Apr 152009
 

Seit Januar 2008 verfolgen wir in diesem Blog das Konzept von Shared Space. Seit einigen Monaten wird es auch in Berlin breiter diskutiert. Überrascht war ich, in der aktuellen Radzeit die folgende, eher skeptische Einschätzung des Verkehrswissenschaftlers und Soziologen Andreas Knie von der TU Berlin zu lesen:

Sybil Henning-Wagener: Ist das Konzept vom Shared
Space, das Hans Monderman immerhin
schon vor 30 Jahren in die Welt gesetzt
hat, die Verkehrsutopie, die diese neue Urbanität
befördern könnte?
Andreas Knie: Shared Space ist unter anderem ein Versuch,
die alte funktionale Trennung ein Stück
weit aufzuheben. Doch darf man nicht vergessen:
Die praktizierten Formen der „Verkehrsfluss“-
Idee sind bis heute auch sehr leistungsfähig.
Mit Shared Space würde man diese Codierung
des Straßenraumes, diese rechtlich
verbindliche Regelungsform, wieder zurückschrauben.
Shared Space bedeutet, alles, was
festgelegt ist und ohne Nachdenken befolgt
wird, wieder verhandelbar zu machen. Man
fährt natürlich dann ganz anders. Der Autofahrer
oder die Autofahrerin müssen alle Sinne anstrengen,
um sich fortzubewegen. Andererseits
besteht Konsens darüber, dass die Vorgänge im
Verkehr zu 95 Prozent und mehr Routine sind.
In modernen hochdifferenzierten Großstädten
denken Sie über Ihre verkehrliche Aktivität
nicht nach. Shared Space ist sicher ein Beitrag
zu mehr Sicherheit, ein Beitrag zu einer vollkommen
neuen Verkehrskultur und einer Entschleunigung
der Städte, ich halte ihn aber, gemessen
an der eigentlichen Aufgabe der Städte,
schnelle Teilhabe zu organisieren, für keinen
funktionstauglichen Entwurf. Demokratie heißt
immer Teilhabe, das heißt auch immer: schnelle
Ortsveränderung, Beweglichkeit.

RadZeit-2-2009-72dpi.pdf (application/pdf-Objekt)

Umgekehrt wird nunmehr laut einem Bericht in der Morgenpost vom 14.04.2009 in Charlottenburg diskutiert, bei der Neugestaltung des Tauentzien-Platzes erstmals in Berlin Shared Space Wirklichkeit werden zu lassen:

Berlins Einkaufsmeile Nummer eins – die Tauentzienstraße – sorgt für Streit. Jetzt hat sich Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen (SPD) eingeschaltet. Sie schlägt vor, bei der ohnehin geplanten Umgestaltung der rund 600 Meter langen Shopping-Meile mutig etwas ganz Neues zu probieren: Alle Verkehrsteilnehmer sollen sich gleichberechtigt den öffentlichen Straßenraum teilen – ohne Bordsteine, Schilder oder Ampeln. Bekannt geworden ist das Konzept unter dem Namen „Shared Space“ (geteilter Raum). Vor rund zwei Jahren wurde das niedersächsische Bohmte (13.300 Einwohner) als „erste deutsche Stadt ohne Schilder“ berühmt.

Mein eigener Standpunkt:  Zu Beginn war ich hochbegeistert von dem Konzept. Ich warb eifrig bei meinen Mitstreitern, etwa in der Fahrradlobby, für Vorarbeiten und genauere Befassung. Mittlerweile ist mein Eifer schwächer geworden, weil die Idee offenbar nicht so recht zündet. Persönlich wäre ich schon froh, wenn wir mit den vorhandenen Regeln zu einem auskömmlichen Miteinander kämen. Doch so weit sind wir noch nicht. Ich wünsche mir einen Mentalitätswandel im Straßenverkehr. Ob er durch das neuartige Konzept von Shared Space kommt? Ich hege Zweifel. Denn unser Verkehrsverhalten hängt wesentlich von unserer Einstellung ab. Tugenden wie Rücksicht, Aufmerksamkeit, Regeltreue sind noch nicht weit genug verbreitet. Shared Space setzt den mündigen, den erwachsenen Verkehrsteilnehmer voraus, den wir in zu geringen Zahlen haben.

Umgekehrt würde sich die Lage sofort verbessern, wenn mehr Menschen sich rücksichtsvoll, regeltreu und aufmerksam verhielten.

Ganz ohne Kosten, auch ohne Shared Space.

 Posted by at 14:46

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