Dez 032013
 

Ravasi Sünde buchabbildung_big

Zu den ersten Lesern eines soeben erst ins Deutsche übersetzten Buches über menschliche Fehlhaltungen gehört ein Psychologe, mit dem ich seit frühester Jugend in Verbindung stehe. „Sünde. Versuche vom verfehlten Leben“, so der Titel des Buches.

Grundabsicht des Buches scheint zu sein, einen gewissen Formenkreis an menschlichen, allzumenschlichen Haltungen und Fehlhaltungen zu erfassen: eine Bestandsaufnahme dessen, was schieflaufen kann im Verlauf eines Lebens – jedes Lebens. Diese Fehlhaltungen, Verführungen, Abwege, „Sünden“, „Laster“ … oder wie immer man dies nennen will, scheinen sich über die Jahrtausende durchzuhalten. Das leuchtet auch ein, denn die biologische Grundausstattung der Spezies Mensch, unser „alter Adam“, hat sich nach allem, was die Evolutionsbiologie lehrt, in den paar Jahrtausenden, die wir überblicken können, kaum verändert.

So redet man zur Weihnachtszeit gern immer wieder von der GIER, mit der die reichen Länder die Natur oder die armen Länder ausplündern. GIER, das ist genau eine dieser Fehlhaltungen. Avaritia, „Gier“, „Habsucht“, „Hartherzigkeit“ oder „Geiz“ ist eine solche Grundhaltung: Das Immer-mehr-haben-und-nichts-hergeben-Wollen.  „Davon müssen wir wegkommen!“ Ja, in der Tat: Niemand möchte eine Welt, in der die Gier schrankenlos herrscht. Niemand möchte eine Welt, in der die Gierigen, die Habsüchtigen, die Neidischen das Kommando führen.

„Neid … Habsucht … Gier … Faulheit …? Das könnte interessant sein. Wir haben schon vor 20 Jahren in der Psychologie diese Themen wiederaufgegriffen. Damals interessierte sich noch niemand dafür.“ Der Psychologe begann sich für das Buch zu erwärmen. Sicherlich, man sprach damals von systemischer Therapie, positiver Verstärkung, von negativen Reflexbildungen und Konditionierungen, usw. usw. Dass letztlich in den „negativen Konditionierungen“ immer wieder dieselben habituellen Fehlstellungen oder „Laster“ aufscheinen könnten, wagte man damals kaum zu denken.

Wie dem auch sei: zur Weihnachtszeit und zur Überwindung der schrankenlosen Gier mag ein Blick in dieses soeben auf Deutsch erschienene Buch von Gianfranco Ravasi nicht schaden. Als Übersetzer durfte sich daran der hier schreibende Kreuzberger erproben.

Gianfranco Ravasi: Sünde. Versuche vom verfehlten Leben. Übersetzt von Johannes Hampel. EOS Verlag St. Ottilien, 2013. 335 Seiten, € 19,80
Original: Gianfranco Ravasi: Le porte del peccato. Arnoldo Mondadori, Milano 2007

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