Wie machen’s die anderen? (2)

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Mrz 232009
 

Überall in den europäischen Ländern stellen sich heute Fragen nach staatlichem Eingreifen in die Wirtschaft. Da liegt es doch nahe, immer wieder über den Tellerrand zu schauen: Was geschieht bei unseren EU-Partnern?

Eine unübertroffene Fülle an Beispielen für staatliche Beihilfen bietet das schöne Italien. In den Jahren 1950 bis 1992 bestand die Cassa del Mezzogiorno, die Beihilfekasse für den Süden, eine Art staatlicher Beregnungsmechanismus, mit dem riesige Geldsummen als Transfer in strukturschwache Gebiete gelenkt wurden. Verantwortlich zeichneten dafür maßgeblich die italienischen Christdemokraten. Wie wird das Ganze heute beurteilt?

Der Schriftsteller Franco Marcoaldi schreibt in seinem neuesten Buch, einer Art Rundreise durch die italienische Provinz (wir sind in Ascoli Piceno, einer Stadt in der Region Marken):

Quanto all’economia, le novità (e i guasti) risalgono a stagioni più recenti. Più precisamente ai disastrosi anni della Cassa del Mezzogiorno; degli ‚aiutini‘ che quell’istituto ha distribuito a pioggia a imprese di ogni genere, e di cui hanno beneficiato a lungo ben ventritre comuni della provincia.

I risultati finali si vedono adesso, con fabbriche obsolete sin dalla nascita e che, cessata l’èra della rapina legalizzata, hanno chiuso una dopo l’altra, lasciando in mezzo alla strada centinaia, migliaia di operai. Senza contare i danni prodotti dallo smembramento del tessuto sociale preesistente, formato essenzialmente da artigiani e contadini, difficile da ricostruire.

Das Zeugnis für staatliche Beihilfen hätte also schlechter nicht ausfallen können! Staatliche Beihilfen am Markt vorbei führten, so Marcoaldi, zu leeren Fabriken, zu zeitverzögerter Massenarbeitslosigkeit, darüber hinaus zur Zerstörung bestehender sozialer Gefüge. Der Autor geht so weit, dieses staatliche Beihilfesystem als „legalisierten Raub“ zu bezeichen. Denn überall da, wo der Staat zunächst ohne erkennbare Gegenleistung Geld beischießt, sitzen Menschen. Menschen, die entscheiden können. Menschen, die beeinflussbar sind, und die auch gerne dann bei passender Gelegenheit sich an ausgereichte Wohltaten erinnern.

Das Ergebnis: Durch derartige Verschwendung von Steuermitteln wird Korruption und Klientelismus aktiv befördert. Davon sollte man besser die Finger lassen. Italien hat mittlerweile umgedacht. Die Cassa del Mezzogiorno gibt es nicht mehr. Es ist schlechterdings nicht gelungen, den Süden durch ein System von staatlichen Beihilfen an das Niveau des Nordens heranzuführen.

Quelle: Franco Marcoaldi, Viaggio al centro della provincia, Verlag Giulio Einaudi, Torino 2009, hier: Seite 4

 Posted by at 19:25

Schweden sagt Nein zur GM-Tocher, oder: Wie machen’s die anderen?

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Mrz 232009
 

Es war wieder einmal herzergreifend gestern bei Anne Will.  „Wollen Sie diese tüchtige Familie, die seit 100 Jahren für und bei Opel arbeitet, wirklich herzlos in ein schwarzes Loch fallen lassen, Frau Bundeskanzlerin?“ Diese Rede schwebte unausgesprochen im Raum, Gefühle wogten hin und her. Ohne Gefühlszeugen geht es offenbar nicht mehr ab im guten deutschen Bekenntnisfernsehen. Von Vertrauen war viel die Rede, von Krise sowieso, von Opel auch – ein herrlicher Dauerbrenner! Opel stellt also tatsächlich mit dem Insignia Autos her, die ohne zusätzlichen Treibstoff 6 Monate lang durch die Zeitungen, Fernsehsendungen und Blogs fahren: das ist Weltrekord, Öko-Effizienzklasse AAA!

„Wir hängen alle von der Firmenmutter ab!“ Dieser Satz wurde gesagt.  Ach Mutti! Ach Vati Staat, lass uns nicht hängen!

Merkel zog sich den Schuh der herzlosen Mutter gar nicht erst an, sondern wehrte geschickt alle Versuche ab, mit denen die Moderatorin Anne Will ihr ein schlechtes Gewissen einzuflößen versuchte. Sie zeigte Einfühlung: „Wir werden als Staat auch helfen, das ist klar.“ Na bitte, das ist doch schon was.

Ansonsten:  Erneut das Bekenntnis zu Wohlstand und Sicherheit. Kein Politiker ist so herzlos dem Volk zu sagen: Unser Wohlstand wird wegen eines erwarteten Minuswachstums Einbußen erleiden, wir werden weniger Geld in der Tasche haben, es wird weniger soziale Sicherheit geben.

Wie machen es die anderen? Ach, so herzlos sind die Schweden! Sie haben ein klares Nein an die GM-Tocher Saab ausgesprochen. Jetzt wissen alle, woran sie sind, es wird noch einmal ein paar Tage heftigst geklagt, und dann werden sich die Arbeiter und Angestellten etwas Neues suchen, etwas Neues aufbauen. Das Meer ist groß und breit – die Welt steckt voller Möglichkeiten!

Buck up, we’ll get along! So Charlie Chaplin am Ende des Films Modern Times.

Über das endgültige Nein des schwedischen Staates zu Beihilfen für Saab berichtet der International Herald Tribune heute:

Sweden says no to saving Saab – International Herald Tribune
[…] the Swedish government has responded to Saab’s desperate financial situation by saying, essentially, tough luck. Or, as the enterprise minister, Maud Olofsson, put it recently, „The Swedish state is not prepared to own car factories.“

Such a view might seem jarring, coming as it does from a country with a reputation for a paternalistic view of workers and companies. The „Swedish model“ for dealing with a banking crisis — nationalizing the banks, recapitalizing them and selling them — has been much debated lately in the United States, with free-market defenders warning of a slippery slope of Nordic socialism.

[…]

„I’m being optimistic, because I can’t envision a time when Saab doesn’t exist,“ Mr. Andersson said in an interview in City Hall.

His son worked at Saab for a decade; his daughter’s boyfriend works there now. „Saab is our identity,“ he said. „We have lived with it for many years, and it’s very important to all of us.“

Saab was always known for its innovative engineering. But analysts say that in recent years, with General Motors’s emphasis on volume rather than individuality, it has lost its edge.

„Under G.M.’s ownership, they denuded the intellectual content behind the brand,“ said Peter Wells, who teaches at Cardiff Business School in Wales and specializes in the automotive industry. „Its products are not exciting enough, and Saab doesn’t have a strong brand identity anymore.“

 Posted by at 18:53

Bitte mehr Bildzeitungs-Niveau!

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Mrz 172009
 

Obwohl ich seit meinen Gymnasialtagen sehr gerne Kant, Hegel und Platon lese, bin ich dafür, in der Politik bei Bedarf auch mit klaren, handgestrickten, einfachen Botschaften zu arbeiten. Deshalb lese ich regelmäßig die taz, das Neue Deutschland, die Wurfpost der Versandhäuser und der politischen Parteien, die Bild, den Berliner Kurier. Aber auch Wolfgang Franz, ein anerkannter Wirtschaftswissenschaftler, findet bei aller Sachkunde doch den Mut zu schlichten Aussagen. Im Stil und im Gehalt halte ich diese Äußerungen für vorbildlich. Bitte mehr davon. Hallo Politiker! Bitte von Herrn Franz abkupfern!

Autobauer in Not: Wirtschaftsweiser Franz gegen staatliche Opel-Rettung – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Wirtschaft
Der neue Vorsitzende des Sachverständigenrates der Bundesregierung, Wolfgang Franz, hat sich gegen eine staatliche Rettung des angeschlagenen Autobauers Opel ausgesprochen. „Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Opel zu retten. Das muss der Markt entscheiden, also die Käufer müssen entscheiden, welche Autos sie haben möchten“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

 Posted by at 12:51

Die Wende

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Mrz 062009
 

Zu hoch hatte ich meine Hoffnungen gesteckt! Die Runde im Kanzleramt ist auseinandergegangen, ohne wirklich und endgültig auseinanderzugehen:

Krisen-Gipfel im Kanzleramt – Kommen, sehen – und nichts wissen – Unternehmen – sueddeutsche.de
Nach einem Machtwort der Kanzlerin musste die Führungsspitze des angeschlagenen Automobilherstellers Opel plus Vertreter des Mutterkonzerns General Motors (GM) im Kanzleramt anrücken, doch das Spitzentreffen ging erwartungsgemäß ohne konkretes Ergebnis zu Ende. Es gebe noch „viele Fragen, die zu klären sind“, sagte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Freitag in Berlin nach dem Gespräch.

Das ist das schlechteste denkbare Ergebnis, das man sich denken konnte. Die Politik täuscht Handlungsfähigkeit vor, die Opel-Manager und die Bundesregierung führen sich gegenseitig in aller Öffentlichkeit vor, zeigen sich voneinander enttäuscht und fühlen sich hinters Licht geführt.

Sie meinten das Gesicht wahren zu müssen – und haben es damit in den Augen des Volkes beide verloren.

Ich behaupte: Mit und ab dem heutigen Tag ist die Wiederwahl von Kanzlerin Merkel in Frage gestellt. Diese Wiederwahl ist nunmehr weniger wahrscheinlich. Der Wind dreht sich. Ich wage zu behaupten: Diese Nachricht kostet die Unionsparteien erneut etwa 1 Prozent, der Abwärtstrend ist damit verstetigt.

Ich meine: Heute hätte man unbedingt ein lautes Türenschlagen – gerne auch heftige Worte – inszenieren müssen, um die eigene Glaubwürdigkeit zu retten. Schade. So wird das nichts mehr.

 Posted by at 14:08

Kommt Abwrackprämie für Altfahrräder?

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Feb 232009
 

Mehrfach sprach ich mich in diesem Blog gegen branchenspezifische Konsumanreize aus, so auch gegen die Abwrackprämie.

Allerdings zögere ich nicht, den nachstehenden Entwurf des Verkehrsclubs Deutschland (VCD)  zu veröffentlichen, der immerhin den Vorteil der ausgleichenden Gerechtigkeit für sich hat. Mitmachen möglich! Da mein über 25 Jahre altes Tandem noch bestens fährt, werde ich selbst die wertevernichtende Abwrackprämie nicht beanspruchen.

Beantragt werden kann die Abwrackprämie direkt beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), Frankfurter Straße 29-35, 65760 Eschborn. Alternativ kann man den Fahrradhändler beauftragen, den Antrag zu stellen.

Verkehrsclub Deutschland: Mitmachen Fahrrad
Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich finde es ungerecht, dass der Staat mit der Abwrackprämie Steuergelder in Milliardenhöhe ausgibt und davon nur Autofahrer profitieren. Ich besitze kein eigenes Auto, sondern nutze das Rad und den öffentlichen Verkehr. Ich will mein altes Fahrrad verschrotten lassen und mir ein neues kaufen. Deshalb will ich eine Umweltprämie für den Kauf eines neuen Fahrrades und Fahrausweise für den öffentlichen Verkehr in Höhe von 2500 Euro beantragen. Bitte schicken Sie mir die dafür notwendigen Unterlagen zu.

Vielen Dank!

Mit freundlichen Grüßen

Vorname Nachname

 Posted by at 13:38
Okt 202008
 

Auch Italien diskutiert nunmehr staatliche Beihilfen für die Automobilbranche. Fiat stottert und hüstelt, der Staat soll die Medizin reichen. Der Corriere berichtet heute:

Scajola: «Il governo sta valutando incentivi alla rottamazione» – Corriere della Sera
Il governo sta pensando a incentivi per la rottamazione di auto ed elettrodomestici. Lo ha reso noto il ministro per lo Sviluppo economico, Claudio Scajola. «C’è una valutazione da parte del governo,e la sta seguendo il presidente del Consiglio insieme ai diversi ministri interessati, per far sì che si possa far ripartire il mercato delle auto, che è fermo in tutta Europa, e quello degli elettrodomestici, anch’esso fermo». Secondo Scajola «lo scopo è mettere insieme due esigenze: da un lato ridurre le emissioni nell’atmosfera e l’assorbimento di energia e nel contempo aiutare lo sviluppo industriale di tutti questi settori in difficoltà». Il ministro ha sottolineato che «il governo deve agire perché la crisi finanziaria non si riversi nell’economia reale e quindi stiamo accelerando il percorso di incentivi sull’innovazione, sulla ricerca e sull’alta tecnologia per far ripartire una situazione industriale che è vicina alla crescita».

Ähnliches hat Kanzlerin Merkel am Sonntag vorgeschlagen: Staatliche Anreize zum Kauf neuer Autos, damit es der Automobilbranche besser gehen möge. Staatliche Eingriffe in die Konjunktur zugunsten des emissionsstarken PKW-Verkehrs?

Das kann nicht überzeugen. Wir wollen doch – so verkündete Kanzlerin Merkel selbst – das Fernziel erreichen, dass jeder Erdenbürger nur noch 2 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr ausstößt. Derzeit liegen wir etwa beim 4- bis 5-fachen! Mehr Autos passen da nicht ins Bild. Eher schon mehr Fahrräder!

Aber ich wäre auch gegen staatliche Beihilfen für die Fahrradindustrie. Wir brauchen vielmehr eine bessere Infrastruktur für den Radverkehr. Keine Kaufzuschüsse, die nur wettbewerbsverzerrend wirken.

Und deshalb halte ich es für dringend geboten, dass in die Vorlage zur Fahrradnovelle zur StVO der bisher vorgesehene Hinweis auf die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA)  eingefügt wird!  Gute, sichere und ausreichend breite Radverkehrsanlagen, die bundesweit einem einheitlichen Qualitätsstandard entsprechen, sind ebenso unverzichtbar wie eine einheitliche Gestaltung und Ausschilderung der Bundesautobahnen. Bundesrat, aufgepasst! Denkt an den Radverkehr, ehe ihr die Novelle abnickt!

Selbst Verbandssprecher Matthias Wissmann (CDU) lehnt im Namen der deutschen Automobilbranche das „unmoralische Angebot“ ab. So schreibt die Financial Times Deutschland am 13.10.2008:

Allerdings hatten deutsche Branchenvertreter das Hilfspaket auch scharf kritisiert: „Wenn die amerikanische Autoindustrie ihre strukturellen Probleme nicht löst, helfen alle Subventionen nichts“, sagte Matthias Wissmann, Präsident des Branchenverbands VDA. „Wir sind Gegner von Subventionskämpfen.“Es war befürchtet worden, dass die Unterstützung der US-Regierung eine Lawine ähnlicher Stützungen in anderen Ländern nach sich zieht und so ein Wettrüsten der Subventionen entsteht.

 Auch die italienischen Gewerkschaften und der italienische Sozialminister Sacconi lehnen die direkten staatlichen Beihilfen zur Anschaffung neuer Autos ab. Richtig! Staatliche Wirtschaftslenkung zugunsten einzelner heimischer Branchen ist der falsche Weg. Das gilt in Italien ebenso wie in Deutschland.

SACCONI: NO AIUTI ALLA FIAT – Il ministro del Welfare, Maurizio Sacconi, in un’intervista al Riformista apparsa lunedì mattina, si era detto contrario a nuovi «aiuti di Stato alla Fiat» e di essere «contrario a un intervento dello Stato per settori o singole aziende». Le imprese, per Sacconi, andrebbero aiutate irrobustendo il canale che garantisce loro liquidità.

NO ANCHE DEI SINDACATI – Anche Cgil, Cisl e Uil si erano dette contrarie a un intervento specifico da parte dello Stato per la Fiat. «Il problema della Fiat non si risolve con una rottamazione o gli incentivi», ha detto il segretario confederale della Cgil, Susanna Camusso. «La crisi riguarda i beni di prima necessità». Per Paolo Pirani della Uil «la rottamazione in questo momento non avrebbe alcun senso». Gianni Baratta della Cisl: «Più che risposte spot serve una consapevolezza che la crisi non è solo finanziaria ma strutturale».

 Posted by at 20:01