Nov 252015
 

Auf diese Frage antwortete gestern in der Süddeutschen der Magdeburger Theologe David Begrich: „Der preußische Ikarus. Immer noch.“ Ein klarer Hinweis auf die trutzig aufbegehrende Ballade unsere Nationalbarden Wolf Biermann! Du kennst sie doch!

[…]
dann steht da der preussische Ikarus
mit grauen Flügeln aus Eisenguss
dem tun seine Arme so weh
er fliegt nicht weg – er stürzt nicht ab
macht keinen Wind – und macht nicht schlapp
am Geländer über der Spree

„Was ist für Sie deutsch?“

Darauf antworte ich mit einem vierfachen Glockenschlag:

Eins!
Der Magdeburger Dom mit seinem afrochristlichen Stadtpatron Mauritius, mit der ersten plastischen Darstellung eines Schwarzafrikaners im Norden der Alpen.

Vergiss es nicht ganz, o Magdeburg!

Zwei!
Die Magdeburger Stadtpatronin, Katharina von Alexandria, eine ägyptische Vorkämpferin der Frauenbildung und der Frauenemanzipation im Nahen Osten, die eine zahlenmäßig vielfach überlegene Schar an akademischen männlichen High-Potential-Philosophen in Grund und Boden disputierte.

Sei dir dessen bewusst und sei dankbar dafür, o Magdeburg!

Drei!
Das Magdeburger Stadtrecht, das modellhaft weithin strahlend in vielen Städten Europas Anwendung fand, darunter Königsberg, Kaunas, Vilnius, Warschau, Posen, Kiew und Minsk. Das Magdeburger Recht samt seinen Tochterrechten ermöglichte die Herausbildung städtischen Selbstbewusstseins, städtischen Eigenrechts in weiten Gegenden Europas. Städte – nicht die Territorialherrschaften waren die Keimzelle der Demokratie.

Gedenke dessen und vergiss es nicht, o Magdeburg!

Vier!
Otto I., römisch-deutscher Kaiser ab 962. Etwa ab dem Jahr 962 vollzog sich die Herausbildung eines mehr oder minder deutlich ausgeprägten Eigenbewusstseins der Deutschen. Erst seit etwas mehr als 1000 Jahren gibt es so etwas wie „deutsche Geschichte“ – oder besser „Geschichte der deutschen Lande“.

Schieb es nicht ganz weg, o Magdeburg!

Ein paar Zeilen seien rasch noch hingeworfen:

Magdeburger Mauritius an Preußens Ikarus

Du lass dich nicht verhärten
Von Eisen, Schuld und Stolz,
Von Riegeln und von Gerten,
Du bist aus weichem Holz.

Entfalt doch deine Flügel,
Steig raus aus deiner Gruft,
Tu ab den spröden Zügel,
Erheb dich in die Luft!

Zerspreng den Bann des Bösen,
Du kannst mehr als du denkst,
Lass dich vom Windhauch lösen,
Du fliegst so wie du lenkst.

Lass irre Tölpel keifen,
Flieg wie dein Herz dich trägt,
Lass deine Bahnen schweifen,
Zur Stelle die dich hegt.

 Posted by at 13:49

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