Nov 022010
 

31102010031.jpg Mit einem italienischen Freund besprach ich kürzlich die Ursachen für den Verfall und Zusammenbruch der italienischen Christdemokratischen Partei. Wir stellten Vergleiche zwischen Deutschland und Italien an, denn auch in Deutschland gab es lange Zeit eine fast ebenso starke Vorherrschaft der Christdemokraten wie in Italien. Wieso verschwanden die Democristiani innerhalb sehr weniger Jahre als Partei von der Bildfläche? Kann auch die CDU von der Bildfläche verschwinden?

Unser deutsch-italienischer Befund:

1) Parteien neigen im Laufe der Zeit zur Korruption, zu Günstlingswirtschaft und Vetternwirtschaft.  Sie erringen die Macht für sich selbst, für eigene Verwandte und die eigene Familie. Typisch für korruptionsanfällige Parteien sind personengebundene „Systeme“. Wenn ein Mann ganze Parteigliederungen behrrscht, wie dies in Süditalien oft der Fall ist, dann entstehen „Systeme“. „O sistema Rossi“, wie der Neapolitaner sagt: Das System Rossi.

2) Wenn ein solches personengebundenes System entsteht, haben Außenstehende keine Chance. Die Bürger werden nicht mehr gehört, denn sie stören das System. Alle Entscheidungen werden innerhalb des kleinen Führungszirkels getroffen, dessen Hauptzweck es ist, die eigene Macht in Gestalt von Posten, Pöstchen und Mandaten zu sichern.

3) Parteien können sich gegen die Versuchung der Macht wehren. Ein wichtiges Mittel, um Parteien stark und lebendig zu erhalten, ist das Mitgliederprinzip, sind aber auch Mitgliederentscheidungen, wie es die taz heute auf S. 4 berichtet:

 Röttgen soll NRW-CDU anführen: Abrechnung mit dem System Rüttgers – taz.de
Bei einer Beteiligung von knapp 53 Prozent könne parteiintern von Politikverdrossenheit nicht die Rede sein. „Absolut sauber und fair“ sei das „Verfahren“ abgelaufen, betont der Bundesumweltminister – sein Konkurrent Armin Laschet, der bis zur Wahlniederlage der CDU im Mai 2010 Integrationsminister unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers war, sei „nicht zum Gegner“ geworden.

4) Ein anderes wichtiges Mittel sind „selbstlernende Systeme“, also etwa das Modell der „lernenden Volkspartei“, wie es dieser Blogger unerschrocken vertritt. Gibt es solche lernenden Volksparteien? Bei uns in Friedrichshain-Kreuzberg kommen die Grünen meinem Ideal der lernenden Volkspartei nahe. Das muss ich trocken und ohne mit der Wimper zu zucken so konstatieren. Ich darf das, zumal ich ja kein Grünen-Mitglied bin. Beweis? Ihn bringt die taz heute auf S. 23:

Die Berliner Grünen fordern systematisch Bürger und politikferne Menschen auf, sich für die BVV-Listen zu bewerben. Die Grünen fragen systematisch bei Gruppen und Grüppchen ab, wo sie der Schuh drückt. Ich habe als Ehrenamtlicher in verschiedenen Funktionen schon einige Male mit Vertretern der Bezirksgrünen gesprochen. Mein Eindruck insgesamt: Innerhalb von 10 Minuten verstanden sie meine Anliegen, die ich anderen Parteien über Jahre hinweg wieder und wieder vergeblich nahezubringen versuchte. Ob man dann inhaltlich einig wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. Aber der einfache Bürger hat es halt gerne, wenn ihm einer zuhört.

Diese hinhörende, forschende, lernende Grundhaltung sollten die anderen Parteien einfach von Grünen abkupfern und dann den Kampf mit den Grünen um die inhaltlichen Themen aufnehmen.  Es ist alles keine Geheimwissenschaft. Das kann man alles lernen und abgucken. Die heutige taz ist ein Lese- und Lernbogen für Parteien mit Nachholbedarf.

Die Parteien müssen ihre Netze auswerfen, um Menschenfischer zu werden!

Unser Bild zeigt Fischernetze am Strausberg-See, aufgenommen beim Ausflug unserer Schulgemeinde am vergangenen Sonntag.

 Posted by at 12:51

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