Mrz 052010
 

04032010007.jpg  „Arbeiten, arbeiten, an Gewohnheiten rütteln … “ – im Flieger zurück von Düsseldorf nach Berlin las ich gestern die Paris Match, vor allem natürlich das Exklusiv-Interview mit dem russischen Präsidenten Medwedew, S. 56-63. Als Mittel gegen die von ihm selbst offen angeprangerten Missstände in Russland – wirtschaftlicher Rückstand, jahrhundertelang eingewurzelte Korruption, blinde Autoritätshörigkeit – empfiehlt er Anstrengung und Fleiß, daneben die Abkehr von verfestigten schlechten Gewohnheiten. Beachtlich! Zumal er die Probleme im Kaukasus, die Menschenrechtsfragen nicht als Negativpropaganda des Westens beiseitewischt, sondern offen einräumt: „Mais ces problèmes existent vraiment, il faut s’en occuper.“

Exclusif. Dmitri Medvedev nous reçoit dans sa datcha – Exclusif. Dmitri Medvedev président de la Russie reçoit Paris Match – ParisMatch.com

Hervorzuheben ferner: Der russische Präsident sucht ausdrücklich die kulturellen Gemeinsamkeiten zwischen Frankreich und Russland, betont das Verbindende: „Les Champs-Elysées, les lumières, les petits restos, l’atmosphère … c’est une grande émotion!“

Neben die alten Tugenden Fleiß, Verantwortung, kritisches Hinterfragen von Traditionen rückt er also die Besinnung auf gemeinsame europäische Kultur. Und auch auf das Christentum, diesmal in orthodoxer Variante. Man studiere die Bilder genau! Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass dieses Interview sehr genau durchgesehen wurde, dass jedes Bild auf Stimmigkeit und Aussagekraft überprüft wurde. Es wäre reizvoll, die russischen Herrscherporträts, die wir am 06.01.2009 in diesem Blog vorstellten (darunter Katharina II.), mit dieser Bilderstrecke in der Paris Match Nr. 3171 zu vergleichen!

„Viele Russen sehnen sich nach der Sowjetzeit zurück, nach der staatsversorgten Daseinsform, ohne Zukunftsangst. Teilen Sie dieses Gefühl?“ So die Frage an Medwedew.

Die Antwort Medwedews  halte ich für ein Musterbeispiel von politischer Klugheit. Man bedenke, dass ihm die Veteranenverbände gerade jetzt heftige Vorwürfe machen, weil er Stalin als einen Verbrecher bezeichnet hat! Was konnte er also auf dieses heikle Frage antworten?

Urteilt selbst! Ich meine, die Antwort Medwedews ließe sich sogar auf deutsch-deutsche Befindlichkeiten übertragen. Deshalb sei die Antwort hier widergegeben:

„Ja, das ist normal. Ich bin in der UDSSR geboren und aufgewachsen. Das sind meine Kindheitserinnerungen. Doch gilt es hier Gefühl und Vernunft einzubeziehen. Die damalige Gesellschaft, ihre Grundsätze, ihr Funktionieren sind weit entfernt von dem, was ich für erstrebenswert halte. Sicherlich, es gab gute Seiten. Aber grundsätzlich möchte ich mich nicht in einem solchen Zusammenhang wiederfinden.“

Unser Bild zeigt die Rheinpromenade in Düsseldorf, mit Blickrichtung auf das von Heinrich Heine so gelobte Frankreich.

 Posted by at 21:16

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