Jul 272009
 

Diese Frage stellte mir ein siebenjähriges Kind, dessen Vater Deutscher, dessen Mutter Russin ist, vor einigen Tagen bei einem lockeren Geplauder. Das Kind besucht eine unserer Kreuzberger Regelschulen. In seiner Klasse gibt es eine türkische Mehrheit, eine arabische Minderheit und ein oder zwei binationale Kinder mit ein oder zwei deutschen Elternteilen. Interessant! Die Kinder fangen also etwa in der ersten Klasse an, sich gemäß dem Aussehen nach Nationalitäten zu sortieren – wobei naturgemäß die stärkste Landsmannschaft, nämlich die Türken, den Ton angibt. Continue reading »

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Jul 252009
 

sow_cover_schwarzweiss.jpg Hoch aufschlussreich ist der Eintrag Neger im neuesten Rechtschreibduden. Es heißt da auf Seite 769: „Viele Menschen empfinden die Bezeichnungen Neger, Negerin heute als diskriminierend […]“

Gestern las ich in der Buchhandlung am Potsdamer Platz das Buch Deutschland Schwarz Weiß von Noah Sow. Spannend! Sow behandelt ausführlich genau diese heiklen Begriffe und meint nachweisen zu können, dass in deutschen Wörterbüchern weiterhin ein deutlich rassistischer Unterton vorhanden sei – wie ja in der deutschen Gesellschaft überhaupt. Nebenbei: Das Wort Neger – so meint Sow – sollte man heute wirklich nicht mehr verwenden. Es sei ein rassistisches Unwort geworden. Im Buch selbst wird sogar ein Schriftwechsel mit einem Wörterbuchverlag zu diesem Thema abgedruckt.

Wir zitieren aus dem Werbetext des Verlags:

Alltäglicher Rassismus beginnt nicht erst bei gewalttätigen Übergriffen. Er manifestiert sich in Aussagen wie „die deutsche Nationalmannschaft ist ja wirklich nicht sehr deutsch“ oder in der Feststellung, die Sängerin Jessye Norman trete „wie eine Stammeskönigin“ vor ihr Publikum.

Sind wir alles Rassisten, ohne dies zu wissen? Nun denn – ich habe vor wenigen Tagen einmal direkt neben unserem bekannten Berliner Abgeordneten Kurt Wansner im Gasthaus Glashaus sitzend die jetzige U-21-Fußball-Nationalmannschaft als „vorbildlich“ bezeichnet, weil da so viele Spieler „mit Migrationshintergrund“ drin seien. Ich habe gesagt: „So wie in der U21 gelingt Integration.“ Ich habe gesagt: „Unser Mesut Özil macht es vor!“

Ich HOFFE, ich WÜNSCHE mir, dass dies keine rassistischen Aussagen waren! Ich hoffe, es ist nicht rassistisch, wenn ich sage: „Wir müssen die Kinder aus den türkischen und arabischen Familien hier in Deutschland integrieren! Sie gehören zu uns.“ Vermutlich ist das aber auch schon wieder rassistisch. Denn es zieht einen Unterschied. Es unterstellt, türkische und arabische Familien böten grundsätzlich einen anderen kulturellen Hintergrund als deutsche Familien. Aber genau das scheint mir der Fall zu sein! Das ist doch einfach so! Man denke nur an den hohen Rang, den Begriffe wie Familie und Freundschaft bei den Türken und Arabern haben. Ist es rassistisch zu sagen: „Die Türken und die Araber in Deutschland messen herkömmlichen Werten wie Familie, Freundschaft, Ehre, Solidarität und Sittlichkeit einen höhereren Wert bei als die Deutschen“?

Bin ich also ein Rassist, wenn ich sage: In den türkischen und arabischen Familien wachsen Kinder überwiegend anders auf als in den deutschen Familien, sie bekommen von zuhause ein ausgeprägtes Sonder- und Gruppenbewusstsein mit?

Ich meine: Nein, das sind keine rassistischen Aussagen. Das würde auch Noah Sow wohl nicht sagen. Jedoch stimme  ich Noah Sow in jedem Fall zu: Die Selbstbezeichnung entscheidet! Und die allerwenigsten Kinder in unserem Kreuzberg werden sagen: „Ich bin ein deutsches Kind.“ Sie werden auch nicht sagen: „Ich bin ein Kind von Migranten. Ich habe Migrationshintergrund.“ Fragt sie! Die meisten Kreuzberger Kinder werden sagen: „Ich bin ein türkisches Kind.“ Oder: „Ich bin ein libanesisches Kind. “ Ihr werdet Sätze hören wie: „Ich bin Türke. Meine Familie lebt seit Jahrzehnten in Berlin. Das ist in Deutschland.“ Und die meisten Kinder werden denken: „Ich weiß nicht, wo ich hingehöre.“ Darüber sollte man mal eine Umfrage machen! Mit 1000 oder 2000 Kindern hier.

Oder ihr glaubt es mir einfach aufs Wort.

Ich meine: Nicht jede klare Grenzziehung zwischen Gruppen, nicht jedes Vorurteil über andere ethnische oder politische Gruppen ist rassistisch. Es gibt nun einmal starke Gruppenidentitäten.

Nur der Hass, die Verachtung, die Gewalt gegen andere Gruppen – die sind falsch. Egal ob der Hass sich gegen linke Zecken, rechte Faschos, braunes FaSCHISStenpack, rotlackierte Faschisten, deutsche Schlampen, Kapitalistensäue   oder Schweinefleischfresser richtet. Rassismus in Verbindung mit Hass und Verachtung – dagegen müssen wir arbeiten.

Entscheidend ist, dass wir Menschen einander stets, in jedem Augenblick, mit dem Geist der Achtung, der Wertschätzung  und der Zuwendung begegnen.

Ich gebe euch mein Wort!

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Eindringlicher Appell des Bethanien-Südflügels: Rassismus bekämpfen

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Mrz 052009
 

Gegen Rassismus, Menschenverachtung und tödliche Politik kämpft weiterhin unverdrossen der von Besatzungstruppen erkämpfte und weiterhin gehaltene Südflügel des Bethanien. Heute erreichte mich folgender eindringliche Appell:

ANTIRASSISTISCHE  INITIATIVE  E.V.                           
Dokumentationsstelle
Mariannenplatz 2 – Haus Bethanien – Südflügel – 10997 Berlin

ari-berlin-dok@gmx.de – www.ari-berlin.org/doku/titel.htm

Neu  erschienen!               16. aktualisierte Auflage der Dokumentation                            Berlin, 1.3.2009


>>> Pressemitteilung im Anhang als pdf-Datei + Datei mit Beispielen <<< 

 


„Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen     (1993  bis  2008)

 

 


Inhalt und Schwerpunkt der Dokumentation sind verletzte oder tote Flüchtlinge, die ohne die rassistische Sondergesetzge­bung der BRD oder den Rassismus der Gesellschaft unversehrt überlebt hätten. Die Dokumentation zeigt in circa 5000 Einzel­geschehnissen die Auswirkungen des staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus auf die Betroffenen.
In ihrer Individualität und auch in ihrer Gesamtheit sind sie Beweis für die klare Falschaussage der Bundesregierung im Staatenüberprüfungsverfahren vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Februar diesen Jahres.

 

 

Wir leben also in einem rassistischen Staat? Dies entspricht ganz und gar nicht meiner Wahrnehmung. Gerne würde ich die tapferen Kämpfer aus dem Südflügel mal in unsere Kreuzberger Grundschulen einladen. Kommt doch mal zu uns, da könnt ihr euch Verdienste um wahre Integration erwerben. Wo seid ihr guten weißen Deutschen, die ihr so herzzerreißend über das rassistische Unrecht klagt? Kommt doch mal in unser Ghetto! Warum lasst ihr uns so allein? Ich SEHE euch einfach nicht an den ECHTEN Brennpunkten! Seid ihr euch zu gut für konkrete Hilfe? Das wäre doch rassistisch, wenn ihr euch für zu GUT hieltet, auch einmal mit ECHTEN Flüchtlingen zu arbeiten! Es gibt sie! Echt!

 

Habt doch keine solche Angst vor unserer türkisch-libanesischen Mehrheit! Euch wird kein Haar gekrümmt! Lernt mit uns, bringt den libanesischen Müttern und Vätern im Kiez Deutsch bei, organisiert Spiele mit den vielen libanesischen Kindern, holt sie von der Straße. Ladet sie zu einem Subotnik ein – etwa zur Graffitibeseitigung, zum Kampf gegen die Verwahrlosung am Kotti oder im Görli, gegen die Drogenhändler, die den Ruf ganzer Flüchtlingskategorien ruinieren.

 

Es macht Spaß und schafft Sinn! Das würde helfen!

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„Sie haben Angst“

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Nov 062007
 

In dem ZDF-Dokumentarfilm „Roots Germania“ von Mo Asumang, heute nach Mitternacht ausgestrahlt, sah und hörte ich erschütternde Zeugnisse. Unter anderem einige Hasslieder aus der deutsch-nationalistischen Musikszene. In einem Rap wurde einigen bekannten Menschen Mord angedroht. Wie fühlen sich diese Menschen, wenn sie mit dem Tode bedroht werden? Rita Süssmuth antwortet: „Sie haben Angst … sie sind vorsichtiger, wenn sie im Dunkeln um eine Ecke gehen.“ Mir war nicht klar, ob Süssmuth hier von denen sprach, „denen, die Angst haben“, oder von sich selbst … denn auch sie wurde namentlich mit diesen hasserfüllten gegrölten Parolen eingeschüchtert. Dann wurde mir klar: Sie sprach wohl eher von sich selbst, von ihrer eigenen Angst. Ich bewundere Frau Süssmuth schon seit langem für ihre mutigen, klaren, zuversichtlichen Worte. Zum ersten Mal sah ich sie hier, wie sie völlig offen von Angst, mit Angst sprach. Und da wurde mir klar, womit die Extremisten arbeiten: mit Angst. Angst ist ihre Waffe, mehr noch als die Kugeln und die Bomben. Frau Süssmuth hat sich durch ihre Worte erneut als stärker und mutiger denn die Angstmacher erwiesen.

Der Film von Mo Asumang hätte es verdient, weit früher und weit öfter gezeigt zu werden. Frau Asumang hat einen rechtsradikalen Gewalttäter im Gefängnis besucht und versucht, ein Gespräch mit ihm zu führen. Ich bin begeistert von diesem Mut und von diesem unerschütterlichen Vertrauen in das Wort. Ich teile dieses Vertrauen!

 Posted by at 17:24