Verfassungsrechtler Jentsch versalzt den entschlossenen Politikern die Schuldenbremsen-Suppe

 Rechtsordnung, Schuldenbremse, Verfassungsrecht  Kommentare deaktiviert für Verfassungsrechtler Jentsch versalzt den entschlossenen Politikern die Schuldenbremsen-Suppe
Feb 092009
 

Soll man wirklich schon zum Frühstück die FAZ lesen? Zweifel sind angebracht – selbst wenn der Blogger derzeit nur ein Gratis-Abo abfrühstückt. Denn oft wird einem die Vorfreude auf das vielgerühmte entschlossene Handeln der Politik versalzen. So auch heute wieder. Der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentsch legt – „höchst vorsorglich“, wie die Juristen sagen –  die Axt an die geplante Schuldenbremse. Er hält sie für grundgesetzwidrig. Lest selbst:

Verfassungsrechtler: „Starke Zweifel an geplanter Schuldenbremse“ – Wirtschaftspolitik – Wirtschaft – FAZ.NET
Herr Jentsch, das Grundgesetz enthält schon jetzt eine Schuldenbremse, nur wurde sie nicht genutzt. Wird die geplante Neuregelung, die den Ländern das Schuldenmachen vom Jahr 2020 an verbietet, wirksam sein?

Nein. Dazu reicht die Regelung zu weit in die Zukunft. Die Bedingungen werden sich ändern. Eine Verfassung kann nicht die Politik ersetzen. Sie hat nicht die Details einer Haushaltsordnung vorzugeben. Zudem sind gewaltige Ausnahmen vorgesehen.

Darf der Bund den Ländern solche Vorschriften machen?

Der Bund hat keine Regelungsbefugnis, eine konkrete Verschuldungsgrenze einzuführen. Im Grundgesetz heißt es: „Bund und Länder sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig“. Das kann nicht verändert werden, weil es Ausdruck des Bundesstaatsprinzips ist.

Weniger eindeutig gegenüber dem gewohnten entschlossenen Ankündigungs-Aktionismus äußert sich im Wirtschaftsteil der FAZ Beatrice Weder di Mauro, Mitglied im Sachverständigenrat zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung:

Frau Weder di Mauro, wieso ist das Finanzsystem in diese Schieflage geraten?

Weil die wirtschaftspolitisch Verantwortlichen über viele Jahre mit zwei Illusionen gelebt haben: erstens, die zunehmende Verschuldung sei unbedenklich, und zweitens, die Finanzinnovationen hätten die Systemstabilität erhöht, indem sie die Risiken verteilt hätten. Tatsächlich verblieben die Risiken aber im Bankensystem, was auch daran lag, dass einiges mit Billigung der Bankaufseher außerhalb der Bilanzen gehalten wurde. Generell hatte das System eindeutig zu kleine Kapital- und Liquiditätspuffer, um Schwierigkeiten abzufedern. Auch ist die Aufsicht zu stark auf Einzelinstitute ausgerichtet, zu wenig auf die Stabilität des Gesamtsystems. Die systemische Gefahr hat man lange im wenig regulierten Teil des Systems, bei den Hedge-Fonds, vermutet und dabei übersehen, dass der Kern des regulierten Systems, die Banken, außer Kontrolle gerieten.

Was ist nun zu tun?

Die Diskussion über Rettungspakete leidet darunter, dass es an einem Gesamtkonzept fehlt. Die Reihenfolge, nämlich erst über die Finanzierung der Rettungsmaßnahmen nachzudenken und dann über die Restrukturierung, ist verkehrt.

„Die wirtschaftspolitisch Verantwortlichen“  – wer sind sie? Gehören dazu etwa auch all jene, denen der Sachverständigenrat zuarbeitet? Dann müsste sich der gemeine Wähler doch fragen: Wo waren die Stimmen der Sachverständigen über all die Jahre hin, als die Krise sich auftürmte? Wurde denn Basel II nicht einhellig bejubelt? Gab es ein Frühwarnsystem? Hat es Laut gegeben? Falls ja – warum wurden die Warnerinnen und Warner nicht gehört?

Das Frühstück endet mit einigen dicken fetten Fragezeichen …

 Posted by at 11:10
Feb 082009
 

Unter allen Politiker-Äußerungen finde ich regelmäßig die am erhellendsten, die sie VOR ihrer großen Karriere, und die, die sie NACH ihren Ämtern verlauten lassen. So ist es äußerst reizvoll, Helmut Schmidts „Außer Dienst“ gewissermaßen querzulesen mit Barack Obamas „Audacity of Hope“. Es waren die beiden besten Bücher zur Politik, die ich im Jahr 2008 zwischen die gierigen Finger bekam! IM DIENST werden die Politiker kaum je genau Aufschluss geben über das, was sie gerade fühlen. Im Gegenteil, sie müssen jede – auch emotionale – Äußerung auf mögliche Wirkung hin abklopfen. Sie dürfen sich nicht zu allzu freimütigen Vorwürfen oder Schuldbekenntnissen hinreißen lassen. Erst nach der Zeit als aktiver Politiker gewinnen ihre Worte Goldwert.

Höchst lesenswert ist aus genau diesem Grund das Interview des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen in der heutigen Morgenpost. Auszüge:

Eberhard Diepgen – „Ich hätte zurücktreten müssen“ – Berlin – Berliner Morgenpost
Morgenpost Online: Für den damaligen Senat galt die Devise Aufbau Ost vor Ausbau West. Das hat die Sanierung der östlichen Bezirke beschleunigt. Dennoch ist die PDS, heute Die Linke, immer stärkste Partei im Osten geblieben. Hatten Sie mehr Dankbarkeit in Form von Wählerstimmen für die CDU erwartet?
Eberhard Diepgen: Natürlich habe ich mir gewünscht, dass unsere Politik auch im Wahlverhalten stärkere Unterstützung gefunden hätte. Aber immerhin war die CDU damals zweitstärkste Partei im Ostteil der Stadt. Im übrigen: Dankbarkeit darf man nicht einfordern, das führt selbst in Familien zu Aggressionen.
Morgenpost Online: Seit Jahren regiert eine rot-rote Koalition in Berlin. Hat die Regierungsbeteiligung der PDS/Linkspartei – bei aller inhaltlichen Kritik – zum Zusammenwachsen der Stadt beigetragen?
Eberhard Diepgen: Ja. Weil Eliten der DDR stärker eingebunden worden sind. Die Auseinandersetzung mit der Linkspartei sollte weniger um ihre Vergangenheit im SED Regime, mehr um die politischen Inhalte geführt werden. Die linken Reaktionäre kommen heute auch wieder mehr aus den kommunistischen Splittergruppen West- Deutschlands.
Morgenpost Online: Eine Enttäuschung ganz anderer Art war für Sie die Reaktion in West- Deutschland auf Mauerfall, Wiedervereinigung und auf die Hauptstadtfrage.
Eberhard Diepgen: Das gehört zu den größten Enttäuschungen meines politischen Lebens. Dieses Ausmaß an Egoismus und Wortbruch hätte ich nicht für möglich gehalten.

Bemerkenswert finde ich Diepgens Einstellung zur Linken – sie liegt genau auf der Linie dessen, was ich bereits am 19.05.2008 diesem Blog anvertraut habe: Verteufelung hilft kaum weiter, treibt Menschen eher zurück in die Arme ihrer vertrauten Kiez- und Kümmererpartei. Und beachtlich ist auch die Tatsache, dass Diepgen unverhohlen über Enttäuschungen spricht – gerade von seiten der eigenen Weggefährten.

Man sollte auf den Mann hören, auch wenn man ab und zu anderer Meinung sein mag.

 Posted by at 23:47
Feb 082009
 

 08022009.jpg … dass die Form, in der wir das Herz darstellen, nämlich die Form eines zweilappigen Blattes, kaum etwas mit der tatsächlichen Gestalt dieser leistungsstarken Pumpe zu tun hat? Die Begründung lieferte heute die Sendung mit der Maus. Dieses Symbol geht auf die vielen Blatt-Symbole der Antike zurück. Das Efeu-Blatt bedeutete den Alten Lebensfreude, ja sogar ewiges Leben. Denn der Efeu kann bis zu 400 Jahre alt werden. Nicht umsonst erscheint Dionysos häufig mit dem efeuumkränzten Stab. Von der griechischen Kunst wanderte das Blatt als Symbol der Liebe zum Leben in die gesamte abendländische Kunst ein.

Höchstes Lob an die Sendung mit der Maus! Es war eine der besten Sendungen seit längerem! Wie ich mir am 21.09.2008 gewünscht habe, wendet sich die Sendung mit der Maus mehr und mehr auch den „weichen Themen“ zu – also der bunten Welt der Mythen, der Kunst, der Geschichte. Die Maus zeichnet nunmehr eine Grundgemälde dessen nach, was uns in Europa kulturell zusammenhäl. Toll, toll, toll! Das kann und soll man ausbauen. Technik, Naturwissenschaften, Finanzen sind wichtig – aber sie sind nicht alles.

Mein herzliche Bitte: Bitte bringt auch mal Goethe und Schiller für Kinder, z.B. den Zauberlehrling mit der Musik von Paul Dukas. Mein Sohn hört den Zauberlehrling immer wieder sehr gerne.

Unser Bild zeigt den Stand der Berliner Stadtreinigung BSR mit dem offenbar unsterblichen Bären auf der Berlinale am heutigen Tage.

Sachgeschichten – Die Sendung mit der Maus – WDR Fernsehen

 Posted by at 18:48

Klammheimliche Freude über Sozialhygiene

 Anbiederung, Armut, Rechtsordnung  Kommentare deaktiviert für Klammheimliche Freude über Sozialhygiene
Feb 082009
 

06-02-09_1524.jpg Ich bin Fahrer eines Luxusfahrzeugs. Meine Familie besitzt mehrere Luxusfahrzeuge – nämlich insgesamt 5 Fahrräder bei nur 4 Familienmitgliedern (darunter auch ein Tandem). Alle haben Licht vorne und hinten, außerdem eine Klingel und seitliche Reflektoren bzw. weiß leuchtende Bereifung. Nach Berliner Verhältnissen: Luxus in Hülle und Fülle! Im Zeitalter der Globalisierung messen wir uns selbstverständlich am Welt-Durchschnitt, und wir wissen also: Wir gehören zu den reichsten 15 Prozent unter den 6 Milliarden Menschen. Dies gilt übrigens auch für alle Hartz-IV-Empfänger in diesem unseren so beliebten Lande.

Dennoch wagte ich mich gestern mannhaft radelnd mit meinem 7-Gang-Luxus-Fahrzeug auf den Lausitzer Platz, um Vera Lengsfeld und ihre kleine, aber unfeine Oppositionspartei ein wenig zu unterstützen. Thema: Protest gegen das Abfackeln von Luxusfahrzeugen im heimatlichen Kreuzberg. Bisher traf es zwar nur PS-stärkere Automobile – aber, wie gesagt, auch ein Fahrrad ist im Lichte der Globalisierung ein Luxusfahrzeug. Insofern sind wir alle betroffen. Zumal ja auch die Deutsche Bahn gezielt angegriffen wurde – etwa weil sie so schwere und teure Fahrzeuge im Lande herumschickt?

Na, und was soll ich euch sagen? Es war lehrreich! Höchst bemerkenswert waren einige der Kommentare, die ich zu hören bekam: „Was regt ihr euch auf, wenn ein paar Autos abgefackelt werden – das ist doch soziale Hygiene“. Na, bitte, den Feuerteufeln schlägt das Herz auf dem rechten Fleck, gaanz weit rechts! Man kämpft für die Gesundung des Kreuzberger Volkskörpers, wie das mindestens 12 Jahre lang in Deutschland genannt wurde, durch Vertreibung des schmarotzenden Gesindels. Notabene: Die Rassenhygiene war ausdrücklich nur ein Teil der Sozialhygiene. Leider hat das Bayrische Finanzministerium den Nachdruck der Belegliteratur aus jenen Jahren, das verdienstvolle Unternehmen Zeitungszeugen untersagt. Es wäre eine Fundgrube für all jene, die die Sprache des Terrors kennenlernen wollen.

Naturgemäß schildert einer der Betroffenen die Sache ein klein wenig anders. Wir zitieren aus der Morgenpost:

Einer der betroffenen Fahrzeugbesitzer ist der Immobilienkaufmann Harald-Fritz Goile aus der Eldenaer Straße. Der 43-jährige Familienvater schilderte gestern der Berliner Morgenpost, wie er die nächtliche Attacke auf seinen Porsche Cayenne erlebte, und wie er und seine Familie sich nach dem Anschlag nun fühlen. „Ich bin traurig, total sauer und erbost auf die feigen Brandstifter, die vielleicht glauben, sie hätten einem Bonzen weh getan“, sagt Goile. Doch der Immobilienkaufmann berichtet, dass er selbst aus einfachen Verhältnissen stamme und sich bestimmt nicht als „Kapitalist“ sehe. Die wirklich Reichen würden doch bekanntlich in anderen Stadtteilen leben – und nicht in Friedrichshain oder in anderen von Anschlägen betroffenen Innenstadtbezirken. Goile empfindet den Anschlag auf sein Auto als persönlichen Angriff.

Kriminalität – „Ich lass mich nicht aus Friedrichshain vertreiben“ – Berlin – Printarchiv – Berliner Morgenpost

Ein anderes Zitat einer Passantin verdient ebenfalls berichtet zu werden: „Regt euch doch nicht auf, die suchen sich die Autos schon sehr sorgfältig aus, die sie anzünden.“  Da klingelt doch was — ja richtig! Genau so hörte ich das in den 80er Jahren bei den Diskussionen über die Anschläge der RAF. „Reg dich nicht auf, die wissen schon, wen sie sich aussuchen.“ Wie sagt doch Fritz Goile:

Und manchmal erinnere ihn das Ganze an die Anfänge der Roten Armee Fraktion.

Meine Bilanz: Diese Gewalt gegen Sachen – also gegen Fahrzeuge aller Art – wird in Kreuzberg von einigen – ich würde sagen: von nicht nur wenigen vereinzelten – mit klammheimlicher Freude gesehen.

Wollt ihr was wissen? Das find ich nicht so klasse. Immerhin: Auch mir sind schon mehrere Fahrräder gestohlen oder beschädigt worden. Und ich habe keine Kaskoversicherung, die mir den Schaden ersetzt. Ich sehe keinen wesentlichen Unterschied, ob ein Porsche Cayenne abgefackelt oder ein Fahrrad geklaut wird. Es bleibt hinterhältiges Unrecht.

Dank an die kleine rebellische Oppositionspartei CDU, die sich gegen die weitverbreitete klammheimliche Freude über diese umweltverschmutzenden Wertvernichtungen auflehnt! Endlich eine kleine aufrührerische Minderheit, die sich dem herrschenden Kreuzberger Konformismus entgegensetzt.

Unser Foto zeigt den Verfasser im Gespräch mit der herrlich unangepassten Vera Lengsfeld.

 Posted by at 00:02
Feb 072009
 

Und wieder einmal schafft es unser facettenreicher Heimatbezirk in die beste Sendezeit: Morgen, am Sonntag um 20.15 Uhr, wird ein Tatort ausgestrahlt, bei dem Seyran Ateş – eine der Frauen, die ich bewundere –  das Drehbuch geschrieben hat. Und das berichtet die BZ heute:

Wir sind auf Henna-Nächte, türkische Hochzeiten, sind in Kreuzberg in verschiedene türkische Cafes gegangen.

Wir dürfen also jede Menge Kreuzberger Lokalkolorit erwarten – obwohl der Tatort in Bremen spielt. Ob ich selber Zeit finde, den Krimi zu gucken? Das weiß ich noch nicht. Falls ja – ich schreibe eine Kritik! Oder hat jemand von euch Lust, als Gastkommentator den Fernsehabend hier zu besprechen?

B.Z.-Interview: Seyran Ates schrieb Tatort – B.Z. – Berlins größte Zeitung

 Posted by at 11:09
Feb 062009
 

… das sind die Namen von vier Türken in Deutschland, die in der heutigen Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf S. 12 aus ihrem Leben plaudern. Ausgerechnet im Wirtschaftsteil, den ich eigentlich gewohnheitsmäßig wegen meiner Neugierde darauf aufschlage, was Vater Staat und Mutter Bundesrepublik nun wieder einfällt, um die unartigen Banken aus ihrem Unglück zu erlösen, welche Opfer der Finanzkrise geworden sind!

A propos Vater und Mutter: Die Politologin Gülden Sahin, die (wie ich) aus Bayern stammt und an einem bayerischen Gymnasium Schülersprecherin war (wie ich), wird mit folgenden Aussagen zitiert: „Die Opfermentalität mancher Landsleute geht mir schon auf die Nerven. Mir kann keiner erzählen, dass es nicht genug Beratungsstellen für türkische Eltern gibt. Es ist doch Aufgabe der Eltern, für die Bildung der Kinder zu kämpfen.“ Den Fettdruck habe ich mir selbst erlaubt.

Dem stimme ich zu. Trotz allem, was unsere Migrantenverbände gerne behaupten: Der Ball liegt bei den türkischen Eltern und bei den Schülern. Das deutsche Schulwesen bietet allen genügend Chancen an. Wir, die Gesellschaft, brauchen den Erfolg, das Glück aller dieser Kinder, der türkischen, der deutschen, der russischen, der arabischen. Aber das wichtigste dabei ist: Individuelle Anstrengung auf beiden Seiten, sowohl bei den Vätern und Müttern einerseits wie bei den Söhnen und Töchtern andererseits. Staatliche Maßnahmen und Angebote sind genug vorhanden.

Was uns zurückbringt zur Frage: Was kann der Staat tun, um die dritte Generation der Migranten aus ihrem Unglück zu erlösen, wie es die bekannte Studie des Berlin-Instituts vor wenigen Tagen dargestellt hat? Ich sage: Die Frage ist falsch gestellt. „Unglück“ ist das falsche Wort, „erlösen“ ist das falsche Wort. Der Staat kann es nicht packen.

Man lese doch die vier Lebensgeschichten von Hüseyin, Sadet, Kaya und Gülden in der heutigen FAZ! Sie haben von Kindesbeinen an gelernt und gearbeitet, haben Rückschläge und Niederlagen weggesteckt, ihnen wurde nichts geschenkt oder in die Wiege gelegt.

Was sagt Kökcü über die dritte Generation? „Was ich von der dritten Generation der Türken sehe, stimmt mich pessimistisch. Man sieht wenig Akademikerpotential, aber man hört viel Gejammer.“

Was macht eigentlich mein Türkisch? Immer wieder bin ich entzückt über den poetischen Reichtum türkischer Namen. Heute also – Gülden. Was bedeutet der Name?  Gül heißt Rose, –den ist das Suffix, welches Herkunft bedeutet. Gülden also – die aus der Rose Stammende – die Rosenentsprungene. Hoffentlich ist meine Deutung richtig. Das ist ein herrlicher Name! Und ein wunderschönes Foto von Gülden bringt die FAZ ebenfalls. Sie trägt diesen Namen zu recht!

Der Name erinnert mich an uralte griechische Namen, wie ich sie an meinem bayerischen Gymnasium kennenlernte – die rosenfingrige Eos etwa aus der Ilias der Homer. Und die Ilias, die versetzt uns ja ebenfalls in das Land, das heute Türkei heißt … Das ist uralter Mutterboden unserer Kultur!

Unser Foto zeigt einen rosigen Schimmer an der Küste der türkischen Ägäis, aufgefangen vom Verfasser im Sommer 2008.

 Posted by at 14:45

Triff deine Kandidaten im Internet

 Bundestagswahlen, Görlitzer Park  Kommentare deaktiviert für Triff deine Kandidaten im Internet
Feb 062009
 

Jetzt will ich doch mal wissen, was unsere Bundestagskandidaten drauf haben! Heute habe ich über sein Blog eine Anfrage an Björn Böhning geschickt. Bin mal gespannt, wann er mir dort antwortet. Auch beim neuen Blog von Vera Lengsfeld (www.wählt-vera.de) habe ich heute schon einen Kommentar hinterlassen. Beide Kommentare drehen sich um den Görlitzer Park. Ich meine überhaupt, dass die Kandidaten von uns gemeinem Wahlvolk im Wahlkreis 084 ein bisschen mehr Aufmerksamkeit verdient haben. Wir sind doch der Souverän, wir können die Kandidaten direkt ansprechen – und seelenruhig ein bisschen gegeneinander ausspielen. Letztlich wird man doch diejenigen wählen, deren Antworten einen am meisten überzeugen.

Das Foto zeigt einen Blick auf den Pamukkale-Brunnen im Görlitzer Park bei einer Besichtigung mit einigen Bürgern aus dem Bezirk, an der ich teilnahm.

Björn Böhning zum Wahlkreis 84 | Raumschiff Berlin

 Posted by at 00:09
Feb 042009
 

Die letzte Sendung von KLIPP und KLAR habe ich verpasst. Ich beklage dies nicht. Denn ihr könnt sie nachträglich im Internet anschauen und euch dann selbst ein URTEIL bilden. Ich glaube, viel anderes wird nicht herausgekommen sein als das, was wir hier schon festhalten konnten: Die juristische Qualität der Hartz-IV-Gesetze ist mangelhaft, weswegen die Gerichte mit KLAGEN überschwemmt werden.

Rundfunk Berlin-Brandenburg | KLIPP & KLAR – Letzte Sendung
Die Hartz-IV-Reformen haben ein Zeugnis bekommen. Note: Mangelhaft! So das Ergebnis des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Die Betreuer seien unprofessionell, die Beratungen schlecht und die Ein-Euro-Jobs zeigen kaum Wirkung. Die Sozialgerichte sind frustriert. In Berlin gehen täglich hundert neue Verfahren ein, weil Bescheide der Jobcenter Fehler aufweisen. Fast jeder zweite Bescheid muss korrigiert werden. Auch die Brandenburger Sozialgerichte werden von einer Klageflut überschwemmt. Sie sind sich einig: Die Hartz-Gesetze sind einfach „schlecht gestrickt“. Vier Jahre nach Einführung ist das für die große Sozialreform ein nüchternes Fazit. Was läuft schief in den Jobcentern?

Wahlkreisklägerin Halina Wawzyniak beklagt selbstredend erneut in ihrem Blog die „Entwürdigung“, welche zum Teil in den Jobcentern geschehe. Sie beklagt sich heute enttäuscht:

Es ging um Hartz IV und ich war sehr verwundert. Eigentlich alle vertraten die These: Man muss nur mit den Menschen reden und schon ist alles schön mit Hartz IV. Kein Wort über die Entwürdigung die zum Teil in den Jobcentern stattfindet, kein Wort über absurde gesetzliche Regelungen und kein Wort darüber, dass man wie Zumwinkel Steuern in Größenordnungen unterschlagen darf und lediglich eine Bewährungsstrafe bekommt, während bei Hartz IV-Leistungsempfangenden bei der kleinsten Unregelmäßigkeit von “Sozialbetrügerei” gesprochen wird.Das war enttäuschend, vor allem vom Vertreter des Arbeitslosenzentrums Berlin hätte ich härtere Kritik an Hartz IV erwartet.

Ich meine – und dies ist keine KLAGE, sondern nur eine bescheidene MEINUNG:

In all der KLAGEFLUT gerät völlig aus dem Blick, wie die Leute wieder damit anfangen könnten, was sie eigentlich wollen: nämlich arbeiten statt klagen.

 Posted by at 18:00
Feb 042009
 

Immer wieder diese Rechtsanwältinnen! Zwei Rechtsanwältinnen – zwei Meinungen! Immer wieder lässt sich dies in den Zivilprozessen beobachten, wenn zwei Parteien sich partout nicht außergerichtlich einigen wollen. Aber sogar außerhalb des Gerichtssaales herrscht keineswegs Einigkeit zwischen den Vertreterinnen dieses Berufsstandes. Nehmen wir doch nur etwa die Bewertung der gegenwärtigen Hartz-IV-Regelsätze. Die Berliner Rechtsanwältin Halina Wawzyniak, die wir am 29.01.2009 in diesem Blog zitierten, hält sie für „entwürdigend“, und sie insinuiert in ihrem beigezogenen diesbezüglichen Votum, die gegenwärtigen Hartz-IV-Regelsätze könnten grundgesetzwidrig sein.

Zu einem völlig abweichenden Urteil gelangt hingegen die Berliner Rechtsanwältin Seyran Ateş. In ihrem Buch Der Multikulti-Irrtum schreibt sie auf Seite 32 (Hervorhebung vom Verfasser dieses Blogs):

Die oft ausweglose Sozialhilfekarriere der Eltern hat sicherlich einen großen Teil dazu beigetragen, dass die Deutschländer der dritten Generation heute als die absoluten Verlierer dastehen. Die Kinder wachsen mit der Einstellung auf, dass sie in Deutschland weder erwünscht noch gebraucht werden und, egal wie sie sich anstrengen, auf dem Arbeitsmarkt sowieso keine Chance haben. Außerdem lernen sie, wie viele urdeutsche Kinder auch, dass man einigermaßen gut von Sozialhilfe leben kann. Wenn Kinder, auf ihren Berufswunsch angesprochen, sagen: >>Ich will Hartz IV werden<<, dann haben wir ein riesengroßes gesellschaftliches und wirtschaftliches Problem – ein ethnisches ist es erst in zweiter Linie. Wir müssen diesen Kindern andere Perspektiven bieten.

„Entwürdigend“ oder „einigermaßen gut“? Was gilt nun? Hierzu ein paar Beobachtungen: Meine deutschländische Frau geht gerne auf dem türkischen Wochenmarkt einkaufen. Sie kommt immer begeistert mit vollbepacktem Fahrrad zurück und strahlt: „Die Preise liegen um 50 bis 70% unter ALDI – toll, toll, toll!“ Ein türkischer Kaufmann, Inhaber eines Tante-Emma-Ladens sagte mir: „Zu mir kommen fast nur Deutsche – für die türkischen Familien sind unsere Läden eigentlich zu teuer. Die gehen auf den Markt.“

Ist es entwürdigend, wenn bei Hartz IV für die Babynahrung nur 1,09 Euro/Tag bereitgestellt wird, ein Gläschen Hipp oder Alete aber schon 0,89 Euro kostet? Immer wieder hört man derartige simple Rechenexempel. Müssen die Babys also verhungern, weil Hartz IV ihnen nur 1,09 Euro zubilligt? Das wäre entwürdigend! Aber so eine rein rechnerische Größe ergibt sich eben nur in der kurzsichtigen Berechnungsgrundlage der Statistik. Das wirkliche Leben sieht anders aus.

Alle Familien sind gehalten, wirtschaftlich und sparsam einzukaufen. Und da sehe ich eben in meinem  Umfeld unter jenen, die Hartz IV beziehen, ausschließlich Familien und Freunde, die es bei sinnvollem Ausgabeverhalten ganz gut schaffen. Die einigermaßen über die Runden kommen. Es ist ein himmelweiter Unterschied zur Situation in anderen Ländern wie etwa Russland oder Türkei! Selbst die Sozialhilfeempfänger in einem EU-Land wie Italien stehen finanziell schlechter als hier in Deutschland.

Ich gelange deshalb – in meinem eigenen Namen – zu folgendem

 Urteil:

Die Klage der Klägerin RA Wawzyniak e.al., Hartz IV sei entwürdigend und grundgesetzwidrig, wird abgewiesen. Die Auslassungen der Anspruchsgegnerin Ateş konnten durch Zeugenaussagen und eigene Nachforschungen erhärtet werden.

Der Bezug von Leistungen gemäß Hartz IV ist in der jetzigen Form weder grundgesetzwidrig noch entwürdigend. Es konnte auch kein Verstoß gegen das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes erkannt werden.

Insoweit ist den Einlassungen von RA Ateş vorbehaltlos zuzustimmen.

Wir alle haben jedoch bereits jetzt ein Problem, wenn wir als Gesellschaft nicht an neue Perspektiven glauben für all jene, deren Ehrgeiz und Selbstvertrauen nicht mehr über Hartz IV hinausreichen. Da sind wir gefordert! Hepimiz insanız.

 Posted by at 16:17

„Außer dem Staat kann keiner mehr helfen“

 Staatlichkeit  Kommentare deaktiviert für „Außer dem Staat kann keiner mehr helfen“
Feb 032009
 

Vor  wenigen Wochen guckte ich die ARD-Tagesthemen. Ein arbeitsloser Familienvater kam zu Wort. Er war vor einigen Monaten entlassen worden, da sein Werk dichtgemacht hatte. Er war schon fast 45 Jahre alt, gesund, hatte offenkundig zwei kluge und liebe Töchter – ditto eine ebensolche Ehefrau. Sie bewohnten eine Wohnung mit drei Zimmern. Sie litten weder an Pest noch an Aids noch an Lungenentzündung. Sie hatten genug zu essen, Kleidung und ein Dach über dem Kopf. Sie waren – mit einem Wort – gesund, eine intakte Familie. „Wie, glauben Sie, kann sich Ihre Situation verbessern?“ fragte die einfühlsame Reporterin. (Sie meinte natürlich: „Glaubst du denn im Ernst, dass sich deine Lage noch zu Lebzeiten verbessern wird?“)

Der Mann antwortete: „Ja, ich hoffe, dass der Staat mir endlich eine Arbeit gibt … sonst sehe ich schwarz.“ Dies war die letzte Aussage des Mannes, irgendein Fünkchen Hoffnung verbreitete der Tagesthemen-Bericht nicht.

Ich fasse die Aussage des Berichts in in einem schlichten Satz zusammen: „Nur der Staat kann mir noch helfen.“ Der Staat muss es richten. Die Arbeitslosen signalisieren inständig und flehentlich ihre Hilfsbedürftigkeit gegenüber dem Vater Staat (und der Mutter Bundesrepublik).

Dieser Bericht fiel mir wieder ein, als ich gestern nach getaner Body-Shape-Arbeit im Fitness-Studio den Bericht in der Morgenpost las, welcher Kanzlerin Merkel mit einer ganz ähnlichen Aussage zitiert:

Konjunktur – Staat steigt bei Pleite-Banken ein – Wirtschaft – Printarchiv – Berliner Morgenpost
Merkel betonte, die HRE müsse jetzt „in stabile Seitenlage“ gebracht werden. Zugleich unterstrich sie, die Regierung habe keinen Ehrgeiz, nun auch noch Banktätigkeiten auszuüben. Es seien aber die Banken gewesen, die ihre Hilfsbedürftigkeit gegenüber der Politik signalisiert hätten. „Außer dem Staat kann keiner mehr helfen. Das ist eine interessante Erfahrung.“

Was ist von einer solchen Aussage zu halten? Ich meine: Aus dem Munde des arbeitslosen Familienvaters signalisiert sie eine „erlernte Hilflosigkeit“. Bei mir erregt sie allerdings kein Mitleid, sondern eher den Wunsch, diesen Familienvater zu rütteln und zu schütteln … Die Vorstellung, dass nur der Staat noch helfen kann, halte ich für einen großen, abwegigen Irrtum, der zur Selbstlähmung führen muss.

Aus dem Munde eines Politikers signalisiert dieser Satz eine ebenso abwegige Selbstüberschätzung. „Die Politik“, „der Staat“ erweckt gerade in diesen Tagen eine gespenstische Hoffnung, an dem selbstverschuldeteten Zusammenbruch von einigen Teilen des Finanzsystems etwas Wesentliches verhindern zu können. Die Banken wimmern und weinen wie unartige Kinder. Sie signalisieren ihre Hilfsbedürftigkeit. Ja, wie es heißt es denn so schön: Bettelt, so wird euch gegeben! Aber dieser Grundsatz, der im mitmenschlichen Bereich Geltung haben mag, ist verheerend im staatlichen Bereich – wenn ihm derart willfährig nachgegeben wird, wie das „die Politik“ jetzt macht.

Gerade im Fall der HRE halte ich es für einen Fehler, dass überhaupt auf Verlangen der Betroffenen selbst so viele Steuergelder in die Hand genommen worden sind, um einen solchen kranken, von Anfang an zum Sterben verdammten Dinosaurier zu retten. Man hätte mehr dieser Dinosaurier sterben lassen müssen.

„Der Staat“ denkt jetzt darüber nach, diese sterbenden Dinosaurier, diese künstlich erzeugte Qualzüchtung Hypo Real Estate, durch Enteignungen vor dem Tode zu schützen. Der Staat spielt – Gott. Das kann nicht gutgehen. Zwar lässt sich gewiss das eine oder andere Missgebilde (also die ausgelagerten faulen Kredite der HVB) mit einem dreistelligen Milliardenbetrag ins Siechenheim retten, aber auf wessen Kosten? Auf Kosten der Künftigen, auf Kosten der Grundprinzipien des Markts, auf Kosten des ganzen Systems. Nein. Es passt alles nicht mehr zusammen, die Politik kaschiert mühsam die eigenen Versäumnisse der Vergangenheit, die ach so notleidenden Bankmanager können sich ins Fäustchen lachen.

Immerhin,  die FAZ wirft sich heute dagegen ins Feld:

Jetzt genügt offenbar schon ein Einzelfall – die gewiss desolate Lage der Hypo Real Estate (HRE) -, um mit der Drohung zu spielen, die Rechtsordnung außer Kraft zu setzen und dem Investor Christopher Flowers (er hält knapp 25 Prozent der HRE-Aktien) mit der Zwangsenteignung zu drohen. Und es genügt der Verweis auf reichlich nebulöse Gründe („systemisches Risiko“, die Bank als „öffentliches Gut“, das „Gemeinwohl“), um in der Güterabwägung das Eigentumsrecht zu vernachlässigen. Allein das Menetekel „Lehman“ raunend auszusprechen reicht aus, um die Bail-out-Maschine anzuwerfen und die Frequenz der staatlichen Rettungspumpe zu erhöhen.

Hätte der steuerzahlende Bürger nicht zumindest das Recht, sich von der Plausibilität eines Zusammenbruchs der nationalen Geldversorgung ein rationales Bild zu machen?

Die Drohung mit der Angst

Allein die Drohung mit der Angst nutzt sich allmählich ab.

 Posted by at 22:47
Feb 032009
 

Der aufmerksame korankundige Leser wird bemerkt haben, dass wir mangels eigener Arabisch-Kenntnisse in diesem Blog aus einer textlich nicht gesicherten Koran-Übersetzung zitiert haben. Am 3.10.2007 zitierte ich aus der mir seit langem vertrauten italienischen Übersetzung von Luigi Bonelli, erschienen Milano 1987; dabei übersetzte ich selbst aus dem Italienischen ins Deutsche. Nunmehr liegt mir aber auch eine deutsche Übersetzung des Koran vor. Der im Italienischen unter Ziffer 78 beigezogene Vers aus Sure 3 wird dort unter der abweichenden Ziffer 84 so wiedergegeben:

„Sprich:  Wir glauben an Gott und an das, was auf uns herabgesandt wurde auf Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und die Stämme, und an das, was Mose und Jesus und den Propheten von ihrem Herrn zugekommen ist. Wir machen bei keinem von ihnen einen Unterschied. Und wir sind Ihm ergeben.“

Quelle: Der Koran. Übersetzung von Adel Theodor Khoury. Unter Mitwirkung von Muhammad Salim Abdullah. Mit einem Geleitwort von Inamullah Khan. Gütersloher Verlagshaus, 4. Auflage, Gütersloh 2007

 Posted by at 00:30
Feb 032009
 

Wir sind schon ein lustiges Völkchen in Kreuzberg! Auch eine bundesweit berühmte Frau wie Seyran Ateş kann nicht umhin, mehrfach auf mein kleines Heimatdorf Kreuzberg einzugehen. Und auch unser direkt gewählter Bundestagsabgeordneter schafft es in die Seiten ihres so wichtigen Buches über den Multikulti-Irrtum. Auf S. 199 zitiert sie Herrn Hans-Christian Ströbele MdB mit seiner Forderung, einen oder mehrere gesetzliche islamische Feiertage einzuführen, „um so religiösem Fanatismus zu begegnen“.

Wie findet die islamische Autorin dies? Nun, sie schlägt derartige wohlgemeinte Geschenke rundweg aus. Sie schreibt: „Unschuldige Menschen wurden von fundamentalistischen Muslimen getötet, wegen ein paar Mohammed-Karikaturen brannten Fahnen und wurden Morddrohungen ausgestoßen, und der Zorn der Fanatiker soll mit dem Geschenk eines gesetzlichen islamischen Feiertags besänftigt werden? Das ist für mich ein Kniefall und vorauseilender Gehorsam gegenüber religiösem Fanatismus.“

Was meine ich dazu? Nun, wie so oft – stehe ich in der Mitte. In unserem Kindergarten wurde immer auch das Zuckerfest begangen, wir erhielten Leckereien und konnten uns über den Sinn des Festes unterhalten. Das finde ich gut, ich habe auch genascht und geplaudert,  man soll ruhig miteinander feiern und voneinander lernen. Da fällt mir ein – warum nicht auch einmal vom Sinn des Osterfestes oder von Weihnachten reden? Warum nicht vom jüdischen Laubhüttenfest? Eins der wichtigsten islamischen Feste, eben dieses Şeker Bayramı, das Zuckerfest, geht ja auf die uralte Überlieferung Israels zurück – und gleiches gilt für den christlichen Festkalender. Sowohl Christentum als auch Islam sind Nachfolgereligionen des antiken Judentums, ja sie bewahren sogar ganz entscheidende, prägende Erzählungen des alten Israel in den eigenen Festen auf. Und diese drei vorderasiatischen Religionen haben einen ganz wesentlichen Beitrag zu dem geleistet, was Seyran Ateş als „europäische Leitkultur“ einfordert und gutheißt.

Wenn dann solches gemeinsame Feiern in einer aufblitzenden Erkenntnis mündet:

„Das gibt es bei uns auch“

dann ist ein Kern von jener „Transkulturalität“ erreicht, gegen die auch Seyran Ateş nichts einzuwenden hat, die sie vielmehr sogar ausdrücklich wünscht.

Wir zitierten am 3.10.2007 in diesem Blog aus Fatih Akins großem Film „Auf der anderen Seite“ diesen Satz „Das gibt es bei uns auch …“ Ein Satz, der mir unauslöschlich im Gedächtnis geblieben ist! Ich halte ihn für wichtiger als jenes „Ich schau dir in die Augen, Kleines …“, das obendrein unvollkommen aus dem Englischen übersetzt worden ist.

Was gewinnen wir für unseren Bundestagskandidaten? Frau Ateş wird mutmaßlich Herrn Ströbele ihre Stimme verweigern. Möglicherweise hält sie ihn für einen jener realitätsblinden Multikulti-Gutmenschen, die zur misslichen Lage der türkischen Volksgruppe in Deutschland beigetragen haben.  Aber vielleicht erlebt man die beiden ja mal gemeinsam auf einer Podiumsdiskussion?

 Posted by at 00:00
Feb 022009
 

… fragte ich ungläubig eine Russin, nachdem wir zusammen in Moskau einen sowjetischen Film aus dem Jahr 1985 betrachtet hatten. In diesem Film bricht ein georgischer Bergbauer mit seinem Enkel zusammen in die ferne Stadt auf, um eine neue Sorte Birnbaum zu beschaffen, die dann in den Obstplantagen im georgischen Bergland angepflanzt werden soll. Sie wandern frohgemut dahin und brechen immer wieder in herrliche georgische Lieder aus, die mich stark an die bairischen Jodelgesänge aus der Heimat meiner Mutter, Berchtesgaden, erinnern. Aber – so wie die Bayern ja auch weidlich Hochdeutsch sprechen – so verständigen sich die Georgier eben auch mit der Außenwelt in einem fließenden, wenn auch nicht akzentfreien Russisch.

Denn bei allem, was man gegen die Sowjetunion einwenden mag: Mindestens hatten die etwa 100 Völker eine gemeinsame Sprache – das Russische. Es war bereits vor der Revolution – auch mit Zwang, also gewaltsamer Russifizierung –  durchgesetzt worden, aber auf längere Sicht erwies sich die gemeinsame Verständigungssprache als großer Vorteil. Es gab eine große Mobilität, sowohl geographisch wie auch hierarchisch. Wer Russisch beherrschte, dem standen bei guter Leistung und bei politischer Gefügigkeit alle Positionen offen. Von daher die große Zahl an Nichtrussen, die es bis in die höchsten Ämter brachten, die in Politik, Wissenschaft und Kultur herausragende Rollen spielten. Man denke nur an den ehemaligen Außenminister Schewardnadse.

Dass man in Moskau Schilder und Hinweise in den verschiedenen 10 oder 12 Minderheitensprachen anbringen würde, würde den Bewohnern wohl eher wie ein Witz vorkommen. Wenn es im Moskauer Park etwa georgische Hinweisschilder gäbe: „Hier keine Grillfeuerchen machen!“, dann würden sie den Russen den Vogel zeigen und fragen: „Für wie dumm und unflätig haltet ihr uns eigentlich? Glaubt ihr denn, wir können kein Russisch?“

Das fiel mir wieder ein, als meine russische Frau vor wenigen Tagen Post von Katrin Lompscher bekam, der Berliner Senatorin. In deutscher und russischer Sprache. Es geht um eine Erhebung zur Lage der deutschländischen Frauen. Zwar lebt meine Frau schon 15 Jahre in Deutschland, dennoch traut es ihr Senatorin Lompscher offenbar nicht zu, dass sie jetzt bereits Deutsch kann. Ein weiterer lustiger Fall: Auch die Parkordnung am Kreuzberg, die Müllordnung in unserem Prinzenbad ist in türkischer Sprache auf den Schildern angebracht. Die Botschaft ist klar: „Der deutsche Staat erwartet nicht, dass ihr Deutsch lernt, vielmehr wendet sich der deutsche Staat in euren Herkunftssprachen an euch. Ihr seid wie Kinder.“ Dasselbe gilt auch für die Bekanntmachung zur Einschulung, die ich ebenfalls Jahr für Jahr in deutscher und türkischer Sprache an den Litfasssäulen finde.

Die Russen in Berlin, mit denen ich spreche, sind fassungslos ob dieses lächerlichen Theaters: „Wie geht ihr mit den Türken um! Ihr verwöhnt sie und — ihr entmündigt sie und uns doch, wenn ihr von denen und von uns nicht verlangt, dass sie und dass wir Deutsch erlernen!“

In dieselbe Kerbe haut auch Seyran Ateş, deren Buch Der Multikulti-Irrtum ich gerade lese. Sie schreibt auf Seite 236: „Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass man die Sprache des Landes spricht, in dem man lebt.“ Wie fast alles, das diese Frau schreibt, so gefällt mir insbesondere auch ihr deutlicher Einsatz für Mehrsprachigkeit.

Schaffen wir Beispiele — in Berlin, in Deutschland — und vielleicht auch in der Türkei? Auch dort tut sich ja vieles, denn es gibt neuerdings sogar einen kurdischen offiziellen Radiosender. Das ist doch schon ein Anfang, der Vater von Frau Ateş würde sich freuen! Denn er ist Kurde, brachte seiner Tochter aber seine Muttersprache nicht bei. Denn Kurden, die gab offiziell es nicht. Das waren die Bergtürken. Von ihnen wurde Assimilation verlangt.

Das Buch gibt es mittlerweile in einer wohlfeilen Taschenbuchausgabe:

Seyran Ateş: Der Multikulti-Irrtum. Wie wir in Deutschland besser zusammenleben können. Ungekürzte Ausgabe im Ullstein Taschenbuch. Berlin 2008. Euro 8,95

 Posted by at 18:28