Feb. 132009
 

Teilnehmer:

Wulf Bernotat, Vorstandsvorsitzender E.ON AG

Volker Kauder, deutscher Politiker, MdB

Sahra Wagenknecht, deutsche Politikerin, MdEP

Prof. Dr. Stefan Homburg, Finanzwissenschaftler

Björn Böhning, deutscher Politiker, Direktkandidat Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg Ost

Volker Schlöndorff, Regisseur, ehemals Student der Volkswirtschaftslehre in Paris

Zwischenrufe des schreibenden Bloggers werden hier in diesem Kurzprotokoll kursiv gesetzt.

Kauder tischt gleich zu Beginn erneut den Begriff „systemrelevante Bank“ auf. Durch den Zusammenbruch von Lehman Brothers sei die Krise ausgelöst worden. Ausgelöst ja – aber doch nicht verursacht! „Wir dürfen solche Banken nicht in den Konkurs treiben!“ Aber es waren nicht wir, die die Banken in den Konkurs getrieben haben! Nicht überzeugend, Herr Kauder.

Sahrah Wagenknecht hat leichtes Spiel. Sie steht besser da mit ihren Argumenten.

Böhning befürwortet Verstaatlichung, führt den Crash auf einen Mangel an Mitbestimmung zurück.  Mehr Mitbestimmung würde zur Crashverhinderung geführt haben. Glaub ich nicht.

Stefan Homburg weist die Eingriffe des Staates zurück.Teilt die Einschätzung aller möglichen Geldhäuser als „relevante Bank“ nicht! „Die Welt ist nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers nicht untergegangen.“ Sehr gut, in Insolvenz gehen lassen. Dicker Punkt für Homburg!

Schlöndorff warnt vor Panik. Wirbt für Augenmaß – sehr gut! Politik kann weniger als die Politiker denken! Just do it! Machen, anschauen, rangehen, „amerikanische Tugenden“! Big Point für Schlöndorff!

„Madame No“ hatte recht zu zaudern – ja warum treibt ihr sie dann zu solchen unbedachten Maßnahmen, Herr Kauder?

Wagenknecht redet mal wieder das Chaos herbei, verbreitet Weltuntergangsstimmung. Das Übliche.

„Sozialismus kommt nicht wieder.“ Kauder

„Keiner will die DDR wiederhaben“. Wagenknecht

Bernotat: „Es ist eine unternehmerische Aufgabe.“ Gut!

Böhning: Will Zugriff auf Unternehmen, die beim Staat unterkriechen.

„Wir sind Feuerwehr“ – sagt Kauder, – aber das Haus brennt schon lichterloh!

Verfassungsrechtler Prof. Dr. Ulrich Battis redet Klartext: Art. 15 GG erlaubt die Sozialisierung. Politisch derzeit nicht durchsetzbar. 1949 erfolgte im GG keine Festlegung auf eine Wirtschaftsordnung. Unüberbrückbarer Gegensatz. Ahlener Programm der CDU 1946 wollte christlichen Sozialismus. Guter Punkt! Staaten können Eigentümer von Unternehmen sein. „Bürge nie!“ lernt der Jurastudent im ersten Semester.

Bernotat: „Soziale Marktwirtschaft hat Wohlstand erarbeitet, jetzt sind wir in einer temporären Krise.“

Wagenknecht fordert Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums ein. Fährt schweres Geschütz gegen die „Abzocke“ von E.On auf.

Homburg  hält bessere Bankenregulierung für illusorisch. Lange Geschichte der Misserfolge der Bankenregulierung. Er fordert: Persönliches Fehlverhalten muss persönlich bestraft werden.

Homburg nickt zustimmend, als Böhning vor den Übernahmephantasien der Unternehmen warnt.

Riesige Mehrheit der Bundesbürger wünscht laut Stern-Umfrage Staatshilfen oder Verstaatlichung der Energie- und Versorgungswirtschaft.  Absurd, der Glaube an den Obrigkeitsstaat.

Volker Schlöndorff weist auf Sicherheitsbedürfnis hin. Die meisten erwarten vom Staat, er solle für sie die Rundum-Sorglos-Existenz sichern. Guter Punkt.

Böhning: Überhitzung der Finanzmärkte machen die Finanzprodukte völlig undurchschaubar. Fordert mehr Demokratie auf den Finanzmärkten.

„Wird mein Arbeitsplatz erhalten?“Ich sage: Dies kann kein Staat versprechen!

Homburg: „Der Albtraum geht jeden Morgen weiter.“ Die Bundesregierung leistet dem Vorschub. „Ich würde die Familie Schaeffler nachhause schicken – auch die Banken.“ „Man braucht nicht die Banken zu schützen, nur die Sparer.“

Wagenknecht sahnt mit wohlfeilen Sprüchen ab: „Die Frau Schaeffler kriegte den Hals nicht voll genug.“

Kauder: „Treten Sie mal vor die Arbeiter und sagen Ihr Arbeitsplatz geht verloren. Können Sie so herzlos sein?“ Ja, Herr Kauder, das ist wieder die Selbstüberschätzung der Politik. Die Politik kann nicht Arbeitsplätze retten. Papa Staat soll Arbeitsplätze für 6 oder 12 Monate erhalten?

Homburg: KfW LBB … alles staatliche Banken, die in Schieflage sind.

Böhning fordert konjunkturelle Maßnahmen. Staatliche Organisation der Grundversorgung.

Bernotat: Man braucht mehr Kompetenz, mehr Fachwissen in den Aufsichtsräten.

Schlöndorff plädiert für ideologiefreie Mischformen der Wirtschaft.

Schlöndorff: „Auf den einzelnen kommt es an.

Homburg: Eine Insolvenz ist nicht so schlimm, wie es klingt.

Mein Fazit NACH der Sendung:

Die Politiker Kauder, Böhning und Wagenknecht konnten mich quer durch die Parteien alle nicht überzeugen.

Den Fachleuten aus Wirtschaft (Bernotat) und Wissenschaft (Prof. Dr. Homburg, Prof. Dr.  Battis) und auch Herrn Volker Schlöndorff musste ich hingegen fast immer zustimmen. Sie haben ja weitgehend das ausgesprochen, was ich vor der Sendung hier niedergeschrieben habe.

Meine Meinung von VOR der Sendung muss ich insofern korrigieren,  als ich jetzt sage: Der Staat stand nicht in der Verpflichtung, einzelne Banken vor dem selbstverschuldeten Untergang zu bewahren. Ich nehme dieses Argument zurück, wonach die Politik, der Staat es versäumt habe, die Banken durch zusätzliche Regulierung vor dem Zusammenbruch zu schützen.

Die Geldhäuser haben in großem Umfang Fehler gemacht – dafür sollten sie jetzt geradestehen. Die staatlichen Rettungs- und Allmachtsphantasien sollten abgeschüttelt werden.

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ZDF.de – Comeback der Kombinate?

 Soziale Marktwirtschaft  Kommentare deaktiviert für ZDF.de – Comeback der Kombinate?
Feb. 122009
 

Gut besetzt ist die Sendung Maybritt Illner heute um 22.15 Uhr. Sogar einer unserer Wahlkreiskandidaten ist dabei. Wieder einmal zeigt sich: An Friedrichshain-Kreuzberg führt kein Weg vorbei!

ZDF.de – Comeback der Kombinate?

Meine persönlichen Positionen VOR der Sendung:

1. Es ist eine Finanz- und Wirtschaftskrise da – diese nahm vom Finanzsektor ihren Ausgang.  Im Finanzsektor häuften sich über mehrere Jahre hinweg Probleme an, die von einigen Kennern auch zutreffend benannt wurden.

2. Da die politischen Akteure (Parlamente, Regierungen) sich nicht beizeiten auf gemeinsame Maßnahmen zur Bekämpfung der aufziehenden Krise einigen konnten, schlägt die Finanzkrise nun in voller Härte auch auf die Wirtschaft insgesamt durch.

3. Die Entscheider in den großen Finanzinstituten haben es versäumt, vor den Gefahren, die sie selbstverständlich erkannten, in ausreichendem Maße zu warnen.

4. Als es zu spät war, haben die zunächst betroffenen Institute es erfolgreich vermocht, die nicht in Zahlen belegbare Gefahr eines „systemischen Scheiterns“  an die Wand zu malen, um die eigene Haut zu retten. Dadurch gelang es ihnen, in großem Umfang Rettungsaktionen der öffentlichen Hand zu erwirken.

5. Die Akteure in Staat und Parlamenten waren insgesamt viel zu leichtgläubig. Sie haben gigantische Summen bereitgestellt oder ausgegeben, die weder die beabsichtigte Wirkung erzielen werden noch auch wieder zurückgeholt werden können.

6. Da die öffentliche Hand schon so viel Geld bereitgestellt hat, das nunmehr verloren ist, versucht sie, schlechtem Geld noch mehr Geld hinterherzuwerfen. Denn niemand will das eigene Scheitern eingestehen – nach dem Motto: lieber ein Schrecken ohne Ende als ein Ende mit Schrecken.

7. Ich kenne keinen Politiker, der so ehrlich wäre anzukündigen: Wir haben alle viel Geld durch eigene Versäumnisse vergeudet. Dies bedeutet, dass wir Wohlstand einbüßen werden. Ich hoffe, dass der neue Wirtschaftminister – wie schon beim Thema Afghanistan – den Mut findet zu sagen: „Unsere bisherige Straegie ist gescheitert.“

8. Meine Voraussage zu den Wahlen: Die große Koalition in Deutschland geht erheblich beschädigt aus dieser Krise hervor, es sei denn, der neue Wirtschaftsminister würfe das Steuer entschieden herum. Gewinner werden im Wahljahr 2009 aufs Ganze gesehen die Oppositionsparteien sein – zunächst und am stärksten die FDP, am zweitstärksten die Linke, und mit dem drittstärksten, aber geringsten Zuwachs die Grünen. Die SPD verharrt auf niedrigem Niveau, die CDU wird gegenüber 2005 noch einmal verlieren, sofern sie nicht umsteuert und eigene Fehler offen benennt.

9. Keine politische Kraft hat es bisher verstanden, den zu erwartenden Verlust an Wohlstand in ein sinnvolles Konzept für ein Nach-der-Krise-Szenario umzumünzen. Als Hauptgrund dafür meine ich zu erkennen, dass keine Partei den Wählern die harte Wahrheit ins Gesicht sagen will: „Wenn ihr uns wählt, wird es euch finanziell schlechter gehen als bisher. Ihr werdet Abstriche machen müssen. Ihr werdet härter arbeiten müssen. Aber mit den richtigen Konzepten, mit Beharrlichkeit und Fleiß schaffen wir es.“

10. Ich vermisse weltweit das Bewusstsein für die nichtmateriellen Werte, die den Erfolg der Marktwirtschaft ermöglicht haben: die Eigenverantwortung der Wirtschaftsunternehmen, die Begrenztheit staatlichen Handelns, die Ausgesetztheit des Wirtschaftens. Es herrscht Wirtschaft total! Man will zu viel Sicherheit, weil man echte Armut nicht kennt. Nicht umsonst kreiste in der ersten heißen Phase der Finanzkrise die Debatte um „Sicherheiten“, „Bürgschaften“, „Schutzschirme“ – man hat das Blaue vom Himmel herunter versprochen. Irgendwann wird es ein Erwachen geben.

 Posted by at 23:06
Nov. 122008
 

17072008.jpg Sowohl in Deutschland und anderen europäischen Ländern als auch in den USA sind die Automacher in die Schieflage geraten. Die Verbraucher entdecken zunehmend, dass ein Auto länger als die durchschnittlichen sechs bis sieben Jahre hält, die es heutzutage im Erstbesitz verbleibt. Man kann ein Auto auch 10 oder 15 Jahre lang fahren. Warum soll man Unsummen dafür ausgeben, um von A nach B zu gelangen? Zur Not fährt man mit dem Fahrrad oder dem Zug – warum eigentlich nicht? Besser für die Gesundheit des einzelnen, besser für die Umwelt in der Stadt, besser für das Erdklima ist es in jedem Fall.

Hier ist nun der Staat gefordert, die nötigen Infrastrukturmaßnahmen zu finanzieren, um eine neue, bessere Mobilität zu sichern: Kraftvoller Ausbau der Infrastruktur für den Fahrradverkehr, massiver Ausbau des Bahnverkehrs in den USA, zweistellige Milliardeninvestitionen in das Radverkehrsnetz und das Schienennetz in den USA und in Deutschland, Ausbau und Förderung von innovativen, stromgetriebenen Automobilen: dies sind Gebote der Stunde.  Ein Elektroauto belastet die Umwelt rund drei Viertel weniger als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Dies brächte schon einmal einen riesigen Anschubeffekt für den Tief- und Gleisbau, Hunderttausende neue Arbeitsplätze würden entstehen, um die anstehenden Entlassungen im Automobilbereich auszugleichen.

Wir reagiert die Bundesregierung, wie reagiert Barack Obama? Nun, sie wollen kräftige Kaufanreize schaffen. Die Leute sollen ihr Auto nicht 12 bis 15, sondern 4 oder 5 Jahre fahren, damit die Autoindustrie in ihrer jetzigen Größe überleben kann. Die Washington Post berichtet heute:

Obama Asks Bush to Back Rescue of Automakers – washingtonpost.com
President-elect Barack Obama yesterday urged President Bush to support immediate aid for struggling automakers and back a new stimulus package, even as congressional Democrats began drafting legislation to give the Detroit automakers quick access to $25 billion by adding them to the Treasury Department’s $700 billion economic rescue program.

Ich meine: Dieses Vorhaben ist zum Scheitern verurteilt. Niemand kauft sich ein neues Auto, weil er 300 Euro Steuern spart. Und die gigantischen Autokonzerne bewegen sich auf den Konkurs zu:

The entire auto industry is suffering these days, but GM has been particularly hard hit as sales have slowed and credit has tightened. Once the world’s largest automaker, the company said yesterday that it was in danger of running out of cash next year. The company is taking a series of steps to conserve cash, including cutting production and laying off 5,500 more factory workers. Yet one closely followed Deutsche Bank analyst cut his forecast on GM’s share price to zero, saying that even if GM manages to avert bankruptcy, „we believe that the company’s future path is likely to be bankruptcy-like.“

Blogger Johannes Hampel meint: Man sollte nicht Steuergelder durch Förderung von bestehenden Überkapazitäten im Automobilsektor verbrennen. Diese Kritik kommt aus den Lobbyverbänden der Autoindustrie in Deutschland, Italien und den USA selbst. Aber selbst die frühere Autopartei CDU verweigert der Bundesregierung zu großen Teilen die Gefolgschaft. So berichtet der Spiegel:

Union giftet gegen Hilfe für Autobranche

Die Opel-Forderung nach staatlicher Hilfe für die Autoindustrie stößt auf heftige Kritik der Union. Es sei eine Illusion, dass der Staat einen Abschwung auffangen könne. CSU-Politiker Ramsauer findet noch drastischere Worte: „Die Opelianer haben einen Knall.“

Obendrein werden Begehrlichkeiten geweckt: Denn die anderen Branchen werden ebenfalls anklopfen: Warum die und nicht wir? Warum keine Steuerbefreiung beim Kauf eines Kühlschranks, beim Kauf einer Aktentasche, beim Kauf einer neuen Geige? Warum überhaupt Steuern zahlen? Die Geigenbauer leiden doch ebenfalls unter Absatzschwierigkeiten, denn es gibt zu viele alte Geigen auf den Dachstuben dieser Welt.

Retten wir die Geigenbauer – zahlen wir ihnen das Geld direkt aus!


 Posted by at 10:02