Ramelow für neue Nationalhymne und Debatte über Flagge – Kritik aus anderen Parteien
Einen echten Coup hat der, wie ich finde, im guten alten Sinne redliche Bodo Ramelow da gelandet – er schlägt uns Brechts Kinderhymne als mögliche Nationalhymne für ganz Deutschland vor. Wie unzeitgemäß, wie mutig, wie kühn ist das doch! Ramelow schlägt allenthalben Ablehnung entgegen – nicht so jedoch hier!
Warum nenne ich Bodo Ramelows Vorschlag unzeitgemäß, kühn und mutig? Nun, lesen wir zunächst einmal die Kinderhymne Bert Brechts in einer wohlfeilen Volksausgabe:
KINDERHYMNE
Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand.
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land.
Daß die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie anderen Völkern hin.
Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wolln wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.
Und weil wir dieses Land verbessern
Lieben und beschirmen wir’s
Und das liebste mag’s uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.
Zitiert nach: Bertolt Brecht, KINDERHYMNE, in: ders., „Kinderlieder“, in: Bertolt Brecht: Ausgewählte Werke in sechs Bänden. Dritter Band: Gedichte 1, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main1997, S. 393-397, hier: S. 396-397 sowie Erläuterungen auf S. 506-508
Was ist daran, an diesem raffinierten, heute wieder höchst lesenswerten Gedicht unzeitgemäß, was rennt hier gegen den Strom an?
Vieles! Zunächst einmal das völlig zweifelsfreie, befremdliche Verwenden von Begriffen wie Volk, Deutschland, Anmut, Leidenschaft, Verstand, Mühe.
Fangen wir beim letzten Begriff an: Mühe!
Brecht fordert da doch tatsächlich die deutschen Kinder auf sich abzumühen! WAS ERLAUBEN BRECHT! Schon das passt nicht in unsere Zeit (wir schreiben den 31. August 2025) hinein. Landauf landab ist in Deutschland heute zu hören: „Niemand braucht sich zu mühen, der Staat und sein Sozialsystem müssen schließlich für uns alle sorgen – und tun dies ja auch mehr schlecht als recht.“
„Erkennt, o Kinder, in ein wie schlechtes, ungerechtes, kinderfeindliches Land ihr hineingeborenen seid.“ So singt und klingt es doch heute. Überall gähnen „marode Turnhallen“, es herrscht „Chancenungleichheit im Bildungsbereich“, überforderte Lehrer, kaputtgesparte Schulen! Kinderarmut, und schlimmer noch: Rassismus, Faschismus, Klimazerstörung, ja sogar Rechtspopulismus erreichen wieder einmal Rekordhöhe!
Keiner, fast keiner wagt es doch heute, wie der rechtschaffene Brecht damals zu mahnen: Tut was, lernt, das Leben ist kein Kindergeburtstag und auch kein Ponyhof. Ihr seid zu einem großen Teil selber für eurer Leben verantwortlich.
Wir setzen diese Betrachtungen bei den anderen Begriffen, etwa „gutes Deutschland“, „lieben“, „beschirmen“ morgen fort. Der heilsamen Zumutungen Bert Brechts – und somit auch Bodo Ramelows – ist so schnell kein Ende.

Hier, auf allen diesen Bildern, sehen wir den Europaplatz in Berlin, aufgenommen in diesen herrlichen Tagen des Mai 2018. Ein Vergleich mit dem Europaplatz in Moskau drängt sich geradezu auf.
Am düsteren, 2005 angelegten Europaplatz Berlin lädt nichts, aber auch gar nichts zum Verweilen ein. Im Gegenteil, die Leuchttafel mit den Bus-Abfahrtzeiten fordert dazu auf, möglichst rasch das Weite zu suchen. Es wird nichts erzählt, es wird nichts vorgestellt, es wird nicht gelacht in Europa! So also stellt sich Deutschlands Hauptstadt Europa vor.
Soeben überfliegen wir die heute russische Oblast Kaliningrad; das Foto hier oben zeigt das Frische Haff mit der Frischen Nehrung, und da wo wir das Airbus-Triebwerk sehen, da lag einst die deutsche Stadt Königsberg, in der Immanuel Kant lebte, lehrte und starb. Nach dem zweiten Weltkrieg (01.09.1939-08.05.1945) wurde die Gegend der Sowjetunion zugesprochen, die deutsche Bevölkerung, soweit sie vor der Sowjetarmee nicht schon geflohen war, wurde enteignet und vertrieben. Die Stadt wurde nach dem langjährigen Staatsoberhaupt der Sowjetunion Michail Iwanowitsch Kalinin in Kaliningrad umbenannt. Die Oblast Kaliningrad wurde – zusammen mit der gesamten östlichen Hälfte des durch den Großen Vaterländischen Krieg (1941-1945) befreiten und befriedeten polnischen Territoriums – von der Sowjetunion vereinnahmt. Auch aus diesen Gebieten wurde die noch ansässige, überwiegend polnische Bevölkerung enteignet und gewaltsam vertrieben.![20151112_111433[1]](https://johanneshampel.online.de/wp-content/uploads/2015/11/20151112_1114331-300x169.jpg)



