger Schlittenfahrt, Es war in Schöneberg …, aber auch der Freischütz auf 30 Minuten eingedampft. Und meine herrliche Studentenzeit wurde dadurch verlängert!  Wir probten immer – im Bethanien!

Gar nicht so lustig, vielmehr völlig verfahren – buchstäblich krank – erscheint heute die Lage im ehemaligen Diakonissenkrankenhaus. Werde da heute mal zum Treff mit Kandidatin Vera Lengsfeld und dem Herrn Tannert hingehen und versuchen, mehr zu erfahren. Hier als Einstimmung ein Bericht aus der WELT vom 24.01.2009:

Bezirk verdoppelt Künstlern die Miete – DIE WELT – WELT ONLINE
Die Besetzung des Bethanienhauses in Kreuzberg geht weiter. Aber es sind nicht länger die linken Aktivisten, die vor dreieinhalb Jahren in den Südflügel des ehemaligen Krankenhauses am Mariannenplatz einstiegen und seither die Räume nutzten. Mit ihnen hat der Bezirk vergangene Woche einen Mietvertrag abgeschlossen. Für 1500 Quadratmeter soll der Verein Druschba, der die Besetzer vertritt, 8900 Euro monatlich aufbringen.

Aber jetzt hat der renommierteste Mieter, das Künstlerhaus Bethanien, „Mietboykott“ angekündigt. „Wir machen es wie die Besetzer“, sagte Künstlerhaus-Geschäftsführer Christoph Tannert: „Wir werden nicht bezahlen.“

Damit eskaliert der Streit zwischen dem Bezirksamt und der Kultureinrichtung, die internationalen Künstlern Ateliers bietet und anspruchsvolle Ausstellungen zeigt. Denn der Bezirk hat dem Künstlerhaus zum Jahresanfang die Miete nahezu verdoppelt. Statt 16 000 Euro warm soll Tannert nun 31 000 Euro bezahlen. „Das können wir nicht, wir sind Zuwendungsempfänger des Senats“, so der Geschäftsführer. Tannert nennt die neue Forderung des Bezirks den „Höhepunkt in 30 Jahren Vernachlässigung“ für die Kultureinrichtung, die sich auch im grün-alternativen Kiez nicht scheut, sich zur Begabtenförderung zu bekennen.

Das Foto bietet einen Blick auf die Rückseite des Bethanien, im Blütenschimmer des April 2008.

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Feb 132009
 

Teilnehmer:

Wulf Bernotat, Vorstandsvorsitzender E.ON AG

Volker Kauder, deutscher Politiker, MdB

Sahra Wagenknecht, deutsche Politikerin, MdEP

Prof. Dr. Stefan Homburg, Finanzwissenschaftler

Björn Böhning, deutscher Politiker, Direktkandidat Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost

Volker Schlöndorff, Regisseur, ehemals Student der Volkswirtschaftslehre in Paris

Zwischenrufe des schreibenden Bloggers werden hier in diesem Kurzprotokoll kursiv gesetzt.

Kauder tischt gleich zu Beginn erneut den Begriff „systemrelevante Bank“ auf. Durch den Zusammenbruch von Lehman Brothers sei die Krise ausgelöst worden. Ausgelöst ja – aber doch nicht verursacht! „Wir dürfen solche Banken nicht in den Konkurs treiben!“ Aber es waren nicht wir, die die Banken in den Konkurs getrieben haben! Nicht überzeugend, Herr Kauder.

Sahrah Wagenknecht hat leichtes Spiel. Sie steht besser da mit ihren Argumenten.

Böhning befürwortet Verstaatlichung, führt den Crash auf einen Mangel an Mitbestimmung zurück.  Mehr Mitbestimmung würde zur Crashverhinderung geführt haben. Glaub ich nicht.

Stefan Homburg weist die Eingriffe des Staates zurück.Teilt die Einschätzung aller möglichen Geldhäuser als „relevante Bank“ nicht! „Die Welt ist nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers nicht untergegangen.“ Sehr gut, in Insolvenz gehen lassen. Dicker Punkt für Homburg!

Schlöndorff warnt vor Panik. Wirbt für Augenmaß – sehr gut! Politik kann weniger als die Politiker denken! Just do it! Machen, anschauen, rangehen, „amerikanische Tugenden“! Big Point für Schlöndorff!

„Madame No“ hatte recht zu zaudern – ja warum treibt ihr sie dann zu solchen unbedachten Maßnahmen, Herr Kauder?

Wagenknecht redet mal wieder das Chaos herbei, verbreitet Weltuntergangsstimmung. Das Übliche.

„Sozialismus kommt nicht wieder.“ Kauder

„Keiner will die DDR wiederhaben“. Wagenknecht

Bernotat: „Es ist eine unternehmerische Aufgabe.“ Gut!

Böhning: Will Zugriff auf Unternehmen, die beim Staat unterkriechen.

„Wir sind Feuerwehr“ – sagt Kauder, – aber das Haus brennt schon lichterloh!

Verfassungsrechtler Prof. Dr. Ulrich Battis redet Klartext: Art. 15 GG erlaubt die Sozialisierung. Politisch derzeit nicht durchsetzbar. 1949 erfolgte im GG keine Festlegung auf eine Wirtschaftsordnung. Unüberbrückbarer Gegensatz. Ahlener Programm der CDU 1946 wollte christlichen Sozialismus. Guter Punkt! Staaten können Eigentümer von Unternehmen sein. „Bürge nie!“ lernt der Jurastudent im ersten Semester.

Bernotat: „Soziale Marktwirtschaft hat Wohlstand erarbeitet, jetzt sind wir in einer temporären Krise.“

Wagenknecht fordert Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums ein. Fährt schweres Geschütz gegen die „Abzocke“ von E.On auf.

Homburg  hält bessere Bankenregulierung für illusorisch. Lange Geschichte der Misserfolge der Bankenregulierung. Er fordert: Persönliches Fehlverhalten muss persönlich bestraft werden.

Homburg nickt zustimmend, als Böhning vor den Übernahmephantasien der Unternehmen warnt.

Riesige Mehrheit der Bundesbürger wünscht laut Stern-Umfrage Staatshilfen oder Verstaatlichung der Energie- und Versorgungswirtschaft.  Absurd, der Glaube an den Obrigkeitsstaat.

Volker Schlöndorff weist auf Sicherheitsbedürfnis hin. Die meisten erwarten vom Staat, er solle für sie die Rundum-Sorglos-Existenz sichern. Guter Punkt.

Böhning: Überhitzung der Finanzmärkte machen die Finanzprodukte völlig undurchschaubar. Fordert mehr Demokratie auf den Finanzmärkten.

„Wird mein Arbeitsplatz erhalten?“Ich sage: Dies kann kein Staat versprechen!

Homburg: „Der Albtraum geht jeden Morgen weiter.“ Die Bundesregierung leistet dem Vorschub. „Ich würde die Familie Schaeffler nachhause schicken – auch die Banken.“ „Man braucht nicht die Banken zu schützen, nur die Sparer.“

Wagenknecht sahnt mit wohlfeilen Sprüchen ab: „Die Frau Schaeffler kriegte den Hals nicht voll genug.“

Kauder: „Treten Sie mal vor die Arbeiter und sagen Ihr Arbeitsplatz geht verloren. Können Sie so herzlos sein?“ Ja, Herr Kauder, das ist wieder die Selbstüberschätzung der Politik. Die Politik kann nicht Arbeitsplätze retten. Papa Staat soll Arbeitsplätze für 6 oder 12 Monate erhalten?

Homburg: KfW LBB … alles staatliche Banken, die in Schieflage sind.

Böhning fordert konjunkturelle Maßnahmen. Staatliche Organisation der Grundversorgung.

Bernotat: Man braucht mehr Kompetenz, mehr Fachwissen in den Aufsichtsräten.

Schlöndorff plädiert für ideologiefreie Mischformen der Wirtschaft.

Schlöndorff: „Auf den einzelnen kommt es an.

Homburg: Eine Insolvenz ist nicht so schlimm, wie es klingt.

Mein Fazit NACH der Sendung:

Die Politiker Kauder, Böhning und Wagenknecht konnten mich quer durch die Parteien alle nicht überzeugen.

Den Fachleuten aus Wirtschaft (Bernotat) und Wissenschaft (Prof. Dr. Homburg, Prof. Dr.  Battis) und auch Herrn Volker Schlöndorff musste ich hingegen fast immer zustimmen. Sie haben ja weitgehend das ausgesprochen, was ich vor der Sendung hier niedergeschrieben habe.

Meine Meinung von VOR der Sendung muss ich insofern korrigieren,  als ich jetzt sage: Der Staat stand nicht in der Verpflichtung, einzelne Banken vor dem selbstverschuldeten Untergang zu bewahren. Ich nehme dieses Argument zurück, wonach die Politik, der Staat es versäumt habe, die Banken durch zusätzliche Regulierung vor dem Zusammenbruch zu schützen.

Die Geldhäuser haben in großem Umfang Fehler gemacht – dafür sollten sie jetzt geradestehen. Die staatlichen Rettungs- und Allmachtsphantasien sollten abgeschüttelt werden.

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ZDF.de – Comeback der Kombinate?

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Feb 122009
 

Gut besetzt ist die Sendung Maybritt Illner heute um 22.15 Uhr. Sogar einer unserer Wahlkreiskandidaten ist dabei. Wieder einmal zeigt sich: An Friedrichshain-Kreuzberg führt kein Weg vorbei!

ZDF.de – Comeback der Kombinate?

Meine persönlichen Positionen VOR der Sendung:

1. Es ist eine Finanz- und Wirtschaftskrise da – diese nahm vom Finanzsektor ihren Ausgang.  Im Finanzsektor häuften sich über mehrere Jahre hinweg Probleme an, die von einigen Kennern auch zutreffend benannt wurden.

2. Da die politischen Akteure (Parlamente, Regierungen) sich nicht beizeiten auf gemeinsame Maßnahmen zur Bekämpfung der aufziehenden Krise einigen konnten, schlägt die Finanzkrise nun in voller Härte auch auf die Wirtschaft insgesamt durch.

3. Die Entscheider in den großen Finanzinstituten haben es versäumt, vor den Gefahren, die sie selbstverständlich erkannten, in ausreichendem Maße zu warnen.

4. Als es zu spät war, haben die zunächst betroffenen Institute es erfolgreich vermocht, die nicht in Zahlen belegbare Gefahr eines „systemischen Scheiterns“  an die Wand zu malen, um die eigene Haut zu retten. Dadurch gelang es ihnen, in großem Umfang Rettungsaktionen der öffentlichen Hand zu erwirken.

5. Die Akteure in Staat und Parlamenten waren insgesamt viel zu leichtgläubig. Sie haben gigantische Summen bereitgestellt oder ausgegeben, die weder die beabsichtigte Wirkung erzielen werden noch auch wieder zurückgeholt werden können.

6. Da die öffentliche Hand schon so viel Geld bereitgestellt hat, das nunmehr verloren ist, versucht sie, schlechtem Geld noch mehr Geld hinterherzuwerfen. Denn niemand will das eigene Scheitern eingestehen – nach dem Motto: lieber ein Schrecken ohne Ende als ein Ende mit Schrecken.

7. Ich kenne keinen Politiker, der so ehrlich wäre anzukündigen: Wir haben alle viel Geld durch eigene Versäumnisse vergeudet. Dies bedeutet, dass wir Wohlstand einbüßen werden. Ich hoffe, dass der neue Wirtschaftminister – wie schon beim Thema Afghanistan – den Mut findet zu sagen: „Unsere bisherige Straegie ist gescheitert.“

8. Meine Voraussage zu den Wahlen: Die große Koalition in Deutschland geht erheblich beschädigt aus dieser Krise hervor, es sei denn, der neue Wirtschaftsminister würfe das Steuer entschieden herum. Gewinner werden im Wahljahr 2009 aufs Ganze gesehen die Oppositionsparteien sein – zunächst und am stärksten die FDP, am zweitstärksten die Linke, und mit dem drittstärksten, aber geringsten Zuwachs die Grünen. Die SPD verharrt auf niedrigem Niveau, die CDU wird gegenüber 2005 noch einmal verlieren, sofern sie nicht umsteuert und eigene Fehler offen benennt.

9. Keine politische Kraft hat es bisher verstanden, den zu erwartenden Verlust an Wohlstand in ein sinnvolles Konzept für ein Nach-der-Krise-Szenario umzumünzen. Als Hauptgrund dafür meine ich zu erkennen, dass keine Partei den Wählern die harte Wahrheit ins Gesicht sagen will: „Wenn ihr uns wählt, wird es euch finanziell schlechter gehen als bisher. Ihr werdet Abstriche machen müssen. Ihr werdet härter arbeiten müssen. Aber mit den richtigen Konzepten, mit Beharrlichkeit und Fleiß schaffen wir es.“

10. Ich vermisse weltweit das Bewusstsein für die nichtmateriellen Werte, die den Erfolg der Marktwirtschaft ermöglicht haben: die Eigenverantwortung der Wirtschaftsunternehmen, die Begrenztheit staatlichen Handelns, die Ausgesetztheit des Wirtschaftens. Es herrscht Wirtschaft total! Man will zu viel Sicherheit, weil man echte Armut nicht kennt. Nicht umsonst kreiste in der ersten heißen Phase der Finanzkrise die Debatte um „Sicherheiten“, „Bürgschaften“, „Schutzschirme“ – man hat das Blaue vom Himmel herunter versprochen. Irgendwann wird es ein Erwachen geben.

 Posted by at 23:06
Feb 122009
 

Am 5.11.2008 fragten wir in diesem Blog: „Verändert das Internet die Politik?“ Heute fragen wir noch genauer: Verändert das Internet den Wahlkampf? Und wir drücken uns heute – im Gegensatz zu damals – um eine Antwort. Denn ich antworte: Das wird man sehen in diesem Superwahljahr … Ich meine: Von wenigen besonders aufregenden Wahlkreisen wie Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost abgesehen, wird die Hauptmasse des Wahlkampfs weiterhin im herkömmlichen Ein-Weg-Betrieb ablaufen: Politikerin sendet, Bürgerin empfängt oder schaltet lieber gleich auf Durchzug zur besseren Phrasenvermeidung. Muss das so bleiben? Ich denke nein.

Magazin zitty.de
Noch haben vor allem Politiker Angst vor dem Kontrollverlust im Web, wenn jeder Bürger seinen Senf per Videoantwort abgibt. „Die Diskussion zeigt, wie wenig Politiker den Bürgern zutrauen“, sagt Moorstedt.

Guter Artikel zu dem Thema in der neuen zitty!  Wie schlagen sich unsere heimischen Politikerinnen im Netz? Wir können eigentlich nicht klagen! Immerhin hat Vera Lengsfeld z.B. ihr Wahlblog eingerichtet, wo man auch bereits jederzeit posten kann. Mal kucken, ob die Wähler die Chancen ergreifen, die sich dadurch bieten, würd ich sagen! Björn Böhning hat auch postwendend auf meine Anfrage vom 05.02.2009 reagiert. Das gefällt  mir, danke.  Man kann also im Internet einfach an jeden Politiker rantreten und ihn oder sie behelligen? Sieht so aus.

Wer immer nur zuschaut, ohne selbst das Wort zu ergreifen, wird nichts verändern. Was sagt ein Fachmann dazu? Hören wir doch einen aus der zitty:

Der Journalist und Buchautor Tobias Moorstedt hat eine Ahnung davon, wie das Internet den Kampf um die Wählerstimmen verändern wird. Moorstedt  hat den digitalen US-Wahlkampf begleitet. Er hat die Programmierer, Designer und Strategen getroffen, die Obamas iPhone-Application erdacht und seine Webcommunity gebaut haben. „30 Prozent aller Amerikaner wurden direkt von Obama kontaktiert. Die Technologie hat ermöglicht, dass Freiwillige direkt bei ihren Freunden und Bekannten für Obama geworben haben“, erklärt Moorstedt. Er weiß auch, dass ein solcher Aufwand in Deutschland nicht betrieben wird. Fast 100 Mitarbeiter hatte Obama nur im New Media Team. „Es ist unvorstellbar, dass Steinmeier so viele Menschen beschäftigen könnte.“ Moorstedt erzählt vom Besuch der deutschen Volksparteien bei Blue State Digital, dem Unternehmen hinter Obamas Online-Aktivitäten. Trotz beidseitigem Interesse kamen keine Verträge zustande. Sechsstellige Dollarbeträge im Monat geben die Parteikassen nicht her.

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Feb 122009
 

Diese Zahlen da oben, das sind Jahreszahlen. Hans Hugo Klein nennt sie in der heutigen FAZ auf Seite 10 als die entscheidenden Jahre, in denen die Spaltung Europas besiegelt wurde – die Spaltung in einen Westen und einen Osten. Denn das Schisma zwischen römisch-katholischer und griechisch-orthodoxer Kirche (1054), der verheerende Feldzug („Kreuzzug“) gegen Byzanz (1204) und die Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen (1453) waren Ereignisse mit Wasserscheiden-Charakter. „Nachher“ war es anders als „Vorher“ – sowohl im Bewusstsein der Zeitgenossen wie auch für uns Heutige in der Rückschau.

Seither ist Europa eigentlich doppelgesichtig – es gibt den lateinisch geprägten Westen und den griechisch, später auch teilweise islamisch geprägten Osten. Länder wie Deutschland, Polen, Kroatien oder Ungarn gehören demnach zum „Westen“, Griechenland, Bulgarien, Serbien und Rumänien hingegen zum „Osten“.

Die Behauptung Kleins ist: Europa habe kein einigendes Band, keine gemeinsame Identität, das diese Hälften oder Glieder zusammenhalte. Deshalb sei die Europäische Union vorerst noch keine Schicksalsgemeinschaft, sondern ein zweckgeleitetes Konstrukt.  Zitat:

„Um einem Europa der Bürger näher zu kommen, bedarf es, woran zu arbeiten lange versäumt wurde: der Ausbildung einer europäischen Identität, aus welcher allein die Bereitschaft zur Einordnung in einen Staatenverbund erwachsen kann.“

Das Fehlen eines Bewusstseins von der Identität Europas – das ist ein Mangel, den ich selber ebenfalls bereits festgestellt habe (dieses Blog am 14.12.2008): „Wir wissen nicht, was uns zusammenhält – oder trennt.“  Der Einwurf Hans Hugo Kleins gehört zum besten, was ich in deutschen Zeitungen zu diesem Thema lesen konnte. Lesen, aufheben!

 Posted by at 16:40
Feb 122009
 

Immer wieder spreche ich mit Leuten, die Ideen erst einmal daraufhin abklopfen, aus welcher Partei sie kommen.  „Verstaatlichung“, „Enteignung“ ist diesen Leuten zufolge immer und überall schlecht, weil es eine alte Forderung der marxistischen Linken ist. Zurückdrängen des Autoverkehrs in Städten, Fahrradförderung, Fußgängerschutz sind immer schlecht, weil es eine alte Forderung der ideologischen Grünen ist.

Ein diebisches Vergnügen, das ich mir immer wieder bereite, ist, dass ich Mitgliedern verschiedener Parteien Kernaussagen anderer Parteien vorlege und sie dann bitte,  entweder zuzustimmen oder abzulehnen. Mein Ergebnis: Kunterbunt! Völlig unvorhersagbar. Letztlich ordnen die Menschen den Parteien ein bestimmtes Image zu, aufgrund dessen wählen sie dann. Meist geht es bei der Wahlentscheidung weniger um Politik, sondern um Kleidung, Aussehen, Größe des Vorgartens, PS-Zahl des Autos, Akzente, einen bestimmten Gestus, eine bestimmte Art Anzug-Sakko, eine bestimmte Art zu sprechen oder zu schreiben.

Gerade in der Berliner Landespolitik haben die Parteien meist noch ihren unverkennbaren Ton, ihren satten Sound drauf, an denen man sie auf hundert Meter gegen den Wind erkennen kann. Zum Beispiel das Wort „unsäglich“, dieses Wort, das kenne ich eigentlich nur von einer einzigen Partei, es ist eine Art Mantra geworden, um damit das Regierungshandeln zu charakterisieren.

So ging ich kürzlich an einer Stammtischrunde im Friedrichshainer Café Sybille vorbei. Ich hörte kein einziges Wort, das gesprochen wurde, aber ich fragte dann den Kellner doch: „Ach sagen Sie, das ist doch sicher eine Versammlung der SPD, oder?“ Und – ja, Volltreffer! Allein aufgrund der Kleidung, des Alters und der Ausstrahlung war es mir gelungen, die typische SPD-Runde zu erkennen. So leicht ist das, oder? Genau dasselbe Rate-Spiel könnt ihr mit anderen Parteien oder auch mit Trachtenvereinen anstellen.

Aber die Welt ist nicht so einfach aufgebaut. Die Republikaner in den USA etwa werden üblicherweise als „rechts von den Demokraten“ eingeordnet. Also müssten sie so grüne Forderungen wie etwa die oben genannte Minderung des PKW-Verkehrs ablehnen.

Denkste! Das ehrgeizigste Projekt zur ökologischen Sanierung eines Staates legte der republikanische Gouverneur Schwarzenegger auf, den umfassendsten Plan zur ökologischen Umgestaltung einer Millionenstadt hat ein ach so konservativer, schwerreicher Milliardär, der New Yorker Bürgermeister Bloomberg auf den Weg gebracht. In einem Blog aus New York lesen wir, dass aufgrund dieser Maßnahmen der Fahrradverkehr in der Finanzmetropole allein 2008 um 35% zugenommen hat!

Streetsblog » An Open Letter to NYPD Commissioner Ray Kelly
As you know, Mayor Bloomberg’s PlaNYC: A Greener, Greater New York calls for a range of projects to improve mass transit, reduce congestion and promote bicycling. The plans for transit may be stymied or delayed by the recession, but bicycling is booming in New York. DOT Commissioner Janette Sadik-Khan is painting bike lanes all over town, and many commuters are switching from cars to bicycles to save money, get in shape and reduce their carbon footprint.

In 2008, bicycling in New York City grew by 35%! The cycling boom means New York’s Finest must recognize the rights of bicyclists and accord them the same respect that drivers of cars, trucks and buses receive. A human being encased in two tons of steel has the same moral weight as a human being riding 25 pounds of steel, or one on foot.

Der Beitrag gipfelt in der Forderung, wir bräuchten mehr Fahrrad-Polizisten, um die Sicherheit des Radverkehrs zu erhöhen: Get more cops on bikes! Denn noch fehle es am Respekt der motorisierten Verkehrsteilnehmer.

 Posted by at 16:05

„Ohne Schweiß“ hat seinen Preis

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Feb 122009
 

Gestern sprach ich auf einer internationalen Konferenz mit einem Kollegen. „Ich würde gerne Fahrad fahren, aber ich käme dann so verschwitzt zum Arbeitsort“, gestand er mir. Ja, der Mensch schwitzt. So sind wir gemacht. Ich erfahre das ebenfalls oft am eigenen Leibe. Mein Ausweg: Ich fahre ein bisschen langsamer – und ich plane 10 Minuten mehr zum Abkühlen ein. Dass ist der Preis, den ich für mein Vergnügen zahle, per Fahrrad zur Arbeit zu erscheinen. So erscheine ich proper und wie frisch geduscht bei den Kollegen von der PKW-fahrenden Fraktion. Niemand kann erkennen, dass ich soeben noch mit eigener Muskelkraft im Verkehr mitgeschwommen bin.  Außer an einem untrüglichen Merkmal – dem Fahrradhelm.

Und doch gibt es für den Kollegen jetzt einen schweißfreien Ausweg! Die FAZ berichtet heute:

Elektrofahrräder: Und was habt ihr für ein E-Bike? – Caravan, Boot & Zweirad – Autos und Mehr – FAZ.NET
Dieser Tage vor einer roten Ampel im Badischen: Laut und ziemlich unflätig erregt sich ein Verkehrsteilnehmer aus dem offenen Autofenster. Eben hat er erlebt, dass es ihm nicht gelang, mit seinem Rüsselsheimer Kleinwagen ein Fahrrad zu überholen. Beschleunigungsvermögen und die zur Verfügung stehende Wegstrecke bis zur Ampel haben nicht einmal dafür ausgereicht, aufgleiche Höhe mit dem Fahrrad zu gelangen, um es seitlich abzudrängen. Nun hat der Radfahrer sich Urogenitalitäten anzuhören, die ihm wohl signalisieren sollen, er sei ein Verkehrsrowdy. Dabei hat er sich am rechten Fahrbahnrand mit minimalem Sicherheitsabstand zum ruhenden Verkehr peinlich genau an die innerörtliche Höchstgeschwindigkeit gehalten: Vmax 48,3 km/h zeigt das Display vor ihm. Der Schreihals im Auto ist einfach noch nie einem schnellen Elektrofahrrad begegnet. Aber dazu wird nicht nur dieser Kraftfahrer noch reichlich Gelegenheit erhalten.

 Posted by at 14:16
Feb 112009
 

Nasskaltes Wetter den ganzen Tag über und am Abend. Gut, dass ich nur wenige Hundert Meter zur Teelese zu radeln habe! Gute ADFC-Sitzung gestern abend. Michael Röblitz serviert allerlei erlesenen Tee. Im Hintergund: Lauter Bücher, keine Störung! Der ideale Ort für sachorientiertes Durchackern von Problemen! Wir sprechen über Vandalismus, über die Lust am Fahrradfahren usw. Ich spreche die Null-Toleranz-Politik in New York an: Graffiti, Müll, alte Räder werden sofort entfernt. Der Trend zur Verwahrlosung des öffentlichen Raumes ist in New York gestoppt. New York wird grün, Privatautos werden unter dem republikanischen Bürgermeister Bloomberg weitgehend aus Manhattan verdrängt. Ein Modell für Berlin?

Hier der Ertrag der Sitzung, den ich auf die ADFC-Homepage gesetzt habe:

Stadtteilgruppe verlangt Entfernung von Schrotträdern. Entlang der U-Bahnline 1 stellte die Stadtteilgruppe 50 schrottreife Räder an Abstellanlagen fest, die wertvollen Platz wegnehmen. In einem Brief an das Ordnungsamt und an die BVG forderten ADFC-Mitglieder Christian Schnack und Tom Albrecht am 26.01.2009, dass diese Verschandelungen beseitigt werden. Vermüllung und Taubenkot stellen ebenfalls ein großes Problem an Abstellanlagen dar. Dem Bezirksamt wurde eine detaillierte Liste zur Verfügung gestellt. „Da wir an dieser Strecke bereits ca. 50 Schrotträder gefunden haben, die wertvollen Abstellraum blockieren, rechnen wir mit hunderten solcher Räder im Bezirk.“

Auf der gestrigen Sitzung befasste sich die Stadtteilgruppe darüber hinaus mit der Radverkehrsführung am Südstern. Dort ist die Beschilderung in sich widersprüchlich. Ein regelkonformes Verhalten ist für die Radfahrenden an zwei Stellen nicht möglich.

Im Superwahljahr 2009 kann und soll man den Wahlkreiskandidaten auf den Zahn fühlen! Ein Mitglied versprach, einige Wahlprüfsteine Radverkehr zu erarbeiten, die allen Direktkandidaten im Bundestagswahlkreis 084 Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost vorgelegt werden sollen.

 Posted by at 21:58

Deutschland wird kalt erwischt – von 60 Jahre Grundgesetz

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Feb 112009
 

In den USA habe ich als Jugendlicher mehrere Verfassungsfeiern miterlebt, etwa den Independence Day, ich habe die Independence Hall in Philadelphia besucht, ich habe an verschiedenen Bürgerfesten teilgenommen. Mein Eindruck: „I sing thee, Democracy … Dich besinge ich, Demokratie …“ Mit dieser feierlichen Anrufung der Demokratie, entnommen aus den Grashalmen des Dichters Walt Whitman, fange ich jenes getragen-feierliche Hochgefühl ein, das die Amerikaner – und mich auch – erfasst, wenn wir an die stolzen 233 Jahre Verfassungsgeschichte der USA zurückdenken. Der neue Präsident der USA hat es in ergreifender Weise vermocht, diesen Geist wieder und wieder zu beschwören.

Wie kläglich, wie jämmerlich nimmt sich dagegen bisher die Rückbesinnung auf 60 Jahre Grundgesetz aus! Nur ein Beleg: Die geplante dreitägige Feier um den 23. Mai herum ist geplatzt. Abgesagt. Die SPD fühlt sich übergangen, da nur Unionspolitiker sprechen sollten, ich selbst kriege einen Lachanfall (oder doch eher einen Wutanfall?), wenn ich höre, dass geplant war, Deutschland Unter den Linden allen Ernstes als Autoland darzustellen. Das Bundesverfassungsgericht grummelt und grantelt, weil es sich bei den geplanten Feierlichkeiten übergangen fühlte. Was für ein Armutszeugnis, das wir als Bundesrepublik hier abliefern!

Aber die verhagelte Festeslaune ist nur ein Symptom für ein tieferliegendes Unsicherheitsgefühl, das im ganzen Land anzutreffen ist. Es gibt da offenbar zwei Jahre der deutschen Geschichte, mit denen wir nicht zurechtkommen: 1949 – und  1989. Das Grundgesetz und die deutsche Revolution, das sind die beiden großen Erfolge, die zwei großen Errungenschaften, an denen es Tag um Tag weiterzuarbeiten gilt, über die es ein immerwährendes Gespräch geben muss. Dieser Dialog findet kaum jedoch kaum statt. Und deshalb konnte es auch keine angemessene Planung für die Feier geben. Nehmen wir es doch als interessante, ja abenteuerliche Erfahrung, als Krisensignal allerersten Ranges, dass die staatlichen Organe keine würdige Feier zum Thema „60 Jahre Bundesrepublik Deutschland“ gebacken kriegen! Selbst der traurige Rücktritt des Wirtschaftsministers, selbst die vor dem Bundesverfassungsgericht heute verhandelte Klage des Peter Gauweiler (CSU) und der Linksfraktion gegen den Lissaboner Vertrag verblassen angesichts dieser niederschmetternden Absage.

Ich nehme dies ferner zum Anlass, in diesem Blog eine eigene kleine Reihe von Betrachtungen zu eröffnen unter dem unfeierlichen Titel: 60 Jahre Bundesrepublik Deutschland.

Beginnen wir unsere heutige Betrachtung mit einem Blick auf das Bücherregal in einer großen Berliner Buchhandlung! Was sehen wir? Etwas Erstaunliches! In der Buchhandlung gibt es eine Warengruppe „Geschichte“. Sie umfasst etwa 2 laufende Meter. Und daneben: Die Warengruppe „Nationalsozialismus“. Sie nimmt etwa die doppelte Breite ein.

Was bedeutet dies? Gehört der Nationalsozialismus nicht zur deutschen Geschichte – oder ist er so dominant, dass daneben alle anderen Themen an den Rand gedrängt werden?  In den Augen der Buchhändler mag dies so sein: Mit Schriften zur Nazidiktatur lässt sich offenbar mehr Umsatz machen als mit allen anderen Sachgebieten der Geschichte. Zeitgeschichtliche Forschung wird auch weiterhin reichlich Stoff zur feierlichen Empörung ans Tageslicht befördern. So ist etwa alles, was in der größeren, der östlichen Hälfte Europas in den Jahren 1917 bis 1989 geschah, weitgehend unterbelichtet. Hier wird man als Medienmacher noch sehr viel Geld mit neu enthüllten Verbrechen (auch der Deutschen) verdienen können. Ihr könnt schon mal weitere Regalmeter reservieren, oh Buchhändler!

Aus der Sicht des Bloggers und Staatsbürgers ist es aber höchst bedenklich, wenn neben der weiterhin nötigen Befassung mit den großen verbrecherischen  Diktaturen des 20. Jahrhunderts die  gesamte sonstige Geschichte Europas – von 800 v. Chr. bis in unser Jahrhundert – vernachlässigt wird.

Und mitleiderregend ist die Unfähigkeit von uns Deutschen, die 60 Jahre Grundgesetz in einem angemessenen Rahmen zu würdigen. Mitleiderregend? – Ja! Aber Leiden an der eigenen Unfähigkeit zu feiern darf nicht alles sein. Wir müssen einen positiven Ton finden.

Einen positiven Ton brauchen wir, um 60 Jahre erkämpfte und geschenkte  Freiheit zu feiern. Das Angebot der Staatsorgane vermag bisher keineswegs zu überzeugen. Deshalb werden wir ab heute in diesem widerspenstigen Blog unsere eigenen kleinen Pfade schlagen. Wir springen auf – auf die 60 Jahre Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Wir werden ein eigenes Konzept erarbeiten.

Sponsoren springen ab – Für ein großes Grundgesetz-Fest fehlt Berlin das Geld – Berlin – Berliner Morgenpost
Mit der „Auto-Show“ hatte Heil auf einen Bestandteil des umfassenden Festkonzeptes angespielt. Danach sollte sich Deutschland mit Oldtimern und neuen Modellen als Autoland präsentieren. Doch der mitunter vermittelte Eindruck, zum 60. Grundgesetzjubiläum sei seichtes Schunkeln mit Erbsensuppe und Produkt-PR geplant gewesen, wird dem Konzept tatsächlich nicht gerecht. So führt Agentur-Chef Stephan Vogel in seinem Absagebrief an, „nach einem halben Jahr intensivster Verhandlungen“ sei es gelungen, die Rolling Stones für ein Konzert an der Siegessäule zu gewinnen. Außerdem hätten Alfons Schuhbeck „und weitere 30 Sterne-Köche“ kochen und Till Brönner eine Jazz-Night präsentieren sollen. Am Brandenburger Tor hätte das Orchestre Nationale de France unter Leitung von Kurt Masur die 9. Sinfonie von Beethoven dargeboten. Der Agentur-Chef betont zudem, „nach zahlreichen Sitzungen“ hätten alle Ministerien und Verfassungsorgane dem Programmentwurf zugestimmt.

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Feb 102009
 

Mit schweren, teuren Schlössern sichern wir unsere zweirädrigen, vorschriftsmäßig ausgestatteten Luxusfahrzeuge, und nachts stelle ich sie in den Keller. Das stärkt die Muskeln und schont das Portemonnaie. Ich habe hart für unsere Fahrräder gearbeitet, ich will nicht, dass irgendwelche Bösewichte sie einfach kaputtschlagen und wegnehmen.

Denn Vandalismus (Teilebeschädigung, Totalzerstörung) und Diebstahl sind ein großes Problem für uns Fahrzeugbesitzer. Dieses Blog berichtete vorgestern unter dem Titel „Klammheimliche Freude“. Daneben zu beklagen ist die Achtlosigkeit mancher Besitzer. Brauchen wir mehr Polizei an Berlins Fahrradabstellanlagen? Mehr Kontrollen?

Wir werden das Thema heute abend auf der Sitzung der ADFC-Stadtteilgruppe Friedrichshain-Kreuzberg ansprechen!

Kommt alle!  Ort: TEE-Lese, Großbeerenstraße 56, Zeit: 19.30 Uhr

Der Tagesspiegel widmete dem Thema gestern einen ganzen Artikel:

 Allgemeine Radlosigkeit
[…] Ein großes Übel ist der Vandalismus, der vor allem Zweitfahrräder in den Tod reißt, die nachts an Bahnhöfen stehen. „An der Yorckstraße ist mir das drei Mal passiert“, berichtet frustriert ein frisch gebackener Fußgänger, der vor dieser Zerstörungswut kapituliert hat.

Der Fahrradbeauftragte des Senats kennt dieses Problem. „Das ist auch eine Frage der Optik“, sagt Benno Koch: Die neuen überdachten Anlehnbügel animierten weniger zu Vandalismus als die im Volksmund „Felgenkiller“ genannte Sparvariante, die nur das Vorderrad hält und laut Bauordnung längst nicht mehr zulässig ist. Vor allem Discounter aber installieren diese Klemmen unverdrossen weiter.

 Posted by at 11:43
Feb 092009
 

Der designierte neue Wirtschaftminister Guttenberg ist selbstverständlich bereits in diesem Blog erwähnt und herausgestellt worden. Eine Suchanfrage an das Blog-Archiv ergibt: Vor genau einem Jahr, am 10.02.2008, lobten wir den Franken wegen dreier Eigenschaften: erstens hat er die Fähigkeit, Fehler der eigenen Berufsgruppe (in diesem Fall: der Außenpolitiker) ohne Umschweife einzugestehen, denn er sagte: „Unsere Strategie ist gescheitert.“  Zweitens scheint er Einsicht in die zentrale Bedeutung von Kommunikationsstrategien zu haben, und drittens bringt er eine Affinität zu digitalen Medien mit. Ich glaube: Schon damals zeichnete sich ab, dass dieser Politiker „nach oben“ weitergereicht würde.

In diesem Sinne: Wir wundern uns nicht, sondern gratulieren!

Bundeswirtschaftsminister – Guttenberg soll Glos beerben – Politik – sueddeutsche.de
Für Guttenberg wäre die Ernennung der zweite steile Karrieresprung innerhalb weniger Monate. Sein Themengebiet war, bevor er Generalsekretär wurde, die Außenpolitik. Der Obmann der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss befasste sich zum Beispiel mit dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, der Russland-Politik oder dem Verhältnis zur Türkei.

 Posted by at 12:48