
Mancher Wortklauber hat schon die harte Nuss zu knacken versucht, wie man das neue deutsche Modewort Empowerment älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit älteren deutschen Worten erklären könne, die schon vor dem Jahr 2000 in Gebrauch waren.
Stets geht es bei Empowerment darum, Menschen, die in einer gewissen Lage sich nicht selbst zu helfen wissen oder nicht mehr weiter wissen, zu befähigen, selbständiger zu werden und mehr für sich in eigener Verantwortung zu bewirken.
Empowerment, das bedeutet die Stärkung der Eigenverantwortung, das heißt Stärken stärken, Selbstbewusstsein verleihen, Eigenkräfte fördern, Perspektiven öffnen, schlummernde Kräfte wecken, Selbstlähmung aufsprengen durch das lösende, befreiende, ermunternde Wort. Selbstfesselungen heilen!
„Hey Alter, nimm dein Bett, steh auf und geh!“ Wer mag, der kann dabei, bei diesem Empowerment, an die Heilung des Gelähmten am Sabbat in Jerusalem denken.
Johannes, dessen höchst eigenwilliges, ja eigenmächtiges Evangelium, das sogenannte „Vierte Evangelium“ wahrscheinlich das wichtigste Meister-Narrativ überhaupt, mutmaßlich die wichtigste Großerzählung, den bedeutendsten Grand récit der gesamten europäischen Literaturgeschichte darstellt, erzählt die Geschichte in seinem Buch in Kap. 5, 1-18. Der Evangelist Markus wiederum, der Mann mit dem Löwen, der Meister der Kleinerzählung, erzählt die Geschichte so ähnlich in seinem alltagsnäheren Jesus-Narrativ, dem sogenannten Markusevangelium, in deutlich bescheidenerer Form, nicht so gespannt, nicht so hochfliegend wie dies Johannes, der Mann mit dem Adler, später tun wird.
Markus 2,1-12 und Johannes 5,1-18 sind herrlich tönende Weckrufe. Sie erinnern – bildlich gesprochen – an Weckrufe von edlen Waldhörnern in der Halle der schlafenden Lokomotiven: „Auf auf, ihr schlafenden Lokomotiven, bewegt euch! Ihr habt noch was vor!“ Die Erzählungen von Markus und Johannes sind eine gute Erläuterung dessen, was das neue deutsche Wort Empowerment meint. Und diese Geschichte von der Heilung eines Gelähmten wurde schon vor 2000 Jahren erzählt, und sie wird auch noch in 2000 Jahren erzählt werden, wie ich zuversichtlich hoffe und fest glaube.
Bild: Vier Musiker der Staatskapelle Berlin, vier Waldhörner spielen mit fröhlichem Schall in der „Halle der schlafenden Lokomotiven“. Lokhalle, Natur-Park Südgelände, Schöneberg. Festliche Eröffnung des Langen Tages der Stadtnatur. Berlin, Samstag, 18. Juni 2016, 16 Uhr


Der Wolf im Südgelände. Ach, könnte ich doch heute ein seltenes Tier sehen! So sagte ich, als wir den Natur-Park Schöneberger Südgelände betraten. Schon näherten wir uns dem südlichen Ausgang, da verzagte ich schon. War mein Wünschen töricht? Nein! Fräulein Brehms Tierleben lockte. Es gab in der alten Schmiede in der Lokhalle eine Vorführung über Canis lupus, den Wolf, und hier konnten wir nun alles erfahren beim Flackern eines knisternden Holzfeuers. Der Wolf ist wieder da, in der Lausitz hat er sich ein ortsfestes Revier begründet. Die ersten Jungwölfe sind bereits auf Wanderschaft gegangen, und es besteht Hoffnung, dass sich nach und nach Wolfsbestände bis hin zu den Artgenossen in der Schweiz, Norditalien, Österreich bilden. Die Vorführung war sehr anschaulich. Es begann mit dem gepflegten, wohlklingenden, leicht professoral angehauchten Deutsch aus Alfred Brehms Tierleben, wurde ergänzt durch Fortführungen bis in unsere Gegenwart hinein. Die Schauspielerin bot uns wirklich alles. Sogar den artgerechten Würgebiss des Wolfes, ehe er das Tier sterben lässt, ohne es lange leiden zu lassen. Ich spürte das Wolfsgebiss an der eigenen Kehle und konnte mich einer aufsteigenden Angst nicht erwehren. Da war sie, jene instinktiv verankerte Angst vor dem räuberischen Wolf, welcher ja beispielsweise im Hobbes’schen Losungswort homo homini lupus seinen Niederschlag fand. Wir durften auch die Losung eines Wolfes prüfend in den Händen wiegen und beschnuppern. Besonders beeindruckte uns der geschnürte Trab des Wolfes, bei dem er eine Pfote in den Abdruck der anderen setzt, um wertvolle Energie zu sparen.

