Rassismus konsequent ignorieren, oder: Wie verhindert Kreuzberg bessere Schüler?

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Sep 192011
 
Viviane Cismak vom Kreuzberger Hermann-Hesse-Gymnasium redet Klartext. Berliner Zeitung heute, S. 32. Schulfrust allenthalben! Klar, dass diese Rezension punktgenau einen Tag NACH den Wahlen erscheint!

„Es lohnt nicht ein guter Schüler zu sein.“

Viviane Cismak: Schulfrust. 10 Dinge, die ich an der Schule hasse. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 9,95 Euro.

Ärgerlich an der Rezension von Torsten Harmsen ist nur, dass weiterhin von „90% Kreuzberger Migranten“ die Rede ist, die angeblich den deutschen „Nichtmigranten“ mit rassistischen Sprüchen das Leben erschweren. Es sind alles typische Kreuzberger, typisch muslimische Menschen in Deutschland.  Cismak ist Zugewanderte!

Die „90% Migranten“ sind typische Kreuzberger, Angehörige der türkischen und der arabischen Volksgruppe, mit ausgeprägtem Sonderbewusstsein als Muslime, grenzenlos hochgepäppelt, erbarmungslos verhätschelt von einem üppig das Füllhorn aufhaltenden Deutschland.

Viviane Cismak hingegen ist zugewanderte Migrantin der ersten Generation aus Darmstadt.  Hier in Kreuzberg trifft sie auf die immer stärker homogene Schülerschaft aus muslimischen Kindern, die aus der alteingesessenen türkischen und arabischen Bevölkerungsgruppe kommen.

Die systematisch betriebene nachholende Islamisierung der Kreuzberger Schüler und der Kreuzberger Schulen ist – neben der nachholenden Türkisierung der Kreuzberger Türken – eines der faszinierendsten Phänomene der letzten 10-15 Jahre! Noch vor 20 Jahren sah es anders aus. Heute dagegen ist sie eine Tatsache. Wer selbst als Schüler in Kreuzberg zur Schule geht, als Lehrer dort arbeitet oder seine eigenen Kinder in diesen Jahren an Kreuzberger Schulen schickt, sollte dazu etwas sagen.

Soll man nun über die Anfeindungen gegen zugewanderte nichtmuslimische Schüler an Berliner Schulen reden? Nun, die Parteien tun es fast nicht. Hier in Kreuzberg quatschen sie sich den Mund fusslig über „Afro-Deutsche“ wie May Ayim, „Afro-Amerikaner“ wie Barack Obama. Für den wachsenden Rassismus auf Kreuzberger Schulhöfen sind sie taub. Im Wahlkampf war dazu fast nichts zu hören.

„Afro-Deutsche“? May Ayim ist bei weißen Deutschen aufgewachsen. Ihr ghanaischer Vater hat sich nicht um sie gekümmert.   Sie ist eine typische Deutsche.

„Afro-Amerikaner?“ Barack Obama ist bei seiner weißen US-amerikanischen Mutter aufgewachsen. Sein aus Kenia stammender Vater hat sich fast nicht um ihn gekümmert. Obama ist ein typischer US-Amerikaner, kein „Afro-Amerikaner“ und schon gar kein „schwarzer Präsident“.

Ich werde mir dieses Buch beschaffen:

Viviane Cismak: Schulfrust. 10 Dinge, die ich an der Schule hasse. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 9,95 Euro

: Textarchiv : Berliner Zeitung Archiv

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Sep 162011
 

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Eine der Besonderheiten des laufenden Berliner Wahlkampfes ist das starke, selbstbewusste Auftreten von BIG – dem Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit.  Das zeigt sich schon an der Tatsache, dass die Partei hier bei uns in Kreuzberg mit türkischen Wahlplakaten an uns Prinzenbadbesucher herantritt. Die Botschaft ist ziemlich klar: Türken! Wählt einen von euch! Erol Özkaraca, ein Neuköllner SPD-Kandidat berichtet in seinem höchst lesenswerten Blog recht anschaulich von einer Veranstaltung des muslimischen Unternehmerverbandes Müsiad.

In zehn Jahren möchte die starke Partei einen Minister stellen. Mir gefällt Ehrgeiz und Fleiß!

Der türkische Europaminister Egeman Bagis wird ausführlich wiedergegeben. Der große Beitrag, den die türkischen Arbeiter aus Deutschland heraus für den Wohlstand der Türkei erbracht haben, wird endlich angemessen gewürdigt!

Jeder Türke in Deutschland soll auch heute ein würdiger Vertreter  seines Landes werden. Niemals soll er vergessen, für sein Heimatland einzutreten. Dennoch soll er sich nicht zu gut sein, auch Deutsch zu lernen. „Ihr könnt ruhig auch Deutsch lernen und trotzdem gute Türken bleiben.“

Das ist die beruhigende Botschaft der türkischen Regierung an ihre über 2 Millionen in Deutschland lebenden Staatsbürger.

Abendveranstaltung bei MÜSIAD | Erol Özkaraca
Die Türkei ist heute die 16. stärkste Wirtschaftsnation der Welt und im Jahr 2023, im Jahr der hundertjährigen Existenz der Republik, wird die Türkei unter den zehn stärksten Wirtschaftsnationen der Welt sein. Jeder von Ihnen, und er meinte nicht nur die anwesenden Gäste, ist einer unserer Botschafter. Sie alle repräsentieren die Türkei. Integrieren Sie sich alle in diese Gesellschaft, lernen Sie Deutsch, erreichen Sie die beste Ausbildung, aber assimilieren Sie sich nicht. Was er wohl meinte ist, die Türkei braucht hier und auch in den anderen europäischen Ländern qualifizierte Botschafter.

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50 Jahre Anwerbeabkommen: Offener Brief an Bundestagspräsident Lammert | Deutsch Türkische Nachrichten

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Aug 262011
 

Einen würdigen Vorschlag zur 50-Jahr-Feier des ersten Anwerbeabkommens mit der Türkei und eine spannende Debatte der Leser kann man hier verfolgen:

50 Jahre Anwerbeabkommen: Offener Brief an Bundestagspräsident Lammert | Deutsch Türkische Nachrichten

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Aug 262011
 

Größter Unbeliebtheit bei Freund und Freund und Freund (also bei Grünen, SPD und Türken) erfreut sich spätestens seit ihrem Parteiwechsel von den Grünen weg die Integrationsministerin des Landes Baden-Württemberg Bilkay Öney (SPD).

Je mehr Türken wir im Land haben, desto mehr Unruhe haben wir„, sagt sie, und das ist falsch. Das passt einfach nicht zum wahren Wesen des Türken. Denn richtig ist vielmehr folgendes: „Die türkische Gemeinschaft und der türkische Mensch, wohin sie auch immer gehen mögen, bringen nur Liebe, Freundschaft, Ruhe und Geborgenheit mit sich.“ So völlig zutreffend Ministerpräsident Erdogan 2008 in Köln.

Die Türken gucken fünf Mal mehr Fernsehen als die Deutschen.“ Wieder so ein Hammer. Frau Öney hätte sagen müssen, woher sie das weiß – aus ihrem Bekanntenkreis, aus Untersuchungen, aus ihren eigenen Erfahrungen?

Serkan Tören (integrationspolitischer Sprecher der FDP) ergänzt aus eigenem Antrieb etwas, was Frau Öney nie und nimmer gesagt hat und auch nie zu denken gewagt hätte. Tören sagt: „Die Türken sind dumm, die interessieren sich nicht für Kultur, fürs Lesen, die Eltern erziehen ihre Kinder nicht richtig, sondern hängen nur vor dem Fernseher.

Hat Tören recht, wenn er sagt, dass die Türken dumm sind? Ist dies eine rassistische Behauptung, die Serkan Tören da vom Stapel lässt?

Was ist dran? Nun, ich meine, beide Behauptungen – sowohl die von Öney wie die von Tören – sind pauschal und  furchtbar falsch.

Ich selbst kenne türkische (und auch arabische) Eltern, die sich für Kultur interessieren, die ihren Kindern das Fernsehen stark einschränken, die ihre Kinder anhalten, Bücher zu lesen, Eltern, die nicht nur vor dem Fernseher hängen, sondern die ihre Kinder zum Lernen anhalten. Diese Eltern ziehen übrigens fast alle aus Kreuzberg weg, sobald sie können.

Es ist unleugbar, dass schrankenloser Medienkonsum, Vernachlässigung der Kinder, Gesprächsverweigerung, Desinteresse und Abwesenheit der Väter den Kindern Schaden zufügt.

Richtig wäre es, in ermutigendem und aufmunterndem Tone zu sagen: „Eltern, Väter, macht etwas Sinnvolles mit euren Kindern! Lernt mit ihnen die Landessprache Deutsch, spielt mit ihnen Fußball, fahrt Fahrrad mit ihnen, geht ins Bode-Museum. Singt und spielt mit den Kindern, ladet Kinder aus der Nachbarschaft ein, habt nicht so viel Angst vor Schweinefleisch, geht kostenlos wandern auf den Kreuzberg und ins Wuhletal, kuckt nicht stundenlang türkisches und arabisches Satellitenfernsehen, sondern kuckt mal die Sendung mit der Maus in deutscher Sprache. Lasst eure Frauen Deutsch lernen, lasst eure Frauen auch mal allein aus dem Haus gehen.“

Es ist ein unhaltbarer Zustand, wenn türkische und arabische Frauen nach 40 Jahren in Deutschland immer noch kein Wort Deutsch können und dann nur mit Dolmetschern, mit ausdrücklicher Erlaubnis des Ehemannes und in männlicher Begleitung zum Arzt oder zur Familienhilfe gehen dürfen.

Die türkischen und arabischen Eltern brauchen meiner eigenen langjährigen Erfahrung nach von den deutschen  LEHRERN und von der deutschen POLITIK eine derartige klare Ansage! Sie kommen alle aus Ländern, in denen den Ratschlägen und Anweisungen der geistlichen und weltlichen Autoritäten Folge geleistet wird, und brauchen deshalb auch in Deutschland – dem Land ihrer Wahl, in dem sie nicht gezwungenermaßen leben – klare Leitplanken. Deutschland muss Forderungen stellen.

Natürlich – wenn Türken Deutschland nur als einen Parkhafen oder temporären Unterstand betrachten sollten, in dem man sich aufhält und seine extraterritoriale Türkei ausbreitet und sich nicht um die Landessprache Deutsch oder gar um den Staat Deutschland schert, dann sollten wir klar sagen: „Das wollen wir nicht. Wir wollen keine extraterritoriale Klein-Türkei in Deutschland. Wir wollen in einzelnen Stadt- oder Landesteilen, in einzelnen Schulen nicht de facto von der Türkei übernommen werden.“

So etwa äußert sich gelegentlich der Bundesvorsitzende der Grünen, Özdemir, der ja seit seiner Übersiedlung nach Kreuzberg in allen seinen Äußerungen zur Integrationspolitik einen erstaunlichen Realitätssinn beweist.

Bitte nicht so viel Geschwurbel und Geschwafel wegen „interkultureller Kompetenzen“ und „multikultureller Gesellschaft“!

Zurück zu Bilkay Öney (früher Grüne, jetzt SPD)! Ist sie eine Rassistin? Nein. Ist sie ministrabel? Auch nein. Als Integrationsministerin kann sie nicht so reden, wie sie redet. Es ist inhaltlich dünn, wie Memet Kilic (Grüne/CHP) heute in der WELT auf S. 8 zu recht hervorhebt. Öney wäre eine hervorragende Bloggerin oder Karikaturistin. Sie ficht mit dem Hammer, nicht dem Florett! Lehrreich aber ist es zu sehen, mit welchen Qualifikationen in der Politik Karriere gemacht wird!

Öneys unsterbliches Verdienst ist jedoch: Sie bringt die ganze Geschwurbel- und Geschwafel-Blase zum Platzen, die die deutsche Integrationspolitik zu einer fetten Domäne der Soziologen und Politologen gemacht hat, die Millionen und Abermillionen für Forschungsprojekte und Pläne lockergemacht haben, nur um wieder und wieder nachzuweisen, dass die Türken so furchtbar, so, wie soll man sagen  —  so STRUKTURELL benachteiligt sind, benachteiligt waren und benachteiligt bleiben. Öney redet Tacheles. Ihre Aussagen treffen aber in dieser Absolutheit sicher nicht zu.

Dennoch tiefempfundener Dank an Bilkay Öney, Serkan Tören, Memet Kilic und meinen Mit-Kreuzberger Cem Özdemir! Es ist alles in allem ein erfrischender Schlagabtausch, wie wir ihn sonst nur aus der türkischen Innenpolitik kennen. Bitte nicht alles so bierernst nehmen! Die Türken in der Türkei  kommen innenpolitisch so recht heftig zur Sache. Dagegen sind wir in Deutschland alles Waisenknaben, Türken wie Deutsche gleichermaßen.

Rassisten seid ihr alle nicht, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. In diesem Sinne: Hepimiz insaniz und tschüß.

Frau Öney passt nicht ins Konzept – Nachrichten Print – DIE WELT – Politik – WELT ONLINE

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Aug 132011
 

Eine Frau, die mich immer so nett und direkt anlächelt, wenn ich die Straße betrete, ist meine Mit-Kreuzbergerin Miriam Noa, eine Kandidatin meines Wahlkreises 1 im bundesweit berühmten Kreuzberg. Partei? Siehe oben, ist aber nicht so wichtig. Für mich steht ohnehin der Mensch im Mittelpunkt!

Als bildungspolitisch interessierter Zeitgenosse, einfacher Vater  und einfacher Wahlberechtigter beschloss ich, ihr eine in diesem Blog aufgeworfene Frage vorzulegen, und besuchte die Kandidatin auf abgeordnetenwatch.de. Es ging mir natürlich vor allem um die geplante türkische Privatuniversität, die mein Mit-Kreuzberger Özcan Mutlu, seinerseits Kandidat auf der Landesliste (Nummer 8), nach Berlin holen möchte!  Ich war gespannt: Würde Direktkandidatin Noa den Listenkandidaten Mutlu unterstützen? Müssen Kreuzberger immer einer Meinung sein? Ich war gespannt!

Dies war meine Frage:

„Wie bewerten Sie die geplante Errichtung einer privaten türkischen Hochschule in Berlin? Wie stehen Sie zu einer möglichen binationalen privaten Grundschule in Kreuzberg?“

Nach einem guten Tag schon erhielt ich eine Antwort, und da abgeordnetenwatch.de absolut öffentlich und frei zugänglich ist, darf ich diese Antwort hier selbstverständlich auch zitieren:

abgeordnetenwatch.de: Miriam Noa
Sehr geehrter Herr ,

den Ausbau türkischsprachiger Bildungsangebote in unserer Stadt finde ich angesichts der Menge an Muttersprachlern prinzipiell richtig. Ich sehe Zwei- oder Mehrsprachigkeit als ein großes Geschenk, sprachliche Fähigkeiten sind der Schlüssel zu einem erfolgreichen Berufsleben.

Allerdings stehe ich privaten Bildungseinrichtungen sehr kritisch gegenüber, denn ich finde, dass Bildung ausschließlich in staatliche Hand gehört. Private Einrichtungen sind in der Regel kostenpflichtig – sie schließen dadurch Menschen aus, die sich den Besuch dort nicht leisten können und führen zu sozialer Spaltung. Bei privaten Hochschulen sehe ich zudem das Problem der Finanzierung durch Unternehmen, die folglich auf die wissenschaftliche Schwerpunktsetzung Einfluss nehmen. Bilinguale Grundschulen, also beispielsweise deutsch-türkisch, halte ich für eine großartige Sache. Aber auch hier: Bitte in staatlicher Hand, wie das bei unseren Staatlichen Europaschulen Berlin (SESB) der Fall ist. Nur so funktioniert meines Erachtens auch Integration.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihre Miriam Noa

Eine persönlich sehr nett formulierte, sachlich eindeutige Antwort, wie ich finde! So muss abgeordnetenwatch.de  laufen!

Ich konstatiere inhaltlich: Die Direktkandidatin Noa und der Listenkandidat Mutlu (beide Kreuzberg) werden hier wohl kaum auf einen grünen Zweig kommen. Mutlu scheint ja dem Staat kein Alleinmonopol in der Bildung zuzuschreiben. Er scheint zu meinen: Der Staat kann und soll vieles, aber er kann und soll nicht alles in der Bildung machen. Manches sollen ruhig auch mal die Privaten in der Bildung machen, wenn sie der Meinung sind, eine sinnvolle Alternative zum Staat anbieten zu können.

Na, ich werde dem Herrn Mutlu und anderen Kandidaten mal auch eine passende Frage auf abgeordnetenwatch vorlegen! Bin schon gespannt.

So bunt ist dieser Bezirk! Spannendes Kreuzberg! Danke für Ihre Antwort, Frau Noa! Vorbildlich gemacht!

 Posted by at 15:04

Ne mutlu Kreuzbergüm diyene!

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Aug 102011
 

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Ne mutlu Kreuzbergüm diyene! Alles toll, Tiergarten in Reichweite, gute Menschen, Politik sollte man mal außer acht lassen! Hepimiz insaniz, arkadaslar!

 Posted by at 21:34

Mutlu heißt glücklich

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Aug 102011
 

„Die Grünen/Bündnis 90 sind aber sehr türkenfreundlich. Für die Türken tun sie alles“, höre ich manchmal die anderen Zuwanderer – vor allem die aus europäischen Ländern – seufzen. Die geplante türkische Privatuniversität in Berlin sucht eine Immobilie. Als Türöffner dabei: der bildungspolitische Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, dessen Familienname Mutlu – „Glücklich“  lautet und der in diesen Tagen wieder einmal die Presse erobert hat. Geschickt gemacht.

Nachholende Türkisierung der Türken, Zaza, Jesiden und Kurden in Deutschland, nachholende rechtgläubige Islamisierung der Türken in Deutschland, Anerkennung der Türkei als der unbestrittenen Führungsmacht der islamischen Welt auch in Deutschland, darum scheint es mir im Kern beim Currywurststreit zwischen Özcan Mutlu (43 Jahre) und Oguzhan K. (20 Jahre) zu gehen.

Denn der unausgesprochene Vorwurf der jungen, national und religiös neueingestellten Türken-Generation an die stärker in Deutschland integrierte Elterngeneration lautet: „Du bist ja kein richtiger Moslem mehr! Du bist also auch kein richtiger Türke mehr!“ Das steckte auch hinter den Pfiffen gegen den im deutschen Dress auflaufenden Mesut Özil.

Dieses starke Nationalbewusstsein, gepaart mit einem kraftvollen, nationalkonservativen Islam, scheint mir ein wesentliches Merkmal der erstarkenden türkischen Gemeinde in Deutschland zu sein.

Ne mutlu Türküm diyene – Wikipedia

 Posted by at 11:24

Brauchen wir in Deutschland Mindestlöhne wie in der Türkei? (2)

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Jun 072011
 

Polen, Türkei, Deutschland: Das sind in meinen Augen zur Zeit die drei Staaten, die in Europa bzw. Vorderasien zur Zeit mit die beste Wirtschafts- und Finanzpolitik betreiben. Diese drei Länder haben Regierungen, die in der Wirtschaftspolitik auf Initiative und Unternehmergeist, auf Arbeit und Verantwortung setzen. Die Daten der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geben den drei amtierenden Regierungen in Polen, der Türkei und Deutschland recht: gutes Wachstum, vertretbare Verschuldung, sinkende Arbeitslosigkeit.

Nicht zufällig sind es gerade die Türken und die Polen, die bei Unternehmensgründungen in Berlin ganz vorne liegen:

Migranten als Unternehmer: Polen und Türken stehen an der Spitze – Wirtschaft – Tagesspiegel

In gewisser Weise sind die volkswirtschaftlichen Daten eine Art Leistungsnachweis einer Regierung. Bei sinkender Staatsverschuldung, sinkendem Haushaltsdefizit, sinkender Arbeitslosigkeit, insbesondere sinkender Jugendarbeitslosigkeit (in der Regel nur erreichbar bei Wachstum  der Volkswirtschaft), haben die Regierungen ihre Aufgabe gut erfüllt.

Hohe Staatsverschuldung, hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere hohe Jugendarbeitslosigkeit deuten darauf hin, dass etwas nicht stimmt. Den Staat Griechenland oder den Stadtstaat Berlin etwa sollte man besser nicht als Vorbild nehmen. Griechenland und das Bundesland Berlin leiden an jahrzehntelang gepflegter Verhätschelung der zu Leistungsempfängern degradierten Bürger durch den bemutternden Staat. Die Folgen sind offenkundig: exorbitante Verschuldung, aufgeblähte Staatsquote, hohes Haushaltsdefizit, hohe Arbeitslosigkeit, hohe Jugendarbeitslosigkeit, politischer Extremismus rechts und links, soziale Unruhen mit der Gefahr links- und rechtsextremistischer Umtriebe.

Der aktuelle SPIEGEL bietet reichlich Zahlenmaterial für meine Behauptungen. Insbesondere empfehle ich das Lesen aller Beiträge über die Türkei und über Griechenland – hintereinander weg. Spannend, aufschlussreich!

Als kleine Ergänzung zur Grafik auf Seite 90 empfehle ich jedoch unbedingt einen Blick in die Sozialversicherungsdaten der genannten Länder. Das Netz der Sozialversicherung, also Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung in der Türkei ist dürftig bzw. nicht vorhanden, dafür gibt es immerhin einen gesetzlichen Mindestlohn (€ 353,8/Monat), der ziemlich genau dem Betrag entspricht, den ein erwachsener Arbeitsloser in Deutschland zusätzlich zu allen sonstigen Beihilfen bar aufs Konto überwiesen bekommt.

Das wär doch was für die deutsche Linke: Abschaffung von Hartz IV (eine langgehegte Forderung der Linken) bei gleichzeitiger Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes in Höhe des türkischen Mindestlohnes? Wie schaut’s damit aus?

Der türkische Mindestlohn ermöglicht dem einzelnen mit großer Mühe das Leben und Überleben – aber die Familien halten zusammen! Wer mehr verdient, gibt ärmeren Familienmitgliedern gern und bereitwillig ab.

In der Türkei besteht ein starker positiver Anreiz zu arbeiten – und folglich verdienen Fachkräfte dort netto mittlerweile ebenso gut oder besser als in Deutschland, wie es das Beispiel der aus Deutschland zugewanderten Fachärztin Neşe Stegemann beweist (SPIEGEL Nr. 23/2011, S. 92). Zugleich besteht in der Türkei ein negativer Anreiz gegen die Arbeitslosigkeit. Denn wenn Familien zu wenig arbeitende Mitglieder haben, rutschen sie in Armut ab. Sie müssen dann Mitglieder ins Ausland entsenden, um dort den Lebensunterhalt für alle zu sichern. So geschah es, dass in den sechziger und siebziger Jahren zur Existenzsicherung der Familien halbe Dörfer nach Deutschland übersiedelten. Die entsandten Familienmitglieder konnten dann – selbst im Fall der späteren Arbeitslosigkeit – die ärmeren Verwandten von Deutschland aus gewissermaßen mitziehen. Ein Modell, das sich schnell herumsprach, auch in anderen Ländern!

Die türkische Wirtschaft kann nur deshalb boomen, weil die Familien als unzerreißbares Element der sozialen Grundsicherung bestehen geblieben sind. Die demographischen Daten stimmen auch deswegen, weil alle Erwachsenen wissen, dass sie im Alter und im Falle von Krankheit und Arbeitslosigkeit auf die Familie und auf die eigenen Nachkommen angewiesen sind.

Oder – wie es ein früher bekannter, in Deutschland heute vergessener Dichter mal  gesagt hat:

Am Ende hängen wir doch ab
von Kreaturen die wir machten.

 Posted by at 11:52
Apr 112011
 

1973, zum Ende der Anwerbung türkischer Arbeitskräfte nach Deutschland, lebten 800.000 Türken in Deutschland. Was mich immer wieder verblüfft, ist, dass wir heute mehr als 3 Millionen Türken in Deutschland haben und die Deutschen sich so wenig für das interessieren, was in der Türkei geschieht. Dabei könnte ein Vergleich zwischen den Wirtschafts- und Sozialsystemen der beiden so eng verzahnten Länder ausgesprochen spannend und lehrreich sein! Denn die Türkei und Deutschland konkurrieren direkt um die besten Köpfe! Wo lohnt es sich zu leben und eine junge Familie zu gründen? Wo steht man als Türke besser da – in der Türkei selbst oder in Deutschland?

Dieselbe Frage sollte man auch für andere Länder stellen, aus denen Zuwanderung in unser Land erfolgt ist, etwa Libyen und Libanon.

Lest hier zum Beispiel diese aufschlussreiche Meldung der Sozialisten über türkische Mindestlöhne aus dem Jahr 2005:

Türkei: IWF-Plan verlangt neue Angriffe auf arbeitende Bevölkerung
Ein deutliches Signal für neue Angriffe

Am 6. Mai, kurz vor der offiziellen Absegnung des neuen Abkommens, machte die stellvertretende IWF-Direktorin Anne Krüger in ihrer Rede in Ankara empörende Bemerkungen über dieses jüngste Abkommen. Sie verlangte eine neue Runde von Angriffen auf die Arbeiter in der Türkei. Sie betonte, dass in der Türkei „ein flexiblerer Arbeitsmarkt… dringend nötig ist. Die Starre im Arbeitsmarkt und hohen Mindestlöhne halten davon ab, neues Personal einzustellen„.

Krueger wurde von einem Journalisten gefragt: „Kann man denn mit dem Mindestlohn in der Türkei leben?“ Sie antwortete arrogant: „Wenn man das muss, muss man es eben. Viele Menschen leben sogar noch von weniger Geld, weil sie als nicht registrierte Arbeiter nicht einmal den Mindestlohn bekommen. Meiner Meinung nach müssen wir [die Gesetze über] die Einstellung und Kündigung von Mitarbeitern und alle Bedingungen des Arbeits- und Wirtschaftslebens gründlich überprüfen.“

Der monatliche Mindestlohn für über 16-Jährige beträgt Netto etwa 350 YTL (200 Euro), während die gegenwärtige Armutsgrenze für eine vierköpfige Familie bei etwa 1.600 YTL (915 Euro) liegt, also dem 4,5-Fachen des Mindestlohns.

Ein kürzlich von der türkischen Regierung erarbeiteter Bericht zeigt, dass jeder vierte türkische Bürger unter der Armutsgrenze lebt, während 82 Prozent von ihnen nicht vom Sozialsystem abgedeckt sind. Der Bericht zeigt auch, dass nur 48 Prozent aller Erwerbstätigen sozialversichert sind.

 Posted by at 11:11
Apr 112011
 

Einen etwa halb so hohen Lebensstandard wie die deutsche Sozialhilfe sichert der türkische Mindestlohn.  „Kann man vom türkischen Mindestlohn anständig leben?“ So fragen die Sozialisten empört. Antwort:  Sicher nicht als Einzelperson. Allerdings ist es in der Türkei so, dass die Familienmitglieder einander beistehen. Wer mehr hat, gibt dem, der weniger hat. Onkel hilft Neffen, Bruder hilft Bruder, ältere Schwester passt auf kleinere Geschwister auf, wenn Mutti arbeiten geht. Familiensinn, Gemeinsinn und Nächstenliebe, das sind die Grundpfeiler, auf denen letztlich die türkische Gesellschaft ruht.

Die Ansprüche der Gemeinschaft an den einzelnen sind in der Türkei hoch: Vater und Mutter müssen nach Kräften das Familieneinkommen mehren, notfalls muss Vater auch mal im Ausland arbeiten und Geld nachhause schicken. Zwar sichert die Gemeinschaft dem Alten und dem Kranken Fürsorge, niemand wird abgeschoben! Aber jeder, der kann, muss sich nach Kräften anstrengen, die Kinder, die Alten und die Kranken mitzutragen. Einer trägt des anderen Last. So schildert es der großartige Film „Almanya – willkommen in Deutschland.“

In der Türkei geschieht soziale Sicherung also vor allem über die Familie, daneben sichert der Staat durch das Mindesteinkommen von unter 400 Euro/Monat, dass kein Arbeitender in Armut abgleitet. Ein Sozialhilfewesen wie in Deutschland gibt es in der Türkei nicht.

In Deutschland hingegen kann jeder einzelne seine Ansprüche auf Unterhalt, Fürsorge, Einkommen direkt beim Staat anmelden, sobald er volljährig ist. Der Staat ist die erste Adresse, wenn es darum geht, Ansprüche anzumelden. Politik gleicht einem Spatzennest, wo jeder Jungspatz möglichst laut den Schnabel aufreißt. „Gib, Staat!“

Die Folge: Familien werden in Deutschland als Instrument der sozialen Grundsicherung immer mehr entbehrlich, alle wesentlichen Aufgaben wie etwa Kindererziehung, Lernen, Einkommenssicherung, Altenhilfe, Arbeitssuche, Kochen, Zähneputzenlernen werden in Deutschland, vor allem aber im Bundesland Berlin und hier wiederum besonders stark in Kreuzberg, auf den Staat überwälzt. Der Staat verlangt und erwartet von den jungen Leuten und von den Familien fast nichts mehr. Dies gilt jedenfalls für Kreuzberg, wo ich wohne.

Der Staat ist in Kreuzberg zum bemutternden Dauerfürsorgestaat geworden. Die Politiker haben alle Hände voll zu tun, für ihre Schäflein zu sorgen, drehen die Geldhähne auf bis zum Geht-nicht-mehr.

Spannend! Wir erleben gerade in Kreuzberg und Wedding das Entstehen geschützter, ethnisch weitgehend segregierter Reservate – ähnlich den Indianerreservaten in den USA und Kanada! Wie dort geprägt durch zerbrechende Familien, Schattenwirtschaft, Sozialhilfe, Glücksspiel und Sucht.

Es wird teuer für die wenigen verbleibenden Familien, in denen die Väter und Mütter zur Arbeit gehen. Höhere Staatsverschuldung ist unausweichlich – und so sind auch die Wahlprogramme der Berliner Parteien deutlich auf neue Schulden hin angelegt! Toll!

Bertelsmann-Umfrage: Deutsche haben grenzenlose Ansprüche an Sozialstaat – Nachrichten Wirtschaft – WELT ONLINE

 Posted by at 10:34
Apr 082011
 

384,89 Euro beträgt der aktuelle Mindestlohn in der Türkei. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer in der Türkei bezieht diesen Mindestlohn. Der gesetzliche türkische Mindestlohn beträgt somit etwa ein Viertel bis ein Drittel dessen, was ein Arbeitsloser in Deutschland Monat für Monat an finanziellen Zuwendungen, etwa für Wohnen und Versicherungen sowie an Barauszahlungen erhält. Die Lebenshaltungskosten der Türkei sind unterschiedlich, in Istanbul liegen sie etwa so hoch wie in Deutschland, im Durchschnitt des Landes etwa auf halber Höhe oder etwas darunter. In Istanbul selbst beträgt der aktuelle Durchschnittslohn etwa € 850/Monat.

Ein Sozialhilfeempfänger in Deutschland steht also weit besser da, kann sich weit mehr leisten als ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in der Türkei, von den arabischen Ländern ganz zu schweigen.

Ein Blick auf diese simplen Zahlen vermag etwas von der faszinierenden Sogwirkung des deutschen Sozialsystems auf die anderen Länder dieser Erde zu erklären.

Dennoch wird unausrottbar von „Armut“ gesprochen.  So schreibt heute etwa Gilbert Schomaker in der Berlin-Ausgabe der WELT auf S. 30: „Von Armut betroffen sind laut Bildungsbericht 36 Prozent aller Kinder in Berlin, sogar 46 Prozent aller Jungen und Mädchen in Brandenburg. Als vom Risiko Armut betroffen gelten Familien, die bei zwei Kindern nicht mehr als 1550 Euro im Monat haben.

Es ist haltloser Unsinn, den uns die Statistiker da immer wieder auftischen. Es gibt in Deutschland keine statistisch nennenswerte Armut. Das ständige Gerede von Armut verstellt den Blick auf die wahren Ursachen von scheiternden Bildungskarrieren. Eine der Hauptursachen von scheiternden Bildungsverläufen liegt meines Erachtens darin, dass es zu wenige Anreize gibt, aus dem System der Sozialhilfe aus- und aufzusteigen. Denn alle denken und viele sagen: „Ich krieg ja eh Sozialhilfe.“ Umgekehrt bestehen stärkste Anreize, Familien bewusst ins deutsche Sozialsystem hineinzugründen und die Lebensplanung darauf abzustellen.

Und so entfällt jeder materielle Anreiz, wirklich gutes Deutsch zu lernen oder beruflich verwertbare Qualifikationen zu erwerben.

Minimum Wage in European countries – Google public data

 Posted by at 11:03

Ein Japaner widerspricht nicht: ein einfacher Türke kann den Lauf der Weltgeschichte verändern

 Freiheit, Türkisches, Was ist europäisch?  Kommentare deaktiviert für Ein Japaner widerspricht nicht: ein einfacher Türke kann den Lauf der Weltgeschichte verändern
Mrz 282011
 

27032011460.jpg „Alles, was geschieht, geht mich an“, so sprach’s einmal der alte Goethe und dichtete weiter an seinem West-östlichen Divan und seinem Faust II. Dieser Spruch kam mir heute beim Lesen einer Äußerung des türkischen Außenministers Ahmet Davutoglu in den Sinn – ich finde sie bemerkenswert. Lest, was die FAZ heute auf S. 8 berichtet:

„Ein einfacher Türke, ein einfacher Araber, ein einfacher Tunesier kann die Geschichte verändern. Wir glauben, dass Demokratie gut ist und dass unsere Völker sie verdienen … Was immer in Ägypten, in Libyen, im Jemen, im Irak oder im Libanon geschieht, geht uns alle an.

Demgegenüber erinnere ich mich eines Spruches aus dem Film „Almanya – Willkommen in Deutschland“: Die weise Stimme eines alten Mannes, des Dede der Familie, verkündet da: „Du bist nichts anderes als die Summe aller Menschen, die vor dir gelebt haben und die nach dir leben werden.“

Drei Meinungen,  drei Menschen! Wer hat recht? Goethe, Davutoglu, oder der Dede aus Almanya? S’ist unentscheidbar. Bei Davutoglu höre ich den Urton der Freiheit heraus, in Almanya ging es eher um die Einbettung des einzelnen in ein größeres Ganzes.

Aber hört jetzt noch, was der Japaner Kennosuke Ezawa heute auf S. 29 der Berliner Zeitung sagt. Es scheint ganz mit der „westlichen“ Sicht Davutoglus vom überragenden Rang des „einfachen Menschen“ übereinzustimmen:

„In der westlichen Welt herrscht die Sicht vor, dass ein Individuum eine Welt schaffen kann, die mit Hilfe der Wissenschaft und Technologie aus sich herauswachsen kann. Ein Individuum kann neue menschliche Realitäten schaffen. Diese verborgenen Chancen kann man aber nur nutzen, wenn man lernt, aus sich herauszugehen und eine Welt zu schaffen, die nicht nur einem selbst gehört. Diese Sicht muss den Japanern bewusst gemacht werden.“

Ein Japaner widerspricht nicht : Textarchiv : Berliner Zeitung Archiv

In der japanischen Gesellschaft ist also – laut Kennosuke Ezawa –  das Bewusstsein des tätigen, die Welt zu sich her-stellenden, die Gegebenheiten umbildenden Einzelmenschen nicht vorhanden – es soll geweckt und anerzogen werden. Ein faszinierender Blick in die Unterschiede zwischen „östlicher“ und „westlicher“ Weltanschauung! Bei aller Grobheit, die solchen Entgegensetzungen anhaftet: Was Kennosuke Ezawa sagt, ist keineswegs nur billiger Orientalismus, wie ihn Edward Said seinerzeit so heftig kritisierte. Der von palästinensischen Christen abstammende Said stemmte sich gegen die Entgegensetzung von westlichem Individualismus und östlichem Gemeinschaftsdenken. Er hielt diese Stereotypen für gefährliche Konstrukte der abendländischen Phantasie, die dem Kolonialismus und der Ausbeutung verschwistert seien.

Edward Said mag dies so gesehen haben. Aber Ezawa ist kein Abendländer! Er ist Japaner. Wenn ein Japaner dies sagt, ist es keine bloße Zuschreibung von außen. Ich persönlich halte die vorsichtig-tastende Unterscheidung von „westlich“ und „östlich“ für ein sinnvolles Mittel der Erkenntnis. Schon bei Herodot ist sie da, bei Aischylos auch, in der hebräischen Bibel ebenso.

Und die heutige türkische Kultur? Sie scheint in der Mitte zu stehen – weder eindeutig „orientalisch“, noch eindeutig „westlich“.

 Posted by at 21:16
Mrz 242011
 

09032010.jpg Der große, bewegende Film Almanya beschäftigt mich noch! Er zeigt, wie eine türkische Familie in Deutschland Fuß fasst und doch zugleich die Rückbindung an das Vaterland Türkei zu halten, wiederzugewinnen und zu pflegen sucht. Der neu verliehene deutsche Pass, mit dem der Film beginnt, das ist „nur ein Stück Papier“. Die Sehnsucht gilt der Familie, gilt der Heimat. Die Loyalität gilt der eigenen Familie und der eigenen Kultur.

Erst bei der letzten Generation, der dritten Generation wird diese Loyalität brüchig: „Melek lässt sich scheiden …“ Diese Scheidungen, diese Ent-Scheidungen treffen die jungen Männer hart! Partner werden in Deutschland erstmals außerhalb der ethnischen Herkunft gesucht und gefunden. Die Integration der deutschen oder auch englischen Partner in die türkische Kultur erweist sich als schwierig, zumal ja die türkische Kultur sich ebenfalls zu ändern beginnt.

Almanya, „Deutschland“ – das war eine Chance für tausende von Familien in Anatolien, der bitteren Armut zu entkommen und doch die eigene ethnische Identität beizubehalten. Einmal Türke – immer Türke!

Szenenwechsel! Heute wird in Berlin erbittert um die Konservierung der Kieze gerungen. Das war auch Thema in der BVV-Sitzung Friedrichshain-Kreuzberg, der ich gestern beiwohnte. „Der Bezirk steht auf Seiten der Mieter!“ In Stein gemeißelt! Der Staat soll durch sein eigenes Geld die Menschen  in ihren Kiezen halten, soll durch Milieuschutz und Mieterschutz und Bestandsschutz garantieren, dass jeder lebenslang am selben Fleck bleibt. Selbst Reporter sprechen ohne laut über sich selbst aufzulachen von „Vertreibungen“ der alten Mieter! Man lese nur einmal die Interviewfragen (ohne die Antworten) in dem Tagesspiegel-Interview: „Es ist keine Beleidigung in Hellersdorf zu wohnen.“

Also bitte – liebe deutsche und türkische Landsleute, arkadaşlar  – schaut euch den Film Almanya an! DA wird noch von Schicksalen erzählt! Es ist so schön, dies zu sehen, wie eine Familie durch dick und dünn zusammensteht, wie sie Widrigkeiten wegsteckt, wie sie letztlich alle Sorge dem Menschen, den eigenen Angehörigen angedeihen lässt.

Heute dagegen sagen die Arbeitslosen aller ethnischen Gruppen: „Warum soll ich wegziehen? Ich habe hier in Kreuzberg doch alles.“ Es fehlt in unserem Bundesland Berlin die Bereitschaft, die Härte des Lebens anzunehmen und der Arbeit buchstäblich nachzugehen, wie sie die Menschen in Almanya noch haben.

Am Samstag schauten wir uns diesen Film an. Meine uralte Sehnsucht in den Mittelmeerraum entbrannte da wieder – nach Italien, in die Türkei! Die heutige Türkei ist ein großartiges Land, gespickt mit den Spuren uralter Kulturen: Perser, Griechen, Assyrer, Türken, Armenier, Kurden, Araber – DAS ist eine Mischung! Zusammengefügt durch die prägende Assimilationskraft der Jungtürken! „Ein Volk – ein Land – eine Sprache!“ Das ist seit Jahrzehnten Praxis in der Türkei, niemand darf dies ernsthaft in Frage stellen.

Und Wanderer waren sie alle! Da können wir nördlich der Alpen nicht mithalten.

In dem Film Almanya sehen wir große, Jahrhunderte umspannende Räume. Das sind die echten Geschichten vom Wandel! Was wäre denn geworden, wenn die anatolischen Dorfbewohner gesagt hätten: STAAT! HILF UNS! WIR BLEIBEN ALLE! Es war nicht möglich. Die Staaten Türkei und Bundesrepublik Deutschland haben damals im Anwerbeabkommen zu beiderseitigem Vorteil entschieden: „Ihr habt keine Chance, auf Staatskosten in der Türkei zu bleiben. Also macht euch auf die Wanderschaft!“

In anderen Worten: Es gibt keine Konservierung der Kieze. Der Staat kann nicht garantieren, dass jeder Mensch lebenslang auf Staatskosten im selben Mietshaus, im selben Dorf, im selben Kiez wohnen wird.

Der Film Almanya hat mich mit all seiner Wucht, seiner Heiterkeit erneut die Größe und die Würde des Menschen sehen lehren. Ich gebe ihm die bestmögliche Bewertung! Geht hin. Schaut ihn euch an! Dieser Film kann uns allen zeigen, was im Leben zählt.

„Es ist keine Beleidigung, in Hellersdorf zu wohnen“ – Berlin – Tagesspiegel

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