Jan 042010
 

31122009.jpg  Geht alles schlitternd den Berg runter – wie hier zu sehen am schneebestäubten Kreuzberg? Als „nackte Panik“ bezeichnet Peter Sinram von der Berliner GEW den Vorschlag des Berliner Bildungssenators Zöllner, Menschen aus anderen Berufen in einem bis zu 1000 Stunden umfassenden Fortbildungsangebot zu Erziehern (und Erzieherinnen) fortzubilden. Als „lachhaft“ verwirft Alke Wierth in der heutigen taz auf S. 21 dieses Ansinnen, in nur einem Jahr gestandene Mannsbilder zu vollwertigen Erziehern und Lehrern umschmieden zu wollen.

Bildungspolitik: Maurer sollen Kitas retten – taz.de
HandwerkerInnen und andere Berufsgruppen sollen zu ErzieherInnen fortgebildet werden, um dem Personalmangel in Kitas und Schulen zu begegnen, so der Plan von Schulsenator Zöllner. Macht das Sinn?

Ich bin von Zöllners Vorschlag hingegen begeistert. Ich halte ihn für goldrichtig. Landauf, landab hören wir die Lehrerinnen und Pädagoginnen klagen: „Den Kindern fehlen männliche Vorbilder, sie kennen keine Väter mehr, die arbeiten oder je gearbeitet haben.“ Ein Erzieher, ein Lehrer, der vorher schon in einem anderen Beruf gearbeitet hat – etwa als Maurer, etwa als Landwirt, Ingenieur, Steuerberater, Notar  oder Installateur – der kann nach entsprechender Schulung  den Kindern Unschätzbares beibringen: Fleiß, Arbeitsorganisation, Zupacken, Zimmern und Tischlern. Genauigkeit, Hartnäckigkeit, Ordnung.

Maurer sollen nach Weiterbildung von einem Jahr nicht gut genug für die Erziehung sein? „Es muss schon eine richtige akademische Ausbildung her.“ Sicher! Man muss Dinge wie „Gender-Mainstreaming“ oder „geschlechtsspezifische Benachteiligung“ fehlerfrei mindestens drei Mal aufsagen können. Das finde ich oft lachhaft.

Na, Ähnliches höre ich immer wieder über Politiker: „Ein Maurer als Abgeordneter? Das kann nicht gutgehen!“ So zitiert Mariam Lau in ihrem 2009 erschienen Buch über die CDU eine resignierte Berliner CDU-Politikerin: „Ein Bezirksstadtrat ist die einzige Chance für jemanden ohne Abitur, ein B5-Gehalt zu beziehen.“ Auch hier schwingt immer wieder durch: „Für die Politik muss man akademisch gebildet sein.“ Dieses elitäre Grundverständnis von Politik fällt mir besonders bei den Grünen immer wieder auf. Ohne Abitur plus Fachhochschulstudium braucht man dort gar nicht irgendeinen Leitantrag zu verstehen zu versuchen. Aber auch die anderen Parteien stehen mit der Handwerker- und Arbeiterquote nicht wesentlich besser da.

Dieses Vorurteil gegenüber der nicht-akademischen Ausbildung und Praxis, dieses Herabschauen auf alles, was nicht mindestens 13 Jahre die Schulbank gedrückt hat, teile ich nicht. Ich stelle mich in diesem Falle ganz klar auf die Seite Jürgen Zöllners.

Wir wollen fleißige Handwerker sehn – auch in der Kita, auch in der Schule!

Quellenangabe:
taz heute, S. 21
Mariam Lau: Die letzte Volkspartei. Angela Merkel und die Modernisierung der CDU. DVA, Stuttgart 2009, hier: S. 217

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