„Dahoam gehn uns d’Leit aus“, oder: Demokratie ohne Parteien?

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Mrz 142010
 

Für sehr aussagefähig halte ich die Beobachtungen, dass den Parteien die Leute weglaufen. Das Gewese und Getue von Parteien wird ja auch auf den Neuankömmling gesetzteren Alters (über 25 Jahre alt) in aller Regel abstoßend wirken. Voraussetzung für erfolgreiche Politikerkarrieren ist meist eine langjährige Mitgliedschaft von den Jugendverbänden an. Mit spätestens 18 oder 20 Jahren sollte man sich einen Startplatz gesichert haben, sich den vorhandenen Netzwerken willig eingefügt und dann den engen Anschluss an einen oder mehrere Protektoren gefunden haben. Es gibt nur wenige Ausnahmen.

Die Parteien nehmen sich selbst oftmals zu wichtig. Die Parteien haben es in Deutschland ein bisserl übertrieben mit ihren Netzwerken. Und genau darin liegt eine Chance auf Besserung: Wenn die Parteien einfach niemanden mehr aufbieten können, dann müssen sie sich ändern.

Lest selbst:

Frischer Wind – Berliner Zeitung
Die ehrenamtlichen Bürgermeister besitzen nur noch selten ein Parteibuch. Neu aber ist, dass die Parteien selbst für hauptamtliche, bezahlte Posten kein geeignetes oder überzeugendes Personal mehr aufbieten können. Wie jetzt in Frankfurt (Oder), der viertgrößten Stadt des Landes. Thomas Nord, Landeschef der Linken, räumt offen ein: „Die Bindekraft der Parteien lässt nach. Da hat ein Erosionsprozess eingesetzt.“

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Macht mehr Gleichheit glücklicher?

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Mrz 132010
 

Kate Pickett und Richard Wilkinson würden antworten: ja. Sie untersuchten 50 Gesellschaften und fanden heraus, dass die sozialen Probleme, die Kriminalität, die Säuglingssterblichkeit, ja selbst Krankheiten überhaupt um so häufiger auftreten, je größer die Ungleichheit zwischen den reichsten und den ärmsten 20% einer Gesellschaft ist.

Egalitäre Gesellschaften erzeugten demnach – unabhängig vom absoluten Wohlstand – weniger gesundheitliche und soziale Belastungen. In arm und reich gespaltene Gesellschaften verringerten die Lebenserwartung und das allgemeine Zufriedenheitsgefühl.

Es ist interessant zu  sehen, dass die Autoren fast nur demokratische, offene Gesellschaften zitieren. Sie bringen keinen historischen Vergleich etwa zur UDSSR und USA in den achtziger Jahren. Denn in der UDSSR herrschte geringere ökonomische Ungleichheit – also hätte die Lebenserwartung höher sein müssen als etwa in der Bundesrepublik oder den USA. Dies war aber nachweislich nicht der Fall.

Die Befunde der beiden britischen Forscher verdienen genaue Betrachtung!

John Crace: Almost every social problem stems from one root cause – inequality, argue two British academics | Society | The Guardian
And, they say, it’s not just the deprived underclass that loses out in an unequal society: everyone does, even the better off. Because it’s not absolute levels of poverty that create the social problems, but the differentials in income between rich and poor. Just as someone from the lowest-earning 20% of a more equal society is more likely to live longer than their counterpart from a less equal society, so too someone from the highest-earning 20% has a longer life expectancy than their alter ego in a less equal society.

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Mrz 132010
 

„Er war verloren und ist wiedergefunden worden“, so heißt es in der alten, ewig jungen Geschichte vom verlorenen Sohn. „Jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern.“

Wenn ich es recht bedenke, müsste diese Geschichte heute ebenso sehr auch als die „Geschichte vom verlorenen Vater“ erzählt werden. Wieviele Söhne und Töchter berichten mir davon, dass sie ihren Vater nie so recht gekannt, nie so recht gefunden hätten. Es ist, als hätte sich die Gestalt des Vaters verflüchtigt und müsste erst mühsam wiedergefunden werden. Der Vater – muss wiederkommen.

Die schönste Fassung dieser Geschichte von der Wiederkehr des Vaters bietet in meinen Augen Giani Stuparich, ein 1891 in Triest geborener, Italienisch schreibender Autor. Erst vor wenigen Tagen las ich seine Erzählung  „Il ritorno del padre – Die Wiederkehr des Vaters“. Ich kenne keinen anderen Autor, dem es so gut gelänge, dem zuhause verlassenen Sohn wie auch dem in der Welt verlorenen Vater Mitgefühl und Gerechtigkeit widerfahren zu lassen!

Der Vater – das ist ein Hallodri und Kneipengänger, ein Herumtreiber – so stellen ihn die Verwandten dar. Der Sohn stellt ihn sich ganz anders vor. Er meint: „Die allermeisten Verurteilungen verwandelten sich in Lobpreisungen.“  Der Vater ist stark, verständnisvoll, erfolgreich, warmherzig. So soll er zumindest sein in den Phantasien des Sohnes.

Und dann beschreibt Stuparich genau, was bei einer tatsächlichen Begegnung in Vater und Sohn vorgeht. Dieses Hin- und Herschwanken, diese Furchtsamkeit, sich auf einen anderen Menschen einzulassen! In der Begegnung mit dem kleinen Sohn erfährt der Vater seine eigene Schwäche und Verletzlichkeit. Er wehrt sich dagegen. Er möchte einfach so gehen, obwohl der Sohn gerade davor große Angst hat.

Dann bleibt er doch. Mit dem Rauch einer Zigarette bläst der Vater zum Schluss dem Sohn buchstäblich den Ruch des großen Lebens ein – im ausgetauschten Atmen ergibt sich etwas, woran so viele Vater-Sohn-Geschichten ein Leben lang sich vergeblich abmühen: die Versöhnung. Angeleitet von diesem „zarten lebendigen Gewicht, das sich in seine Brust hinabließ wie ein Anker in die beruhigt schimmernden Fluten eines stillen Hafens“, oder im Original:

Negli occhi aperti del padre passavano le luci di nuovi sentimenti, che davano alla sua faccia un’espressione di dolorante bontà. Erano stati sotto, in fondo al suo cuore quei sentimenti, repressi e soffocati da altre passioni: ora tornavano a galla, richiamati da quel dolce e vivo peso, che scendeva dentro il suo petto come un’àncora nelle acque riposate e limpide d’un porto in calma.

Ich empfehle diese meisterhafte Erzählung allen Töchtern und Söhnen, die bisher auf die Heimkehr des Vaters vergeblich gewartet haben.

Leseempfehlung: Giani Stuparich, Il ritorno del padre e altri racconti. Con una nota di Arrigo Stara. Verlag Giulio Einaudi, Turin 1961 und 1989, hier S. 18

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Treber und Zocker

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Mrz 132010
 

Wie oft hört man den Satz „Sie“ – gemeint ist immer die jeweils andere Seite – „haben sich den Staat zur Beute gemacht!“ Sich öffentliche Gelder zur Beute machen, in dieser sportlichen Disziplin bietet Berlin ein reiches Anschauungsfeld. Denn mit einem Haushalt von 17 Milliarden Euro ist Berlin REICH! Sehr REICH! Alle schauen immer nur auf die Schulden von 60 Mrd. – man sollte mal auf diese 17 Milliarden Euro schauen, die es in Berlin Jahr um Jahr zu verteilen gilt! Letzter Fall: die blühende Praxis der Steuergeldverschwendung im Sozialsektor: Treberhilfe. Merkwürdig lau reagieren die Parteien der Opposition und der Regierungskoalition darauf.

Ich gebe noch einmal zu Protokoll: In unserer Kreuzberger Grundschule gibt es wegen Geldmangels keine Deutsch-Lesebücher für die Kinder, aber der Chef einer öffentlich finanzierten gemeinnützigen GmbH fährt Maserati und verdient mehr als die Bundeskanzlerin.

Und wieder eimal hat Vera Lengsfeld etwas tiefer nachgefragt, tiefer nachgeforscht als der Rest der Öffentlichkeit … auch das lässt tief blicken! Wo sind die bestallten Parlamentarier?

Die Achse des Guten: Alltag in Berlin: Ein Betreuer für zehn Obdachlose, ein Lehrer für mehr als dreißig Schüler
Der Senat zahlt seit Jahren ohne mit der Wimper zu zucken die Kostensätze, die von der Treberhilfe verlangt werden, denn eine rechtliche Prüfung, ob diese Kostensätze angemessen sind und ob die Qualitätskriterien, die für die geleistete Arbeit gelten müssten, erfüllt werden, darf nur in „begründeten Ausnahmefällen“ erfolgen. Das heißt, man muss davon ausgehen, dass die vom Senat geförderten oder sogar gänzlich unterhaltenen Vereine in der Regel völlig unkontrolliert Geld bekommen. Diese Praxis ist der eigentliche Skandal in der Treberhilfe-Affäre, die offensichtlich nur die Spitze des Eisbergs darstellt.
Auffällig ist, dass die Opposition gar nicht daran denkt, Licht in den Förderdschungel zu bringen, offensichtlich aus Angst, die eigene Klientel, die ebenfalls von Fördergeldern lebt, zu beunruhigen.

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Die Überzeugungskraft der Freiheit

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Mrz 132010
 

Die Altmodische – Berliner Zeitung
„Sie glaubte an die Überzeugungskraft der Freiheit und daran, dass Menschen Freiheit lernen können.“

Betroffen lese ich diesen Satz in einem Nachruf auf Hanna-Renate Laurien. Geradlinigkeit, Sinn für Humor, ständige Gesprächsbereitschaft, ständiges Werben um Zustimmung … und der Glaube an die Überzeugungskraft der Freiheit – ein sehr guter Ruf! Ein sehr guter Nachruf!

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Mrz 122010
 

11032010.jpg Unser Bild zeigt die vorbildliche Abstellmöglichkeit von Fahrrädern vor der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin, dabei: das Rad des hier schreibenden Bloggers. Wir sind ganz vorne links dabei! Vorbildlich angeschlossen an einen vorbildlichen Anlehnbügel.

Kaum vorbildlich: die Lage der Menschenrechte in Deutschland laut Regierung der USA. Einen sehr langen ausführlichen Bericht zu den zahlreichen staatlichen Menschenrechtsverletzungen in Deutschland las ich soeben nach dem Frühstück. Verfasser: das Außenministerium der USA. Die Gesamtbeurteilung unseres Landes lautet wie folgt: „Der Staat achtete die Menschenrechte seiner Bürger im Allgemeinen …“ Aber lest selbst die Zusammenfassung:

The government generally respected the human rights of its citizens. The government limited the freedoms of speech, press, assembly, and association for neo-Nazi and other groups it deemed extremist. There was governmental and societal discrimination against some minority religious groups. Anti-Semitic attacks and vandalism; violence against women; trafficking in women, men, and children for sexual exploitation and forced labor; and right-wing extremist violence and harassment of racial minorities and foreigners were problems.

Also auf Deutsch: Staatliche Einschränkung der Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit von Neonazi-Gruppen und anderen Gruppen, die der Staat für extremistisch hält; staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung einiger religiöser Gruppen, antisemitische Angriffe und Vandalismus, Gewalt gegen Frauen, Frauen- Männer- und Kinderhandel für Zwecke der sexuellen Ausbeutung und Zwangsarbeit, rechtsgerichtete extremistische Gewalt und Einschüchterung von rassischen Minderheiten und von Ausländern.

Das sind die wesentlichen Menschenrechtsprobleme  unseres Landes in der Sicht des US-Außenministeriums.

So beginnt er die Aufstellung der Menschenrechtsverletzungen in Deutschland:

2009 Human Rights Report: Germany

RESPECT FOR HUMAN RIGHTS

Section 1 Respect for the Integrity of the Person, Including Freedom From:

a. Arbitrary or Unlawful Deprivation of Life

The government or its agents did not commit any politically motivated killings. However, on April 20, in Regensburg, Bavaria, police killed 24-year-old Tennessee Eisenberg after he allegedly refused police demands to drop a knife. Eisenberg’s corpse had twelve bullet wounds.

Es lohnt sich unbedingt, den Sachstandsbericht der amerikanischen Regierung ganz durchzulesen! Soweit für mich abschätzbar, speist er sich ausschließlich aus den Medien. Er ist ein Filtrat aus der Berichterstattung der in- und ausländischen Presse: der Spiegel eines Spiegels! Deutschland erscheint als ein Land, das die Menschenrechte im Wesentlichen einhält, obgleich zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch den Staat und durch die Gesellschaft aufgeführt und angeprangert werden.

Kritisch wird die Einschränkung der Meinungsfreiheit für rechtsextreme Gruppen gesehen; das Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst einiger Bundesländer wird angeprangert, ebenso die Einschätzung von Scientology als verfassungsfeindlich. Rassische Diskriminierung wird als weitverbreitet dargestellt.

Die Rede vom Alltagsrassismus hat also Früchte getragen! Wir sind nicht nur in der Darstellung des Zentralrates der Muslime in Deutschland, sondern auch nach der Meinung des US-Außenministeriums ein Land, in dem der Rassismus weitverbreitet ist. Die „rassischen Minderheiten“, wie das die Amerikaner nennen, haben ein schweres Leben bei uns.

 Posted by at 10:41
Mrz 112010
 

abdel-samad_images.jpg Neben Armin Laschets „Aufsteigerrepublik“ halte ich Abdel-Samads „Abschied vom Himmel“ für die beiden besten Bücher zum Thema „Integration“, die der deutsche Buchmarkt im Jahr 2009 herausgebracht hat. Sie sind wie Zwillingsbrüder. Sie machen all die hochtrabende, begrifflich hochgerüstete akademische Migrations- und Integrationsforschung … nun … nicht komplett überflüssig, aber sie grundieren sie mit kräftigen, unauslöschlichen Pinselstrichen. Sie sind – Butter bei die Fische!

Was sagt Hamed Abdel-Samad zum Thema „Alltagsrassismus“? Antwort: Er verwendet  das Wort nicht.  Sehr wohl aber spricht er von Diskriminierung, der harmloseren Vorstufe zum Rassismus. Wir hören:

„Aber eines haben Türken und Araber in Deutschland gemein: Sie beschweren sich leidenschaftlich und fortwährend über ihre Diskriminierung, obwohl es meist gar nicht um Diskriminierung geht. Es handelt sich vielleicht um Gleichgültigkeit, Nichtbeachtung oder höchstens Kränkung, aber Diskriminierung ist eigentlich etwas anderes. Aber der Vorwurf der Diskriminierung dient oft als Ausrede für das Ausbleiben eigenen Erfolgs.“

Gleichgültigkeit, Nichtbeachtung oder Kränkung: Das erfahre ich, das erfahren wir Menschen immer wieder, z.B. wenn die Leute uns nicht kennen, wenn wir schlecht oder dürftig angezogen sind. Gehen Sie mal in abgerissenen Jeans und Turnschuhen in ein Standesamt! Und dann gehen Sie mit Anzug und Krawatte und gewienerten Schuhen in dasselbe Amt – na, bemerken Sie den Unterschied?

Aber: Das ist weder Rassismus noch Diskriminierung. Das ist menschlich. So sind wir Menschen.

Daneben gibt es zweifellos Fälle von Diskriminierung von Zuwanderern in Deutschland, das höre ich selbst immer wieder. Aber – es sind einzelne Fälle, es hat nicht System. „Sie sind aber kein Berliner, oder?“ – das höre ich selbst immer wieder hier in Kreuzberg. Warum bloß? Bin ich deswegen schon ein Diskriminierungsopfer? Unsinn!

Sich ständig als diskriminierte Minderheit (oder Mehrheit) auszugeben, hat wenig Sinn. Wir wären dann ja alle Diskriminierungsopfer, weil wir ständig aufgrund von rein äußerlichen Merkmalen wie etwa Kleidung oder Haartracht eingestuft und beurteilt werden!

Alle können sich durch Höflichkeit, durch Leistung, durch Respekt gegenseitig in ihrer Eigenart bestärken. Das brauchen wir. Nicht Jammerarie auf Jammerarie!

Hamed Abdel-Samad: Mein Abschied vom Himmel. Aus dem Leben eines Muslims in Deutschland. Fackelträger Verlag, Köln 2009, 312 Seiten. Zitat: S. 48

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Mrz 112010
 

„Iiii – wie eklig – der isst Salami“, diese Reaktionen muslimischer Mitschüler höre ich von Kreuzberger Grundschülern, die der nichtmuslimischen Minderheit angehören, wenn sie ihr Pausenbrot auspacken. Und immer wiede sehe ich junge Männer der Mehrheit, wie sie besonders auffällig und wiederholt auf die Erde spucken. Und Mädchen oder junge Frauen aus der nichtmuslimischen Neuköllner Minderheit berichten von häufigen sexuellen Belästigungen und machohafter Anmache, wenn sie allein auf der Straße gehen.“Ich habe keine Lust mehr, mich dauernd von den Jungs beleidigen zu lassen“, sagen diese Frauen. Viele deutsche Familien sind schon aus Neukölln weggezogen.

„Die Themen, die den Muslimen unter den Nägeln brennen wie Alltagsrassismus oder Islamophobie sind nicht einmal erwähnt worden.“ So Aiman Mazyek heute auf S. 5 der Süddeutschen Zeitung.

Angst deutscher Mädchen vor sexueller Anmache durch moslemische junge Männer, Verspottung und Lächerlichmachen von Schweinefleischverzehrern, ostentatives Spucken von Halbstarken auf den Berliner Boden … ist das alles schon Rassismus oder Islamophobie?

I wo! Es ist mangelnde Erziehung, eine Selbstabgrenzung der muslimischen Bevölkerung, eine Mischung aus dumpfen kulturell-religiösen muslimischen Überlegenheitsansprüchen und gefühlter ökonomischer Unterlegenheit. Mit Rassismus hat dies beileibe nichts zu tun.

Als echten Rassismus würde ich allenfalls die in Kreuzberg und Neukölln weitverbreiteten judenfeindlichen Einstellungen bezeichnen. Und dafür – also für die Bekämpfung antisemitischer und homophober Vorurteile unter moslemischen Jugendlichen – stellt die Stadt Berlin ja in diesem Jahr 1,9 Millionen Euro bereit.

„Diese Bank ist nur für Weiße“, so berichtete die letzte Sendung mit der Maus aus Südafrika. Südafrika war bis 1991 ein rassistischer Staat! In ganz Europa herrschte im 19. Jahrhundert bis weit in die dreißiger und vierziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein rassistischer Unterton.

„Alltagsrassismus und Islamophobie“  – mit diesen allzu häufig, inflationär ausgespielten Karten wollen manche migrantischen Verbände ihren Opferstatus befestigen. Darin sind sie Meister. Grotesk!

Muslime erwägen, den Dialog mit de Maizière zu beenden – Islamkonferenz vor dem Aus – Service – sueddeutsche.de
Mazyek kritisierte auch die inhaltliche Neuorientierung der Konferenz: „Die Themen, die den Muslimen unter den Nägeln brennen wie Alltagsrassismus oder Islamophobie sind nicht einmal erwähnt worden.“ Auch die Zusammensetzung des Gremiums ist den Verbänden zuwider.

 Posted by at 11:38
Mrz 112010
 

Mit diesem Ausruf kam vor zwei Wochen ein Mädchen in der Kreuzberger Fanny-Hensel-Grundschule auf mich zu. Ich kannte sie noch von einem unserer Schulkonzerte. „Das Lied, das du gespielt hast, hat mir gefallen“, sagte sie. „Das will ich auch spielen!“ Freunde, ich sag euch: Für solche Momente lohnt sich alle Mühe! Da gleitet man auch über allerlei bedenkliche Zwischenrufe hinweg, die die Berliner Dirigenten warnend erschallen lassen.

Es mag zwar sein, dass Berlin ein einziger Poblemkiez ist, was die musikalische Bildung angeht. Es wird zuviel gedudelt. Aber es liegt an uns dies zu ändern. Gebt nicht nur einem Kreuzberger Kind eine Geige, gebt jedem Berliner Kind ein Instrument: Geige für die Jungs, Kontrabass für die Mädchen, Baglama für Lichtenberger Jungen, Blockflöte für Neuköllner Jungen!

Jede Wanderung beginnt mit einem Schritt!

Musikalische Bildung – „Berlin ist ein einziger Problemkiez“ – Berlin Aktuell – Berliner Morgenpost
Berlins Schülern fehlt es flächendeckend an musikalischer Bildung, dieser Ansicht ist Anne-Kathrin Ostrop Musiktheaterpädagogin der Komischen Oper. Sie erlebt in Workshops die Defizite von Schüler. „Die Situation ist bereits verfahren“, sagte sie Morgenpost Online. Der Zweck von Musikunterrich sei es eigentlich, Sozialkompetenz zu erwerben. „Unsere Kinder sollen nicht grobschlächtig, sondern sensibel werden.“ Doch das Wissen um die Kultur und die Fähigkeit, bewusst Musik zu hören, seien „deutlich geschwunden“.
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Ostrop . In anderen Bundesländern gebe es aber zumindest Initiativen wie die Aktion „Jedem Kind ein Instrument“ in Nordrhein-Westfalen. Lokale Schwerpunkte gebe es in Berlin nicht mehr, nur noch 20 Prozent der Schulkinder hätten einen qualifizierten Musikunterricht: „Berlin ist ein einziger großer Problemkiez.“

 Posted by at 11:08

Ein qualitativer Begriff von Armut: Irene Khan

 Armut, Rechtsordnung, Staatlichkeit  Kommentare deaktiviert für Ein qualitativer Begriff von Armut: Irene Khan
Mrz 102010
 

1 oder 2 Dollar am Tag – das ist die UN-Definition von Armut. Sie ist unvollständig, wie Irene Khan, die ai-Generalsekretärin, in einem Interview hervorhebt:

YouTube – KCTS 9 Connects: Irene Khan Talks About Global Poverty

Armut im qualitativen Sinn bedeutet laut Khan dreierlei: Keine Abhilfemöglichkeiten vor Rechtsbrüchen, keine Zugangsmöglichkeit zu verbrieften Rechten, keine Zugangsmöglichkeiten zu Systemen der sozialen Sicherung, keine rechtliche Gleichstellung.

In diesem Sinne, so Khan, leben 1 Drittel der Menschheit in Armut. Unter diesen Armen wiederum sind 70% weiblich.

Abhilfe gegen Armut verlangt zwingend: Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechtigung der Frau.

Mangelnde Rechtssicherheit, mangelnde Rechtsstaatlichkeit, mangelnde Gleichberechtigung sind die größten Hindernisse in der Armutsbekämpfung!

Die Ausführungen Irene Khans sind mir ein Labsal! Ich würde sie gerne all jenen vorspielen, die immer noch an der törichten Definition der Armut festhalten, wonach derjenige arm sei, der weniger als 50% des Durchschnittseinkommens habe. So behauptet es steif und fest die EU-Kommission, und so beten es wieder und wieder fast alle Journalisten und Politiker in Deutschland nach. Was für ein Zynismus gegenüber dem Drittel der Menschheit, das in echter Armut lebt!

Ich behaupte: In der Bundesrepublik gibt es nur ganz wenige Arme, sicherlich weniger als 1%  Prozent der Bevölkerung.

 Posted by at 19:48

Trio educativo

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Mrz 102010
 

Als echter Mann der Mitte profiliert sich heute der Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz im Trio educativoandante moderato auf S. 6 der Süddeutschen Zeitung. Ein sehr vernünftiger Mann, der Mann aus Sachsen-Anhalt, scheint mir, welcher Partei mag er wohl angehören? – Dann sollte man doch dieser Partei beitreten, wenn man sinnvolle Kultuspolitik betreiben will … 🙂 Lest etwa seine folgende Aussage:

Kultusminister im Gespräch – “Es geht zuviel um Zeugnisse“ – Job & Karriere – sueddeutsche.de

Extreme muss man meiden. Mich stören diese vereinfachten Schemata. Zum Beispiel Ganztagsschulen: Ist man dafür oder dagegen? Das kann man doch so gar nicht beantworten. Ich bin auf jeden Fall für Ganztagsschulen, wenn sie gute Schulen sind. Schlechte Ganztagsschulen haben den Nachteil, dass sie den ganzen Tag schlecht sind.

Scherz beiseite, die drei Kultusminister der Länder Bayern, Hamburg und Sachsen-Anhalt pflegen einen höflichen, aufgeklärten Umgang miteinander – so muss es sein. Und meine Sympathien gelten in diesem Fall eben allen dreien, am meisten aber dem Herrn Olbertz. Dennoch werde ich seiner Partei (die mir bekannt ist) nicht beitreten! 🙂

Was mir dennoch auffällt: Keiner der drei erwähnt auch nur mit einer Silbe die aktive Rolle der Familien, die Rolle der Eltern. Man vermeidet peinlichst den Anschein, irgendwelche Erwartungen an die Eltern zu richten, irgendeine Leistung von den Familien abzuverlangen. Und das halte ich für einen schweren Fehler! Die Eltern können viel tun! Sie sind – zum Teil unabhängig von den Leistungen der Schulen – ein entscheidender, vielleicht der entscheidende Determinant in Bildungskarrieren von Kindern!

Ich habe noch einmal die Artikel 1-19 des Grundgesetzes durchgelesen. Die Erziehungs- und Fürsorgepflicht der Eltern gegenüber den Kindern ist dort unter Art. 6 ausdrücklich verankert – und zwar im Grundrechtekatalog!

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

Das bedeutet: Jedes Kind hat einen unmittelbar wirksamen Rechtsanspruch auf Erziehung und Fürsorge durch seine Eltern! Und mehr noch: Die staatliche Gemeinschaft hat das Recht, ihre Erwartungen an die Eltern zu formulieren und als Empfehlungen, Ratschläge oder auch gesetzliche Verpflichtungen auszusprechen. Davon sind wir aber meilenweit entfernt. Es geschieht kaum, fast nicht.

Ich kann mir das nur so erklären, dass unsere demokratisch gewählten Politiker Angst vor dem Wahlvolk, also in diesem Fall vor den Eltern haben. Sie zittern. Zu Unrecht!

Kein Politiker braucht Angst zu haben, wenn er von Bürgern, in diesem Fall von den Eltern, mehr Mitarbeit verlangt.

Ein Beispiel: Ich höre immer wieder unisono von Erziehern und Lehrern, dass die Kinder nicht richtig gesund essen, dass sie nicht richtig versorgt werden, dass die Eltern sich nicht kümmern. Dass die Kinder stunden- oder tagelang vor Fernseher oder Computer geparkt werden. Dass Kinder nicht wissen, was Pünktlichkeit, Fleiß und Höflichkeit sind. Vorher könne man nicht sinnvoll unterrichten. Was tut der brave Staat? Er springt ein – mit Ganztagsschulen, mit mehr Betreuung, mit Angeboten noch und noch. Er sucht die Schuld immer – bei sich selbst.  Das „Einspringen“ mag auch seine Berechtigung haben. Aber zuvor oder „zuvörderst“, wie das Grundgesetz sagt –  sind die Eltern an ihre Pflicht zu erinnern. Und das kann ich in der ganzen Debatte nicht erkennen! Auch nicht im heutigen SZ-Interview.

Ermannt euch, Politiker! Ihr seid nicht für alles verantwortlich! Über etwa 2500 Jahre war Europa der Meinung, dass Erfolg durch die Anstrengung der Einzelnen errungen wird, dass Bildungserfolg in erster Linie durch fleißiges Lernen unter Anleitung erzielt wird, weniger durch Strukturen.

 Posted by at 16:35

Patriotismus per Gesetz?

 Integration durch Kultur?, Staatlichkeit  Kommentare deaktiviert für Patriotismus per Gesetz?
Mrz 102010
 

In den USA und in der Türkei ist Erziehung zum Patriotismus den Schulen gesetzlich vorgeschrieben. In jeder Schule steht vorschriftsgemäß eine Fahne. „DU BIST EIN STOLZER US-AMERIKANER“, diese Grundbotschaft bekommt jeder US-amerikanische Schüler durch Fahne und Hymne immer wieder vermittelt. Unabhängig von Hautfarbe oder ethnischer Herkunft – jeder US-Bürger gehört dazu. Und die allermeisten Bürger der USA sind stolz darauf und möchten mit niemandem tauschen!

Ähnliches beobachtete ich in der Türkei. „Ich bin TÜRKE …“, so geloben es die Schulkinder Tag um Tag zu Unterrichtsbeginn. Und es folgt der Treueeid auf Atatürk. So gelang es den Jungtürken, einen modernen Nationalstaat zu schaffen, obwohl die Türken 1919 nur 55% der Bevölkerung stellten und die Türkei zu Beginn ein multiethnischer, multireligiöser Staat war.

Bei uns in der EU rümpft man glücklicherweise über so etwas Böses, wie es die USA und die Türkei machen, die Nase. Es gilt ehern: Je weniger Deutschland, desto besser. Folge: Die Türken in Deutschland fühlen sich als „Türken in Deutschland“ oder als irgendwas dazwischen, die Araber in Deutschland fühlen sich als „Araber in Deutschland“ oder als irgendwas dazwischen, die Deutschen in Deutschland fühlen sich als irgendwas oder sonstwas oder irgendwas dazwischen.

Nur die Slowakei versucht gerade etwas Ähnliches wie die USA oder die Türkei. Großes Gelächter löste in Deutschland – wie zu erwarten – folgende Meldung aus:

Heimatliebe per Gesetz – Patriotismus ist in der Slowakei für jeden Pflicht – Politik – Berliner Morgenpost
In allen öffentlichen Schulklassen des Landes müssen künftig Staatswappen, Fahne und auch der Text von Hymne und Verfassungspräambel aufgehängt sein. Die „Erziehung zur Heimatliebe“ wird gesetzlich vorgeschriebenes Bildungsprinzip. Staatsbeamte müssen künftig beim Ablegen ihres Amtseides schwören, „die Symbole des Staates zu ehren“.

 Posted by at 13:59

La ministro – Ermannt euch, habt Mut zum Maskulinum!

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Mrz 102010
 

Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist der deutsche Justizminister. Oder die deutsche Justizministerin? Oder die deutsche Justizminister? Was ist richtig? Was ist besser? Was hättet ihr Frauen denn gerne?

Im Italienischen hat sich das Blatt gewendet: Viele Frauen wollen keine weiblichen Funktionsbezeichnungen mehr. Gerade linke, progressive, aufgeklärte und emanzipierte Frauen – nehmen wir den Familiennamen Rossi – wollen nicht professoressa Rossi genannt werden, sondern professor Rossi. Nicht la ministra, sondern la ministro.

Gerade linke, progressive, aufgeklärte und emanzipierte Zeitungen folgen diesen selbstbewussten Frauen in ihrem redaktionellen Sprachgebrauch. Hier ein Beleg aus der Repubblica von heute.

Ratisbona, padre Ratzinger si scusa „Anch’io talvolta li ho picchiati“ – Repubblica.it
La situazione per la Chiesa cattolica si fa dunque sempre più difficile nel paese del Papa. Ieri la ministro della Giustizia tedesca, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ribadendo la richiesta di una urgente Tavola rotonda …

 Posted by at 10:59