Jan 222011
 

 Fortes fortuna adiuvat, jede ist ihres Glückes Schmied, herkes kendi mutluluğunu kendi yaratır –  so oder so ähnlich mag es die Volksweisheit. Bezirksbürgermeister Schulz hob am 19. Jänner lobend im Interview hervor: Bei den Nachkommen der Menschen aus Vietnam und Ex-Jugoslawien gibt es exzellente Schulleistungen. Sie haben ein starkes Bild, dass sie der „Schmied vom eigenen Glück“ sind.

Wer schafft Glück? Haben wir es in der Hand? Man möchte annehmen, dass ein Dichter der Tat, ein Dichter des bürgerlichen Schaffens und Wirkens wie Friedrich Schiller ebenfalls diesem Glauben huldigen würde, dass jeder seines Glückes Schmied sei. Sittliche Vervollkommnung, beständiges Streben und Rennen auf der Laufbahn des Lebens müssten doch zum Erfolg führen! Nicht umsonst wurde Schiller durch das ganze 19. Jahrhundert hindurch zum Hausdichter des deutschen Bürgertums!

Wie überrascht war ich heute, etwas Gegenteiliges in Schillers großem Gedicht „Das Glück“ zu lesen.

Schiller: Das Glück
Groß zwar nenn ich den Mann, der, sein eigner Bildner und Schöpfer,
Durch der Tugend Gewalt selber die Parze bezwingt,
Aber nicht erzwingt er das Glück, und was ihm die Charis
Neidisch geweigert, erringt nimmer der strebende Mut.

Das Lebensglück ist keine Verfügungsmasse. Wir haben das Glück nicht in der Hand. Schiller fasst glückhaftes Gelingen als unverdiente, unberechenbare Gabe der Götter. Und er greift bewusst das Bild des Schmiedens auf, wenn er sagt: Achilles, das Urbild der Tugend, wurde durch die Götter, insbesondere den Schmiedegott Hephaistos, bevorzugt. Der Gott schmiedete ihm seinen Schild.

Zürne dem Glücklichen nicht, daß den leichten Sieg ihm die Götter
Schenken, daß aus der Schlacht Venus den Liebling entrückt.
Ihn, den die lächelnde rettet, den Göttergeliebten beneid ich,
Jenen nicht, dem sie mit Nacht deckt den verdunkelten Blick.
War er weniger herrlich, Achilles, weil ihm Hephästos
Selbst geschmiedet den Schild und das verderbliche Schwert,
Weil um den sterblichen Mann der große Olymp sich beweget?

Wir könnten heute sagen: Die Startchancen im Leben sind für die einzelnen nicht gleichmäßig verteilt. Dies scheint eine uralte, jahrtausendelang festgestellte, aber um nichts weniger empörende Ungerechtigkeit zu sein. Kinder, die in der Sahelzone geboren werden, sind gegenüber den Kreuzberger Kindern im Sozialplanungsquartier Gleisdreieck im unaufholbaren Nachteil. Kinder, die ab dem Alter von 8 Jahren in Bangladesh für einen Hungerlohn Knöpfe annähen, könnten neidisch auf all jene Kinder in Marzahn-West blicken, die jeden Tag genug zu essen und zu trinken haben, die ein Dach über dam Kopf haben, die zehn Jahre lang kostenlosen Schulunterricht genießen, denen alle Chancen offenstehen. Sie, die Kinder in Marzahn-West oder Kreuzberg nördlich der Gitschiner Straße,  können Fernsehen schauen, soviel sie wollen – in Türkisch, Arabisch und Deutsch. Davon können Kinder in sehr vielen anderen Ländern nur träumen.

 Posted by at 21:24

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