Mrz 012010
 

Etwa 7% der Gefängnisinsassen in Deutschland sind weiblich. Die anderen – sind Männer.

Eine Werkstatt der Selbstviktimisierung sind die Flugblätter verschiedenster Opfergruppen, die ich in Kreuzberg erhalte. Der Mechanismus ist immer derselbe: Man erklärt sich selbst oder andere zu Opfern, man gründet eine Inititive, man beantragt Förderung bei den staatlichen Stellen, man setzt eine/n GeschäftsführerIn ein, der/die GeschäftsführerIn und ihre bezahlten  HelferInnen verstärken durch Propaganda das Gefühl der Viktimisierung, neue Stellen werden geschaffen. Ein sich selbst tragender, in Kreuzberg häufig durch öffentliche Gelder finanzierter Zirkus ist entstanden.

Das will ich auch! So gehöre ich zahlreichen Minderheiten an. Ich will auch Förderung! Ich könnte jederzeit zwei drei Minderheiten-Inis aus dem Boden stampfen und prima davon leben: Radfahrer, Geigenspieler, Plato-Leser, deutschsprachige Minderheit in einer vorwiegend russisch geprägten Familie, Sony-VAIO-Benutzer unter lauter I-Phone-Nutzern, Vater eines Schweinefleischverzehrers in einer muslimisch geprägten Schülerpopulation und und und – die Liste der Opferkategorien ist beliebig erweiterbar.

Neueste benachteiligte Gruppe: Die Frauen. Die gefängnisbedrohten Frauen. Alle Frauen. Ich lese: „Jede von uns ist vom Knast bedroht.“ Warum? Weil es Frauen sind. Lest selbst das Original eines Flugblattes aus dem New Yorck im Bethanien. Ihr werdet merken: Nach zweifellos richtigen Feststellungen – etwa dass Frauen ungerechterweise 13% weniger Entgelt erhalten – steigern sich die VerfasserInnen in eine rauschende Orgie der Selbst-Viktimisierung hinein, die hier geradezu exemplarisch vorgeführt wird. Obwohl die überwältigende Mehrheit der Knast-Population nachweisbar männlich ist, entsteht beim Lesen des Flugblattes der Eindruck, eine männlich dominierte, repressive Gesellschaft lege es geradezu darauf an, ALLE Frauen in den Knast zu bringen – es sei denn, diese Frauen stünden als Sex- und Arbeitssklavinnen zur Verfügung. Grotesk. Lächerlich. Aber so läuft der Hase. Damit verdienen viele viele Menschen Geld.

Lest! Genießt! Solidarisiert euch! Zitat:

„Immer noch werden Frauen als Sexualobjekte wahrgenommen und belästigt und ausgebeutet.

Immer noch sind es in erster Linie sozial und ökonomisch benachteiligte Frauen, die von Repression betroffen sind und nicht die Mittel und Möglichkeiten haben, sich dem Knastsystem zu entziehen.

Frauen, die nicht an die gesellschaftlichen Rollen und Normen sich anpassen wollen oder können, landen schnell in der Psychiatrie oder im Knast. Wir gehen heute zum Knast Pankow, weil wir zeigen wollen, dass die Frauen drinnen nicht allein sind.

Jede von uns ist vom Knast bedroht. Wir müssen die Mauern sprengen, die uns trennen. Weil: DIESES MÄRCHEN IST NICHT UNSER! Jeder einzelne Kampf ist wichtig, überall, und gemeinsam sind wir stark!

Wir grüßen alle kämpfenden Mädchen, Frauen, Lesben, Transgender, sichtbar und unsichtbar, auf der Straße, zu Hause, in Schulen und Betrieben, auf dem Arbeitsamt, im Knast, in der Psychiatrie und im Exil.“

 Posted by at 13:00

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