Feb. 082009
 

 08022009.jpg … dass die Form, in der wir das Herz darstellen, nämlich die Form eines zweilappigen Blattes, kaum etwas mit der tatsächlichen Gestalt dieser leistungsstarken Pumpe zu tun hat? Die Begründung lieferte heute die Sendung mit der Maus. Dieses Symbol geht auf die vielen Blatt-Symbole der Antike zurück. Das Efeu-Blatt bedeutete den Alten Lebensfreude, ja sogar ewiges Leben. Denn der Efeu kann bis zu 400 Jahre alt werden. Nicht umsonst erscheint Dionysos häufig mit dem efeuumkränzten Stab. Von der griechischen Kunst wanderte das Blatt als Symbol der Liebe zum Leben in die gesamte abendländische Kunst ein.

Höchstes Lob an die Sendung mit der Maus! Es war eine der besten Sendungen seit längerem! Wie ich mir am 21.09.2008 gewünscht habe, wendet sich die Sendung mit der Maus mehr und mehr auch den „weichen Themen“ zu – also der bunten Welt der Mythen, der Kunst, der Geschichte. Die Maus zeichnet nunmehr eine Grundgemälde dessen nach, was uns in Europa kulturell zusammenhäl. Toll, toll, toll! Das kann und soll man ausbauen. Technik, Naturwissenschaften, Finanzen sind wichtig – aber sie sind nicht alles.

Mein herzliche Bitte: Bitte bringt auch mal Goethe und Schiller für Kinder, z.B. den Zauberlehrling mit der Musik von Paul Dukas. Mein Sohn hört den Zauberlehrling immer wieder sehr gerne.

Unser Bild zeigt den Stand der Berliner Stadtreinigung BSR mit dem offenbar unsterblichen Bären auf der Berlinale am heutigen Tage.

Sachgeschichten – Die Sendung mit der Maus – WDR Fernsehen

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Ein Geschäft der besten Köpfe: Lebendiges Wachstum der Muttersprache

 Anbiederung, Deutschstunde, Goethe  Kommentare deaktiviert für Ein Geschäft der besten Köpfe: Lebendiges Wachstum der Muttersprache
Dez. 182008
 

Was ich mir selber zu Weihnachten gewünscht habe, fragt ihr? Ich wollte eine Gesamtausgabe Goethes, den ich bisher nur in weit verstreuten Einzelausgaben gesammelt besitze, darunter einige Werke mehrfach, andere gar nicht. Um diesen unbekannten Goethe war es mir nun besonders zu tun. Denn so sehr ich Goethe auch verehre, so neugierig bin auf jene Seiten, die bisher der unerbittlichen Auswahl durch die höchst selektiv nachdruckende Nachwelt zum Opfer gefallen sind.

Seit gestern liegt sie vor mir, die antiquarisch erstandene Vollständige Ausgabe von Goethes Sämmtlichen Werken, erschienen bei Cotta, Stuttgart 1885.  Eine erste Kenntnisnahme mit den Bänden 1 und 8 erbrachte manch frohes Wiedersehen, aber auch erste Neuentdeckungen. Insbesondere die Gelegenheitsschriften Goethes, seine Rezensionen etwa, aber auch seine weniger bekannten politischen Gedichte hätten heute mehr Aufmerksamkeit verdient.

Im deutschen Fernsehen schauen wir uns immer wieder einmal die eine oder andere Vorabendsendung für Kinder an. Mir fällt auf: Dort wimmelt es von einem Überbietungsmaximalismus der besonderen Art. Mit einem „vortrefflich“ oder „erstaunlich“ ist es dort nicht getan. Nein, das heißt heute „mega-krass„, oder „supercool. „Super-klasse“ tritt gegen „oberaffengeil“ und ähnliches mehr an, auf Schritt und Tritt. Die Kinder werden abgefüllt mit einer einzigen sämigen Mischung aus entzückten, zunehmend bedeutungsleeren Ausrufen, die Erwachsenen wachsen über sich selbst hinaus in dem hemmungslosen Bemühen, den Kindern nach dem Munde zu reden. Die Kinder werden vielfach durch die Massenmedien in ihrem Ghetto einer Sondersprache bestärkt, die heute durch allerlei gedankenlose Übernahmen aus dem englischen Sprachraum geprägt ist. Folge: Die Generationen in Deutschland drohen sich sprachlich zu entkoppeln. Ich stelle dies fest, wenn ich mit Jugendlichen hier in Kreuzberg rede. Ich muss mir dann sehr genau überlegen, welche Wörter, die mir in meiner Jugend noch als üblich erschienen, heute noch verstanden werden. Und umgekehrt muss ich auch manchmal sehr genau hinhören oder nachfragen, wenn ich einzelne Äußerungen nicht ganz verstehe.

Die deutsche Sprache, die mit etwa 100 Millionen Sprechern innerhalb der EU die meistgesprochene Muttersprache ist, führt in der Öffentlichkeit unserer Bundesrepublik eher das Leben eines anspruchslosen Aschenputtels. Die gescheiterte Rechtschreibreform hat andererseits gezeigt: Die staatlichen Organe schaffen es auch nicht! Jeder Versuch, die deutsche Sprache oder auch nur deren bloße Schreibung durch Gesetz normieren zu wolllen, steht seither unter einem Anfangsverdacht: Es könnte wieder so gnadenlos daneben gehen wie bei dem mehrjährigen Versuch einer kleinen Rechtschreibreform.

Gab es früher derartige Mißstände und Auswüchse ebenfalls? Ja, immer wieder! So lässt sich über das gesamte 18. Jahrhundert hin ein stetes Ringen um die gute deutsche Sprache nachweisen. Die Puristen lagen mit den welschen Alfanzereyen, mit dem französisierenden Zeitgeschmack im Dauerstreit. Viele Fremdwörter, die einem Goethe, einem Schiller noch recht geläufig aus der Feder flossen, sind seither ersetzt worden. Ziel für viele Schriftsteller wurde es, der deutschen Sprache durch beständiges Lauschen und Hinhören neue Schattierungen zu entlocken und durch weitgehenden Verzicht auf abstrakte Wörter, die nur dem Sprachgebrauch der höheren Stände entstammten, eine Art gefühlte Echtheit herzustellen. Dem Zauber der Texte eines Heinrich von Kleist oder eines Franz Kafka, die fast vollständig auf Fremdwörter verzichten, kann auch ich mich schwer entziehen. Der unglückliche preussische Adlige, der böhmische Jude aus Prag, sie beide strebten nach einer musikalischen Durchbildung ihre Werke, die auch lautlich und etymologisch wie aus einem Guss dastehen sollten. Gleiches gilt insbesondere für die deutsche Rechtssprache, etwa das BGB.

Wo stand Goethe im deutschen Sprachstreit? Ich meine: in der Mitte zwischen den Extremen. Weder schloss er sich vor der Welt der anderen Sprachen ab, noch überfrachtete er seine Texte mit Wendungen oder Wörtern, die seinen Zeitgenossen als bloße Anbiederung an den Zeitgeist erscheinen mochten.  Er ließ sich lebenslang über den guten deutschen Sprachgebrauch beraten, denn was damals als gut und vorbildlich galt, lag keineswegs fest. Entscheidend scheint mir: Goethe und seine ganze Generation begriffen die deutsche Sprache als ein Gemeinschaftswerk, als ein Geschäft der besten Köpfe, das alle Deutschsprechenden mittragen sollten.

Wir versäumen nicht, diesen Eintrag mit einem Zitat des Meisters selbst abzuschließen. Als entscheidende Wendung hebe ich die vom „lebendigen Wachsen“ hervor. Goethe schreibt im Jahr 1817:

Die Muttersprache zugleich reinigen und bereichern, ist das Geschäft der besten Köpfe. Reinigung ohne Bereicherung erweist sich öfters geistlos; denn es ist nichts bequemer, als von dem Inhalt absehen und auf den Ausdruck passen. Der geistreiche Mensch knetet seinen Wortstoff, ohne sich zu bekümmern, aus was für Elementen er bestehe; der geistlose hat gut  r e i n   sprechen, da er nichts zu sagen hat. Wie sollte er fühlen, welches kümmerliche Surrogat er an der Stelle eines bedeutenden Wortes gelten läßt, da ihm jenes Wort nicht lebendig war, weil er nichts dabei dachte? Es gibt gar viele Arten von Reinigung und Bereicherung, die eigentlich alle zusammengreifen müssen, wenn die Sprache lebendig wachsen soll. Poesie und leidenschaftliche Rede sind die einzigen Quellen, aus denen dieses Leben hervordringt, und sollten sie in ihrer Heftigkeit auch etwas Bergschutt mitführen, er setzt sich zu Boden, und die reine Welle fließt darüber her.

Quelle: Goethes Sämmtliche Werke. Vollständige Ausgabe in zehn Bänden. Mit Einleitungen von Karl Goedeke. Achter Band. Stuttgart. Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung. 1885, S. 114

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„Benutzt die Gegenwart mit Glück“, oder: Eine lernende Volkspartei braucht eine lernende Führung

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Nov. 092008
 

30082008.jpg Wie eine gut funktionierende, lernende Volkspartei geführt wird, kann man in aller Seelenruhe am Beispiel der Demokraten in den USA studieren – man kann es sogar nachahmen. Während die beiden deutschen Volksparteien CDU und SPD sich geradezu krampfgeschüttelt in einzelnen Bundesländern – Brandenburg, Hessen, Berlin, Bayern – immer wieder zerlegen und erfolgreich Geburtshilfe für die dritte deutsche Volkspartei, nämlich die Linkspartei, leisten, baute Team Obama im hellen Lichte der Öffentlichkeit mit harter Arbeit eine überwältigende Musterpartei auf. Dies erkennt heute Christoph von Marschall im Tagesspiegel:

Operation Obama
Er hat Managerqualitäten und die Fähigkeit zur Personalführung. Seine Kampagne setzte in anderthalb Jahren mehr als eine halbe Milliarde Dollar um, Hunderte arbeiteten hauptberuflich für ihn, Tausende in Teilzeit, die Zahl der freiwilligen Helfer, die es zu koordinieren galt, überstieg eine Million. Auch seine Gegner erkennen an, er habe einen nahezu fehlerfreien Wahlkampf geführt.

Hillary Clintons und John McCains Mannschaft machten mit internem Streit und Personalwechseln Schlagzeilen. Team Obama blieb geschlossen und diszipliniert. Sensible Details drangen nicht nach draußen. Wenn sich Journalisten auf exklusive Informationen von Obama-Beratern beriefen, war das entweder beabsichtigt oder man durfte nahezu sicher sein, dass die Quelle nicht zum inneren Zirkel gehört, der tatsächlich Bescheid weiß.

Obama zieht hochqualifizierte, ehrgeizige Mitarbeiter an und setzt sie effektiv ein. Erst das ermöglichte die Rekorde in fast allen Belangen des Wahlkampfs. Nie zuvor hat ein Kandidat so viele Spenden eingeworben, so viele freiwillige Mitarbeiter angelockt, so viele Erstwähler motiviert und so viele Bürger insgesamt mobilisiert. Anfangs hielten viele ihn für ein vorübergehendes Phänomen – eine Art politisches Popidol, dessen Attraktivität sich durch Wiederholung der immer selben Reden erschöpft. Sie haben sich geirrt. Obama bewies dauerhaft Anziehungskraft.

Was lernen wir daraus? Die Debatten in den nicht funktionierenden deutschen Volksparteien kreisen ständig um die Fragen: Wer hat was falsch gemacht? Wer ist schuld an dem Schlamassel? Wem schieben wir den Schwarzen Peter zu? Wen schicken wir diesmal als Sündenbock in die Wüste? Letztes Beispiel: Die Regionalkonferenz  im Glashaus am vergangenen Donnerstag (dieses Blog berichtete). Und das Schlimmste ist, Bloggerinnen und Blogger: Ich habe selbst mitgemacht – habe selbst recht amüsant geschimpft und kesselflickerhaft gelästert, statt noch einmal für meine schon mehrfach vorgetragenen konstruktiven Vorschläge zu werben. Au weia! Ich muss mich ebenfalls wandeln.

Ein himmelweiter Unterschied zu den Demokraten des Barack Obama: Die Debatten kreisten um folgende Fragen: Was läuft zur Zeit noch falsch? Wie können wir den Zustand ändern? Wer macht’s? Hillary Clinton oder Barack Obama? Wer zieht den Karren aus dem Dreck – besser: Wie ziehen wir den Karren aus dem Dreck? Wie holen wir die innerparteilichen Gegner (z.B. Hillary)  zurück ins Gespann?

In Anlehnung an Goethe drängt es mich zu sagen:

Amerika, Du hast es besser,

Hast keine Pfründen, keine Schlösser!

Hast keine wunderlichen Alten,

Die nur verwalten, nicht gestalten.

Die nur im Streiten sich ergehen,

Statt Krisen mutig zu bestehen.

Das Tollste ist: Diese Musterpartei reformierte sich nicht nur erfolgreich selbst, sondern sie gewann sogar den härtesten, schwersten und teuersten Wahlkampf aller Zeiten.

Werden wir Deutschen mit unserer vergleichsweise sehr jungen Demokratie das US-amerikanische Vorbild nachahmen können, wie wir es so erfolgreich nach 1945 nachahmten?

Ich glaube: Ja, wir schaffen das. Und ich habe in meinem vergleichsweise äußerst winzigen Umfeld begonnen, daran zu arbeiten.

Unser Bild zeigt heute einen Blick von einem unserer letzten Ostseestrandspaziergänge, aufgenommen in Dierhagen. Dort holte ich mir schon des öfteren Kraft und Weitblick für unsere recht kleinteiligen Berliner Verhältnisse.

Beschließen wir unseren sonntäglichen Zeiten-Strand-Spaziergang mit der Rezitation eines Goetheschen Gedichts:

Johann Wolfgang Goethe (1827)

Den Vereinigten Staaten

Amerika, du hast es besser
Als unser Kontinent, das alte,
Hast keine verfallene Schlösser
Und keine Basalte.

Dich stört nicht im Innern,
Zu lebendiger Zeit,
Unnützes Erinnern
Und vergeblicher Streit.

Benutzt die Gegenwart mit Glück!
Und wenn nun eure Kinder dichten,
Bewahre sie ein gut Geschick
Vor Ritter-, Räuber- und Gespenstergeschichten.

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