Herrlich anregend, besser als noch ein doppelter Lavazza-Espresso an der Bar dietro l’angolo ist das Vergnügen, gleich am frühen Morgen die Tageszeitungen der führenden europäischen Volkswirtschaften durchzulesen, die durch die ideale Werteklammer des Kontinents, den Euro, zusammengehalten werden. Schmunzel. Im Ernst: die führenden europäischen Volkswirtschaften der EU liegen – ausweislich der Presseberichte – seit Jahren nur noch überkreuz, die eine sagt Hü, die andere sagt Hott. Es tut mir leid, cari amici, liebe Freunde: Es passt leider alles hinten und vorne nicht zusammen – sofern man sich der Mühe unterzieht, die innenpolitischen Debatten der beteiligten Länder in den Originalsprachen zu verfolgen.
Jüngstes Beispiel: Die Berichte der italienischen Tageszeitungen über die Ansprache des italienischen Ministerpräsidenten Letta. Er wird zitiert mit folgender Aussage: „Il tasso di cambio è maledetto„, der Euro-Wechselkurs ist vermaledeit. Im Klartext: Auf dem Euro-Wechselkurs lastet ein Fluch, una maledizione. Letta schlägt einen Eingriff der Politik zugunsten eines schwächeren Euros vor, damit die Wirtschaft und die Beschäftigung wieder wachsen können. Also etwas, was durch die bestehenden europäischen Verträge kategorisch ausgeschlossen wird. Eine Einflussnahme der Politik auf den Euro-Wechselkurs ist schlechterdings nicht zulässig. Wer eine schwächere Währung für seine Volkswirtschaft will, was ja im Falle Italiens durchaus legitim ist, der muss den Euro verlassen oder auf eine fundamentale Änderung der bestehenden europäischen Verträge hinwirken. Hier ein höchst lesenswerter Bericht über die Ansprache Lettas:
http://www.repubblica.it/politica/2013/12/18/news/letta_crisi-73915614/?ref=HREC1-5
Trotzdem sollte man jetzt nicht die Divergenzen und Streitigkeiten zwischen den führenden EU-Volkswirtschaften befördern. Im Gegenteil! Weihnachten, das Fest des Friedens und der Konvergenz, das Fest des Geschenkeverteilens naht. Eine der ersten Maßnahmen der neuen deutschen Bundesregierung soll ja die Senkung des Renteneintrittsalters für einen Teil der Beschäftigten sein. Die dürfen zukünftig schon mit 63 in Rente gehen, die grausame Erhöhung des Renteneintrittsalters wird zurückgedreht. Und genau dasselbe verkündete damals auch der frisch gewählte italienische Premierminister Letta! Auch er verkündete als eine der ersten beschäftigungspolitischen Maßnahmen die Senkung des Renteneintrittsalters für einen Teil der Beschäftigten -, nicht auf 63, sondern auf 61 Jahre. Deutschland und Italien – traulich vereint in der Senkung des Renteneintrittsalters! Deutschland und Italien stimmen überein, dass man soziale Wohltaten verkünden muss, damit die Beschäftigung wieder anzieht. Denn „Europa gelingt gemeinsam“, „der Euro sichert Deutschlands Wohlstand“ usw. usw.
Es bleibt zu hoffen, dass diese und andere sozialpolitischen Geschenke trotz des verfluchten Euro-Wechselkurses ihre segensreiche Wirkung entfalten mögen.
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