Mrz 152009
 

„Wer uns nicht passt, den schmeißen wir raus“ – so das Motto von zahlreichen Vertreibungen, deren Blutspur sich durch die Jahrhunderte zieht. Mal traf es die Juden, mal traf es die Armenier, mal traf es die Polen und die Deutschen.

Unter dem Motto „Kampf der Gentrifizierung“ versuchen seit Jahren einige unverdrossene selbsternannte Erlöser und Agitatoren, einzelne Anwohner aus meinem Heimatbezirk Friedrichshain-Kreuzberg zu vertreiben. So auch wieder an diesem Wochenende. Die militanten Freischärlertruppen zerstören weiterhin nachhaltig Chancen für diesen Bezirk.

Soll man die Vertreiber ernst nehmen, auch wenn sie Buttersäure schmeißen und Käse und Quark reden? Leider ja!

Auch absolut sinnleere, im Grunde volkommen unpolitische, an den Haaren herbeigezerrte Botschaften können handlungsanleitend werden.  So auch in diesem Fall. Je irrealer die Botschaft – desto weniger lässt sie sich durch Realitätsprüfung widerlegen. Desto gefährlicher für eine Gesellschaft.

Militante Linke attackieren Szenelokale
Die Buttersäure-Attacken erinnern frappierend an die Aktionen der Gruppe „Klasse gegen Klasse“ KgK , die in den neunziger Jahren unter dem Motto „Schickeria raus“ Kreuzberger Geschäftsleute terrorisiert hatte. Das „Maxwell“ hatte damals nach mehreren Anschlägen Kreuzberg verlassen. Die von anderen Linken als Kiezmiliz kritisierte KgK hatte die Radikalität damals nach und nach gesteigert. Dem Besitzer eines Feinkostgeschäfts wurde 1994 erst das Auto angezündet, dann gab es ein Sprengstoffanschlag auf das Schaufenster und ein schriftliches Ultimatum: „Verschwindet bis zum 31. Januar.“ In das Feinschmeckerrestaurant „Auerbach“ wurden 1992 erst Fäkalien gekippt, dann wurde sogar eine Handgranate in das geschlossene Lokal geworfen, der Schaden betrug 100 000 Mark.

Die jetzt betroffenen vier Bars und Restaurants befinden sich in der Simon-Dach-Straße und der Grünberger Straße. Zu den Buttersäure-Attentaten bekannte sich im Internet eine Gruppe „Autonome Stinktiere“. Dort heißt es: „Wir haben einige Cocktailtrinker und feine Schnösel aus den Bars vertrieben… Die Aktion richtet sich gegen die Gentrifizierung und die damit einhergehende Vertreibung aus unseren Wohnungen.“ Das Bekennerschreiben endet mit einer Drohung: „Es ist davon auszugehen, dass wir wiederkommen. Ob es dann die nächste Cocktaillounge trifft oder die Nobelkarosse davor brennt, wird man sehen.“

Davor haben die Wirte Angst – und sind ratlos. „Wir können doch jetzt schon kaum die Miete bezahlen“, sagte der Habana-Wirt. Den anderen gehe es nicht anders. Doch auf solche Sorgen nehmen die organisierten Krawallmacher keine Rücksicht. Einige Autos, bei denen die Scheiben zerschlagen wurden, waren Mittelklassemodelle wie VW Golf oder Smart. In linken Internetforen ist gestern eine heftige Debatte über Sinn und Unsinn solcher Anschläge entbrannt. Das waren „Normalo- bzw. einfach Anwohnerautos“, ärgert sich „ein Anwohner“. Das gleiche wurde über die Restaurants berichtet, die keineswegs zur teuersten Liga zählten. Doch in der Summe überwiegen Stimmen, die die „geile Aktion“ loben.

 Posted by at 23:53

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