Mai 272009
 

Äußerst fadenscheinig wirken auf mich die Begründungen, weshalb die Birthler-Behörde nicht routinemäßig auch westdeutsche und West-Berliner Behörden und Parteien auf Stasi-Unterwanderung durchleuchten sollte. „Keine neuen Erkenntnisse sind aufgetaucht“ – so hört man von maßgeblichen Vertretern der Ordnungskräfte, etwa vom Berliner Polizeipräsidenten.  Ausgerechnet nach der Enttarnung Kurras‘! Glietsch wird heute in der Morgenpost so zitiert:

„Die möglichen Stasiverstrickungen einzelner, vermutlich aus Altersgründen ehemaliger Polizeibeamter ist meines Erachtens für die Berliner Polizei und ihre Arbeit heute ohne Bedeutung.“

Am 21.05. hatte ich in diesem Blog schon angemerkt, dass die Vertuschung und Verdunkelung im Kurras-Prozess viel abschreckender auf die jungen Leute gewirkt hat als der Mord an Ohnesorg selbst. Die systematische Wahrheitsvertuschung im Kurras-Prozess trieb die jungen Menschen (ich war damals 8 Jahre alt und kriegte das nicht mit) in die Arme der Gegner dieses Staates. Auch der grüne Bundestagsabgeordnete und aktuelle Direktkandidat der Grünen, Ströbele, bezeichnet den Kurras-Prozess – nicht den Mord an Ohnesorg – als entscheidend dafür, dass er diesen Staat ablehnt. So berichtet heute die Süddeutsche Zeitung:

Karl-Heinz Kurras – Ein deutsches Leben – Politik – sueddeutsche.de
Das Kurras-Verfahren hat manchem jungen Menschen in jenen Jahren den Glauben an den Rechtsstaat genommen. Für den grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, der damals im Prozess gemeinsam mit Otto Schily einer der Nebenkläger war, war die Behandlung des Falls Kurras durch Justiz und Politik der „Auslöser für die Ablehnung des Staates“.

Durch Lektüre alter, verstaubter Prozessunterlagen, alter Prozessberichte und vor allem dank der Dokumentation des Autors Uwe Soukup über die Ereignisse des 2. Juni, lässt sich nachvollziehen, was damals vor allem die Jungen so erbitterte und nicht nur Ströbele zu Gegnern des Staates machte. Denn die Geschichte, die der Angeklagte Kurras im November 1967 vor Gericht erzählte, war eine Geschichte, die schon damals eigentlich niemand glaubte.

Ich meine: 20 Jahre nach dem Ende der DDR ist es angezeigt, gründlicher nachzuforschen, ehe das ganze Problem der Stasi-Verstrickungen sich durch natürliches Ableben erledigt und Klarheit nicht mehr zu erwarten ist, weil zu viele Tatbeteiligte versterben. Auf dass Ströbele zu einem Befürworter dieses Staates werde! Denn auswandern in die DDR kann man nicht mehr.

 Posted by at 17:34

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