Mrz 132008
 

Beim Bäcker kaufte ich die BZ von heute. Dort las ich auf S. 7, dass Herr Ströbele dem BZ-Reporter Gunnar Schupelius in Anschluss an eine rbb-Fernsehsendung namens Klipp und Klar nicht sein Fahrrad ausleihen würde, da er, Schupelius, Repräsentant der BZ sei. Und die BZ möge er, Ströbele, nicht. Herr Schupelius verspürt Ärger, und macht diesem unter dem Titel Der gerechte Zorn von Gunnar Schupelius Luft. Wir Leser werden aufgefordert, zu der Causa „Nichtverliehenes Fahrrad“ Stellung zu nehmen. Gerne komme ich dieser Aufforderung nach und schreibe an die im Blatt angegebene E-mail-Adresse:

Sehr geehrter Herr Schupelius,

ich kann Ihren Ärger, Ihre Enttäuschung gut nachvollziehen. Ständig als Vertreter eines namhaften Organs der Boulevardpresse eingeordnet zu werden, muss kränkend auf Sie wirken. Gleichwohl sollten Sie das ganze nicht allzu persönlich nehmen.

Sehen Sie es doch bitte auch von der anderen Seite: Die Begründung des von Ihnen der Unhöflichkeit Beschuldigten hob nur auf Ihre Zugehörigkeit zu „Berlins grösster Zeitung“ ab, nicht auf Sie als Person. Wären Sie kein BZ-Reporter, hätte er Ihnen doch wohl sein Fahrrad geliehen. Nur so ergibt seine Begründung einen Sinn. Ich wage zu vermuten: Er mag Sie eigentlich – wenn Sie nur nicht zu der Zeitung gehörten, die er nicht mag. Ströbele war ehrlich, weil er zu seinen Gefühlen stand und nicht alles mit einer Friede-Freude-Eierkuchen-Soße überkleisterte. Er verzichtete auf den billigen Sieg zu sagen: Ja, ich leihe Ihnen mein über zehn Jahre altes Aluminiumfahrrad, das mich schon lange begleitet und das ich auch nicht aufgeben werde. Was wäre das für ein Popularitätsschub gewesen! „Grüner Bundestagsabgeordneter verleiht sein Fahrrad an BZ-Reporter.“ Ein hübscher Aufmacher!

Und da Sie schon die nette biblische Wendung des „gerechten Zorns“ verwenden: Paulus rät im Epheserbrief, „die Sonne nicht über dem Zorn untergehen zu lassen“ (4,26) – er ermahnt also, sich von Gefühlsaufwallungen nicht fortreißen zu lassen, denn „im Zorn tut der Mensch nicht das, was vor Gott recht ist“ (Jak 1,20). Bei nüchternem Gemüt sehen die Dinge bald anders aus. Ich bitte Sie also: Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Widersacher, bringen Sie die Beziehung ins Reine! Immerhin haben Sie ihn ja doch öffentlich recht schroff der Unhöflichkeit, der Verbohrtheit und Rechthaberei bezichtigt. Bitten Sie ihn um Verzeihung hierfür! Das wäre ein echtes Zeichen der Großmut, deren Mangel Sie bei Ihrem Gegner beklagen.

Aber um das Ganze zu einem versöhnlichen Abschluss zu bringen: Ich leihe Ihnen mein Rad! Ich habe in diesem Blog öffentlich mein Zweitrad jedem angeboten, der während des BVG-Streiks im Regen steht. Dieses Blog berichtete am 05.03.2008. Morgen ist es noch frei. Versprochen ist versprochen! Klipp und klar.

Sie finden mich heute um 19 Uhr bei der Gründung der ADFC-Stadtteilgruppe Friedrichshain-Kreuzberg im Restaurant Max & Moritz, Oranienstraße. Kommen Sie, hören Sie, berichten Sie, leihen Sie ein Fahrrad von mir!

Ich schließe hier – denn die Sonne geht unter.

Mit besten Grüßen

Johannes Hampel

 Posted by at 19:01

  5 Responses to “Herr Schupelius, ich leihe Ihnen mein Rad. Klipp und Klar.”

  1. Ein weiterer Beleg findet sich in der Fachliteratur: Radzeit, Ausgabe 3+4/2007, S. 28, Zitat Ströbele: „Ich fahre das ganze Jahr hindurch mit dem Rad zu meinem Arbeitsplatz in den Bundestag – auch bei Schnee … Seit mehr als einem Jahrzehnt fahre ich nun schon mein Kettler Alu-Fahrrad. Das wird kritisiert, weil die Herstellung des Aluminiums so viel Energie gekostet hat.“ Online nachlesbar unter http://www.radzeit.de

    Ich meine: Nach über 10 Jahren Gebrauch wird hier nichts mehr zu kritisieren sein, diese Umweltschuld ist doch längst verjährt. Ich lobe so eine Beständigkeit.

  2. Jetzt bin ich beeindruckt, ein Grüner, der noch grün ist! Toll!

  3. Holger, doch, Christian Ströbele hat mindestens ein Fahrrad, denn ich habe ihn schon einige Male auf den Straßen meines (seines) Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg fahren sehen. Er hielt sich stets an alle Verkehrsregeln wie du und ich, und er fuhr mit buchstäblich „geradem Rücken“. So scheint er eben zu sein. Er verbiegt sich nicht. Beste Grüße, Johannes Hampel, seit gestern abend: gewählter Sprecher der ADFC-Stadtteilgruppe Friedrichshain-Kreuzberg

  4. Herr Ströbele hat ein Fahrrad? Ich meine eines, dass er auch benutzt. Kaum vorstellbar bei den saturierten Altgrünen. Mein Zweitrad kann ich leider nicht mehr verleihen, weil es ein Unbekannter ohne meine Zustimmung dauerhaft entliehen hat. Und zum Thema, da frage ich mich, was Herr Ströbele in den Jahren seiner Politkarriere wohl gelernt haben mag. Ohne jede Not liefert er dem „publizierenden Gegner“ Munition.

Sorry, the comment form is closed at this time.