Apr 042018
 

Nicht zuckt der Blitz, kein Donner kracht,
Nicht kämpfen deine Füße mit dem Sturm,
Ein neuer Tag zerreißt die Nacht
Und schwach beleuchtet steht ein Turm,
Am Ufer steht des Reiters scheues Roß,
Und eine Brücke führt zum Schloß
des Augenblicks, du pochst ans Tor,
Dein Mantel wirbelt noch im Wind empor.


Sanftes Eintauchen der Füße in den See, stilles Ruhn im Sonnenglast! Versöhnung überstrahlt den Wannsee. Ja, du weißt, dort hinten, am anderern Ufer ruht sie, die Villa –
— Da sprüht die Flamme weit umher
Und wird ein lodernd Flammenmeer —
Doch lang ist’s her,
Nicht heute ist’s gewesen
Und morgen wird’s nicht sein.
Du lebst auf Zukunft hin, Reiter!
Wie es auch sei, das Leben, es geht weiter.

Festkrallen der Füße im Wannseesand! Beuget die Knie! Lustvolles Schaufeln der Körner! Stilles Rieseln der Wärme! Vorwärtstasten, den Sandberg hinauf!

Hinter Dir liegt so vieles, das war, liegt alles was war! Lass es abfließen von deinen Füßen. Ein paar Schwielen bleiben, ein paar Risse bleiben, aber allmählich schließen sich die Wunden. Tauche die Füße ein in den kalten Wannsee. Lass es abfließen, was vergangen ist. Was vergangen ist, das lass sich schließen. Erhebet Euch!

Lesehinweis:
Conrad Ferdinand Meyer: Der Hugenot. In: Epochen der deutschen Lyrik. Band 8. 1830-1900. Nach den Erstdrucken in zeitlicher Folge herausgegeben von Ralph-Rainer Wuthenow. dtv Wissenschaftliche Reihe, 2. Aufl., München 1975, S. 252-257, hier bsd. S. 252

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