Immer wieder gerate ich in kleine lockere Plaudereien beim Einkaufen, beim Bahnfahren, auf Festen und sogar beim Radfahren an der roten Ampel. Ein Familienangehöriger schalt mich schon einmal dafür: „Muss du wirklich mit jedem deine Gespräche führen …!“
Hierauf erwiderte ich: „Ich dränge niemandem solche Plaudereien auf … aber wenn die Leute so gern erzählen, warum soll ich nicht zuhören? Was ist denn so schlimm, wenn Menschen, die ich vor 5 Minuten noch gar nicht kannte, aus ihrem Leben erzählen?“
So sprach ich vor wenigen Tagen mit einer Kassiererin in einer Kreuzberger Kaufhalle (keine Angst, Filialleiter: Es war kein anderer Kunde da!). Ich bezahlte einige Waren täglicher Bedarf (WtB). Wir sprachen ein paar Takte. Dann erzählte sie: „Das war damals schön. Am Nachmittag, nach der Schule, gab es immer was zu tun: Gruppennachmittage, Pioniere, die FDJ, Zeltlager, Fahrten. Niemand kam auf dumme Gedanken. Das bisschen Politik lief so nebenher mit. “
„Wo genau sind Sie aufgewachsen?“, fragte ich. „In Friedrichshain. Und heute,“ fuhr sie fort, „da seh ich die Jugendlichen stundenlang draußen rumhängen, während ich an der Kasse sitze. Die wissen nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen. Keiner fühlt sich verantwortlich für die.“
Ich steuerte auch aus meiner Jugend bei: „Mir ging es so ähnlich. Ich war viel in kirchlichen Organisationen eingebunden. Die Religion lief nebenher mit – aber wir hatten immer etwas zu tun, es gab Unternehmungen, Gespräche, Musik. Dieses Geflecht an Vereinen und Gruppen scheint für die Jungen heute nicht mehr zu bestehen. Man geht lieber in die Clubs, in die Konzerte, hängt ab, konsumiert und amüsiert sich.“
Wir kommen überein: Jugendliche heute haben viel mehr Zeit und wesentlich mehr Geld zur freien Verfügung als wir damals. Gut ist das nicht in jedem Fall.
Die junge Frau schätze ich – auf etwa Jahrgang 1975. Sie war beim Zusammenbruch der DDR vielleicht 14 Jahre alt. Wenn sie sagt: „Meine Kindheit war schön“, dann ist das keine Verklärung der DDR, sondern ein echtes Gefühl, das man auf keinen Fall anzweifeln oder bewerten sollte. Es ist so. Und so wie ihr mag es tausenden anderen ergangen sein.
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