Sep 192008
 

19092008001.jpg Kirsten Heisig, das ist neben der füheren Erzieherin meines Sohnes in der Kita am Kleistpark eine der Frauen, die ich bewundere. Ich erlebte die Neuköllner Jugendrichterin persönlich bei einer Anhörung im Bundestag – dieses Blog berichtete darüber am 22.01.2008. Ich meldete mich damals auch zu Wort (zum ersten Mal im Bundestag!), und was sie mir erwiderte, zeigte, dass sie sehr genau zuhört. Das muss sie sowieso, es ist Zeichen einer guten Richterin. Nicht umsonst heißt es im Englischen: „The judge hears the case.“ Der Richter verhandelt im angesächsischen Recht nicht den Fall, sondern er hört ihn.

Später sah ich ein Foto aus einem Infobrief des Vereins Morus 14. Dort war abgebildet, wie Richterin Heisig am Herd steht und für „schwierige“ Neuköllner ein Essen kocht und dann bei einem Fest mit ihnen feiert und isst. Toll, klasse, bewundernswert, mutig, Frau Heisig! Sie hören nicht nur richtig gut zu, Sie reden auch in klarer, schlichter, glaubwürdiger Sprache – und Sie handeln.

Frau Heisig ist ein Mensch, wenn man ihr zuhört, ist man sofort beeindruckt von ihrer Lauterkeit, ihrem Mut, ihrer Fähigkeit, sich in andere Lebensläufe hineinzuversetzen. Erneut großen Mut beweist sie mit ihren Vorschlägen zur migrantischen Jugendkriminalität. Da mein Sohn selbst Migrationshintergund hat, musste ich ihre Ausführungen aus dem Fachblatt „Der Kriminalist“ unbedingt lesen. Er soll ja nicht auf die schiefe Bahn geraten. Ergebnis der Lektüre: Im wesentlichen dieselben Aussagen, die Heisig im Januar im Bundestag mündlich vortrug: rascheres Reagieren auf Regelverletzungen, konsequenteres Ausschöpfen des vorhandenen rechtlichen Instrumentariums, stärkeres Eingehen auf kulturelle Hintergründe und abweichende Wertvorstellungen der Täter, Durchsetzen der in unsesem Lande geltenden Rechtsordnung, koordiniertes Zusammenwirken von Polizei, Sozialarbeit und Justiz.  Zitat aus dem Aufsatz:

Ich bin der Ansicht, dass im Bereich der Strafjustiz gegenüber den jugendlichen Straftätern vermehrt von den vereinfachten Jugendverfahren Gebrauch gemacht werden muss. Diese Verfahren ermöglichen es ohne Einhaltung von Form und Fristen, unmittelbar auf die Straftat zu reagieren. Deshalb wurde von Berliner Jugendrichtern (meinem Kollegen Günther Räcke und mir) ein Modellprojekt für den Bereich Neukölln-Nord initiiert. Wir Jugendrichter haben mit einem Polizeiabschnitt in Neukölln, einem Staatsanwalt und einem Mitarbeiter des Jugendamtes eine kleine „schnelle Eingreiftruppe“ gebildet, die sich zum Ziel gesetzt hat, in geeigneten Fällen der kleinen bis mittleren Kriminalität innerhalb von etwa drei Wochen nach der Tat bei Jugendlichen zu einer richterlichen Maßnahme zu kommen.

Jugendliche – So denkt eine Berliner Richterin über kriminelle Ausländer – Berlin – Berliner Morgenpost

Die klug abwägenden Vorschläge Kirsten Heisigs leuchten mir ein. Ich bin kein Fachmann, aber ich spreche oft mit arabischen und türkischen Jugendlichen. Sie warten – so mein Eindruck – nur darauf, einmal ernst genommen zu werden, mit Namen angesprochen zu werden, in ihrer Sprache angeredet zu werden, Grenzen zu spüren. Eine solche Grenzerfahrung kann über die Justiz erfolgen. Besser wäre es, wenn der Vater oder die Mutter oder andere erwachsene Männer die festen Grenzen zögen.

Und was sagen unsere vielfach gerühmten Berliner Landespolitiker?  Liest man deren Stellungnahmen durch, so erkennt man: Es wird immer nur der eine oder andere Teilaspekt herausgegriffen, das gesamte Modell wird kaum gewürdigt, unmittelbar danach versuchen die Politiker, Kapital für ihre eigene Partei daraus zu schlagen, indem sie die von jeher erhobenen Forderungen des eigenen Haufens an die Vorschläge Kirsten Heisigs draufpappen. Also: CDU schlägt mit der Holzhammer-Forderung nach Herabsetzung der Strafmündigkeit und schärferen Strafmaßen drauf, Grüne heucheln Einfühlung in fremde Kulturen,  SPD unterstellt der Richterin Heisig fälschlich plumpe Einseitigkeit. Auf dass das Licht der eigenen Partei umso heller scheine. Richtig Ahnung von der Materie dürften die wenigsten Politiker haben.  Aber zuhören sollte man schon können. Wenigstens der Frau Heisig.

Richterin Heisig: Bitte übernehmen Sie den Fall! Gehen Sie doch bitte in die Politik. Sie könnten es besser. Ich werde Sie wählen, egal in welcher Partei. Doch halt, da gibt es ja die Landeslisten – dann werden Sie doch bitte Direktkandidatin. Am besten in Neukölln.

Das Foto des Tages zeigt die Losung für Heisigs kooperativen Ansatz: „Gemeinsam sind wir eine Macht.“ Das Banner habe ich heute auf dem Boulevard Unter den Linden aufgenommen. Dort gingen Ärzte, Pfleger und Schwestern in guter Abstimmung spazieren.

 Posted by at 17:13

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